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Hungerbrunnen (Tummler ‒ Hörschel ‒ Geuder ‒ Urspring): Funktionsprinzip und Beschreibung temporärer Quellschüttungen im Karst

Von Klaus Bitzer – 09/2019

Karstgebiete zeichnen sich durch ein besonderes Abflussverhalten aus. Der Oberflächenabfluss ist gering, da der größte Teil des Niederschlags versickert und als Grundwasserabfluss zu Quellen und Vorflutern fließt. In Zeiten anhaltend geringer Niederschläge fallen viele Quellen trocken, in Zeiten starker Niederschläge kann es dagegen zu extrem hohen Schüttungen kommen. Dieses Verhalten wird auch in der Fränkischen Alb beobachtet und hat zu zahlreichen Lokalnamen geführt, mit denen das Schüttungsverhalten von Quellen beschrieben wird.

Als „Hungerbrunnen“ werden Quellen bezeichnet, die während der Trockenphasen zwar nicht versiegen, aber verringerte Schüttungen zeigen. In die gleiche Kategorie fallen die als „Geuder“ bezeichneten Quellen. Als „Tummler“ werden Quellen bezeichnet, die bei starken Niederschlägen und Schneeschmelze extrem hohe Schüttungen haben und dabei meterhohe Wasserfontänen entwickeln können, in den Trockenzeiten dagegen überhaupt keine Schüttung haben. Das episodische Auftreten solcher stark schüttenden Karstquellen stellt in der Fränkischen Schweiz eine hydrogeologische Besonderheit und touristische Attraktion dar. „Tummler“ befinden sich meist im Bereich von Trockentälern und können in niederschlagsreichen Zeiten erhebliche Schüttungen erreichen. Sie sind aufgrund des geysirartigen Wasseraustritts spektakulär, jedoch meist nur während eines kurzen Zeitraums beobachtbar. Für den Begriff „Tummler“ gibt es mehrere Herkunftserklärungen, von tumidus (lat., sich emporhebend), „taumeln“ bis hin zu dem Verb „tumble“ (engl., „springen“), welches durch den englischen Geologen William Buckland, der im 18. Jahrhundert als Höhlenforscher die Fränkische Schweiz bereiste, für die vorgefundenen intermittierenden Quellen angeblich verwendet wurde (KROPF 2007). Der Wasseraustritt am Tummler wurde von der lokalen Bevölkerung mit der Bewegung eines im Untergrund in einer Höhle gefangenen großen Fisches erklärt, der durch heftige Bewegungen seiner Schwanzflosse die Wasserbewegung auslöst. In älteren Beschreibungen wird sogar das Auftreten von Forellen in den aus dem Tummler ausströmenden Quellwasser beschrieben, was jedoch schwer vorstellbar ist, da es sich um Grundwasser handelt.

Abb. 1: Lage der Tummler im Leinleitertal
Abb. 1: Lage der Tummler im Leinleitertal (Quelle: Top. Karte TK 25 Blatt Buttenheim, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)

Besonders spektakuläre Tummler befinden sich nördlich der Heroldsmühle im Leinleitertal, etwa 200 m nördlich der Leinleiterquelle (Abb. 1 und 2). In Trockenphasen sind im Bereich der beiden wenige Meter voneinander entfernt liegenden Tummler lediglich zwei vegetationsfreie trockene Erdlöcher von jeweils 2 bis 3 m Durchmesser zu erkennen, in denen große Gesteinsbrocken darauf hinweisen, dass gelegentlich heftige Grundwasserbewegungen aus dem Erdloch auftreten können. Ursache hierfür sind Karsthöhlen, die im Bereich unterhalb der Erdlöcher vorhanden sind und hohe Fließraten des Grundwassers ermöglichen. Im Jahr 2006 war letztmals eine solche Wasserbewegung zu beobachten, die jedoch nicht die in früheren Jahren beobachtete Auslaufhöhe erreichte. Eine Ursache hierfür ist möglicherweise, dass es im Verlauf der Erkundung der Höhlen in den 1950er und 1960er Jahren zu Versturz und anthropogenen Veränderungen gekommen ist, die die spektakulären Fontänen von 3 bis 4 m Höhe mittlerweile unmöglich machen (KROPF 2007).

