Klettern im Frankenjura – Sport mit Tradition und Innovation in geregelten Bahnen
Von Jürgen Kollert – 09/2019
Lange bevor die ersten Gipfel unter sportlichen Gesichtspunkten beklettert wurden, sind von Chronisten und Forschern Besteigungen einzelner Felsen durch Einheimische erwähnt bzw. nachgewiesen worden. Archäologische Funde belegen Gipfelbesteigungen schon in vorgeschichtlicher Zeit (Rabenfels, Wiesenthauer Nadel). Die Beweggründe für diese Gipfelbesteigungen dürften weniger sportliche gewesen sein, zu Grunde lagen eher rituelle oder strategische Überlegungen. Im Mittelalter waren Felskuppen in Burgen und Siedlungen einbezogen (Tüchersfelder Türme, Wichsenstein, Bärenfels) oder sie dienten als Beobachtungsposten (Wachstein) und Signalwarten zur Nachrichtenübermittlung (Signalstein). Der Weidlwanger Kanonier weist auf eine Gipfelbesteigung aus strategischen Gründen während des Dreißigjährigen Krieges hin.
Die Entwicklung des klassischen Felskletterns
Der Klettersport in der Fränkischen Schweiz hat eine jahrhundertelange Tradition
Bereits in der Folge des Dreißigjährigen Krieges wurden auch Besteigungen einzelner Felsen unter touristischen Aspekten (Pfaffenstein und Adlerstein) im 17. Jahrhundert durchgeführt. Die eigentliche klettersportliche Erschließung der Fränkischen Schweiz begann allerdings um das Jahr 1890, mit der Erstbesteigung der Brosinnadel im Lehenhammertal (Abb. 1) und dem Student im Pegnitztal (Abb. 2) durch den in Erlangen tätigen Arzt Fritz Brosin, der später auch im Elbsandsteingebirge seine Spuren als Kletterer und Erstbegeher hinterließ und dort 1900 tödlich verunglückte.
Das Beklettern freistehender Türme
In der Folge waren zunächst die Besteigungen der freistehenden Türme das Ziel der Kletterer. Dabei kamen zum Teil riskante und ausgefallene Methoden zur Anwendung. So bekam der Bolzenstein seinen Namen, weil bei der Erstbesteigung (1905) mit einer Armbrust eine an einem Bolzen befestigte Schnur über den Turm geschossen wurde. An dieser wurde ein Seil nachgezogen, an dem sich die Kletterer zum Gipfel hangelten. Einige Gipfel wurden durch mehr oder weniger gewagte Sprünge erreicht (Hunnenstein, Sprungstein). Schon um 1900 dürften alle leicht erkletterbaren hohen Türme (bis zum 3. Grad) bestiegen worden sein.
Während Hanfseile schon sehr früh zur Sicherung benutzt wurden, kamen erst ab dem Jahr 1905 zusätzlich Felshaken in Form von Sicherungsringen bzw. Sicherungsstiften zum Einsatz. Der erste dokumentierte Einsatz war wohl bei der zweiten Besteigung des Gipfels „Alter Fritz“. Die Verwendung entsprechender Sicherungshaken ermöglichte eine bessere Sicherung beim Überwinden schwierigerer Wandstellen. Anfangs mussten sich die Kletterer am Haken noch ausbinden, das Seil durch die Hakenöse fädeln und danach wieder einbinden, eine aufwendige Technik. Durch die Verwendung von Feuerwehrkarabinern, welche erstmalig ab etwa 1910 eingesetzt wurden, konnte die Sicherungstechnik weiter optimiert werden.
Noch bevor 1912 mit dem Nürnberger Turm bei Würgau (Abb. 5) einer der letzten großen freistehenden Türme bezwungen war, begann die klettersportliche Erschließung der Felsmassive. Die erste Massivkletterei dürfte der „Glatzensteinkamin“ (Abb. 6) am gleichnamigen Massiv gewesen sein, der angeblich bereits 1902 durchstiegen wurde.
Durch diese neuen Sicherungsmethoden und dem damit verbundenen Anstieg der gekletterten Schwierigkeiten war es möglich, dass bis ca. 1915 alle wichtigen Türme der Fränkischen Schweiz bestiegen waren. Bereits ab dem Jahr 1912 wurden aber neue Wege auf die schon bekletterten Gipfel gesucht, die eindeutig unter sportlichen Aspekten zu sehen sind. Besonders die Seilschaft Rockstroh/Vollrath war ihrer Zeit voraus; sie erreichten mit ihren Wegen schon den 6. Grad (Riffler ‒ Rockstroh- und Vollrathrisse, Streitberger Schild ‒ Rockstrohriss, 1912 bzw. 1913). Außerdem verließen sie schon früh die Geborgenheit von Rissen und Kaminen und wagten sich an ausgesetzte Wandklettereien (Rotenstein ‒ Talseite).
