Der Wandlitzer See – Lebensgrundlage, Besitzverhältnisse und Nutzungsvielfalt
Von Claudia Schmid-Rathjen – 12/2020
Der Wandlitzer See verdankt seine Entstehung der Eiszeit. Er ist der Quellsee der Briese. Diese fließt in die Havel und über die Elbe in die Nordsee. Die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee, zwischen Elbe und Oder quert den Barnim und verläuft auf dem Gebiet der Gemeinde Wandlitz zwischen Wandlitzer See und Liepnitzsee. Der Wandlitzer See ist aber nicht nur ein Kleinod des landschaftlichen Formenschatzes des Naturparks Barnim, er ist aufgrund seiner Eigentumsgeschichte und Nutzungsvielfalt etwas Besonderes.
Wie viele Seen des Barnim verdankt der Wandlitzer See seine Entstehung der Weichsel-Eiszeit. Aufgrund seiner sichelförmigen Lage und seiner Größe von 217 ha mit bis zu 24 m Seetiefe war er ein begehrter und nachweislich sehr alter Siedlungsplatz. Bereits in der Steinzeit durchstreiften Jäger, Sammler, Fischer und Wildbienenzüchter seine Seeufer. Der See war für die ersten Siedler eine Lebensgrundlage. Schon allein sein Name bezeugt dies. Das altslawische “wada” heißt “Fischangel, Handnetz, Reuse” und die slawische Bezeichnung “vandelice” bedeutet so viel wie “Menschen, die am Wasser leben”. Seit 1861 setzt sich die Schreibweise “Wandlitz” und “Wandlitzer See” durch.
Als im 13. Jahrhundert die deutsche Ostkolonisation auch den Barnim erfasste und sich deutsche Neusiedler östlich der Elbe niederließen, blieb der See auch für die Zugereisten Lebensgrundlage. Erstmals urkundlich erwähnt ist der Wandlitzer See anlässlich seines Verkaufs im Jahre 1242 in einem lateinisch abgefassten, umfänglichen und komplizierten Kauf- und Tauschvertrag. Die askanischen Markgrafenbrüder Johann I und Otto III veräußerten das Dorf Wandlitz zusammen mit anderen Ortschaften der Region Barnim an das zisterziensische Kloster Lehnin. Die Mönche von Lehnin betrieben eine herausragende, aktive Grundstückserwerb- und Immobilienpolitik im Barnim und traten als Raumpioniere und Kolonistenmanager im Barnim auf. Damals betrug der Preis für Wandlitz Dorf mit See 150 Mark Silber und drei Züge mit dem großen Netz im Wandlitzer See – Fischbeute als Währung! Die Klöster des Mittelalters hatten Interesse an einer ausreichenden Versorgung mit Fischen, da das christliche Fasten mit Fisch bei Adel und Klerikern an Bedeutung gewann.
Wandlitz blieb 300 Jahre Klosterdorf. Mit der Reformation und der damit einhergehenden Enteignung der katholischen Kirche fielen die Besitzungen der Kirche 1539 wieder in kurfürstlich-brandenburgischen Besitz zurück. Fortan wurden sie fast weitere 300 Jahre vom Amt Mühlenbeck und später von Liebenwalde als Staatsdomäne verwaltet.
Nasses Handwerk – Von Amtsfischern und Garnmeistern
Ab dem späten 17. Jahrhundert bewirtschafteten sogenannte Amtsfischer und Garnmeister den Wandlitzer See. Sie lieferten der Obrigkeit die Fische: Herrenfische, einst für den Kurfürsten, später für das königliche Domänenamt. Ein Garnmeister ist ein Fischereipächter, der mit Netzen und einer bestimmten Fangtechnik fischt. Seit 1750 war Garnfischen in Europa eingeführt. Das Fischgarn ist am oberen Saum mit Schwimmern versehen und am unteren Ende mit Gewichten (Senksteinen) beschwert. Die Fischer legen das Garn aus und ziehen es nach dem Setzen zusammen. Die Fischerei mit Zuggarnen ist eine dynamische Art des Fischens und recht effizient: Ein Zug mit dem Garn fängt viele Fische. Garnfischer sind Könige auf den Fischgewässern. Das Wissen um die besten Fischgründe macht einen erfolgreichen Garnmeister aus. Die Zugfischerei ist Gemeinschaftsarbeit, absolviert entweder mit mehreren Gesellen oder mit Familienangehörigen. Je nach Fischsorten wählt der Fischer das entsprechende Garn. Mit dem Aufkommen der Kunstfaser wurden die Zuggarne derart effizient, dass ein Überfischen, ein übermäßiges Ausbeuten der Fischgründe, drohte.
