Therme und Feriensiedlung Obernsees: ein Impuls für die touristische Entwicklung?
Von Herbert Popp – 09/2019
Die Entstehung der Therme von Obernsees hat eine Gemeinsamkeit mit der von Bad Füssing. Man wollte nämlich zunächst gar keine freizeitorientierte Einrichtung erstellen, sondern nahm eine Tiefenbohrung ins Erdinnere vor: im Falle von Bad Füssing in der Hoffnung, auf Erdöl zu stoßen, im Falle von Obernsees als Bohrung innerhalb eines Programmes zur Rohstofferforschung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, um die „Metallführung der randnahen Perm-Trias-Sedimente und des Kristallintops an der Nordflanke der Vindelizischen Schwelle im westlichen Vorland des Ostbayerischen Grenzgebirges“ (GUDDEN & SCHMID 1985, S. 5) zu erkunden. In beiden Fällen ergab sich als Nebenprodukt die Identifizierung von warmen Mineralwässern.
Für Bad Füssing wurde 1938 die Bohrung bei einer Endtiefe von 1.142 m erfolglos eingestellt. „Statt des erhofften Erdöls wurde zwischen 915 und 927 m in den oberen Schichten des Malm schwefelhaltiges Thermalwasser erschlossen.“ (PIETRUSKY & WISBAUER 1977, S. 17). Nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte man sich an diese Bohrung und machte sie zur Grundlage einer beispiellosen Entwicklung hin zu einem Thermalheilbad, das hinsichtlich der Besucherzahlen heute zu den größten in ganz Europa gehört! Die Bohrung des Bayerischen Geologischen Landesamtes von 1983 in Obernsees stieß in 1.280 m Tiefe auf artesisch gespanntes Thermalwasser mit einer Temperatur von ca. 60°C bzw. einer Austrittstemperatur von 44°C an der Oberfläche. Eine Wasseranalyse ergab, dass es sich um eine Heilquelle mit Natrium-Chlorid-Hydrogenkarbonat handelte, der eine gesundheitsfördernde Wirkung bei Gelenkleiden zugeschrieben wurde.
Nunmehr wurden 1992 die Weichen zu einer Nutzung als Thermalerlebnisbad durch den „Zweckverband Warmbad Obernsees“, dem die Gemeinde Mistelgau und der Landkreis Bayreuth angehören, gestellt. Die veranschlagten Baukosten von 25 Mio. DM wurden mit etwa 11,3 Mio. DM durch den Staat bezuschusst. 4 Mio. DM umfassten Privatdarlehen für die Erstellung eines Biomasseheizkraftwerks. Die restliche Finanzierung von knapp 10 Mio. DM war zu 55 % durch den Landkreis Bayreuth und zu 45 % durch die Gemeinde Mistelgau zu leisten.
Zum Zeitpunkt, als der Beschluss für den Bau einer Therme getroffen wurde, war dies zwar eine mutige Entscheidung, hatte aber zahlreiche Argumente für sich. Der Heilbädertourismus boomte, nicht zuletzt angeführt von dem oben genannten Bad Füssing, seit den 1960er und 1970er Jahren derart, dass auch im Falle von Obernsees eine ausreichende Nachfrage bei der Bevölkerung zu unterstellen war, gab es doch als „Konkurrenzstandorte“ bis dato nur Staffelstein und das deutlich weiter entfernte Rodach. Zudem war zu erwarten, dass die Lage von Obernsees am Ostrand der Fränkischen Schweiz auch eine Anziehung auf Urlaubsgäste ausüben würde – und durch die Therme die hier merklich geringere touristische Attraktivität als im Kernbereich um die Wiesent angeglichen werden könnte.
Im Herbst 1996 war Baubeginn; im Mai 1998 wurde die Therme in Betrieb genommen. Sie umfasste eine 500 m2 große Wasserfläche, verteilt auf vier Becken, davon ein Außenbecken. Dazu kamen eine Saunalandschaft, eine Liegegalerie, ein Bistro im Obergeschoss mit Freiterrasse und eine Physiotherapieabteilung (Abb. 1). Der Baukörper versucht sich bei einer Hanglage mit einem Wechsel von verglasten und geschlossenen Wandflächen in die landschaftliche Umgebung einzupassen.
Bereits bei der Inbetriebnahme, und stärker noch in den Jahren danach, geriet die Therme Obernsees in eine zunehmende Konkurrenzsituation. Bayreuth hatte nämlich ebenfalls eine Bohrung niedergelassen, war ebenfalls auf Thermalwasser gestoßen und beschloss gleichsam eine Therme mit 1.000 m2 Wasserfläche in 10 Becken, die Lohengrin-Therme, zu errichten. Sie wurde nur drei Jahre später als Obernsees im Jahr 1999 eingeweiht. Zwar wurden die Träger beider Thermen nicht müde, immer wieder zu betonen, dass sie unterschiedliche Zielgruppen bedienten, nämlich die Lohengrin-Therme die gesundheitssuchenden Senioren, dagegen die Therme Obernsees spaßorientierte Zielgruppen im Familienverbund. Doch wirkte diese Argumentation reichlich konstruiert. Entscheidend wurde dann aber für die Entwicklung der folgenden Jahre, dass eine größere Anzahl weiterer Städte Thermen errichtete. Das Freizeit- und Familienbad mit Saunabereich JURAMAR in Pottenstein besteht bereits seit 1995 und wendet sich an die gleiche Zielgruppe „Familien mit Kinder“ wie die Therme Obernsees. Seit 2010 ist nun auch noch das CabrioSol in Pegnitz, ein Erlebnisbad mit Saunaabteilung, fertiggestellt. Beide sind zwar keine „Naturthermen“, aber sie heizen das Wasser künstlich auf. 2017 tritt schließlich mit der Siebenquell-Therme in Weißenstadt (Landkreis Wunsiedel) noch ein weiteres Element desselben Angebotstyps auf den Plan.
