Die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes bei Bernau – Weltkulturerbe inmitten des Naturparks Barnim

Von Claudia Schmid-Rathjen und Peter Steininger – 12/2020

Die ehemalige Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) wurde im Juli 2017 in die UNESCO-Welterbe-Liste aufgenommen. Damit wurde der seit 1996 bestehende Bauhaus-Weltkulturerbe-Eintrag für Weimar und Dessau erweitert. Nach den preußischen Schlössern und Parks von Potsdam und Berlin und dem Buchenwald Grumsin im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin verfügt das Land Brandenburg damit nun über eine weitere Welterbestätte, mitten im Naturpark Barnim.

Bedeutung und Geschichte der Schule

Der Welterbe-Status ist keine Sonderkategorie des Denkmalschutzes oder ein Tourismuslabel, sondern ein Instrument des Bildungsprogramms der UNESCO. Mit der ADGB-Bundesschule Bernau hebt er völlig zurecht die Bedeutung des Bauhauses hervor, das die Bewegung der Moderne im 20. Jahrhundert maßgeblich mitgestaltet hat. Zwischen 1919 und 1933 setzte das Bauhaus wesentliche Impulse für Aufbrüche in Architektur, Design und Kunst. In Weimar 1919 gegründet, aus politischen Gründen 1925 nach Dessau und 1932 nach Berlin umgezogen, wurde das Bauhaus 1933 endgültig geschlossen und viele Lehrende wie Lernende durch das NS-Regime ins Exil gezwungen. Die Auszeichnung gilt sowohl der herausragenden Architektur, als auch dem Bauhaus als Institution, seinen progressiven Lehrern und Schülern, seinen Konzepten und Praktiken im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.

Abb. 1: Theodor Leipart bei der Grundsteinlegung am 29. Juli 1928
Abb. 1: Theodor Leipart bei der Grundsteinlegung am 29. Juli 1928 (Archiv baudenkmal bundesschule bernau e. V. / Archiv der deutschen Jugendbewegung Witzenhausen, Nachlass Julius Groß)

Die Bundesschule in Bernau gilt als ein Highlight der neuen Baukunst und als bau- und kulturhistorisches Denkmal. Bauhaus-Direktor Hannes Meyer und Hans Wittwer schufen von 1928 bis 1930 für den ADGB einen Schul- und Internatskomplex, der ein einzigartiges Zeugnis der architektonischen, formgebenden und sozialpädagogischen Ideen des Bauhauses darstellt. Die Schule sollte ein Haus für Bildung und Freizeit im harmonischen Miteinander sein. Diese „umbaute Reformpädagogik“ wollte gerade nach dem Ersten Weltkrieg eine moderne Lebenswelt bieten, in der soziale und gesellschaftliche Aspekte im gemeinsamen Lernen und Wohnen bis hin zur Selbstversorgung und Haushaltsführung eine Rolle spielten. Auf Grund ihrer Lage und des einstigen markanten Eingangsgebäudes mit drei aufragenden Schornsteinen sprachen zeitgenössische Veröffentlichungen auch von der “Schule im Walde“ oder auch von einer „Bildungsfabrik“.

Abb. 2: Luftaufnahme der Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), Bernau bei Berlin, 1930
Abb. 2: Luftaufnahme der Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), Bernau bei Berlin, 1930 (Bauhaus-Archiv Berlin / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)

Errichtet wurde eine Anlage, die Z-förmig in die leicht abschüssige Topographie des Geländes mit kleinem Weiher optimal eingepasst und funktional gegliedert wurde. Internat, Schulungsräume, Bibliothek, Sporthalle, Aula, Mensa, Klubräume, Lehrerhäuser und Freiflächengestaltung inklusive Freibad und Sportplatz fanden ihren Platz als Stufenbauten. Die Bedürfnisse der Nutzer und Sonnenstandberechnungen gaben das äußere Erscheinungsbild vor. Flachdach und Baumaterialen – Ziegel, Stahl, Beton und Glas – unterstreichen Meyers Motto „Bauen ist Gestaltung von Lebensvorgängen“. Die Aula für 250 Personen verfügt nur über Oberfenster, hier sollte die Konzentration gebündelt bleiben und nicht von der Umgebung abgelenkt werden. Anders der Speisesaal, dessen Wintergarten mit Glasfront den Blick ins Grüne geradezu unvermeidlich macht.