Vereinzelt sind die Fischer des Wandlitzer Sees namentlich seit Ende des 17. Jahrhunderts bekannt: Streich 1690, Peter Joseph 1727, Martin Ebel 1748, Gottfried Ebel 1763. Zwei Familien schreiben über mehrere Generationen in Wandlitz in der örtlichen Fischerei Geschichte: Die Perlwitzer stellen drei Generationen Fischermeister des Wandlitzer Sees (ca. 1770 - ca. 1815) und Christian Friedrich Otto (geb. 1791) gilt als Gründungsvater der Fischer-Dynastie Otto/Barth.
Der Wandlitzer Garn- und Fischermeister Adam Perlwitz (1759–1835) und sein Bruder Andreas pachteten im 18. Jahrhundert den Wandlitzer See vom preußischen Fiskus zur Bewirtschaftung. Wurden einst im Mittelalter Hoheitsrechte (Regalien) als Privilegien meist gegen Zehnt- oder Pachtzahlungen verliehen, wurden sie Mitte des 18. Jahrhunderts als königliche Konzessionen vergeben. So gab es z.B. Jagdregale, Wasser-, Wege-Privilegien, Schmiede-Rechte, Brau- und Schankkonzessionen. Auch das nasse Handwerk der Fischerei war davon betroffen. Das Fischereirecht war der Oberaufsicht des Staates unterworfen, der Befugnisse für einen geordneten Fischfang gewährte und die Wasserbenutzungen regelten.
Der Wandlitzer See als käufliche Immobilie (1831)
Im Zuge der preußischen Reformen kam es zu grundlegenden Neuordnungen, die auch Gewässer betrafen. Seen wurden vom Staat zum Verkauf angeboten und die Bewirtschaftung dadurch privatisiert. Am 31. Mai 1831 verkaufte die königliche Regierung in Potsdam den Wandlitzer See an den Fischermeister Christian Friedrich Otto. Der preußische Staat forderte ein Mindestgebot von 5.280 Thalern für ein ganzes Paket von sieben Gewässern der Umgebung. Der Käufer Christian Friedrich Otto erwarb für 5.290 Thaler plus einer jährlichen Grundsteuer in Höhe von 51 Thalern den Wandlitzer See mit Fischerei und Rohrnutzung, den Rahmer See (zwischen Stolzenhagen, Wandlitz und Zühlsdorf) mit Fischer und Rohrnutzung soweit letzter dem Fiskus zugestanden, die Krumme Laake (Stolzenhagen) mit Fischerei ohne Rohrnutzung, die drei heiligen Pfühle (Wandlitzsee) mit Fischerei ohne Rohrnutzung, den Großen Lottsche See (Klosterfelde) ohne Rohrnutzung sowie das Fischerhaus und Fischergarten (Wandlitz).
Der Käufer Christian Friedrich Otto war ursprünglich Amtsschäfer in Mühlenbeck. 1816 heiratete er die einzige Tochter des Wandlitzer Amtsfischermeisters Georg Wilhelm Perlwitz, Eleonore Friedericke, und lernte zum Berufsfischer um. Eleonore Friederike Perlwitz bewahrte in weiblicher Linie das Erbe ihres Vaters und ihres Großvaters sowie dessen Bruder. In erster Ehe heiratete sie 1813 den Fischermeister Friedrich Wilhelm Barth (1813–1891) zu Löhme, der dann Fischermeister des Wandlitzer Sees wurde. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn. Als Eleonore nach nur drei Ehejahren Witwe wurde, heiratete sie 1816 in zweiter Ehe Christian Friedrich Otto. Mit ihm hatte sie noch weitere Kinder und begründete die Wandlitzer Fischer-Dynastie der Familie Otto.