Die Ausrüstung der Kletterer bestand zum damaligen Zeitpunkt aus Hanfseilen in einer Stärke von 11 bis 13 mm, wobei den Kletterern sehr wohl bewusst war, dass es sich in erster Linie um eine moralische Sicherung handelte und Stürze unbedingt vermieden werden mussten. Kletterschuhe der damaligen Zeit hatten entweder eine Sohle aus Hanfgeflecht oder eine spezielle Filzsohle. Die Felshaken wurden oft im Eigenbau hergestellt und es kamen Haken aus abenteuerlichen Quellen zum Einsatz, so z. B. Türangeln. Mit dieser Ausrüstung wurde im Grunde bis in die frühen 1950er Jahre geklettert (Abb. 7).
Abb. 7: Klettern an der Napoleonswand
DB Museum Nürnberg (https://www.dbmuseum.de/museum_de),
Länge: 4:41 Min.,
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Dieser Filmausschnitt des Fränkische-Schweiz-Films der Deutschen Reichsbahn aus dem Jahr 1927 zeigt sehr anschaulich und eindrucksvoll die aus heutiger Sicht rudimentäre Ausrüstung und die Klettertechnik der „Bergsteiger“ der 1920er Jahre. Die Gruppe von Männern, die den Napoleonsfelsen im Wiesenttal bei der Stempfermühle besteigen, tragen feste Hosen und festes Schuhwerk sowie einen Hut als Kopfbedeckung. Die Hüte waren damals nicht selten mit Zeitungspapier ausgestopft, um zumindest gegen kleineren Steinschlag geschützt gewesen zu sein. In ihren Rucksäcken transportieren sie, wie heute auch, ihre Kletterausrüstung heran. Diese bestand im Wesentlichen aus einem Hanfseil, einigen wenigen Feuerwehrkarabiner- und wenigen Mauerhaken, die meist selbst gefertigt waren. Der erste Kletterer hat sich das Seil um den Bauch gebunden und verknotet, der nachfolgende Kletterer ebenso, wodurch die beiden mehr schlecht als recht gesichert waren. Grundsätzlich galt damals die Devise, dass ein Sturz zu vermeiden war. Sofern ein Gipfelbuch vorhanden war, war nach einer erfolgreichen Besteigung eines Felsens der Eintrag der Seilschaft in dasselbe obligatorisch. Der Abstieg vom Gipfel erfolgte in der Regel durch Abseilen, dort wo es möglich war auch durch Abklettern.
Die verstärkte Zuwendung zu den Felsmassiven
Nach dem Ersten Weltkrieg begann die systematische Erschließung der höheren Felsmassive. Zunehmend standen beim Klettern auch rein sportliche Aspekte im Vordergrund. Mehr und mehr wurde die Geborgenheit von Rissen und Kaminen aufgegeben und auch schwierige Wandklettereien wurden in Angriff genommen. Durch den verstärkten Einsatz von Haken als Sicherungsmittel konnten die Sicherheit erhöht und dadurch die gekletterten Schwierigkeiten gesteigert werden. Möglicherweise wurde bereits 1920 von Hans Teufel bei der Erstbegehung des Teufelrisses am Rotenstein (Abb. 8) erstmalig der 7. Grad geklettert. Die Erstbegehungen erfolgten grundsätzlich ohne vorheriges Auskundschaften von unten. Geklettert wurde überwiegend frei, die Haken wurden vorrangig zur Sicherung angebracht. Nur dort, wo ein freies Klettern (noch) nicht möglich war, wurden die Haken auch zur Fortbewegung genutzt. Die Pioniere der damaligen Zeit waren Hans Teufel, Ferdinand Dassler, Hans Bieringer, Hans Tausendpfund und die Gebr. Seifert, um nur einige zu nennen. Viele der in den 1920er Jahren erschlossenen Kletterrouten sind auch heute noch im Zeitalter des 11. Grades echte Herausforderungen für ambitionierte Kletterer. Eine weitere Steigerung der Schwierigkeiten war nur durch den verstärkten Einsatz von Haken zur Fortbewegung möglich, und etwa ab 1933 wurden kurze Hakenreihen und Trittschlingen benutzt. Dies führte auch zu Auseinandersetzungen, wie beispielsweise über eine Route am Zehnerstein (1933), bei der nach Meinung einiger Kletterer zu viele Haken gesetzt wurden und die daher unter dem Namen Affenschaukel lief.