Um ihre kontinuierlich defizitäre Situation abzuschwächen rüstete die Therme Obernsees mehrfach auf. Im zweiten Bauabschnitt 2001 wurde die Saunalandschaft erweitert. 2003 kamen als Erweiterungen auch ein weiteres Schwimm- und Spaßbecken, eine 90-m-Reifen-Erlebnisrutsche, eine Dampf-Solegrotte und ein Kinder-Wasserspielbereich hinzu (Abb. 2). Die Beliebtheit der Terme ist hoch, aber sie bleibt ein Defizitgeschäft, trotz der jährlich 260.000 Besucher (2017). Für eine Erneuerung der Therme und die Installation einer neuen Bohrung wurden 2018 weitere 12,5 Mio. € bewilligt. Die neue Bohrung ist de facto eine Ersatzbohrung, denn die 1983 niedergelassene Bohrung war nicht für die Etablierung einer Therme, sondern als Forschungsbohrung erfolgt. Und deren Durchmesser ist deutlich enger als bei Thermen üblich, sodass Ablagerungen an der Brunnenwand leichter zu Verstopfungen führen können.
Deshalb versuchte die Gemeinde Mistelgau eine komplementäre Entwicklung anzustoßen, die von der Nachbarschaft der Therme profitieren würde, die aber vor allem ortsfremde Urlauber als Zielgruppe ins Auge fasste. Es entstand die Idee zur Errichtung einer Ferienhaussiedlung mit bis zu 250 Ferienhäusern und einem Hotel. Sie sollten beide unmittelbar neben der Therme errichtet werden. Trotz sofortiger Erstellung eines Bebauungsplanes und Änderung des Flächennutzungsplans für eine solche Siedlung zog sich die Projektidee ohne konkrete Ergebnisse mehr als sieben Jahre hin. Erst 2015 konnten schließlich die ersten 13 Ferienhäuser verkauft und errichtet werden (Abb. 3). Das immer noch reichlich vage, wenn auch bereits abgespeckte Zukunftsziel ist es derzeit insgesamt 120 Ferienhäuser zu erreichen, davon 50 als Baumhäuser.
Die Entwicklungsfirma aus Nordrhein-Westfalen versprach Investoren für eine private Herzklinik für 80 Patienten und ein Hotel mit 90 bis 100 Betten. Es solle sich um „besonders privilegierte Patienten aus aller Welt handeln“, um Patienten, „die mit einem zehn bis zwanzig Personen starken Begleiterstab anreisten“ (NORDBAYERISCHER KURIER vom 17. Januar 2015 ).
Der Mistelgauer Gemeinderat erhoffte sich davon eine positive wirtschaftliche Entwicklung (NORDBAYERISCHER KURIER vom 20. Januar 2015 ). Die Gemeinde ist derzeit an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten gelangt, dennoch wurde ab 2017 ein zweiter Bauabschnitt mit 42 Ferienhäusern errichtet (Abb. 4).
Es ist abzusehen, dass die Therme (wie fast alle Bädereinrichtungen) auch weiterhin ein Defizitunternehmen für den Landkreis und die Gemeinde bleiben wird. Allerdings wurde mit ihr, zumindest für die Bevölkerung der Region, ein neues attraktives Element der Freizeitnutzung geschaffen. Ob überhaupt und wie umfänglich die Impulse der Ferienhaussiedlung für die touristische Entwicklung in der östlichen Fränkischen Schweiz (und speziell für die Erhöhung der Besucherzahlen der Therme) sein werden, kann noch nicht voll abgeschätzt werden.
Jüngere Diskussionen im Mistelgauer Gemeinderat, die Siedlung teilweise umzuwidmen in ein ganz normales Wohngebiet (NORDBAYERISCHER KURIER vom 12. Juli 2018 ), sind Indizien dafür, dass das Ferienhausmodell nicht im gewünschten Maße erfolgreich ist. Zudem sieht die Aufsichtsbehörde, die Regierung von Oberfranken, Zielkonflikte zwischen den beiden unterschiedlichen Ausrichtungen. Deshalb wird jetzt ein vom Ferienhausgebiet separiertes, aber unmittelbar an dieses anschließendes Entwicklungsareal beplant, in dem 31 barrierefreie Wohnungen, ein ambulantes Seniorenzentrum und eine „Gesundheitseinrichtung“ für Mutter-Kind-Kuren, ergänzt durch einen Einkaufsmarkt mit regionalen Produkten (NORDBAYERISCHER KURIER vom 26. September 2018 ), entstehen sollen (vgl. Abb. 5). Vieles spricht dafür, dass auch dieses Projekt, das sich in den ersten Anfängen befindet und noch nicht einmal im Gemeinderat diskutiert und genehmigt wurde, große Anlaufschwierigkeiten bzw. sogar geringe Realisierungschancen haben wird.