Das Bild der Fränkischen Schweiz in Drucken und Zeichnungen des 19. Jahrhunderts
Von Frank Piontek – 09/2019
Nur wenige Jahre nach dem Pfingst-Ritt 1793 der beiden Studenten und Dichter Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck beginnen die bildenden Künstler, ihr Bild von der Landschaft, durch die die beiden Herren gereist sind, zu fixieren. Es sind nicht immer die Formen der Reproduktionsgraphik, mit denen sie haltbare Ansichten der Fränkischen Schweiz festhalten, doch die Technik schreitet voran und überholt das ältere Medium der bloßen Zeichnung im Lauf des 19. Jahrhunderts mit großer Schnelligkeit.
Der bekannteste Name, der sich heute mit diesen Ansichten verbindet, ist der des Ludwig Richter, doch haben neben ihm noch etliche andere bedeutende – oft in Nürnberg, aber auch weit außerhalb von Nürnberg tätige – Künstler, Drucker und Verleger das Bild der Fränkischen Schweiz überregional geprägt. Sie taten es im Medium von Einzelbattdrucken und Sammelwerken, innerhalb von mehr oder weniger wissenschaftlichen und landeskundlichen Zusammenhängen, zur Erinnerung an schöne Gegenden und um die prägnantesten Orte des Vaterlandes oft erstmals im Bild zu dokumentieren. Viele dieser Ansichten sind auch heute noch populär, werden nach wie vor in Sammelwerken oder Einzelblattdrucken reproduziert und prägen auf ihre Weise, wenngleich historisch anachronistisch, das Bild einer extrem romantischen Fränkischen Schweiz.
Der schönste und umfangreichste Zyklus wurde 1840 unter dem Titel Die Fränkische Schweiz. Cyclus der interessantesten Punkte aus der Umgegend von Muggendorf und Streitberg. Sechzehn in Ton gedruckte Lithographien vorgelegt. Die zeichnerischen Vorlagen stammten vom Landschaftsmaler und Kupferstecher Carl Käppel (geb. 1822), die Stiche von Theodor Rothbarth (1823–1891), der das Werk in Nürnberg herausgab und von Friedrich Willhelm Engelhardt drucken ließ – etliche der anderen Zeichner und Graphiker der Fränkischen Schweiz waren gleichfalls in Nürnberg ansässig, von wo aus sie in die nähere Umgebung aufbrechen konnten, um einem internationalen Publikum die Schönheiten und im besten Sinne malerischen Eigenheiten der Region nahezubringen.
Der dritte Beiträger des Nürnberger Albums von 1840, Friedrich Schultheis, hatte zu Beginn seines Begleittextes den Grund für das künstlerische Werk, das gleichberechtigt neben dem 26 Seiten langen landeskundlichen Text steht, in diesem Sinne angegeben: „Die mächtigen Felsmassen, theils kahl in die Luft hinausragend, theils von üppigem Gesträuch umschlungen oder von feiner Vegetation überkleidet, geben die schönsten, edelsten Bilder, in denen das Ernste mit dem Lieblichen harmonisch sich eint.“ (S. 2) Und er wies in durchaus romantischer Manier auf die Landschaftsgestalt hin: „In finsterer Tiefe gewurzelte Kraftgestalten ringen sich kühn empor und feiern hier ihre Vermählung mit den zarten Gebilden des Lichts.“ (S. 2)
Bild 1: Streitberg
Schultheis beschrieb Streitberg folgendermaßen: „Nicht wohl werden in einer anderen Gegend auf beschränktem Gebiete so viele kriegerische Denkmale der mittelalterlichen Zeit sich zusammendrängen, als in diesen jetzt so stillen Thälern, die einst vom Waffengetöse der sich oft befehdenden unruhigen reichsfreien Barone und Herren erdröhnten. […] Auf der entgegengesetzten Seite des nicht sehr breiten Thales liegt in reizender Unordnung das Dorf Streitberg, über dem auf einer gewaltigen Felsenmasse die Mauern des großen Amtsschlosses sich erheben.“ (S. 9 f.)