Abb. 3: Ursprüngliche Einrichtung eines Doppelzimmers
Abb. 3: Ursprüngliche Einrichtung eines Doppelzimmers (Foto: Arthur Redecker, Postkarte, 1930, Archiv baudenkmal bundesschule bernau e. V. / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)

Auch für die Inneneinrichtung entwickelten die Bauhäusler getreu ihrem Motto „Praxis am Bau“ Neues: Im Ensemble ein Orientierungssystem nach Farben, schalldämmende Wandbespannstoffe für die Aula und Bettvorleger aus grober Jute für die Internatszimmer aus der Bauhausweberei, Schreibtische mit Linoleumbeschichtung, beleuchtete Rasierspiegel über den Waschbecken.

Nach der Eröffnung der Bundesschule am 4. Mai 1930 absolvierten ca. 4.500 ehrenamtliche Gewerkschaftsfunktionäre zwei- bis vierwöchige Lehrgänge und Informationsveranstaltungen zu volks- und betriebswirtschaftlichen Fragen, Problemen der Sozialpolitik, -versicherung, Arbeitsschutz und -recht und Gewerkschaftsgeschichte.

Abb. 4: Die Schule am 16. Juni 1933
Abb. 4: Die Schule am 16. Juni 1933 (Archiv baudenkmal bundesschule bernau e. V.)

Am 2. Mai 1933 erfolgte die Zwangsschließung der Gewerkschaftsschule: Das NS-Regime ließ sie von der SA besetzen, konfiszierte Bar- und Bankguthaben, entließ alle Lehrkräfte und funktionierte sie anschließend zur Reichsführerschule der NSDAP und der Deutschen Arbeitsfront um. Adolf Hitler war am 16. Juni 1933 persönlich zur Einweihung anwesend. Ab 1936 bildete das Reichssicherheitshauptamt seine Führungskräfte für SS und Gestapo dort aus.

1945 / 1946 nutzte die Roten Armee die Schule kurzzeitig als Militärunterkunft. 1946 erhielt sie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) als Schulungsobjekt. Am 2. Mai 1947 begann der Unterricht für Gewerkschafter. Rasch wurden Neu- und Anbauten notwendig. Der FDGB-Bundesvorstand beauftragte damit 1950 den Architekten Georg Waterstradt (1915-1990), der weitgehend dem Konzept des Bauhauses folgte. Da jedoch die SED-Führung in den frühen 1950er Jahren den Bauhaus-Stil als „antinational und kosmopolitisch“ kritisierte, die „von Bauhaus-Architekten errichtete (…) Erziehungsfabrik“ (Im Kampf um eine neue deutsche Architektur, in: „Neues Deutschland“ vom 14. März 1951, S. 4.) diffamierte und gegen den Bauhaus-Funktionalismus wetterte, folgten auf Waterstradt von 1951 bis 1954 andere Architekten. Auf diese gehen bauliche Eingriffe zurück, die dem Ensemble doch einiges von seiner Ursprünglichkeit nahmen. Zwar stellte sich in späteren Sanierungen heraus, dass nahezu 90 % der originalen Konstruktionen wieder hergestellt werden konnten. Doch blieb z. B. die Entfernung der charakteristischen drei Schornsteine der ursprünglichen Wärme- und Energieversorgung irreversibel.

