Die Fränkische Schweiz - Land der Brauereien

Von Robert Pawelczak – 09/2019

Als charakteristisch für die Fränkische Schweiz gelten markante Felsformationen, zahlreiche Tropfsteinhöhlen, viele Burgen und Ruinen. Typisch für die Fränkische Schweiz sind aber auch ihre zahlreichen Brauereien. Man findet davon so viele, wie in sonst keiner anderen Region Deutschlands. Nur die benachbarte Oberpfalz erreicht eine ähnliche Brauereidichte. Diese Vielzahl, die dazu führt, dass selbst in der kleinsten Ortschaft eine Brauerei existiert, ist auch für den Touristen ein Element, das für ihn die Attraktivität der Fränkischen Schweiz ausmacht.

Weshalb aber gibt es gerade in der Fränkischen Schweiz diese große Brauereizahl und -dichte? Auch in anderen Regionen Deutschlands gab es vor 200 Jahren zwar eine hohe Anzahl betriebener Bierbraustätten. In Oberfranken kommen jedoch weitere Einflussfaktoren hinzu, die bereits in der Vergangenheit zu einer überproportional hohen Brauereienzahl führten. In den Städten war das seit dem Spätmittelalter hoheitlich streng regulierte Brauwesen bis ins 18. Jahrhundert (vor allem im östlichen Oberfranken) überwiegend durch Kommunbrauereien organisiert, was zu sehr zahlreichen, allerdings sehr kleinen Brauereien mit Hausbraurecht führte. 1840 etwa gab es in Oberfranken 854 Kommunbrauer. Der Bierzwang oder Bierbann der Städte verhinderte zwar generell auf dem Land in einem bestimmten Umkreis um diese Städte das Brauen in den Dörfern. In Franken gab es jedoch einen hiervon abweichenden speziellen Einflussfaktor: „In Franken sorgte vor allem die Durchdringung der größeren Territorien mit reichsritterschaftlichen Kleinherrschaften dafür, dass es frühzeitig auch außerhalb der Städte Braustätten gab.“ (GUNZELMANN 2010, S. 9) – wurden die Brauereigerechtigkeiten großzügig verteilt, auch auf dem Dorf. Sichtbares Zeichen dieser Rechtsverleihung ist in vielen Fällen der Brauerstern, der in Wirtshausschildern aufscheint (Abb. 1). Der Sechszack hat übrigens nichts, wie oft fälschlicherweise angenommen, mit dem Davidsstern zu tun. Der hohe Anteil reichsritterschaftlicher Flächen in der Fränkischen Schweiz beflügelte somit das Entstehen von Brauereien auf dem Land. Die meisten Gründungen lassen sich für das ausgehende 18. Jahrhundert und das frühe 19. Jahrhundert feststellen (GENUSSREGION OBERFRANKEN 2017). Mit der Aufhebung des Bierzwangs zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnten weitere dörfliche Brauereien entstehen.

Abb. 1: Das Zunftzeichen des Brauwesens, der sechseckige Brauerstern, ist noch auf Schildern an vielen Brauereigebäuden angebracht, wie hier an der Brauerei Schütz in Uetzing.
Abb. 1: Das Zunftzeichen des Brauwesens, der sechseckige Brauerstern, ist noch auf Schildern an vielen Brauereigebäuden angebracht, wie hier an der Brauerei Schütz in Uetzing. (Foto: Herbert Popp)