Bild 2: Streitberg
Diese Ansicht Streitbergs wurde um 1850 von einem unbekannten Künstler in einer verkleinerten Darstellung reproduziert – diesmal in der Technik der Lithographie, doch nicht auf einer Stein-, sondern auf einer Tonplatte.
Bild 3: Die Riesenburg
Rothbarth und Käppel haben nicht allein die Stadt- und Ortsansichten der Fränkischen Schweiz, sondern auch die schon damals berühmte Höhlenlandschaft im Bild festgehalten. Die im Wiesenttal gelegene Riesenburg eignete sich in besonderem Maß für romantische, d.h. heroische Landschaftsaufnahmen. Schultheis kommentierte die Zeichnung folgendermaßen: „Man gelangt in das Innere der imponirenden Steinmasse durch ein mächtiges Felsenthor, wie Triumphbögen überspannen zwei Blöcke in breiten Bogen den weiten Raum und bieten von ihrem Rücken aus eine hübsche Aussicht in das Thal.“ (S. 18)
Wurden die Stiche Rothbarths zunächst schwarzweiß gedruckt, so existieren von einzelnen Ansichten auch mehrfarbige Drucke – wie in diesem spektakulären Fall.
Bild 4: Gößweinstein
Geradezu malerisch eingerahmt von den Felsen auf den Höhen, die sich um den Ort herumziehen, erscheint die Burg Gößweinstein in idealer Weise. „In der Nähe ist ein schöner Felsenbogen“, schreibt Schultheis (S. 17). „Hinter der Sachsenmühle erblickt man ein Schloß auf hohem Felsen, es ist Gößweinstein in einer romantischen Umgebung.“
Bild 5: Pottenstein
Käppel ließ sich auch den Ort Pottenstein nicht entgehen. „Großartig werden die Steinmassen in der Nähe von Pottenstein, einem Landstädtchen, dessen Gebäude zerstreut im tiefen Thalkessel sich um das großartige auf einem hohen Kalkfelsen thronende Schloß reihen. Nicht leicht zeigt ein Ort so viele interessante Punkte als Pottenstein, überall wird man durch besondere Naturschönheiten überrascht“ (Schultheis, S. 25).
Bild 6: Pottenstein
1840 hat auch Johann Gabriel Friedrich Poppel eine Ansicht vorgelegt, die er etwa am selben Ort aufgenommen hatte: innerhalb seiner neun Stahlstiche enthaltenden Sammlung Album der fränkischen Schweiz. Die Technik des Stahlstichs bot sich für die industrielle Verwertung der Blätter ideal an, denn noch vor Erfindung der Fotografie ermöglichte die noch relativ junge Erfindung des Stahlstichs ‒ im Gegensatz zum Kupferstich – seit 1820 viele Drucke in unbegrenzt hoher Auflage. Auch Poppel war ein Mann aus der Nürnberger Gegend, doch machte er außerhalb der Mittelfrankenmetropole Karriere. Er wurde 1807 im Industriedorf Hammer bei Nürnberg geboren, lernte zunächst das Kupferstechen an der Nürnberger Kunstschule, ab 1829 das Stahlstechen in Karlsruhe. 1832 war er an der Londoner Edition von William Tomblesons Views of the Rhine beteiligt. 1838 ging Poppel nach München, wo er die viel beachtete Galerie Europäischer Städte stach. Das Album der fränkischen Schweiz gehört zu seinen Frühwerken, die noch Stiche nach eigenen Zeichnungen enthalten. In seinen späteren Sammelwerken (etwa über den Rhein oder das Königreich Preußen) vervielfältigte er v.a. Lithographie-Vorlagen fremder Künstler. Er starb, als angesehener Herausgeber umfangreicher Stichwerke, 1882 in Ammerland am Starnberger See.
Bild 7 und 8: Ausschnittsvergrößerung der Burg Pottenstein in Bild 5 und 6
Der Vergleich der beiden gleichzeitig entstandenen Bilder von Käppel und Poppel (Bild 5 und Bild 6) in einer Ausschnittsvergrößerung der Burg von Pottenstein (Bild 7 und 8) macht deutlich, dass – bei allgemeiner Ähnlichkeit der festgehaltenen Gegenstände ‒ von fotografischer Genauigkeit nicht die Rede sein kann. Beide Künstler haben die Ortsansicht auf ihre Weise eingerichtet.