Abb. 5: Lesesaal in der Bibliothek
Abb. 5: Lesesaal in der Bibliothek (Museum Folkwang, Essen, Nachlass Walter Peterhans / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)
Abb. 6: Blick vom Dach des Lehrerhauses
Abb. 6: Blick vom Dach des Lehrerhauses (GEIST u. RAUSCH 1993, S. 45 / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)

Der derart erweiterten und umgestalteten Einrichtung wurde 1952 der Status einer Hochschule zugeschrieben. Die zentrale Gewerkschaftshochschule „Fritz Heckert“ verlängerte die Ausbildung ab 1956 auf drei Jahre. Seit 1957 fanden neben dem Direktstudium auch Fernstudien und seit 1961 spezielle Frauen-Externatskurse in den DDR-Bezirken statt. Seit 1959 erfolgten auch Schulungen für Gewerkschafter aus zahlreichen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.

Das Areal war bis 1989 nicht öffentlich zugänglich und wurde als zentrale FDGB-Bildungseinrichtung in der DDR bis zur Auflösung des FDGB Ende September 1990 geführt. Hier erhielten von 1947 bis 1990 ca. 15.000 deutsche und etwa 5.000 ausländische Gewerkschafter ihre Ausbildung.

Nach der deutschen Vereinigung scheiterten Versuche, die FDGB-Hochschule in die Organisationsstruktur des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu überführen. Von 1992 bis 1998 nutzte das neu konstituierte Land Brandenburg die Anlage als „Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Brandenburg“. Nunmehr studierten hier die Anwärter des gehobenen Dienstes der Staatlichen und Kommunalen Verwaltung gemeinsam mit jenen für den Polizeivollzugsdienst und es erfolgten dort die Anpassungsfortbildungen für die Verwaltungsbediensteten des Landes und der Kommunalverwaltung.

Aber auch diese Art der Ausbildung kam an ihr Ende. Die Fachhochschule wurde 1998 mit der Landespolizeischule (LPS) fusioniert, die seit 1991 in Basdorf für die Ausbildung des mittleren Polizeivollzugsdienstes zuständig war, und als Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg am Standort Basdorf neu gegründet. Damit stand das Bernauer Bauhaus-Areal leer. Die Landesregierung und der Landkreis Barnim suchten nach Nachnutzern der denkmalgeschützten Einrichtung. Gefunden wurde sie im Projekt Bildungscampus mit dem Landkreiseigenen „Barnim Gymnasium“ (1998) und Oberstufenzentrum Barnim (2004). Die Außenanlagen und die Bauhaus-Lehrerhäuser verblieben beim Land Brandenburg. Für das Hauptgebäude der ehemaligen ADGB-Bundesschule wurde als neue Eigentümerin die Handwerkskammer Berlin (HWK) gewonnen (2001).

Die HWK Berlin stellte sich dem bau- und kulturhistorischen Erbe. Sie stemmte schrittweise die denkmalgerechte Sanierung und Teilrekonstruktion, die mit verschiedenen Preisen als vorbildhaft gewürdigt wurden. Heute ist die ehemalige ADGB-Bundesschule Bernau in vielen Teilen nahezu originalgetreu wiederhergestellt. Die Berliner Handwerkskammer nutzte dieses einmalige Bauwerk der klassischen Moderne als Internat für ihr Bildungs- und Innovationszentrum.

Architekturgeschichtlicher Rundgang durch die Schule

Heutige Besucher des Bauhaus Denkmals Bundesschule Bernau finden nicht in allem die ursprüngliche Gestalt der Schule vor. Die Erweiterungs- und Umbauten aus den frühen 1950er Jahren sowie die denkmalgerechte Sanierung und Teilrekonstruktion in den Jahren 2003 bis 2007 führten insbesondere zu einer Neugestaltung des Kopfgebäudes am Beginn des Schul- und Internatstrakts. Es bedarf schon eines genauen Blickes, um diejenigen Elemente des Bauwerkes am heutigen Hannes-Meyer-Campus wahrzunehmen, die auf die ursprüngliche Bauzeit zurückgehen.