Seither kam es in manchen Regionen Deutschlands zu einer Konzentration auf mehrere Großbrauereien, und damit zu einer Verdrängung der kleinen Brauereien. Dass dieser Verdrängungskampf in Franken anders ablief, hat mehrere Gründe. Die Fränkische Schweiz war nach dem Zweiten Weltkrieg Zonenrandgebiet, in dem die Wirtschaftskraft deutlich hinter der der Ruhrmetropolen oder des oberbayerischen Ballungsgebietes lag. So war es für viele Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich, neben ihrer Tätigkeit in einem Industrie- oder Handwerksbetrieb weiterhin Landwirtschaft zu betreiben. Die dadurch entstandenen Dorfbrauereien wurden meist über Generationen im Familienbesitz betrieben. Für die Großbrauereien war es wenig attraktiv, diese meist sehr kleinen Brauereien zu übernehmen, da diese nur wenige 100 Hektoliter im Jahr produzieren. Aber auch die Mentalität der Menschen in der Region hat ihren Teil zum Erhalt der Braustätten beigetragen: „Die beste Brautradition nützt nichts, wenn die Kunden ausbleiben. Der echte Oberfranke jedoch bleibt seiner Hausbrauerei treu. Er verjevert oder verradebergert nicht“ (WILKES 2014, S. 59) und die „Brauereibesitzer gelten als Personen des öffentlichen Lebens und nehmen als solche an diesem rege teil. Man kennt sie und man schätzt sie. Die 7-Tage-Woche und ein 16-Stunden-Tag sind meistens noch gang und gäbe, wenn sie sich mit viel Engagement und Liebe der Herstellung des Gerstensaftes und dem Wohle ihrer Gäste hingeben.“ (SCHULTERS 1985, S. 4 f.).

Attraktivität der Brauereien in der Fränkischen Schweiz

Oberfranken wird an den Hinweisschildern entlang der Autobahnen, die die Fränkische Schweiz einrahmen, als das Land der Brauereien angepriesen. Zwar ist diese Aussage immer noch richtig, wird allerdings nur Jahre zurückgeblickt, dann erschließt sich, welche rückläufige Entwicklung in dieser Zeit zu verzeichnen war.

In der Gegenwart ist Oberfranken (und speziell die Fränkische Schweiz) immer noch interessant für viele Biertouristen, die gezielt wegen der Vielfalt und Einzigartigkeit der Bierkultur und Brauereivielfalt anreisen. Seit kurzem gibt es verschiedene touristische Angebote im Bereich der Bierkultur, wie z. B. Wandertouren von Brauerei zu Brauerei, etwa der Fünf-Seidla-Steig rund um Gräfenberg, der Aufseßer Bierweg, die Bamberger Bierschmeckertouren, um nur einige zu nennen. Ein wichtiger Faktor für die hohe Nachfrage und Wertschätzung der Biere der Region ist nicht zuletzt ihr relativ niedriges Preisniveau, das sich für 0,5 l Bier zwischen 2 € und 2,50 € bewegt.

Dieses niedrige Preisniveau ist aber gleichzeitig für viele kleinere Brauereien ein Faktor, der sie in ihrer Entwicklung einschränkt oder gar in ihrem Fortbestand gefährdet. Notwendige Investitionen sind nur schwer zu leisten und für die Nachfolgegenerationen erscheint es nicht erstrebenswert, unter angespannten finanziellen Voraussetzungen den Betrieb weiter zu führen. Andererseits führt dieses preiswerte Bier im Nachfrageverhalten auch dazu, dass die Brauereivielfalt und Bierkultur erhalten bleibt. Es gibt immer noch Gasthäuser in kleinen Dörfern, die mitunter von weither gezielt besucht werden. In anderen Regionen Deutschlands, wie etwa im Großraum München oder Großstädten wie Hamburg und Frankfurt, sind die Preise wesentlich höher. In Oberfranken ist dagegen noch der Besuch der Wirtshäuser die Regel.

Besonderheiten der fränkischen Brauereien

Bis vor dreißig Jahren war es überhaupt kein Problem, ein Dutzend Brauereien in der Fränkischen Schweiz zu finden, die lediglich eine einzige Sorte Bier produzierten. Dies war häufig ein etwas dunkleres, vollmundiges Bier mit geringer Hopfung und niedrigem Kohlensäuregehalt, teilweise sogar noch unfiltriert. Häufig nannten die Brauer ihr Produkt Lager- oder Vollbier. Die korrekte Bezeichnung der Biersorte war jedoch nicht wichtig, da es meist kein Flaschenbier gab. Heute findet man in der Fränkischen Schweiz am häufigsten Kellerbier, Lagerbier, Zwickelbier, Vollbier oder Ungespundetes. Die Begriffe „Keller“, „Lager“ und „Zwickel“ deuten in der Regel darauf hin, dass die Biere unfiltriert, also hefetrüb in den Ausschank gelangen. Ungespundet wiederum bedeutet, dass die jeweiligen Biere ohne Spundung gereift sind. Das heißt die Lagertanks werden nicht unter Überdruck gesetzt, so dass sich Kohlendioxid nur durch den vorhandenen hydrostatischen Druck auf natürliche Weise im Bier bindet, wodurch der Kohlendioxidgehalt dieser Biere etwas niedriger ist. Zudem sind die Biere der Fränkischen Schweiz etwas dunkler als solche aus anderen Regionen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Brauwasser der Region aufgrund der Bodenbeschaffenheit meist einen hohen Anteil an Karbonathärte aufweist. Diese verändert das Brauwasser so, dass während des Brauprozesses mehr Malzinhaltsstoffe gelöst werden, die das Bier dunkler werden lassen.