Bild 9: Burg Rabenstein
„Je weiter man das Ahornthal aufwärts verfolgt, desto wildromantischere Naturscenen erscheinen“, schrieb Schultheis (1840, S. 22). Er erwähnte eine „150 Fuß hohe Mauer von ungeheuren Kalksteinquatern“, auf der das Schloss Rabenstein steht, das „nicht minder durch seine Größe als seine Lage“ den Besucher und Kulturfreund begeistere. Rabenstein ist eines der schönsten Beispiele für die verschiedenen Arten, in denen der Ort im Medium der Zeichen- und Druckkunst ins Bild gesetzt wurde.
Bild 10: Burg Rabenstein
Schon relativ früh wurde Rabenstein im Bild verewigt. 1810 entstand der Stich von Johann Nussbiegel, der in Georg August Goldfuß’ Buch Die Umgebungen von Muggendorf. Ein Taschenbuch für Freunde der Natur und Alterthumskunde, Erlangen 1810, Tab. II, veröffentlicht wurde, also innerhalb eines wissenschaftlichen Werks.
Goldfuß wurde 1782 im heutigen Oberfranken, in Thurnau geboren. Im Erscheinungsjahr des Buchs habilitierte er sich, worauf er 1811 bis 1818 als Privatdozent und Lehrstuhlverwalter an der Erlanger Universität Zoologie lehrte. Er starb 1848 als anerkannter Paläontologe und Zoologe in Poppelsdorf bei Bonn. Der Illustrator des naturwissenschaftlichen Werks, Johann Nussbiegel, wurde 1750 in Nürnberg geboren, wo er als Sohn und Schüler des Nürnberger Kupferstechers und Verlegers Georg Paul Nussbiegel, als Zeichner und als Kupferstecher lebte und 1829 starb.
Bild 11: Burg Rabenstein
Kurz bevor die Grafen von Schönborn-Wiesentheid die Burgruine für einen Königsbesuch von Ludwig I. umgestalteten (1829 / 30), schuf der Radierer, Kupferstecher und Zeichenlehrer Johann Felix Tobias Grünewald (1804–1872) seine Ansicht der Burg.
Bild 12: Burg Rabenstein
Fünf Jahre später präsentierte sich die Anlage in einem erneuerten Gewand. Conrad Wießner stach 1834 ein einzelnes Erinnerungsblatt für Freunde Muggendorfs und dessen Umgebungen. Im Morgenblatt für gebildete Stände vom 11. September 1834 (Nr. 73 – Kunst-Blatt – S. 290) wurde er von einem Anonymus rezensiert: „Dieser Kupferstich wird besonders denen erwünscht seyn, welche von Erlangen, Nürnberg oder Baireuth aus die romantischen Thäler von Muggendorf, Streitberg, Gösweinstein, Rabeneck u.s.w. besucht haben, deren herrliches Grün, von wilden Felspartien gehoben, allein schon die Wanderung verdient, während der Naturforscher zugleich in den berühmten unterirdischen Höhlen, sowie in der reichen Vegetation, die über ihnen erblüht, die interessanteste Beschäftigung findet.“ Dann lobt der unbekannte Verfasser den Künstler: Das Blatt gehöre nicht „unter den Troß von Vedutenkupferstichen, sondern beurkundet ein ausgezeichnetes landschaftliches Talent sowohl in Hinsicht auf die Wahl der Gesichtspunkte, als auf die kupferstecherische Ausführung. Zwar ist nicht alles gleich gelungen, noch Manches ist etwas ängstlich und steif gerathen; auch sind die den englischen Veduten nachgeahmten Gegensätze dunkler Figuren und lichter Gründe oft etwas grell ausgefallen.“
Auch Conrad Wießner war ein Nürnberger. Geboren an der Pegnitz im Jahre 1796, war er seit 1828 als Zeichenlehrer an Nürnberger Schulen tätig, seit 1833 an der Königlichen Kreis-Landwirtschafts- und Gewerbeschule. Gestorben ist er allerdings (1865) in Wallhalben in der Rheinpfalz. Wießner arbeitete als Maler und Zeichner und als Radierer, Stahlstecher und Steinzeichner, als solcher produzierte er selbst die Lithografien und Stahlstiche, die er mit seinem Sohn Friedrich Wilhelm Paul Wießner herstellte und in eigenem Verlag herausgab.