Abb. 2a: Großer Tummler im Leinleitertal in der Phase der Wasserschüttung
Abb. 2a: Großer Tummler im Leinleitertal in der Phase der Wasserschüttung (Foto: Markt Heiligenstadt)
Abb. 2b: Kleiner Tummler in der Phase der Wasserschüttung
Abb. 2b: Kleiner Tummler in der Phase der Wasserschüttung (Foto: Markt Heiligenstadt)

Für die Erklärung des zeitlich begrenzten Auftretens der Fontäne spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Zunächst ist die Versickerung von hohen Niederschlagsmengen und das plötzliche Abtauen von Schnee eine Voraussetzung für das plötzliche Ansteigen des Karstwasserspiegels. Die plötzliche, heftige und zeitlich versetzte Reaktion der beiden Tummler im Leinleitertal zeigt, dass die Anbindung an den Karstgrundwasserleiter durch besondere räumliche Bedingungen der unterirdischen Wasserwege gesteuert wird. Dies wird meist durch komplexe Höhlengeometrien mit „Knien“ und abknickenden Gängen erklärt, bei denen es erst bei Erreichen eines bestimmten Wasserstands zu einem dauerhaften Abfluss kommen könne, ähnlich wie bei der Entleerung eines Schwimmbeckens mit einem Schlauch, der über den Rand des Beckens gelegt wird. Diese Erklärung ist jedoch nicht ausreichend zur Erklärung des Ingangkommens der Wasserbewegung, da die Luftblase am höchsten Punkt des Schlauchs bzw. am „Knie“ der Höhle erst entfernt werden müsste, um eine dauerhafte Entleerung des Beckens bzw. des Aquifers zu ermöglichen. Wahrscheinlicher ist ein im Untergrund befindliches Höhlensystem, welches das Niederschlags- bzw. Schmelzwasser drainiert, sammelt und es an einer tiefgelegenen oberflächennahen Stelle nach oben austreten lässt (Abb. 3). In diesem Bereich herrschen hydrogeologisch „gespannte“ Verhältnisse, weshalb der Tummler eine artesische Quelle darstellt. Plötzliche und heftige Wasserbewegung an den Tummlern der Fränkischen Schweiz wird bei plötzlichen und starken Niederschlägen ausgelöst. BRÜCKNER (1904, S. 6) beschreibt die Tummler ganz allgemein als Erscheinungen mit „solchen Mengen Wassers in förmlichen, mannshohen Sprudeln, dass dieses ringsum alles überschwemmt“. Zudem erwähnt Brückner ein überraschendes und wenig glaubhaftes Phänomen: „Das merkwürdigste dabei ist, daß die ausbrechenden Wassermassen manchmal auch eine Menge Forellen mit zutage fördern.“ (S. 6).

Abb. 3: Schema zur Funktion eines Tummlers
Abb. 3: Schema zur Funktion eines Tummlers

Das episodische Auftreten von gelegentlich stark schüttenden artesischen Karstquellen und Brunnen mit geringer oder vollständig versiegender Schüttung in Trockenzeiten stellt in der Fränkischen Schweiz eine hydrogeologische Besonderheit und touristische Attraktion dar. Das zeitlich stark schwankende und von den Niederschlägen abhängende Schüttungsverhalten von Quellen und Brunnen erschwerte in den Zeiten dezentraler Wasserversorgung die Verfügbarkeit von Wasser für die Bevölkerung. Die Beobachtung der Schüttung war daher ein wichtiger Aspekt der Vorsorge. Dies führte zu einer Vielzahl von lokalen Bezeichnungen, mit denen das Schüttungsverhalten von Quellen beschrieben wird. Bei diesen Begriffen wird entweder die Wasserarmut oder die kurzzeitig hohe Schüttung zum Ausdruck gebracht.

Weitere Tummler sind im Bereich von Oberailsfeld bekannt (Abb. 4), wo der geysirartige Wasserausbruch an den „Wilden Brunnen“ im Jahr 1769 den Neubau der Dorfkirche erforderlich machte: „1769 mußte der Gewässer wegen die Dorfkirche umgebaut und der Friedhof verlegt werden; 1881 stand das Wasser einen halben Meter hoch im dortigen Schulgarten. Dabei schwoll das vorüberfließende Ailsbächlein nicht an.“ (BRÜCKNER 1922, S. 20). Einige dieser Brunnen bzw. Tummler wurden in den vergangenen Jahren zugeschüttet, so etwa der „Pfarrbrunnen“.