Noch bis vor wenigen Jahren war diese eine Biersorte ausreichend für die Dorfbewohner. Aber dadurch, dass die kleinen Brauereien immer mehr auf Gäste aus anderen Ortschaften, der nächsten Stadt oder gar von weiter entfernt angewiesen sind, wurde neben dem am weitesten verbreiteten Lager ein Pils, ein Helles, ein Dunkles und teilweise sogar ein Weizen gebraut. Gleichzeitig erhofft man sich durch diese Diversifikation neue Kundschaft, da viele Brauereien den Vertriebsweg über den Getränkefachgroßhandel suchen und sich nicht mehr nur auf ihr Ortskundschaft verlassen können.

Wirtschaftliche Situation der Brauereien

Das niedrige Preisniveau in der Gastronomie sorgt aber für die Produzenten dafür, dass es vielen Brauereien schwerfällt, die Investitionen durchzuführen, die notwendig wären, damit die Technik auf dem neuesten Stand bleibt. Diese Investitionen wären essentiell, um kostengünstig und Ressourcen schonend zu produzieren und sicher zu stellen, dass der Produktionsbetrieb die immer strengeren Hygienebestimmungen erfüllt. In modernen Brauanlagen ist auch eher die Möglichkeit gegeben, dass das hergestellte Bier immer den gleichen qualitativen Anforderungen entspricht.

Für manche Brauerei in der Fränkischen Schweiz ist der Flaschenbierverkauf heute eine wichtige Einnahmequelle. Da auch in diesem Segment die Preise niedrig und die Herstellungskosten hoch sind und zudem die Konkurrenz auf dem Markt groß ist, bringt aber auch der Flaschenbierverkauf nicht den erhofften Ertrag. Die meisten Einnahmen erzielen die kleinen Brauereien in ihrem angeschlossenen Wirtshaus, das idealerweise als Familienbetrieb geführt wird. Aber selbst auf diesem Geschäftsfeld kommt es zu Schließungen. Erst 2017 wurde die Gaststätte einer blühenden Brauerei (Brauerei Meister in Unterzaunsbach) aufgrund von Personalmangel geschlossen.

Gründe für das Brauereisterben

Das große Brauereisterben, wie man es aus anderen Regionen Deutschlands seit Jahrzehnten kennt, fand auch in der Fränkischen Schweiz statt. Möglicherweise erschließt sich das dem Außenstehenden nur unterschwellig, denn die Anzahl der noch heute betriebenen Brauereien ist immer noch sehr hoch. Das Brauereisterben in Franken (und auch in der Fränkischen Schweiz) setzte in den 1950er Jahren ein. Damals begannen große Mittelstandsbrauereien und industriell fertigende Großbrauereien nach neuen Märkten zu suchen. Ihre Strategie bestand darin, auf dem flachen Land – in direkter Nähe der ortsansässigen Dorfbrauereien – an Orten guter Erreichbarkeit sogenannte Getränkeniederlassungen zu eröffnen und von dort die Bewohner der umliegenden Ortschaften mit einem Heimdienst, also einem rollenden Getränkekiosk, zu beliefern. Die Lieferung erfolgte kostenlos und die Preise lagen unter denen der kleineren Dorfbrauereien, weswegen deren Zahl zurückging. Um genauso günstig zu produzieren, hätten sie investieren und expandieren müssen, doch dafür reichte die Kapazität der Brauereien nicht aus. Häufig wurde zunächst die Flaschenabfüllung geschlossen und nur noch Fassbier bzw. an Laufkundschaft verkauft. Allerdings war auch die Zahl der Laufkundschaft rückläufig, so dass geschlossen werden musste.