Das Erinnerungsblatt wurde bei C. Mayer in Nürnberg gedruckt. Carl Ferdinand Mayer war wie Wießner ein Mann aus Nürnberg, der hier 1798 geboren wurde und 1868 am Ort starb. Der Kupfer- und Stahlstecher und Graphiker erwarb den Verlag der Frauenholzschen Kunsthandlung in Nürnberg und gab mit seiner Carl Mayer’s Kunst-Anstalt eigene Bilderwerke heraus, die er dem Sortimentsbuchhandel direkt anbot. Nicht zuletzt durch diese erste große Kunstanstalt war die Stadt Nürnberg bis in die 50er und 60er Jahre des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet des Kupfer- und des Stahlstichs führend.
Bild 13: Burg Rabenstein
Ungefähr um 1840 nimmt ein unbekannter Zeitgenosse eine Ansicht der Burgenlandschaft auf, die mit keiner der anderen Ansichten übereinstimmt und sich vor allem an den massiven Felsgebirgen interessiert zeigt. Das im Hintergrund erkennbare Gebäude ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Klaussteinkapelle.
Bild 14: Burg Rabenstein
Auch Carl August Lebschée monumentalisiert Landschaft und Burg, indem er sie wie eine Götterburg inmitten der malerischen Einfassung zweier gigantisch erscheinender Felsen platziert, unter denen die menschliche Staffage geradezu zwergenhaft erscheint.
Lebschée gehört zu den wichtigsten Zeichnern, die im heutigen Oberfranken tätig waren. Geboren im Jahre 1800 in Schmiegel bei Posen, kam er als Siebenjähriger mit seiner ursprünglich elsässischen Familie nach Bayern. Dank eines Stipendiums des ersten bayerischen Königs Max I. Joseph besuchte er ab 1814 die Münchner Kunstakademie, wo Koryphäen wie Wilhelm von Kobell und Johann Georg von Dillis zu seinen Lehrern zählten. Seit 1825 war er als Maler, Zeichner und Illustrator freischaffend unterwegs. Er starb 1877 in München, das er in vielen Zeichnungen verewigt hat.
Das Blatt von Rabenstein ist ein typischer Lebschée: der Zeichner liebte Burgen, nahm sie so genau wie möglich auf und war vor allem in Altbayern und im heutigen Oberfranken anzutreffen. Charakteristisch ist auch die Detailfreudigkeit seiner Staffagen, also des meist erfundenen Beiwerks aus menschlichem Personal. 1830 veröffentlichte er eine Malerische Topographie des Königreichs Bayern, 1846 lieferte er die Stahlstiche zu Maximilian Benno Peter von Chlingenspergs mehrbändigem Werk Das Königreich Bayern. Von 1850 bis 1859 entstanden wichtige Illustrationen von Thurnau und seinen Umgebungen. Die Ansicht von Rabenstein, die von Johann Gabriel Friedrich Poppel gestochen wurde, diente also nicht allein dem kommerziellen und touristischen, sondern auch dem vaterländischen Interesse, das in der Regierungszeit König Ludwigs I. zu einem ersten Höhepunkt kam.