Abb. 4: Die „Wilden Brunnen“ bei Oberailsfeld
Abb. 4: Die „Wilden Brunnen“ bei Oberailsfeld (Top. Karte TK 25 Blatt Waischenfeld, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)

Als größter Tummler wird der „Wilde Hörschel“ in der Ortschaft Kotzendorf beschrieben (Abb. 5), der seit 1937 unter einem Betondeckel auf einem landwirtschaftlichen Anwesen im Ort verborgen liegt, jedoch weiterhin gelegentlich akustisch wahrnehmbar ist. Es soll hier bis zu 7 m hohe Fontänen gegeben haben, was angesichts der vergleichsweise flachen Morphologie der Umgebung überrascht und möglicherweise unter dem Eindruck des Naturereignisses etwas überschätzt wurde. Es wird berichtet, dass die Nürnberger Bevölkerung in früheren Jahrhunderten die Wasserbewegung an Tummlern und Hungerbrunnen in der Fränkischen Schweiz aufmerksam beobachten ließ, da diese als Hinweise auf bevorstehende Katastrophen betrachtet wurden. So berichtet z. B. Pfarrer Leßner aus Königsfeld 1769 im Urbarium des Ortes, „die vorsichtigen Nürnberger hätten alle Jahre einen reitenden Boten nach Königsfeld geschickt, um zu erfahren, ob der Hungerbrunnen laufe“ (BRÜCKNER 1922, S. 20). Möglicherweise stand jedoch eher die Prognose über die Höhe der Ernte in der betreffenden Ernteperiode im Vordergrund, die bei Überschwemmung und heftiger Bewegung der „Tummler“ gefährdet erschien.

Abb. 5: Deutlich erkennt man die mitten im Ort austretende Quelle. Hier handelt es sich um den Wilden Hörschel.
Abb. 5: Deutlich erkennt man die mitten im Ort austretende Quelle. Hier handelt es sich um den Wilden Hörschel. (Quelle: Uraufnahme von Kotzendorf aus dem Jahr 1851, Ausschnitt aus Blatt NW-86-12, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)
Abb. 6: Der „Wilde Hörschel“ in Kotzendorf ist heute völlig überbaut.
Abb. 6: Der „Wilde Hörschel“ in Kotzendorf ist heute völlig überbaut. (Topograph. Karte TK 25, Blatt Hollfeld, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)

Sonstige Hungerbrunnen

Das Phänomen der sinkenden Karstgrundwasserspiegel und abnehmender Schüttungen während Trockenzeiten wird, wie bereits oben erwähnt, durch die Begriffe „Hungerbrunnen“ und „Geuder“ beschrieben. Im Gegensatz zu dem soeben beschriebenen Sonderfall der „Tummler“ reagieren die „Hungerbrunnen“ langsam und unspektakulär und werden durch die vergleichsweise langsamen Bewegungen des Grundwasserspiegels gesteuert. Ein Hungerbrunnen mit zeitweise beträchtlicher Schüttung ist in der Ortschaft Dürrbrunn nördlich von Ebermannstadt zu beobachten (Abb. 7). Hier ist von einer Schichtquelle auszugehen.

Abb. 7: Hungerbrunnen in Dürrbrunn, der in diesen Fall die lokale Bezeichnung Geuder aufweist (Lage des Hungerbrunnens in der Ortsmitte bei +).
Abb. 7: Hungerbrunnen in Dürrbrunn, der in diesen Fall die lokale Bezeichnung Geuder aufweist (Lage des Hungerbrunnens in der Ortsmitte bei +). (Topograph. Karte TK 25, Blatt Buttenheim, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)

Auf der Hochfläche südlich der Wiesent befindet sich der Hungerbrunnen von Trainmeusel, bei dem es sich um die Quelle an einem „schwebenden Grundwasserleiter“ handelt. Dieser Grundwasserleiter ist nur lokal aufgrund der lokalen Ausprägung der Kalksteine und Mergel des Malm vorhanden, die an dieser Stelle den hydraulischen Kontakt zu den umgebenden Bereichen verhindern. Auf natürlichem Weg wird hier in einem lokal begrenzten Bereich Niederschlagswasser gesammelt, welches am Hungerbrunnen von Trainmeusel austritt und in der Vergangenheit zur Versorgung der Gemeinde verwendet wurde. In früheren Zeiten wurde der Zugang zur Quelle während Trockenzeiten durch ein Gitter gesperrt, um eine unkontrollierte übermäßige Wasserentnahme zu unterbinden (Abb. 8-10).