Abb. 7: Übersichtsplan der ADGB Bundesschule
Abb. 7: Übersichtsplan der ADGB Bundesschule (Vorlage: Peter Steininger, Graphik: IfL)

1930 bestand dieser Eingangsbereich aus einem vorgelagerten eingeschossigen Flachbau mit zwei Kellergeschossen, in denen sich die moderne Ölheizung befand. Alles war in gelben Klinkern ausgeführt, ebenso die nah gelegenen Lehrer- und Mitarbeiterwohnungen. Der Zugang erfolgte über eine überdachte Vortreppe, die unmittelbar ins Foyer führte. Links vom Eingang befanden sich Garagen für den Fuhrpark der Schule.

Nach 1950 entstand im Zuge der Errichtung von Erweiterungsbauten der Gewerkschaftshochschule des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) an dieser Stelle ein Verbindungsbau zwischen dem vom Architekten Georg Waterstradt (1915–1990) entworfenen neuen Verwaltungsgebäude und dem historischen Gebäude. Bis zur Sanierung des Schulgebäudes in den Jahren 2003 bis 2007 befand sich in diesem Verbinder auch der Haupteingang. Mit der Sanierung kehrte der neugestaltete Zugang wieder an den ursprünglichen Platz von 1930 zurück. Die einst außen gelegene Treppe in das Gebäude ist nun aber im Inneren.

Das nachfolgende Foyer reflektiert weitgehend den Originalzustand. Gleichzeitig sind jedoch auch hier einige Veränderungen der 1950er Jahre und der denkmalgerechten Sanierung zu erkennen. Die Glasbausteinwand an der Seite zum Innenhof war durch den Anbau einer Buchhandlung nicht mehr vorhanden und musste mit neuen Glassteinen rekonstruiert werden. Auch die Glasflächen, die das Foyer vom gläsernen Verbindungsgang entlang der Internatshäuser und vom Speisesaal trennen, sind wiederhergestellt. Die Deckenträger und Pfeiler aus Stahlbeton wurden von ihrer Holz- und Gipsummantelung befreit. Sie präsentieren sich „wild“ scharriert und entsprechen so dem Anspruch von Hannes Meyer, das Material mit dem gearbeitet wird, auch sichtbar zu zeigen. Der Fußboden erhielt seinen ursprünglichen Belag aus Solnhofener Schiefer. Die einst aus Klinkersteinen bestehende rechte Wand des Foyers entlang der Aula ist wegen erheblicher Bauschäden mit einer neuen Verkleidung überdeckt. Die farbigen Linien auf den dunklen Platten weisen auf die Farbgestaltung der Innenbereiche in den Internatshäusern hin. Neben der Tür zur Aula ist noch der der Grundstein von 1928 sichtbar.

Die Aula war 1930 mit moderner Ton- und Filmtechnik ausgestattet. Eine große, an der rechten Stirnseite befindliche Holzverschalung enthielt eine Leinwand, eine Wandtafel und eine Vorrichtung zum Befestigen von Karten- und Bildmaterial. Ein Klavierflügel und ein Rednerpult befanden sich auf einer kleinen Vorbühne. Auf Knopfdruck konnte der Lehrer die Oberlichter des Saales verdunkeln, die Leinwand ausfahren und die Tonfilmanlage in Betrieb nehmen. Diese und andere, aber nicht mehr vorhandene Installationen verdeutlichen, dass Hannes Meyer im Bau der Bundesschule so ziemlich das Modernste angewandt hat, was die neue Baukunst überhaupt kannte. Um die Akustik in der Aula zu verbessern, entwickelten Textilgestalter des Bauhauses in Dessau eine schallschluckende Wandbespannung zur Minderung der Halleffekte. Es gibt den Wunsch, einiges davon perspektivisch wieder zu installieren. Mit den baulichen Veränderungen im Foyerbereich der Bundesschule in den 1950er Jahren verschwand die Aula. Durch den Einbau einer Zwischendecke wurde deren unterer Teil mit der dahinter gelegenen Küche zusammengelegt. Im Obergeschoss befanden sich ein kleiner Speisesaal und verschiedene Büroräume. Diese Umbauten sind mit der Teilrekonstruktion des Baudenkmals wieder entfernt worden.