Die Marke wurde dann häufig von einer Großbrauerei aufgekauft, die das Bier weiter produzierte. Oftmals wurde dann das Bier der Großbrauerei unter dem Namen der aufgekauften Dorfbrauerei verkauft und die Preise stiegen deutlich. Darüber hinaus war es bis weit in die 1960er Jahre üblich sich bei Großereignissen zum Fernsehen in der Brauereigaststätte zu treffen, während dies heute überwiegend vor dem heimischen TV geschieht. Dies trug zugleich zum Rückgang der Stammtische bei.

Der zeitliche und räumliche Schrumpfungsprozess der Brauereien der Fränkischen Schweiz

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Der Rückgang der Brauereien im Zeitraum 1966 bis 2016, also in nur fünfzig Jahren, ist so dramatisch, dass die Bezeichnung Brauereiensterben keineswegs übertrieben ist. Von einem Ausgangsbestand von 123 Brauereien im Jahr 1965 ist die Zahl der Brauereien auf einen Bestand von nur mehr 63 im Jahr 2017 geschrumpft. In den untersuchten 50 Jahren sind die Brauereien somit auf die Hälfte zurückgegangen (Abb. 2). Dabei lassen sich Phasen unterscheiden, in denen die Zahl der Aufgaben dramatisch war, während es andere Zeiträume gab, in denen kaum neue Schließungen zu verzeichnen waren. In den 1960er bis Mitte der 1980er Jahre war das Brauereiensterben sehr ausgeprägt, gaben in dieser Phase jährlich im Schnitt drei Brauereien auf. Von 1988 bis etwa 2000 schwächte sich die Schrumpfung deutlich ab mit nunmehr nur noch ein bis zwei Aufgaben im Jahr. Seit 2003 sind weitere Aufgaben nur noch vereinzelt zu verzeichnen. Die noch bestehenden Brauereien scheinen also eine solide Existenzbasis gefunden zu haben. Die räumliche Verteilung des Schrumpfungsprozesses (Abb. 3) auf der zoombaren Karte bestätigt diese Vermutung. Es sind vor allem viele Brauereien in Kleinstädten und größeren Dörfern ausgeschieden (z. B. Bad Staffelstein, Ebermannstadt, Eggolsheim, Hollfeld, Königsfeld, Muggendorf, Scheßlitz, Steinfeld, Stübig, Uetzing, Weismain).

Am häufigsten konnten sich jene Brauereien halten, die nicht nur die Dorfbewohner anzogen, sondern auch Naherholer und Touristen zu ihren Kunden zählen. Als Beispiele können hier (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) herangezogen werden: Aufseß, Breitenlesau, Büchenbach, Buttenheim, Geisfeld, Heckenhof, Hochstahl, Hohenschwärz, Huppendorf, Leups, Lindenhardt, Oberailsfeld, Oberleinleiter, Pottenstein, Tiefenellern, Vierzehnheiligen, Weißenohe, Würgau.

Abb. 3: Das Brauereiensterben in Franken und seinen Regierungsbezirken 1966-2016
Abb. 3: Das Brauereiensterben in Franken und seinen Regierungsbezirken 1966-2016 (Datengrundlage: Frank Wetzel)

Selbst nach erfolgter Aufgabe gibt es Standorte, die zwar nicht mehr selbst brauen, ihr Bier aber im Lohnsudverfahren nach wie vor nach dem alten Rezept anbieten. Das gilt z. B. für Weiglathal, wo die ehemalige Brauerei Übelhack ihr Bier bei der Brauerei Simon in Lauf brauen lässt, oder für die Brauerei Sauer in Gunzendorf, die ihr Bier seit 2014 im Lohnbrauverfahren in Eschenbach bei Eltmann herstellen lässt.

Für Franken insgesamt und für seine drei Regierungsbezirke hat Frank Wetzel von der Bierregion-Franken ganz ähnliche Entwicklungstendenzen festgestellt. Er konnte dokumentieren, dass sich die Zahl der Brauereien zwischen 1966 und 2016 in Franken insgesamt und in Oberfranken auf je ein Drittel des Ausgangsbestandes, in Mittel- und Unterfranken auf je die Hälfte (bei allerdings bereits geringerem Brauereienbestand) reduziert haben (vgl. Abb. 3). Das Brauereisterben in der Fränkischen Schweiz (Schrumpfung auf die Hälfte) läuft somit sogar deutlich weniger drastisch ab als in Oberfranken insgesamt.