Mit dem Kauf aller sieben Gewässer 1831 kamen sie für mehrere Generationen in Familienbesitz. Doch konnten die Ottos nicht alle Gewässer des Ahnen D.F. Otto in der Hand des jeweils ältesten Sohnes (Anerbenprinzip) halten. Die sieben Gewässer wurden entsprechend ihrer Größe und Ertragslage und quer zur Geschwisterfolge aufgeteilt und vererbt. Eleonore Otto, geb. Perlwitz, verwitwete Barth, überlebte auch ihren zweiten Ehemann und vermachte ihrem Erstgeborenen den größten, nämlich den Wandlitzer See. Fortan wurde der Wandlitzer See in der Familie Barth weitervererbt, die restlichen Gewässer verblieben gesplittet im Familienzweig Otto.
Baden im gemeindeeigenen Strandbad Wandlitzsee seit 1923
Badeurlaub erlebte um 1900 seinen ersten Boom. Die preußische Regierung gestattete 1902 die Einrichtung von gemischten „Familienbäder“. In den 1920er Jahren wurde Schwimmen zur Freizeitbeschäftigung für alle. Gerade Freibäder galten in der Weimarer Republik als Ausdruck sozialen Fortschritts. Hier forderte die Volkshygiene einen angenehmen Tribut, denn das Strandbad gilt als Beitrag zur Gesundheitspolitik. So errichtete 1923 die Gemeinde Wandlitz die Anlage eines Seefreibades am östlichen Ende des halbmondförmigen Wandlitzer Sees. Unmittelbar gegenüber des Bahnhofes Wandlitzsee, der von einer Bedarfshaltestelle zum repräsentativen Bahnhof avancierte. 1926 wurde es bereits um Badestege, Umkleidekabinen, Hallen- und Veranda-Bauten erweitert und immerhin 23.000 Badegäste gezählt. Der Boom hielt an, 1928 folgte ein Musikpavillion, 1932 ein Tanzsaal, 1933 eine Wasserrutsche. Der Besucherrekord lag 1936 bei 36.000 Gästen. Der Zweite Weltkrieg bremste den Aufstieg des Strandbades. Zu DDR-Zeiten gab es erst 1977 umfangreiche Rekonstruktionsarbeiten und es sollte noch bis 1998 dauern, bis endlich dank EU-Mitteln das Strandbad wieder an alte Spitzenbesucher-Zeiten anknüpfen konnte.
Enteignung und Volkseigentum
Abermals änderten sich die Eigentumsverhältnisse des Wandlitzer Sees als er 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht im Zuge der Bodenreformen enteignet und fortan als volkseigen geführt wurde. Mit Bestehen der DDR von 1949 bis 1990 blieb der Wandlitzer See volkseigen und wurde entsprechend fischereirechtlich bewirtschaftet. Nach dem Ende der DDR sorgte die Treuhandanstalt für die Privatisierung ehemals volkseigener Immobilien. Da der deutsch-deutsche Einigungsvertrag von 1990 die Enteignungen der Bodenreform zwischen 1945 und 1949 als unwiderrufliche Kriegsfolge wertete und sie als „Maßnahme des Besatzungsrechtes“ als rechtens anerkannte, wurden diese als Sonderfall nicht wie Enteignungen während der DDR-Zeit behandelt und durch Rückgabe oder Entschädigung geheilt. Die ca 3.000 volkseigene Seen der ehemaligen DDR, davon 246 in Brandenburg gelegen, zählten als Bundesvermögen. Daher blieb auch ein Restitutionsverfahren in Sachen Wandlitzer See der Familien-Erbengemeinschaft Barth erfolglos. Zuständig für eine geordnete Privatisierung ehemals volkseigenen Vermögens in Forst und Landwirtschaft – und damit auch des Wandlitzer Sees – war seit 1992 die Treuhand-Nachfolgerin BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH). Zwar wurde den Kommunen ein Vorkaufsrecht zum Verkehrswert gewährt, dies konnte jedoch im Falle des Wandlitzer Sees nicht genutzt werden.
