Großbodungen - ein Schatzfund der Völkerwanderungszeit
Von Mario Küßner – 11/2018
Fraglos einer der wichtigsten archäologischen Fundkomplexe in den heutigen Grenzen des Landkreises Eichsfeld ist der Schatz von Großbodungen, der 1936 zufällig entdeckt und geborgen wurde. Die auch zu ihrere Niederlegungszeit im 5. Jahrhundert n. Chr. sehr wertvollen Goldmünzen und fragmentierten Silbergegenstände müssen aus einem ganz besonderen Grund im Boden deponiert worden sein.
Der aus 21 Goldmünzen, Teilen einer sogenannten Kaiserschale und weiteren fragmentarisch überlieferten Silbergegenständen bestehende Schatz wurde von W. Grünhagen untersucht; er datiert an den Beginn des 5. Jahrhunderts. Im Einzelnen liegen Prägungen des Magnentius (350–353), Valentinianus I. und II., Theodosius I., Arcadius, Honorius und Constantinus III. (407–411) vor. Der Schatz ist demnach mit Sicherheit nach 407 / 411 niedergelegt worden. Die meisten Münzen – aber nicht alle – stammen aus Prägestätten des Westreiches. Lediglich die Magnentius-Münze ist durchlocht und als Anhänger getragen und dann in einem weiteren Schritt goldgefasst und mit einer Öse versehen wiederum als Anhänger getragen worden.
Die Münzen werden ergänzt durch einen silbernen und vergoldeten Zierbeschlag – vielleicht einem Scheidenmundbeschlag einer Dolchscheide, sieben aneinanderpassende Fragmente einer runden Silberplatte mit verdicktem Rand und reliefierter Verzierung, acht aneinanderpassende reliefverzierte Silberfragmente von einem Eimer(?), wiederum acht Fragmente von verschiedenen Silbergefäßen und Fragmente von einem oder zwei Bronzegefäßen. Die Silbergegenstände addieren sich zu über 800 g Silber.
Von besonderem Interesse ist die runde, reliefverzierte, in der künstlerisch-handwerklichen Ausführung eher mäßige Silberplatte, die als Vergabung eines Herrschers gedeutet wird. Auf ihr ist – trotz der nur fragmentarischen Erhaltung klar bestimmbar – ein thronender Herrscher in Begleitung von vier meist bewaffneten Personen dargestellt. Der angedeutete Edelsteinbesatz auf Schuhen und cingulum (ein Gürtel), Perlen und Goldstickerei sowie Sitzmöbel und Schemel der sitzenden, ansonsten in Beamtentracht dargestellten Figur führten bereits den Erstbearbeiter W. Grünhagen zu dem Schluss, dass hier ein spätrömischer Kaiser dargestellt ist.
Die Platte ist mit der Reliefverzierung gegossen worden, feinere Verzierungen sind dann ziseliert und eingepunzt worden. Schließlich trägt die Schauseite Reste einer Vergoldung. Vergleichbare Platten und Schalen mit ähnlichen Bildprogrammen sind zu besonderen Anlässen in Auftrag gegeben und verdienstvollen Persönlichkeiten übergeben worden. Nach Grünhagen ist höchstwahrscheinlich ein Kaiser bei der öffentlichen Zeremonie zu einem Regierungsjubiläum dargestellt. Für die „Kaiserplatten“ werden Standfüße angenommen, so dass die Stücke als Auszeichnung aufgestellt werden konnten. Die bekannten Stücke datieren allesamt in die Spätantike ab der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, wiederum W. Grünhagen sieht eine stilistische Datierung in die Regierungszeit des Theodosius I. (379–395), genauer in die Jahre um 390 und als Herstellungsort Trier für wahrscheinlich an. Da Theodosius nur am Ende seiner Regierungszeit für wenige Monate auch über das Westreich herrschte, ist eher ein in Trier selbst residierender Regent des Westreiches auf der Platte dargestellt. Vermutlich handelt es sich um den Usurpator Magnus Maximus (383–388), da nur ein Herrscher auf der Platte dargestellt ist. Dies korreliert insgesamt gut mit der um diese Jahre liegenden Datierung der Münzen und einer Niederlegungszeit im frühen 5. Jahrhundert nach 407 / 411.
Über den Besitzer und den Niederlegungsgrund kann nur spekuliert werden. Die Erklärung W. Grünhagens, hier läge der thesaurierte Sold eines aus römischen Diensten ausgeschiedenen „thüringischen“ Söldners höheren Ranges vor, der in Nähe der zeitgleich in Nutzung stehenden Hasenburg seinen Besitz verborgen hat, liegt im Bereich des Möglichen. Ob das Depot aber von (einem) Ortsansässigen oder in einer Notsituation von (einem) Durchziehenden hier verborgen worden ist, ist ohne weitere Erkenntnisse zum Kontext nicht zu klären.