Themenbereiche Siedlung & Bevölkerung

Das Eichsfeld – Überlegungen zur Abgrenzung eines Bearbeitungsgebietes

Von Carsten Liesenberg – 11/2018

Das Eichsfeld zeichnet sich vor allem durch die ausgeprägte Identität seiner Bewohner, ihre religiöse, kulturelle und soziale Zusammengehörigkeit aus. Sie wurde und wird vor allem durch die mehrheitliche Zugehörigkeit der Einwohner zur römisch-katholischen Konfession, die das Gebiet seit der Gegenreformation, seit 1650 über rund anderthalb Jahrhunderte auch politisch deutlich von den Nachbarregionen unterschied, bestimmt. Seit dem frühen 19. Jahrhundert war dieses Gebiet zeitweise staatlich geteilt, wofür besonders drastisch die Auswirkungen der deutschen Teilung zwischen 1945 und 1990 auf die Region stehen. Nur wenige Gebiete in Deutschland entlang dieser Trennlinie politischer Systeme sind derartig gravierend von ihr beeinflusst worden wie das Eichsfeld. Aber auch vor und nach dieser Teilung gab bzw. gibt es unterschiedliche Zugehörigkeiten von Teilen des historischen Eichsfelds zu verschiedenen Kleinstaaten, Provinzen und heute Bundesländern. Selbst die innerkirchlich-organisatorischen Zuständigkeiten verteilen sich weiterhin auf verschiedene Bistümer bzw. Landeskirchen.

Ungeachtet der vielfältigen Differenzierungen bildet der Raum des Eichsfelds in unterschiedlichen Epochen in seiner Gesamtheit den Rahmen dieser Darstellung. Die Abgrenzung des Bearbeitungsgebietes muss einerseits historisch begründet ausfallen und andererseits handhabbar bleiben.

Eine Abgrenzung des Eichsfelds anhand von landschafts- oder naturräumlichen Kriterien ist nicht möglich. Zwar bilden die relevanten verschiedenen Teilräume eine faszinierende Vielfalt ab, aber ein eigener dominanter oder zentraler Landschaftsausschnitt, um den sich die anderen Teilräume gruppieren, ist nicht vorhanden. Somit ist ein praktikabler Zuschnitt eines Bearbeitungsgebietes nur anhand von geeigneten aktuellen und historischen administrativen Einheiten möglich.

Grenzen des Eichsfeldes
Grenzen des Eichsfeldes (Vorlage: Carsten Liesenberg, Umsetzung: Silke Dutzmann)

Unstrittig bilden das Gebiet des heutigen Landkreises Eichsfeld im Freistaat Thüringen und das ehemals mainzische Territorium des Eichsfelds in drei Bundesländern die wohl wichtigsten Kernbestandteile eines darzustellenden Untersuchungsraumes. Dabei fällt beispielsweise auf, dass der Landkreis Eichsfeld heute im Südwesten und Nordosten seines Territoriums größere Teilbereiche umfasst, die nicht zum historischen Eichsfeld gehörten – am auffälligsten das Gebiet des vormals schwarzburgischen Amtes Großbodungen, das 1815 zum neuen preußischen Landkreis Worbis kam. Politisch war wiederum der Ort Wendehausen einst nicht dem mainzischen Gebiet zugeordnet, sondern der Ganerbschaft Treffurt, die innerhalb ihrer dreigeteilten Landesherrschaft nur teilweise unter Mainzer Hoheit stand. Allerdings kann der katholische Charakter des Dorfes nicht losgelöst von den intensiven Verbindungen zu den benachbarten Dörfern des Eichsfelds gesehen werden. Eine theoretisch mögliche Beschränkung allein auf Orte mit mehrheitlich katholischen Einwohnern würde dagegen dem Eichsfeld wesentliche Bestandteile entziehen: die historisch bedeutenden Adelsherrschaften inmitten und an den Rändern des Gebietes, darunter die Herrschaft Bodenstein.

In der Abwägung der wichtigsten relevanten Faktoren erfasst das Gebiet mit der folgenden Abgrenzung die wesentlichen räumlichen Aspekte des Eichsfelds in ausreichendem Maß: Der Bearbeitungsraum schließt zunächst den kompletten thüringischen Landkreis Eichsfeld in seiner seit 1994 bestehenden Form ein. Weiterhin zählen die Orte, die darüber hinaus zu den Kreisen Heiligenstadt und Worbis (jeweils von 1816 bis 1952 bestehend) gehörten und das Gebiet des ehemaligen Landkreises Duderstadt (1885 bis 1972, zuvor seit 1859 Ämter Gieboldehausen und Stadt Duderstadt) zum Untersuchungsraum. Hinzu kommen alle Gemarkungen der mehrheitlich katholischen Orte im Nordwesten des heutigen Unstrut-Hainich-Kreises (seit 1994), die 1816 dem Kreis Mühlhausen zugeordnet worden waren. Dazu gehören zwei Orte der einstigen Ganerbschaft Treffurt.

Auf diese Weise können einige wesentliche Teilbereiche, etwa die Gebiete historischer Ämter und Landkreise, komplett in das Arbeitsgebiet aufgenommen werden. Das ermöglicht die komplette historische Quellenbasis dieser Verwaltungseinheiten möglichst unmittelbar mit der Darstellung in Bezug zu setzen. Allerdings muss dabei aus Gründen des Umfangs in mehreren Fällen auf die vollständige Bearbeitung von aktuellen Kommunen in ihrem gesamten Umfang verzichtet werden, wenn lediglich ein kleiner Teil innerhalb der gewählten historischen Abgrenzungen liegt, die das Bearbeitungsgebiet beschreiben (Witzenhausen, Friedland, Bleicherode). Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass viele Eichsfelder schon seit langer Zeit, vor allem durch Arbeitsmobilität und verschiedene Auswanderungsbewegungen bedingt, werktags oder dauerhaft außerhalb ihrer Region lebten. Diese Wohnorte liegen sowohl in der Nachbarschaft des Eichsfelds als auch im Ruhrgebiet, anderen Regionen Deutschlands oder selbst in Übersee. Ihre Verbundenheit mit der Herkunftsregion drücken die Betroffenen in Vereinsaktivitäten, Wallfahrten und verschiedenen Formen der Pflege von Kontakten dorthin aus. Damit bestätigt sich die Aussage am Beginn dieser Überlegungen zur Abgrenzung des Bearbeitungsgebietes, dass sich das Eichsfeld vor allem durch die ausgeprägte Identität seiner Bewohner auszeichnet. Die Darstellung solcher nationalen und internationalen Netzwerke würde allerdings den Umfang jeder landeskundlichen Aufnahme offenkundig sprengen.


Empfohlene Zitierweise

Carsten Liesenberg: “Das Eichsfeld – Überlegungen zur Abgrenzung eines Bearbeitungsgebietes” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/79_b_117-das-eichsfeld--ueberlegungen-zur-abgrenzung-des-bearbeitungsgebietes/, Stand 29.11.2018