Zweite Privatisierung 2003
Von ihrem Vorverkaufsrecht konnte die Gemeinde Wandlitz, die seiner Zeit vor der Brandenburgischen Gebietsreform im Jahr 2003 eine 5.000 Seelen Gemeinde war, keinen Gebrauch machen. Sie hatte weder die Finanzkraft für die geforderten 350.000 €, noch befürwortete der Landkreis Barnim den Erwerb im Sinne der kommunalen Daseinsfürsorge. Im Gegenteil, der Landrat hielt explizit zur Sicherung der öffentlichen Nutzung einen Ankauf des Sees durch die Gemeinde für nicht erforderlich. Auch die regionale Öffentlichkeit, darunter ca. 130 Seegrundstückseigentümer und die kommunalpolitisch Verantwortlichen, waren sich uneins. Manche lehnten prinzipiell eine Privatisierung des Sees ab. Für sie gehören natürliche Ressourcen, die dem Allgemeinwohl dienen, grundsätzlich in öffentliche Hand. Gerade der Wandlitzer See als Namensgeber des Ortes und die ortsbildprägende Liegenschaft wirkt identitätsstiftend und ist elementarer Wirtschafts- und Tourismusfaktor. Wieder andere wollten die Gemeindekasse nicht belasten. Sie sahen die Angelegenheit einer kleinen Minderheit von Seeanliegern. Und sie fürchteten auch keine einschränkenden Nutzungen durch die See-Privatisierung sondern vertrauten auf das Brandenburgische Landeswassergesetz. Schlussendlich erhielt ein Privatmann mit dem Höchstgebot von 420.000 € den Zuschlag im Bieterverfahren.
Die Folgen dieser zweiten Privatisierung des Sees waren nicht widerspruchsfrei. Ein privater See kann eben auch zum Geschäftsmodell werden. Und so kam es zwischen dem neuen See-Beisitzer und einigen Seeanrainern zu Streitigkeiten um Grenzfeststellungen. Die letzten Grundstücksvermessungen, so sie denn überhaupt vorlagen, stammten von 1906. Ca. 10 Prozent der Grundstücke haben danach variable Grenzen, d.h. die Größe des Grundstückes richtet sich nach der Wasserlinie. Das Gros der Seeanrainer ist jedoch wegen der fortschreitenden Verlandung nur vermeintlich im Besitz eines Seegrundstückes und in Wirklichkeit ohne direkten Seezugang. Hier konnte entweder abgezäunt oder durch Nachkauf zum echten Wassergrundstück aufgerüstet werden. Auch zwischen Gemeinde und dem neuen See-Eigentümer kam es zu heftigen Streitigkeiten wegen der 1998 mit EU-Mitteln durchgeführten Strandbad-Sanierung. Vor allem wegen des öffentlichen Steges samt Sprungturm, der in den See ragt, kam es 2005 zum Rechtsstreit, der letztlich in einen komplexen Vergleich mündete.
Die Privatisierung des Wandlitzer Sees 2003 wurde nicht zum Vorbild für den Umgang mit Gewässern in Brandenburg. Im Gegenteil, inzwischen wurde die Politik der Privatisierung von Gewässern ausgesetzt und Seen werden vom Bund nicht mehr nach Höchstgebot veräußert, sondern dem Land Brandenburg zum Verkauf angeboten. Der Wandlitzer See profitiert jedoch von dieser Wendung nicht, er ist und bleibt in privater Hand. Auch wenn der See verkauft, verhandelt, enteignet, verstaatlicht und privatisiert wurde, so konnte doch immer geschwommen, geangelt, gesegelt, gesurft, getaucht, Boot gefahren oder das seit 1923 bis heute gemeindeeigene Strandbad Wandlitzsee besucht werden. So wechselvoll die Geschichte der Besitzverhältnisse des Wandlitzer Sees ist, so konstant vielfältig ist seine Nutzung.