Abb. 8: Speisesaal
Abb. 8: Speisesaal (Foto: Peter Steininger / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)

Neben der Aula liegt der lichtdurchflutete Speisesaal, dem sich ein Freizeitraum und eine Veranda anschließen. Eine verglaste Decke, große Fenster und die Glaswand zum Foyer vermitteln optisch eine Raumerweiterung und gestatten zugleich großzügige Ausblicke in die Natur. Die Fensterfront zum Teich lässt sich ganzflächig über einen Drehmechanismus öffnen. An der Decke verlegte Heizrohre absorbieren die aufsteigende Feuchtigkeit. Wie in fast allen Gebäudeteilen sind die Stahlrahmenfenster rekonstruiert. Sie waren vor allem aus energetischen Gründen Anfang der 1950er Jahre durch kleinere Holzfenster ersetzt worden.

Abb. 9: Glasgang
Abb. 9: Glasgang (Foto: Peter Steininger)

Vom beheizten Foyer geht es in den unbeheizten gläsernen Verbindungsgang zu den Internaten. Mit dem asphaltierten Glasgang schufen die Architekten den wohl stimmungsvollsten Gebäudetrakt der Schule. Seine seitliche Ganzverglasung erzeugt eine große Helligkeit und ermöglichte den freien Blick in die Landschaft.
Die einstige Sicht in Richtung des Waldes ist heute allerdings durch die nach 1950 errichteten Internate verstellt, in denen sich heute das Oberstufenzentrum I Barnim (OSZ) befindet. So entstand zwischen diesem Erweiterungsbau und dem Glasgang eine neue Innenhofsituation. Im oberen Teil ist eine mit Platanen bewachsene Pergola mit Tischen und Stühlen ebenfalls rekonstruiert. Eine aufragende Platane stammt noch aus der Anfangszeit.

Beim Betreten des zum Ende hin geneigten Glasganges fällt sofort die stufenförmige Gliederung der Internate auf. Jedes Haus besitzt drei Etagen und ist unterkellert. Jede Etage verfügte 1930 über fünf Zweibettzimmer und einen recht modernen gemeinschaftlichen Sanitärraum mit Toilette, zwei Duschen und einer Badewanne. So konnten hier insgesamt 120 Personen wohnen, die pro Etage eine Zehnergruppe („Zelle“) bildeten. Die Kennzeichnung der Internatshäuser erfolgt vor allem durch farblich gestaltete Flure. Die Farben Rot, Blau, Grün und Gelb variieren von dunklen Tönen im Untergeschoss zu hellen Tönen im Obergeschoss. Zur besseren Orientierung dienen farbige Glasscheiben an den Außentüren des Glasgangs und den Hauseingangstüren.

In den Zimmern spenden große Fenster viel Licht und bieten den Ausblick auf einen kleinen Teich. Auch das im Jahr 2014 neu eröffnete und modernisierte Freibad sowie die dahinter liegenden Sportanlagen sind zu sehen.
Alle Zimmer sind nun für die Nutzung als Ein- und Zweibettinternatszimmer neu eingerichtet und mit einer eigenen Nasszelle versehen. Nur auf einer Etage ist das ursprüngliche Gemeinschaftsbad noch verblieben, um es so bei Führungen den Besuchern zeigen zu können.

Abb. 10: Sporthalle
Abb. 10: Sporthalle (Foto: Peter Steininger / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)

Am Ende des Glasganges bietet sich nochmals eine besondere funktionale Situation. Dem aufmerksamen Betrachter fällt vor dem Eingang zur Sporthalle eine helle Wandfläche auf. 1930 befand sich an dieser Stelle ein Fußwaschbecken, so dass die Lehrgangsteilnehmer nach dem Sport eine erste Säuberung durchführen konnten. Die relativ kleine Sporthalle schließlich diente in erster Linie dem Gerätesport. Hier befanden sich ein Reck, Barren, Sprungkästen, Ringe, Kletterseile und eine teilweise noch vorhandene Sprossenwand. Heute verfügt die Halle über einen federnden Fußboden sowie eine Bodenheizung. Auffällig ist die gläserne Außenwand. Sie ist faltbar ausgestaltet und konnte einst komplett geöffnet werden. Zu diesem Sportbereich gehören heute auch ein Gymnastikraum sowie Sanitär- und Umkleideräume.