Die Zeit des Nationalsozialismus ging nicht spurlos am Klettersport in der Fränkischen Schweiz vorbei. Fast alle kleinen Kletter- und Touristenvereine wurden aufgelöst und der damalige Alpenverein duldete nur Arier als Mitglieder. Manch ein Felsen erhielt neue Namen: aus der Martinswand wurde eine Adolf Hitler-Wand, aus dem Bärenstein der Göringstein.
Neue Maßstäbe für die Klettertechniken
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Klettersport ab 1945 erst langsam wieder in Fahrt. Mit der alten Ausrüstung, die eigentlich keinerlei Sicherheit gewährleistete, zumal zusätzlich in Ermangelung geeigneter Schuhe häufig barfuß geklettert wurde, begann eine neue Erschließungswelle. Dieter Cukrowski, die Gebrüder Schlesinger, J. von der Grün, Andreas Link u. a. erschlossen nicht nur viele neue Wege, sie setzten auch, was die gekletterten Schwierigkeiten betraf, neue Maßstäbe. Die „Todesverschneidung“ am Hängenden Stein, die „Friedhofsrisse“ an der Weißen Wand (1948, beide von Cukrowski) und insbesondere „Die Gelbe“ an der Matterhornwand (1950, Andreas Link) waren extreme Wege der damaligen Zeit. „Die Gelbe“ war dabei die absolute Spitzenroute. Sie galt bis zum Beginn der 1970er Jahre als das Non-plus-ultra der fränkischen Klettereien. Die damals gültige sechsstufige Welzenbachskala (Abb. 3) blockierte dabei nicht nur eine differenzierte Bewertung, sondern schien auch eine weitere klettersportliche Entwicklung zu bremsen, da die Höchstschwierigkeit im sechsten Grad (die Grenze des Menschenmöglichen) verharrte.
Eine verbesserte Ausrüstung (sicherere Hanfseile, gummibesohlte Kletterschuhe, verschiedene Hakentypen und Karabiner) ermöglichte neue Herausforderungen. Derer gab es genug in Form von abweisenden Wänden, ausladenden Dächern und stark überhängenden Rissen. Mit selbstaushängenden Trittleitern („Fiffi“) und dem Einsatz vieler Haken wurden neue Wandpartien in überwiegend technischer Kletterei erschlossen. Nach der Erfindung des Bohrhakens wurden dann in den 1960er Jahren, dem Vorbild einiger Direttissimas an großen Dolomitenwänden folgend, auch in der Fränkischen Schweiz einige wenige, praktisch rein hakentechnisch gekletterte Routen erschlossen („Galaxie“ und „Astronautenleiter“ – Röthelfels; Sprungstein Talseite ‒ Direttissima u. a.). Die so entstandenen Wege waren nicht unumstritten, bedeuteten sie doch eine deutliche Abkehr vom Freiklettergedanken. Diese Ära währte erfreulicherweise nur kurz. Schnell war klar, dass diese Form des Kletterns eine Sackgasse bedeutete und keine wirkliche Weiterentwicklung des Klettersports darstellte.
Seit Ende der 1960er Jahre stagnierte so die klettersportliche Entwicklung in der Fränkischen Schweiz. Es schienen alle interessanten Felsformationen erschlossen. Trotz mittlerweile immer besserer Ausrüstung – das moderne, sturzsichere Kernmantelseil hatte die Hanfstricke ersetzt, moderne Schuhe mit Gummisohlen erleichterten das Klettern und professionell hergestellte Haken und Karabiner sorgten für mehr Sicherheit – war eine Weiterentwicklung zunächst nicht zu verzeichnen.
Es war die Zeit, in der Oskar Bühler († 2001) begann, mit dem von ihm erfundenen, einzementierten Bühlerhaken marode Felshaken auszutauschen und so den Grundstein dafür legte, dass die Fränkische Schweiz auch unter Sicherheitsaspekten eine führende Stellung unter den Mittelgebirgsklettereien einnehmen konnte.