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Auswirkung und Chancen des Tourismus für Brauereien, aufgezeigt an einer ausgewählten Brauerei

Am Beispiel der Brauerei Grasser in Huppendorf, wenige Kilometer östlich von Bamberg am Rande der Fränkischen Schweiz gelegen, soll aufgezeigt werden, wie Brauereien auch in der heutigen, wirtschaftlich schwierigen Zeit, bestehen können. Die Daten wurden vom jetzigen Besitzer Braumeister Johannes Grasser abgefragt und autorisiert.

Abb. 5: Gaststättengebäude Grasser in Huppendorf (Landkreis Bamberg)
Abb. 5: Gaststättengebäude Grasser in Huppendorf (Landkreis Bamberg) (Foto: Robert Pawelczak)

Gleich zu Anfang sei gesagt, dass sich das Buchungsverhalten der Touristen seit den 1960er Jahren in Huppendorf bis heute gewandelt hat. Früher haben die Urlauber ein bis zwei Wochen mit der gesamten Familie in einem Ort verbracht und von dort aus kleinere Ausflüge oder vor allem Wanderungen unternommen. Jetzt sind die Buchungen in der Regel auf ein Wochenende begrenzt, und viele der Urlauber kommen als Reisegruppe. Der Grund, weshalb sich diese Menschen gerade für den Biertourismus entschieden haben, ist unter anderem der Mannigfaltigkeit der Biersorten und der Brauereien in der Umgebung sowie den niedrigen Preisen geschuldet. Zudem lässt sich feststellen, dass heute viele Fahrradfahrer auf der Durchreise oder während einer Tagestour in Huppendorf einkehren. Deshalb gibt es auch seit einigen Jahren während der Mittagszeit täglich Mittagstisch, was früher nicht notwendig war, da die Einheimischen in der Regel nur am Abend ein Bier getrunken haben.

Abb. 6: Das neue Brauereigebäude von Grasser in Huppendorf
Abb. 6: Das neue Brauereigebäude von Grasser in Huppendorf (Foto: Johannes Grasser)

In den 1950er Jahren gab es in der Brauerei Grasser eine kleine Gaststätte mit 40 Sitzplätzen und direkt daran angeschlossener Stube und Küche für die Familie. Es gab jedoch für die Gäste wegen der fehlenden Nachfrage noch keine Speisen. Gebraut wurde nur eine sehr geringe Menge Bier für die eigene Gastwirtschaft, der Jahresausstoß lag bei rund 200 Hektolitern. Außerhalb der Familie gab es keine Mitarbeiter. Die Familie betrieb die Gastwirtschaft, die Brauerei und eine Land- und Viehwirtschaft. Einmal im Jahr war Kirchweih („Allerweltskerwa“). Zu diesem Fest halfen Verwandte oder Frauen aus der Gemeinde aus. Das Speisenangebot beschränkte sich aber trotzdem auf ausgezogene Krapfen, Rehragout und -braten aus eigener Jagd, Sauerbraten und hausgemachte Bratwürste.

1966 beschloss Michael Grasser, der inzwischen verstorbene Vater des heutigen Besitzers, auf der anderen Straßenseite eine neue Brauerei zu errichten. Gegen den Trend entschied er sich dafür, die Kapazität seiner Brauanlage auf einem unbebauten Grundstück zu erweitern. Gebraut wurde nun vor allem für Hausbrauer – die das vergorene Bier aus der Brauerei nehmen durften, um es zu Hause reifen zu lassen, was deutlich günstiger war – und nur eine geringe Menge für die eigene Wirtschaft. Zeitgleich mit dem Abriss des alten Sudwerks 1969 wurde der erste Brauergeselle zur Unterstützung eingestellt. Der Ausstoß lag bei rund 500 Hektolitern Bier.

Durch den Abriss des alten Sudwerkes war es möglich, die Gaststätte auf 90 Sitzplätze zu erweitern. Zudem wurden die ersten drei Fremdenzimmer – noch mit WC auf dem Flur – eingerichtet und ein Hausmädchen zur Unterstützung in Küche und Gastwirtschaft eingestellt.