Bild 15: Burggaillenreuth
1844 kam in München die Sammlung malerischer Burgen und anderer merkwürdiger Baudenkmale der Bayerischen Vorzeit heraus, die von Carl August Lebschée lithografiert wurde. Die Ansicht von Burggaillenreuth war damals bereits 29 Jahre alt. Die Vorzeichnung von 1815 (Staatsbibliothek Bamberg) stammt von Domenico Quaglio, einem bekannten Architekturmaler, Theatermaler, Lithografen und Radierer. Er kam 1787 als Mitglied einer renommierten Theatermalerfamilie in München zur Welt und starb 1837 im Schloss Hohenschwangau bei Füssen. Neben seinen Dekorationen für das Münchner Hoftheater schuf er bedeutende Münchner Architekturbilder und nach 1812 viele Aufnahmen von mittelalterlichen Kirchen, Palästen, Burgen, Ruinen, Rathäusern in Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz. Er war einer der ersten Künstler, die die noch junge Technik der Lithographie einsetzten, um mittelalterliche Bauten in etlichen Druckgraphiken wiederzugeben.
Die Sammlung malerischer Burgen erschien in der 1785 gegründeten Münchner Verlagshandlung Mey & Widmayer, die seit 1838 diesen Doppelnamen trug und die Firma Widmayer aus Stuttgart mit der Firma Chr. Mey aus Eisenach verband.
Bild 16: Waischenfeld
Ernst Moritz Arndt fühlte sich in Waischenfeld an die „Nachgeburt des alten Chaos“ erinnert. In Domenico Quaglios außergewöhnlich expressiver Zeichnung (Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld) kommt etwas von diesem urtümlichen Chaos zum Ausdruck.
Bild 17: Pottenstein
Ludwig Richter schuf die vielleicht bekanntesten Ansichten der Fränkischen Schweiz des 19. Jahrhunderts. Er wurde 1803 als Sohn eines Dresdner Kupferstechers geboren, lernte das Handwerk seines Vaters, besuchte die Dresdner Kunstakademie und kam 1836 in Kontakt mit dem Leipziger Verleger Georg Wigand. Für dessen zehnbändige Buchreihe Das malerische und romantische Deutschland schuf er zahlreiche graphische Vorlagen.
Im August 1837 quartierte er sich im Gasthof Zur Post in Waischenfeld ein, um zahlreiche Orte in seinem Zeichenblock festzuhalten. Er schrieb: „Die Wirtsstube, ihre Gerätschaften, das interessante Volk, Sprache und Tracht, die ganze Gegend Schritt vor Schritt, gibt mir interessantes, ja Bilder, und zwar in einem Charakter wie ich ihn immer zu finden wünschte.“ Im dritten, von Gustav von Heeringen verfassten Band des Malerischen und romantischen Deutschland, Wanderungen durch Franken, finden sich 30 Stahlstiche nach Richters Vorlagen, die er nach einer Wunschliste des Autors gemacht hat. 1845 kam er wieder durch die Gegend, um weitere Ansichten aufzunehmen. Sie wurden so beliebt wie viele andere Illustrationen in Märchen- und Familienbilderbüchern des Künstlers, der 1884 als Dresdner Ehrenbürger starb.
Der Stahlstich von Pottenstein wurde von Henry Winkles erstellt. Winkles war etwa so alt wie Richter, wurde um 1801 geboren und gründete mit Carl Ludwig Frommel bei Karlsruhe das erste Stahlstichstudio in Deutschland. Der Stecher und Drucker, der um 1860 verstarb, wurde unsterblich durch ein 1836 publiziertes Großwerk zu englischen und walisischen Kathedralen.
Bild 18: Burg Rabeneck
Auch dieser Stich der Burg Rabeneck ist dank seiner Komposition, aber besonders aufgrund seiner Staffage ein typischer Richter. Im Vordergrund sind zwei Gestalten unübersehbar: ein alter, altdeutsch gekleideter Mann mit Harfe und eine erschöpfte Frau. Damit erinnert Richter überdeutlich an die Figuren des Harfners und der Mignon in Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre, der zwar nicht zur romantischen Literatur zählt, aber mit den beiden Figuren romantische Charaktere besitzt. So machte Richter aus der topografischen Ansicht ein literarisches Blatt. Auch der altdeutsch gewandete Mann und die mit einem Kreuz ausgestattete Frau der Pottenstein-Ansicht romantisieren die Landschaft auf starke Weise.