Ein neuer Trend: das Rotpunkt-Klettern
Ab Anfang der 1970er Jahre sorgten schließlich der Nürnberger Kurt Albert und seine Freunde für eine Trendwende. Inspiriert durch Besuche im Elbsandsteingebirge und der Konfrontation mit den dort gültigen strengen Kletterregeln und in den USA erfolgte eine Rückbesinnung auf das reine Freiklettern, d. h. zur Fortbewegung am Felsen durften nur natürliche Felsstrukturen verwendet werden. Im Jahr 1975 schließlich wurde das „Rotpunkt-Klettern“ erfunden und von Kurt Albert und Gefährten offiziell eingeführt. Zunächst wurde nur versucht, bis dahin mit Hakenhilfe zur Fortbewegung gekletterte Wege frei zu klettern, Haken und anderes Material dienten ausschließlich der Absicherung. Diese frei gekletterten Wege wurden mit einem roten Punkt am Einstieg gekennzeichnet. Aber auch neue Kletterwege wurden in der Folge in diesem Stil erschlossen und was die damit bewältigten Schwierigkeiten anging, wurden schnell neue Dimensionen erreicht. Das „Rotpunkt-Klettern“ wurde rasch zu einem weltweit anerkannten Kletterstil und ebenso schnell wurde die bis dahin geltende, beim 6. Grad endende Schwierigkeitsskala, endgültig gesprengt (Abb. 10).
Bereits 1977 wurde nach einer Grundsatzdiskussion in Nürnberg der 7. und 8. Schwierigkeitsgrad im Frankenjura offiziell eingeführt.
Durch gezieltes Training und Kontakte zu ausländischen Kletterern entwickelte sich das Schwierigkeitsklettern rasant. Nicht zuletzt durch den aus der Pfalz in die Fränkische Schweiz übergesiedelten Wolfgang Güllich wurde schnell der 9. und 10. Grad erreicht. Konnte am Anfang dieser Ära noch Kurt Albert durch seine Erstbegehungen im 9. Grad Maßstäbe setzen (z. B. „Sautanz“ (9─); Obere Gößweinsteiner Wände, 1981; „Magnet“ 9; Richard Wagner-Fels, 1982), so war es in der Folge Wolfgang Güllich der regelmäßig die Messlatte nach oben verschob.
Auch einige internationale Besucher, wie John Bachar mit „Chasin the Train“ (9) 1981 und Jerry Moffat mit „Ekel“ (9+) im Jahr 1983, konnten damals die Fränkische Schweiz um einige Toprouten bereichern. Mit der Route „Kaum Zeit zum Atmen“ an der Luisenwand gelang Wolfgang Güllich die erste Route im 10. Grad in der Fränkischen Schweiz. Im Jahr 1987 erreichte er mit „Wallstreet“ (XI─) am Krottenseer Turm den unteren 11. Grad und kletterte damit wohl die damals schwerste Route der Welt.
Wolfgang Güllich war es auch, der mit der Route „Action Directe“ am Waldkopf im Krottenseer Forst (Abb. 11) im Jahr 1991 die weltweit erste Route im glatten 11. Grad klettern konnte.
In dieser Zeit war die Fränkische Schweiz gewissermaßen der Nabel der Kletterwelt. In der legendären Wohngemeinschaft in Oberschöllenbach trafen sich bei Kurt Albert und Wolfgang Güllich Spitzenkletterer aus aller Herren Länder, um sich an den hiesigen felsigen Problemen zu versuchen. Der tragische Unfalltod von Wolfgang Güllich im Jahr 1992 stoppte diese rasante Entwicklung über mehr als zehn Jahre. Seine Toproute „Action Directe“ erhielt bis zum Jahr 2000 nur zwei Begehungen. Erst 2005 konnte mit Markus Bock erstmals ein einheimischer Kletterer die Route wiederholen. In der Folgezeit entstand, meist durch eben diesen Kletterer, an den Felsen der Fränkischen Schweiz eine Vielzahl an Routen im 10. und 11. Schwierigkeitsgrad. Markus Bock war es dann auch, der mit der Route „Corona“ am Schneiderloch 2006 die erste mit 11 / 11+ bewertete Route klettern konnte. Auf sein Konto gehen die meisten der schweren Routen, die nach dem Jahr 2000 in der Fränkischen Schweiz entstanden sind.
Mit dem jungen Alex Megos aus Erlangen hat die fränkische Kletterszene aktuell einen neuen Spitzenkletterer von internationalem Format. Er ist bisher der einzige, der alle Routen im Grad 11 / 11+ in der Fränkischen Schweiz wiederholen bzw. erstbegehen konnte. Seine schnellen Wiederholungen schwerster Routen im Ausland haben ihm auch in der internationalen Szene hohes Ansehen verschafft. Ihm gelang im Jahr 2015 mit „Supernova“ am Planetarium, die erste Route im noch unbestätigten glatten Grad 11+ und damit die bisher schwerste Route im Frankenjura.