Der weitere Verlauf wird hier nur in verkürzter Form wiedergegeben:

  • 1972: erste Flaschenfüllerei und erster Lehrling

  • 1974: zehn neue Lagertanks, zweiter Geselle, Rinderzucht wird beendet

  • 1979: Filtration zur Verlängerung der Haltbarkeit des Bieres, Felder werden verpachtet, Forst wird weiter bewirtschaftet

  • 1983: neue Flaschenfüllerei, erster Bierfahrer eingestellt, Jahresausstoß von 2.500 Hektolitern

  • 1985: Beginn der Limonadenherstellung, sechs Fremdenzimmer mit Dusche und WC

  • 1989: acht neue Lagertanks, vier neue Fremdenzimmer

  • 1996: Johannes Grasser übernimmt den Betrieb, Gaststätte wird auf 110 Sitzplätze erweitert

  • 1999: Neubau von Gärkeller und Flaschenfüllerei, Felder an Biolandwirt verpachtet

  • 2000: Lagerkellerneubau, Keganlage, Kläranlage, 22 moderne Gästezimmer

  • 2006: Neubau einer Vollguthalle

  • 2008: Errichtung einer Hackschnitzelheizung für den Gesamtbetrieb

  • 2009: Sudhausneubau

  • 2016: insgesamt vier Outdoor-Lagertanks, Mitarbeiter: Johannes Grasser, zwei Meister, vier Gesellen, ein Auszubildender, drei Fahrer, ein Disponent

Abb. 7: Mitarbeiter der Brauerei Grasser in Huppendorf
Abb. 7: Mitarbeiter der Brauerei Grasser in Huppendorf (Foto: Johannes Grasser)

Der Jahresbierausstoß beträgt heute rund 20.000 hl (also das Vierzigfache im Vergleich zu 1969), dazu kommen 5.000 hl Limonaden und verschiedene Wasser. Hergestellte Biersorten sind: Vollbier als Hauptsorte mit Kultcharakter (ein Huppi), Pils, Zwickl, Weizen und saisonale Spezialitäten wie Öchsla an Pfingsten und ein Rauchbier (Grachäds).

Erwähnt werden muss noch, dass der Inhaber weiterhin eine Schweinemast betreibt. Das Fleisch dieser Tiere und die eigene Jagd dienen der Versorgung der Küche mit Fleisch- und Wurstwaren, da auch die Wurstwaren selbst hergestellt werden. Die Forstwirtschaft deckt den Bedarf des Blockheizkraftwerkes, das der Energieversorgung der Brauerei und der Gaststätte dient. In den 1970er Jahren, also kurz nach dem Sudhausneubau, etablierte Michael Grasser gegen den Willen des Klerus in Huppendorf, das überhaupt keine eigene Kirche besitzt, eine zweite Kirchweih, um den Bierabsatz zu forcieren.

Fazit

Abb. 8: Auswirkungen einer potentiellen Bierkellerschließung auf den Ort (in %, Mehrfachnennungen)
Abb. 8: Auswirkungen einer potentiellen Bierkellerschließung auf den Ort (in %, Mehrfachnennungen) (verändert nach: REDEPENNING & SCHOLL 2016, Abb. 31)

Die immer noch hohe Brauereidichte der Fränkischen Schweiz (sie liegt heute bei 5.500 Einwohnern pro Brauerei in Oberfranken, etwas niedriger ist die Einwohnerzahl pro Brauerei in der Fränkischen Schweiz und sie liegt am niedrigsten bei 375 Einwohnern pro Brauerei in der Weltrekordgemeinde Aufseß) ist für Einheimische und Touristen gleichermaßen ein Attraktivitäts- und Lebensqualitätsfaktor. Allerdings haben die bestehenden Brauereien massive Probleme, da sie aus wirtschaftlicher Sicht in der Defensive stehen. Ob weitere Brauereischließungen drohen, wird sich in der Zukunft zeigen.