Das Blatt ist nicht ein Teil des Frankenbuchs, sondern wurde von Ernst Grünewald gestochen. Grünewald, geboren 1801, war ein Darmstädter Kupferstecher, Grafiker und Schriftsteller. 1829 wurde er zum Hofkupferstecher ernannt. 1837 war er in London, 1840 in Hamburg. Dann gründete er in seiner Heimatstadt eine grafische Werkstatt, die er ab 1841 gemeinsam mit dem Engländer William John Cooke jun. betrieb. Unter dem Namen Grünewald & Cooke beschäftigten sie sich zunehmend mit dem für die Buchproduktion wichtigen Stahlstich. Grünewald starb mit nur 44 Jahren in Darmstadt.
Bild 19: Ruine Neideck
Die Ansichten Ludwig Richters wurden von vielen, auch englischen Stechern reproduziert. Dieses Blatt wurde von einem ansonsten unbekannten „L. Beaer“ gestochen und zeigt, in idealtypischer Richterscher Manier – mit dem neckischen Personal im Vordergrund – die Ansicht der wohl beeindruckendsten Burgruine der Fränkischen Schweiz, die in der Wiedergabe dieses Stiches fast schon alpine Züge annimmt.
Bild 20: Tüchersfeld
Zu den vielen Einzelzeichnungen unbekannter Künstler gehört diese Ansicht der Dolomitfelsenlandschaft von Tüchersfeld. Friedrich Eustach, geboren 1768 im nahen Ebermannstadt, lebte als Kunstliebhaber in Bamberg. In seinem bürgerlichen Beruf war er Vermessungsingenieur. Schultheis schrieb 1840 über den Ort: „Das Thal verengert sich an manchen Stellen, als ob es dem Flüßchen den Durchgang wehren wollte, dunkle Felsen in den wunderbarsten Formen thürmen sich auf, der Ort selbst ist zur Hälfte zwischen die höchsten derselben eingezwängt.“ (S. 25)
Bild 21: Die Fränkische Schweiz
Theodor Rothbarth, der zusammen mit Carl Käppel und Friedrich Schultheis 1840 das Sammelwerk über die Fränkische Schweiz herausgab, entwarf auch eine Sammelansicht der Region. Damit erwies er sich als Vorläufer der Schöpfer der modernen Sammelpostkarte.
Bild 22: Aus dem Pegnitzthale und der Krottenseeer Höhle
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde das Sammelblatt immer beliebter. Typisch war die Publikation derartiger Blätter in der Druckform des Holzstichs innerhalb von populären Zeitschriften. Diese achtteilige Ansicht wurde in Das Buch für alle, einer 1866 gegründeten Illustrierten Familien-Zeitung zur Unterhaltung und Belehrung veröffentlicht, also in einer der ersten und auflagenstarken Illustrierten Deutschlands.
Einer der fleißigsten Beiträger war Friedrich Georg Trost (auch Friedrich Trost der Ältere genannt). Geboren 1844 in Nürnberg, dort auch 1922 gestorben, erlernte er die Xylographie (den Holzstich), die im 19. Jahrhundert zur meist verwendeten Reproduktionstechnik für Illustrationen wurde. Er besuchte die Kunstgewerbeschule Nürnberg und kehrte nach Zwischenstationen in Stuttgart, Frankfurt am Main, Darmstadt und Braunschweig 1868 in seine Heimatstadt zurück, um dort eine eigene Malschule zu gründen. Von Nürnberg aus war er als Illustrator für verschiedene Zeitschriften tätig, z.B. für die populäre Gartenlaube.
Gedruckt wurde Das Buch für alle bei den Stuttgarter Gebrüdern Kröner, in deren Haus der Verlag – vormals die Alfred Kröner Verlagsbuchhandlung ‒ und die Druckerei – die einstige Hof- und Kanzleibuchdruckerei ‒ vereinigt waren. Dieses Modell einer wirtschaftlich organisierten Druck- und Verlagsanstalt war lange Zeit erfolgreich – und für die weite Verbreitung populärer Ansichten auch der Fränkischen Schweiz im Medium beliebter Familienzeitschriften, damit auch dem Tourismus und der Werbung äußerst förderlich.