Bouldern
Ab Mitte der 1970er Jahre wurde eine weitere Spielart des Kletterns auch in der Fränkischen Schweiz populär. Das Bouldern, also das seilfreie Klettern von extremen Schwierigkeiten an meist kleineren Felsblöcken in Absprunghöhe, fand insbesondere unter den Spitzenkletterern schnell Anhänger. Das Lösen von schwierigsten Kletterproblemen ohne ernste Verletzungsgefahr erwies sich nicht nur als perfektes Training auch für das klassische Felsklettern, es entwickelte sich auch rasch zu einer eigenständigen Sparte des Klettersports. Der Protagonist dieser Art des Kletterns in der Fränkischen war sicherlich Wolfgang Fietz, Flipper genannt. Eine Besonderheit seiner Art zu Bouldern bestand darin, dass er schwierigste Passagen nicht nur in Bodennähe ohne Seilsicherung kletterte, sondern das Lösen von Kletterproblemen auch auf höhere Wände übertrug, indem er mit Seilsicherung von oben schwierigste Kletterstellen meisterte. Viele der von ihm so ausgeboulderten Wege bzw. Probleme wurden später im klassischen Stil geklettert und stellten Spitzenwege im 10. Grad dar (z. B. „Siphon“, Hängender Block). Heute ist das Bouldern fester Bestandteil des Kletterns in der Fränkischen Schweiz und erfreut sich großer Beliebtheit. Genaue Zahlen über die Menge der Boulderprobleme gibt es nicht, da im Sinne einer freiwilligen Selbstbeschränkung ein Veröffentlichungsverbot eingehalten wird.
Fränkischer Erfindergeist
Nicht nur hinsichtlich der rein sportlichen Entwicklung des Kletterns zeigten sich die Franken innovativ, auch was die Sicherheit im Bergsport betrifft, wurde in der Fränkischen Schweiz einiges ausgetüftelt. Der Erlanger Heinrich Opitz (†1998) war maßgeblich an der Entwicklung des ersten Kernmantelseils durch die Firma Edelrid beteiligt. Fritz Sticht (†1988), ebenfalls aus Erlangen stammend, führte mit der Erfindung der Stichtplatte zur Gefährtensicherung das dynamische Sicherungsprinzip ein. Alle heute auf dem Markt befindlichen Tuber funktionieren nach diesem Prinzip. Den vielleicht wichtigsten Beitrag zur Sicherheit im Bergsport leistete aber wohl der bereits erwähnte Nürnberger Oskar Bühler mit der Erfindung des einzementierten, nicht rostenden Hakens, dem nach ihm benannten Bühlerhaken (vgl. Abb. 9). Anfangs nicht unumstritten, hat sich das Prinzip des Bühlerhakens mit der aktuellen Verbundhakentechnik mittlerweile allgemein durchgesetzt. Für seine Verdienste um den Bergsport wurde Oskar Bühler mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Klettern und Naturschutz – Die Kletterkonzeptionen
Auch was den Naturschutz betrifft, nehmen die Kletterfelsen der Fränkischen Schweiz eine Sonderstellung unter den Mittelgebirgsklettereien ein. Sogenannte Kletterkonzepte sorgen dafür, dass die Ausübung der Natursportart Klettern im Einklang mit der Natur und geltenden Naturschutzgesetzen erfolgt. Nachdem Ende der 1980er Jahre behördlicherseits einige Kletterverbote ausgesprochen worden waren und weitere Kletterverbote drohten, formte sich in der Kletterschar Protest und die IG-Klettern Frankenjura und Fichtelgebirge wurde gegründet. Die Kletterer setzten hierbei nicht auf Konfrontation, sondern auf Kooperation und suchten den Dialog mit Naturschutzbehörden und Naturschutzverbänden. Es war der Startschuss für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von DAV und IG Klettern mit den Naturschutzbehörden, Naturschutzverbänden und dem Naturpark Fränkische Schweiz/Veldensteiner Forst mit der Zielsetzung, eine naturverträgliche Ausübung des Klettersports in der Fränkischen Schweiz sicher zu stellen. Nach einer Idee von Bernd Raab vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) und Günter Bram vom DAV entstand 1992 das erste regionale Kletterkonzept Eibenwald und Weiße Wand. Der Grundgedanke der Kletterkonzepte ist dabei, im Sinne eines freiwilligen Verzichts, eine lokale Beschränkung des Klettersports auf bestimmte Felsregionen. Unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten werden die Felsen bestimmten Zonen (Zone 1-3) zugeordnet. Dabei bedeutet Zone 1 einen vollständigen Kletterverzicht bzw. ein Kletterverbot, während an Zone-2- und Zone-3-Felsen mit Einschränkungen auch weiterhin geklettert werden darf. Zusätzlich existieren wegen des Vogelschutzes während der Brutphase bedrohter Vogelarten noch zeitlich befristete Kletterverbote (Abb. 12). Dazu kommen die Regulationsmechanismen im Sinne freiwilliger Absprachen, wie der Erstbegeher- und der Boulderappell (1994 bzw. 1998) und das Sanierungsstatement (2002) der IG.