Im Gymnastikraum, der aus seinen großen Fenstern einen eindrucksvollen Blick auf den Außenraum mit Glasgang und Internatshäusern bietet, war die ehemalige Bibliothek untergebracht. Der einstige große Wandbücherschrank ist durch eine Spiegelwand mit Ablagen für Sportgeräte ersetzt. Zurück im Glasgang führt der Weg über eine steil aufsteigende Treppe zu drei Seminarräumen über der Sporthalle. Die funktional spannenden Treppenfenster sind größtenteils noch im Original erhalten. Wer den Mechanismus versteht, kann sie über schräge Achsen öffnen.

Abb. 11: Seminarraum
Abb. 11: Seminarraum (Foto: Peter Steininger / Stiftung Bauhaus Dessau / © (Meyer, Hannes) Erbengemeinschaft nach Hannes Meyer / © (Wittwer, Hans) Wittwer, Sondra)

In den Seminarräumen fallen besonders die großflächigen Oberlichte und die seitlich angebrachten Lampen auf, die das Licht über eine nach innen fallende Decke schattenfrei nach unten lenken. Hier hat der Architekt Hannes Meyer erneut ein durchdachtes Lichtkonzept realisiert. Vom Verbindungsgang entlang der Seminarräume fällt der Blick auf das Freibad. Dieses entsteht 1930 unter Nutzung eines vorhandenen natürlichen Teiches. Durch Abtrennen des nördlichen Teichabschnittes mit einer Betonwand konnte ein einfaches Freibad errichtet werden. Dieses Bad wurde in den 1960er Jahren aus hygienischen Gründen geschlossen. An gleicher Stelle errichtete die damalige FDGB-Hochschule zwei gekachelte Becken für Schwimmer und für Nichtschwimmer. Da die sanitären Anlagen und andere Bereiche nicht mehr heutigen Ansprüchen genügten oder technisch marode waren, erfolgte 2011 die Stilllegung. Mit der Wiedereröffnung im Jahr 2014 nach komplettem Neuaufbau befindet sich am ursprünglichen Ort nunmehr eine moderne Bade- und Freizeitanlage in attraktiver Umgebung.

Abb. 12: Mitarbeiter- und Lehrerwohnungen
Abb. 12: Mitarbeiter- und Lehrerwohnungen (Foto: Peter Steininger)

Entlang des verbliebenen Teiches führt der Weg durch die in den Jahren 2016 / 2017 sanierte Landschaft zu den teils großzügig gestalteten ehemaligen Mitarbeiter- und Lehrerwohnungen. Die sechs von 2009 bis 2010 denkmalgerecht sanierten und teilrekonstruierten Wohnungen besitzen alle ein Ober- und ein Untergeschoss. Sie stehen versetzt nebeneinander und sind in einen kleinen Hang hineingebaut. Alle Wohnungen verfügen im Untergeschoss über geschützte Terrassen und die vier größeren Mietwohnungen auch über Balkone.

In einer Wohnung hat der 1990 gegründete Verein baudenkmal bundesschule bernau e. V. (bbb) einen Besichtigungs- und Informationspunkt für Besucher des Bauhaus Denkmals Bundesschule Bernau eingerichtet. Die einzelnen Wohnräume sind weitgehend in ihrem einstigen Zustand erhalten. Nur hier ist weitgehend das Bad von 1930 zu sehen. Anfang der 1990er Jahre fanden in dieser Wohnung bereits erste denkmalpflegerische Rekonstruktionsmaßnahmen auf Initiative des Vereins bbb statt. Natürlich sind alle Wohnungen behutsam für heutige Nutzungsanforderungen ertüchtigt und technisch ausgestattet worden. In einer kleinen Ausstellung sind in den Vereinsräumen bauzeitliche Ausstattungs- und Einrichtungsgegenstände der ADGB-Bundesschule zu besichtigen.