REDEPENNING und SCHOLL (2016) haben in ihrer Studie festgestellt, dass bei der Schließung eines Bierkellers 73 % der Bevölkerung davon ausgehen, dass der Ortschaft damit ein Stück Identität verloren geht. Sie stellen aber gleichzeitig dar, dass es für die Brauereien immer schwieriger wird, geeignetes Personal zu finden. Neben dem Problemfeld Personalakquise gefährdet in vielen Fällen auch die ungeklärte Nachfolgeregelung das Weiterbestehen der Brauereien. Bei nur etwa der Hälfte aller befragten Brauereien ist die Nachfolgefrage bereits geklärt (REDEPENNING und SCHOLL 2016, Abb. 45 u. 50).

So bleibt zu hoffen, dass sich der Trend des Brauereiensterbens verlangsamt und sogar zum Stillstand kommt, damit die Brauereilandschaft der Fränkischen Schweiz weiter so bunt und mannigfaltig bleibt.

Unter folgendem Link finden Sie einen Beitrag zur Entwicklung der Brauereien in ganz Deutschland in Nationalatlas aktuell:

http://aktuell.nationalatlas.de/brauereien-3_04-2019-0-html/


Empfohlene Zitierweise

Robert Pawelczak: “Die Fränkische Schweiz - Land der Brauereien” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/81_b_107-land-der-brauereien/, Stand 19.09.2019

Quellen und weiterführende Literatur

  • BERG, Ralf-Gunther von (1992): Großer fränkischer Brauereiführer. – Nürnberg.
  • BIERLAND OBERFRANKEN e.V. (Hg., 2017): Brauereien (= www.bierland-oberfranken.de/brauereien/).
  • BIERREGION FRANKEN. Brauereiendatenbank. (www.bierregion-franken.de/db_neu/)
  • ERMANN, Ulrich (1998): Regionale Wirtschaftsverflechtung fränkischer Brauereien: Perspektiven für eine eigenständige und nachhaltige Regionalentwicklung. – Erlangen.
  • GENUSSREGION OBERFRANKEN e.V. (2017): Spezialitäten (http://www.genussregion.oberfranken.de/spezialitaeten/spezialitaeten_von_a_z/b/520/bierspezialitaeten_aus_oberfranken/details_39.htm)
  • GÖLLER, Elmar R. (2016): Braukulturland Franken … wo Hopfen und Malz noch nicht verloren sind (= www.braufranken.de/)
  • GUNZELMANN, Thomas (2010): Bierlandschaft Bayern: Keller als historische Orte des Konsums, in: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 28, S. 7–53.
  • GUNZELMANN, Thomas (2014): Bierkeller in Franken. Das Kulturlandschaftselement der Freizeit im langen 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 74, S. 197–252.
  • HÜMMER, Philipp und KOCH-BÜTTNER, Margot (1985): Standort- und Strukturveränderungen der Kleinbrauereien im Raum Bamberg/Forchheim, in: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft 29 / 30 für 1982 / 1983, S. 423–447.
  • INTERNATIONALER BRAUEREIKULTUR-VERBAND e.V. (Hg., 2005): Historisches Brauereiverzeichnis Deutschland. – Stuttgart.
  • MACK, Stefan (1989): Fränkische Brauereikarte. – Nürnberg.
  • REDEPENNING, Marc und Sebastian SCHOLL (2016): Bierkeller und Brauereien im Bamberger Land. Eine sozial- und kulturgeographische Untersuchung zur kulturellen Bedeutsamkeit, zu Regionalität und Netzwerken. – (https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/ggeo_lehrstuehle/geographie_1/bilder/Neuer_Webauftritt/Bierkulturprojekt.pdf).
  • SCHULTERS, Johannes (1985): Unser fränkisches Bier. – Trunstadt.
  • SCHWARZ, Aljoscha und Ronald SCHWEPPE (1998): Die Bier-Apotheke. – Köln.
  • VATKE, Wolfgang und Karl-Heinz MÜLLER (2000): Historischer Lichtenfelser Brauereiführer. – Coburg.
  • WILKES, Johannes (2014): Das kleine Franken-Buch. – Cadolzburg.

Bildnachweise

  • Titelbild: Wirtshausschild der Brauerei Lindenbräu in Gräfenberg (Foto: Robert Pawelczak)
  • Vorschaubild: Zunftschild Brauerei Hufeisen (Foto: Herbert Popp)