Es gibt in der Fränkischen Schweiz Kletterkonzepte für folgenden Regionen: Bamberger Gebiete mit Kleinziegenfelder Tal und Seitentälern (Abb. 13), Gebiet Krögelstein Kainachtal, Paradiestal, Pottenstein, Gößweinstein, Eibenwände und Weiße Wand, Betzenstein-Plech, Leinleitertal, Unteres Trubachtal, Oberes Trubachtal, Unteres Wiesenttal und Oberes Wiesenttal mit Aufseßtal, Ailsbachtal, Pegnitztal. Nach über 20 jähriger Arbeit sind mittlerweile alle Felsen bzw. Regionen der Fränkischen Schweiz und der angrenzenden Klettergebiete in einem Gesamtkonzept erfasst. Die Kletterkonzepte der Fränkischen Schweiz gelten bundesweit als Vorbild und finden auch im benachbarten Ausland Nachahmung.
Die IG Klettern
Vor dem Hintergrund einer behördlich verfügten Komplettsperrung des Röthelfels im Februar 1989, formierte sich der Widerstand unter den fränkischen Kletterern. Erste Treffen einer kleinen Zahl engagierter Kletterer finden am damaligen Nabel der Kletterwelt in der bekannten Wohngemeinschaft in Oberschöllenbach statt. Im November 1989 wurde schließlich die Interessengemeinschaft Klettern Frankenjura und Fichtelgebirge, kurz IG, gegründet. Ihrem Beispiel folgend, wurden in fast allen klettersportlich relevanten Mittelgebirgsregionen Deutschlands in der Folgezeit ebenfalls IGs gegründet und auch im benachbarten Ausland wurde das Konzept angewendet. In Franken wurde die IG Klettern, trotz anfänglicher Skepsis, von den Behörden rasch als kompetenter und kompromissbereiter Vertreter der Kletterverbände anerkannt. Seit 1992 ist sie maßgeblich an der Ausarbeitung und Umsetzung der Kletterkonzepte beteiligt. Im Jahr 1998 wurde die Vereinbarung der Bayerischen Staatsregierung mit dem DAV und der IG Klettern zum Klettern in den außeralpinen Felsgebieten in Bayern getroffen. Diese Arbeit fand im Jahr 2002 ihre Würdigung, als die IG Klettern zusammen mit Günter Bram vom DAV mit dem bayerischen Umweltpreis ausgezeichnet wurde. Neben der Arbeit, die mit den Kletterkonzepten verbunden ist, kümmert sich die IG, dem Vorbild Oskar Bühler folgend, vor allem auch um die Sanierung und den Erhalt bestehender Kletterrouten.
Klettern als Breitensport
Mittlerweile existieren im Frankenjura über 100 Routen im 11. und über 300 Routen im 10. Schwierigkeitsgrad, was die Bedeutung der Kletterregion für den internationalen Spitzensport unterstreicht. Spitzensportler aus der ganzen Welt besuchen regelmäßig die Region, um sich an den schwersten Routen zu messen.
Kletterfelsen in der Fränkischen Schweiz
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Aber nicht nur Spitzensport ist an den Felsen der Fränkischen Schweiz geboten. In den über 12.000 Routen in allen Schwierigkeitsgraden finden Kletterer unterschiedlichen Könnens und jeden Alters reichliche Betätigungsmöglichkeiten (Abb. 14). An den Felsen der Fränkischen Schweiz finden sich von der perfekt gesicherten leichten Kinderroute bis zur, auch moralisch anspruchsvollen, schweren Sportkletterei für jeden Geschmack und für jede Fähigkeitsstufe eine passende Tour. Dieser Umstand und die ausgesprochene Familienfreundlichkeit des Gebietes erklären die Popularität des Frankenjuras bei den Freunden des Klettersports aus aller Welt.
