Areal Bogensee

Von Claudia Schmid-Rathjen – 12/2020

Bogensee ist Teil des geographischen Raumes Wandlitz und gehört zu den markantesten Orten der „Landschaft der Macht“ im Barnim. Der Bogensee selbst ist ein kleiner See, 35 km nördlich von Berlin.

Abb. 1: Das Landhaus von Goebbels
Abb. 1: Das Landhaus von Goebbels (Foto: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Abraham Pisarek)

Einst erkaufte 1914 der Berliner Magistrat von den Erben des Graf Redern knapp 5.000 Hektar in Lanke für 20 Millionen Reichsmark. Das Areal sollte als Forst- und Vorhaltefläche für die Hauptstadt dienen. 1936 baute die Stadt Berlin direkt am Bogensee ein Blockhaus für NS-Reichsminister Joseph Goebbels. Drei Jahre später entstand am gegenüberliegenden Ufer der repräsentative Amts- und Wohnsitz Goebbels. Der „Waldhof Bogensee“ verfügte über 30 Zimmer, Wirtschaftsgebäude, Gästehaus und später auch über Hausbunker. Die Ausstattung war gediegen und modern mit eigenem Kinoraum und versenkbaren Terrassenfenstern des Kaminzimmers. Im „Waldhof“ arbeitete Goebbels konzeptionell an verbrecherischen Aktionen und verfasste seine Hetzreden, unter anderem auch jene Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943 zur Propagierung des „totalen Krieges“.

Als vermehrt Bombenangriffe auf Berlin erfolgten, zog die Familie im Herbst 1943 ganz nach Bogensee. Die älteren Kinder besuchten die Wandlitzer Grundschule. Das Schicksal der Kinder war grausam. Nachdem Goebbels mit seiner Familie am 22. April 1945 in den Führerbunker ging, wurden dort alle sechs Kinder am 1. Mai 1945 von ihrer Mutter zu Tode gebracht bevor sich Magda und Joseph Goebbels selbst töteten. Die SS-Bewachungstruppen verließen Ende April den „Waldhof“ und ließen die Gebäude unversehrt.

Abb. 2: Das Landhaus von Goebbels
Abb. 2: Das Landhaus von Goebbels (Foto: Dora Heinze)

Nach Kriegsende diente der „Waldhof“ vorübergehend den sowjetischen Streitkräften als Militärlazarett. Bereits Ende Februar 1946 übergab die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) das Areal der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Im Mai 1946 startete der erste Lehrgang der zentralen Jugendleiterschule. Mit Entstehen der DDR und der Ausrichtung der FDJ als sozialistischer Massenorganisation etablierte sich ab 1950 die FDJ-Hochschule „Wilhelm Pieck“. 1951 bis 1956 wird Bogensee eines der ehrgeizigsten Bauprojekte der DDR. Die Architekten Hermann Henselmann und Kurt Liebknecht schufen eine immense Anlage im sogenannten sozialistischen Klassizismus. Eine rechteckig geschlossene und über 43.000 m² Nutzfläche angeordnete Bebauung umfasste Lektion- und Schulleitungs-, vier Internatsgebäude und ein Gemeinschaftshaus. Anfang der 1980er Jahre folgten weitere Bauten für die zukünftigen SED-Funktionäre und internationale Kader. In vier Jahrzehnten durchliefen mehr als 15.000 Absolventen die Jugendhochschule. Über 4.300 ausländische Studierende aus 67 Ländern absolvierten ein einjähriges Studium in Bogensee. Mit der Auflösung der DDR erfolgte auch die Abwicklung der Jugendhochschule. Von 1991 bis 1998 mietete sich der „Internationale Bund für Sozialarbeit“ (IB) ein. Seine Konzeption, auf dem Areal eine Hotelfachschule zu etablieren, scheiterte jedoch. Seit 1997 stehen die Gebäude des Areals der NS- wie der DDR-Zeit unter Denkmalschutz. Seit 1998 herrschen Leerstand. Einzig der Gebäudetrakt des ehemaligen Gästehauses Goebbels bzw. des FDJ-Hochschul-Kindergartens werden durch das Berliner Forstamt und eine vereinsgetragene Waldschule genutzt. Die Eigentümerin, die Stadt Berlin, startete in den letzten 20 Jahren drei Vermarktungsoffensiven ohne Erfolg. Auf dem Bogensee Gelände herrschen heute Geschichtsruinen, Leerstand und Verfall – sie begründen seine Aura als geheimnisvoller Ort.


Empfohlene Zitierweise

Claudia Schmid-Rathjen: “Areal Bogensee” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_114-bogensee/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • BERKHOLZ, Stefan (2004): Goebbels` Waldhof am Bogensee. Vom Liebesnest zur DDR-Propagandastätte. – Berlin.
  • REUTH, Ralf Georg (1990): Goebbels – eine Biographie. – München/Zürich.
  • ROHOWSKI, Ilona (2008): Vom Goebbels-Landsitz zur Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ der FDJ. Die bauliche Entwicklung des Ortes 1936-56, in: Brandenburgische Denkmalpflege Jg. 17, H.1, S. 6-20.

Bildnachweise

  • Titelbild: Der Eingangsbereich der ehemaligen Jugendhochschule Bogensee liegt heute hinter Bäumen versteckt. (Foto: Andrea Brodersen 2017)
  • Vorschaubild: Der Eingang zum früheren Waldhof Bogensee (Foto: Peter Gärtner 2020)