Abb. 8: Hungerbrunnen von Trainmeusel am oberen Blattrand
Abb. 8: Hungerbrunnen von Trainmeusel am oberen Blattrand (Quelle: Top. Karte TK 25 Blatt Ebermannstadt, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)
Abb. 9: „Brunnenhaus“ des Hungerbrunnens von Trainmeusel
Abb. 9: „Brunnenhaus“ des Hungerbrunnens von Trainmeusel (Foto: Herbert Popp)
Abb. 10: Infoschild am Brunnen
Abb. 10: Infoschild am Brunnen (Foto: Herbert Popp)

Nordöstlich von Pottenstein am Ostrand der Hohenmirsberger Platte befinden sich ebenfalls zahlreiche „Hungerbrunnen“, so etwa im Talschluss des Pullendorfer Bachs (Abb. 11, oben rechts). Südlich von Hohenmirsberg befindet sich die „Urspring“ (Abb. 11, Mitte), die als Tummler betrachtet werden kann, da bei Schneeschmelze oder langanhaltenden Niederschlägen Wasserfontänen auftreten, die den flachen Talboden weiträumig überfluten können (Abb. 12). Während der Trockenperioden ist allerdings keinerlei Wasserführung zu beobachten. Das Einzugsgebiet für die Urspring ist die nördlich gelegene Hohenmirsberger Platte, bei der es im Untergrund vermutlich Kluft- und Höhlensysteme gibt, die den Grundwasserstrom bei erhöhtem Grundwasserstand zum Bereich der Urspring konvergieren lassen, während in den Trockenzeiten der Wasserspiegel tiefer liegt und das Grundwasser erst im Bereich des Haselbrunnbachs den Vorfluter erreicht.

Abb. 11: Hungerbrunnen am Ostrand der Hohenmirsberger Platte (Top. Karte TK 25 Blatt Waischenfeld), der südlich anschließende Tummler bei Urspring und der „Bettelbrunnen“ zwischen Mandlau und Prüllsbirkig.
Abb. 11: Hungerbrunnen am Ostrand der Hohenmirsberger Platte (Top. Karte TK 25 Blatt Waischenfeld), der südlich anschließende Tummler bei Urspring und der „Bettelbrunnen“ zwischen Mandlau und Prüllsbirkig. (Top. Karte TK 25 Blatt Waischenfeld; Top. Karte TK 25 Blatt Pottenstein, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)
Abb. 12: Urspring südlich von Hohenmirsberg
Abb. 12: Urspring südlich von Hohenmirsberg (Foto: Thomas Bernard)

Empfohlene Zitierweise

Klaus Bitzer: “Hungerbrunnen (Tummler ‒ Hörschel ‒ Geuder ‒ Urspring): Funktionsprinzip und Beschreibung temporärer Quellschüttungen im Karst” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/81_b_112-hungerbrunnen/, Stand 19.09.2019

Quellen und weiterführende Literatur

  • BRÜCKNER, Karl (1904): Führer durch die Fränkische und Hersbrucker Schweiz mit den Anhängen Rad-Touren und Geologie der Fränkischen Schweiz. – Wunsiedel.
  • BRÜCKNER, Karl (1922): Die Fränkische Schweiz und ihre Vorlande. 5. Auflage. – Wunsiedel.
  • KROPF, Erich (2007): Hungerbrunnen, Tummler, Steinerne Rinne. Naturdenkmäler in der Fränkischen Schweiz. ‒ Bamberg.
  • o. V. (1958): „Tümmler“ oder „Hungerbrunnen“ [mit Foto], in: Neues Volksblatt für die Fränkische Schweiz. Heimatzeitung für die Kreisgebiete Ebermannstadt und Pegnitz Nr. 125 vom 8. Juni 1948, S. 9.
  • WEISEL, Hans (2007): Zwei Tummler und ein Vulkan, in: Glanzpunkte der Fränkischen Schweiz (= Die Fränkische Schweiz, Heimatkundliche Beihefte, H. 19). – Erlangen, S. 41–49.

Bildnachweise

  • Titelbild: Hungerbrunnen des Kleinen Tummler im Leinleiter-Trockental (Thomas Bernard)
  • Vorschaubild: Urspring-Hungerbrunnen bei Haselbrunn nach der Schneeschmelze (Thomas Bernard)