Detaillierte Informationen zu allen Kletterrouten und zu den bestehenden Kletterregelungen, die unbedingt einzuhalten sind, finden sich in diversen Kletterführern in Buchform und im Internet auf verschiedenen Portalen (Abb. 15), wie auf dem Beispiel für die Beschreibung des Felsen „Amerikanische Botschaft“ in der Kletterregion Unteres Ailsbachtal erkennbar wird.
In der großen Region des Frankenjuras haben sich mittlerweile auch einige kommerzielle Kletter- bzw. Boulderhallen etabliert, in denen auch an Schlechtwettertagen geklettert oder Kurse gebucht werden können. Mehrere Kletterschulen bieten zudem in Kletterhallen und am Naturfels entsprechende Kurse, auch für Anfänger, an. Gleiches gilt natürlich auch für die einschlägigen Bergsportvereine. Wer nicht sicher ist, ob er schwindelfrei ist und nicht gleich Hand an den Fels legen will, hat die Möglichkeit in verschiedenen (Hoch-)Seilgärten seinen Mut zu testen.
Kletterschulen
- ProAlpin Kletterschule Bamberg/Heiligenstadt
- Kletterschule Frankenjura, Hiltpoltstein
- Aktiv Reisen, Muggendorf
- Outdoorgraphie, Obertrubach
- Naturerlebnis Fränkische Schweiz, Lilling
- Berg & Ton, Reichenschwand
- DAV-Summitclub, Morschreuth Kletterhallen
- Betzenstein (FightClub Boulderhalle Frankenjura) mit angeschlossenem RockStore24, einem Spezialgeschäft für Kletterzubehör
Kommerzielle Hindernisparcours (sog. Kletterparks), mit einem Schwerpunkt auf Gleichgewichtsübungen am Drahtseil
- Kletterwald Pottenstein-Weidenlohschule für Kinder und Jugendliche
- Abenteuerpark Betzenstein mit kommerziellem Naturhochseilgarten und Kinderkletterwald
- Kletterwald Veilbronn (neben dem Naturfreundehaus) mit 10 Parcours unterschiedlicher Schwierigkeit und Altersklassen
Der Klettersport als wichtiger Wirtschaftsfaktor der Fränkischen Schweiz?
Die Präsenz von Kletterern in der Fränkischen Schweiz ist in den letzten Jahrzehnten zwar deutlich angestiegen, dennoch ist das Klettern generell eine Aktivität, die für die übrigen Touristen in der Landschaft kaum sichtbar ist. Er bemerkt vielleicht an vielen Parkplätzen in den Haupttälern parkende Kleinbusse, die den Kletterern gehören. Zuweilen ist auch das Klopfen vom Einschlagen von Haken zu hören, das Plaudern von Menschen oder (wenn es die direkte Sicht zulässt) man sieht Personen, die in der Wand hängen. Allein schon die etwa 7.700 beschriebenen Routen im Fränkischen Jura (der über die Fränkische Schweiz hinausreicht) – von der gemütlichen Genussroute bis zur Tour mit höchsten Schwierigkeitsgraden – belegen, dass es sich hier nicht um ein randliches Freizeitphänomen handelt. Deshalb ist es überraschend, dass kaum zuverlässige Zahlenangaben und Strukturdaten über die Kletterer in der Fränkischen Schweiz vorliegen. In einer Fallstudie in der Zentralen Fränkischen Schweiz wurden immerhin einige erste Orientierungsdaten erfasst (NICKL 2009).
Demnach dominiert, nicht ganz überraschend, die Altersklasse der 20 bis 30-jährigen. 60 % der Kletterer sind zusammen mit Freunden unterwegs, nur ein Drittel klettert zusammen mit seinem Partner und lediglich 8 % im Familienverbund. Eine entscheidend wichtige Differenzierung ist die nach der Aufenthaltsdauer beim Klettern. Zwei Drittel aller Kletterer sind Tagestouristen, die somit ohne Übernachtung, aus der näheren Umgebung kommend, ihrem Freizeitsport nachgehen. Bei den Kletterern mit Übernachtungsaufenthalt beträgt deren mittlere Aufenthaltsdauer überraschend hohe 5,6 Tage. Etwa die Hälfte der Aufenthaltstouristen gab 2-3 Übernachtungen (meist an den Wochenenden) an, aber wenige, vor allem internationale Kletterer, verweilen drei Wochen und mehr, was die hohe mittlere Verweildauer erklärt. NICKL (2009, S. 208) errechnet für Tagestouristen tägliche Ausgaben von € 8,80, bei Mehrtagestouristen von € 18,40. Es gibt allerdings dreimal mehr Tagestouristen als Übernachtungstouristen, so dass die durch sie getätigten Ausgaben dominieren. Für die von ihm untersuchte Region Zentrale Fränkische Schweiz kommt er für alle Kletterer zu einem (eher defensiv gerechneten) Ausgabevolumen von € 1,7 Mio. pro Jahr. Das ist eine Summe, die als recht niedrig erscheint. Doch sollte, basierend auf diesen Angaben, nicht zu früh ein Urteil gefällt werden, wie etwa das häufig angebrachte, Kletterer brächten kein Geld.