An der Zufahrt zur Schule steht das einstige Transformatorenhaus. Es dient heutzutage den Mietern der Wohnungen als Fahrradraum. Davor wurden sowohl ein Müllplatz eingerichtet als auch die Torsituation der 1950er Jahre neu gestaltet. Im Verlaufe des Jahres 2017 folgte die landschaftsgestaltende Veränderung der Zufahrtsstraße zum Schulgelände und des gesamten Hannes-Meyer-Campus.

Die denkmalgerechte Sanierung und Teilrekonstruktion des Bauhaus Denkmals fand in verschiedenen Preisen und Auszeichnungen eine hohe öffentliche Anerkennung. Das verantwortliche Architekturbüro BRENNE Ges. von Architekten m.b.H. aus Berlin erhielt im Jahr 2008 den World Monuments Fund/Knoll Modernism Prize in New York. Der Verein bbb bekam 1997 den Brandenburgischen Förderpreis für Denkmalpflege, im Jahr 2008 den Deutschen Preis für Denkmalschutz und 2015 den Initiativpreis zum Brandenburgischen Baukulturpreis.

Viele Vorhaben rund um das Bauhaus Denkmal Bernau werden von der 2011 gegründeten Stiftung Baudenkmal Bundesschule Bernau gefördert. Die Stadt Bernau bei Berlin, der Landkreis Barnim, die Sparkasse Barnim, die HWK Berlin und der Verein bbb statteten die Stiftung mit einer Grundkapitalsumme aus. So konnte mit den Stiftungserträgen im Jahr 2014 auch ein Masterplan/Außenanlagenkonzeption für die perspektivische Planung der Freiraumgestaltung in Auftrag gegeben werden. 2015 wurde die denkmalgerechte Sanierung und Teilrekonstruktion der Außenanlagen des Baudenkmals als Premiumprojekt in das Bundesvorhaben „Nationale Projekte des Städtebaus“ aufgenommen.

Leitbild für die Neu- und Umgestaltung der Außenanlagen ist Meyers Konzept der harmonischen Integration des Bauwerks in den naturgeprägten Landschaftsraum. Die Realisierung der Einzelmaßnahmen des Gesamtprojektes zielt ebenfalls auf die Neugestaltung des Besucherverkehrs, die Neuordnung der Parksituation einschließlich der Einrichtung neuer Parkplätze und den Bau eines niedrigen, eingeschossigen, transparenten Baus als Besucher-, Bildungs- und Ortsteilzentrum mit den dafür erforderlichen Serviceeinrichtungen.


Empfohlene Zitierweise

Claudia Schmid-Rathjen und Peter Steininger: “Die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes bei Bernau – Weltkulturerbe inmitten des Naturparks Barnim” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_113-bundesschule-des-adgb-bernau/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (Hgg., 2019): Die Bundesschule des ADGB in Bernau bei Berlin 1930–1990 – 2018 (Arbeitsheft Nr. 52). – Berlin.
  • GEIST, Jonas und Dieter RAUSCH (1993): Die Bundesschule des ADGB in Bernau bei Berlin 1930–1993 – Potsdam.
  • STEININGER, Peter und Anja GUTTENBERGER (2021): Architekturführer Bauhaus-Welerbe Bernau. – Berlin.
  • Im Kampf um eine neue deutsche Architektur, in: Neues Deutschland vom 14. März 1951, S. 4.

Bildnachweise

  • Titelbild: Der Glasgang, der das Internat mit dem Foyer verbindet (Foto: Peter Steininger)
  • Vorschaubild: Der ursprüngliche Eingangsbereich der Bundesschule (Museum Folkwang, Essen, Nachlass Walter Peterhans