Es gibt jedenfalls bereits einige Betriebe, die sich auf Kletterer spezialisiert haben, Nickl nennt hier zwei Übernachtungsbetriebe im Trubachtal (Untertrubach und Morschreuth). Zu ergänzen sind auf jeden Fall – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – noch solche in Stierberg, Schlaifhausen, Wannbach, Moschendorf, Waldmühle bei Freienfels, Naturfreundehaus Veilbronn, Allersdorf und Spies. Die Kletterer bevorzugen dort die Übernachtung im Zelt, auf Matratzenlagern oder in Gästezimmern – also in recht spartanischen und preiswerten Unterkünften. In diesem Zusammenhang sollte aber bedacht werden, dass Klettertouristen, die in jungen Jahren wenig Finanzkraft aufweisen (z. B. als Azubi oder Student) später ein durchaus finanzkräftiges Publikum darstellen und dann auch bereit sein könnten in der Gastronomie teurere Angebote zu beanspruchen. Zu berücksichtigen ist auch der enorme Popularitätszuwachs des Klettersports allgemein. Durch den Bau und Betrieb künstlicher Kletteranlagen finden auch vermehrt Personen außerhalb von Vereinen Zugang zum Klettersport. Zudem ist es nicht mehr nur ein Privileg der Jugend, den Klettersport zu betreiben, die Zahl der älteren Personen in diesem Sport steigt stetig an. Auch eine größere Zahl von Ferienwohnungen wird mittlerweile bevorzugt von Kletterern nachgefragt. Ebenso besitzen mehrere Gaststätten einen hohen Klettereranteil bei den Kunden, so in den bereits genannten Orten mit Unterkunftsangeboten, darüber hinaus aber auch in Engelhardsberg, Unterzaunsbach, Thuisbrunn, Hohenschwärz, Gößweinstein und Untertrubach. Die von Nickl festgestellten räumlichen Konzentrationen der Kletterer liegen im Trubachtal und im Püttlachtal rund um Pottenstein.
Alle diese Angaben machen deutlich, dass noch viel zu wenig über Klettertouristen und ihr Verhalten in und vor allem außerhalb der Wand bekannt ist. Kletterer kaufen durchaus auch für ihre Versorgung häufig vor Ort ein, genießen vielleicht am Abend nach der Anstrengung Speisen und Getränke der Region, erwerben eventuell auch Kletterzubehör in den ortsansässigen Geschäften – vom Karabiner über Kletterseile bis zu Crack Gloves (Steighandschuhen). Spezialgeschäfte, die solche Produkte anbieten, gibt es z. B. in Betzenstein und Pottenstein. In jüngerer Zeit spielt auch – wie ausgeführt – die Ausrichtung des Kletterns auf Gruppen (z. B. DAV-Sektionen, Kletterschulen, Pädagogikzentren, Ferienfreizeiten, Outdoorschulen) eine wichtige Rolle. Auch kommerzielle Einrichtungen wie Hochseilgärten (z. B. Abenteuerpark in Betzenstein, Kletterwald bei Pottenstein, Kletterhalle in Spies) oder das Kletterinfozentrum in Obertrubach sprechen erfolgreich die gleiche Zielgruppe im Jugendalter an. Die ersten provisorischen Ergebnisse zu den wirtschaftlichen Effekten der Kletterer, wie sie ausgeführt wurden, sind nicht repräsentativ und ignorieren indirekte Effekte. Dadurch unterschätzen sie die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kletterns. Diese sind sicherlich insgesamt noch eher bescheiden, aber der Klettertourismus als Wirtschaftsfaktor ist durchaus ausbaufähig und dieser Trend hat bereits begonnen.