Themenbereiche Wirtschaft & Verkehr

Zigarrenproduktion im Eichsfeld

Von Ulrich Harteisen – 11/2018

Ursprünglich wurde der Eichsfelder Tabak hauptsächlich zu Schnupf- und Kautabak verarbeitet. Als Mitte des 19. Jahrhunderts das Zigarrenrauchen Mode wurde, entwickelte sich im 19. Jahrhundert im Eichsfeld eine bedeutende Zigarrenproduktion. Im Untereichsfeld wurden die Zigarren zunächst überwiegend in kleinen Werkstätten und in Heimarbeit hergestellt und oft war die gesamte Familie in die Produktion eingebunden. 1892 wurde in Duderstadt in der Nähe des ehemaligen Duderstädter Bahnhofs dann eine erste Zigarrenfabrik errichtet.

Zigarrenfabrik der Firma Engelhardt & Biermann im Dorf Fuhrbach (Untereichsfeld) mit Zigarrenarbeiterinnen in ihrer Arbeitskleidung
Zigarrenfabrik der Firma Engelhardt & Biermann im Dorf Fuhrbach (Untereichsfeld) mit Zigarrenarbeiterinnen in ihrer Arbeitskleidung (Quelle: Müller 2007, S. 99)

Die Zigarrenfabrikation entwickelte sich in den Folgejahrzehnten zu einem wichtigen Erwerbszweig und in vielen Dörfern des Untereichsfeldes wurden ebenfalls Zigarrenfabriken erbaut. 1929 besaß die Duderstädter Zigarrenfabrikation schließlich 16 Produktionsstandorte in den umliegenden Dörfern. In den Dorffabriken fanden vor allem Frauen Arbeit und konnten so das Familieneinkommen aufstocken.

Seit den 1960er Jahren kam dann die Zigarette immer mehr in Mode und die Nachfrage nach Zigarren ging parallel stark zurück, was dann auch zur Schließung vieler Eichsfelder Zigarrenfabriken führte.

Ehemalige Zigarrenfabrik in Seulingen. 1909 waren in der Seulinger Zigarrenfabrik ca. 60 Arbeiter/innen beschäftigt. Die Zigarrenproduktion wurde allerdings schon Anfang der 1930er Jahre eingestellt und das Gebäude anderweitig genutzt
Ehemalige Zigarrenfabrik in Seulingen. 1909 waren in der Seulinger Zigarrenfabrik ca. 60 Arbeiter/innen beschäftigt. Die Zigarrenproduktion wurde allerdings schon Anfang der 1930er Jahre eingestellt und das Gebäude anderweitig genutzt (Foto: Ulrich Harteisen)

Auch im Obereichsfeld hat die Zigarrenproduktion eine lange Tradition. Bedeutende Zigarrenfabriken entstanden Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Heiligenstadt und in Dingelstädt. Eine besondere Entwicklung und Bedeutung kommt der Dingelstädter Zigarrenproduktion zu. 1910 wurde von Berlin aus in Dingelstädt zunächst eine Sortiererei und zwei Jahre später eine Zigarrenfabrik gegründet. Ende der 1930er Jahre waren in der Dingelstädter Zigarrenfabrikation (Neumann AG) rund 2500 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt. Zur Dingelstädter Zigarrenfabrik gehörten zu dieser Zeit etwa 40 Filialbetriebe, die in den Dörfern des Obereichsfeldes ansässig waren. Die Zigarrenproduktion stellte somit auch für die Bevölkerung in den Dörfern des Obereichsfeldes eine bedeutende Einkommensquelle dar.

Zigarrenproduktion in einer Eichsfelder Zigarrenfabrik
Zigarrenproduktion in einer Eichsfelder Zigarrenfabrik (Foto: Ulrich Harteisen, Quelle: Heimatmsueum der Stadt Duderstadt)

Im Zuge der so genannten „Arisierung der deutschen Wirtschaft“ erwarb 1938 die Zigarrenfabrik Martin Brinkmann die Mehrheit am Aktienkapital der Neumann AG und verkaufte noch im gleichen Jahr an die Gildemann Zigarrenfabriken AG. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Dingelstädter Zigarrenfabrik enteignet und als VEB Gildemann in der DDR weitergeführt. Die VEB Gildemann baute das Filialnetz nach dem Krieg wieder auf und 1958 waren bereits wieder über 20 Filialen in den Dörfern des Obereichsfeldes in die Zigarrenproduktion eingebunden. Nachdem die Zigarrenproduktion zunächst reine Handarbeit war, wurde 1961 der erste vollautomatische „Wickelautomat“ in der VEB Zigarrenfabriken Dingelstädt (Namensänderung 1961) eingeführt. Während ein guter „Wickelmacher“ per Hand täglich ca. 1.800 Zigarren wickeln konnte, schaffte die Maschine ca. 20.000 Wickel. Neben der Maschinisierung der Produktion war es von großer Bedeutung, dass seit Ende der 1950er Jahre auch wieder Importtabake in die DDR eingeführt werden konnten, die für die Herstellung hochwertiger Zigarren benötigt wurden. In Dingelstädt entwickelte sich im Zeitraum von 1950-1989 der bedeutendste Standort der Zigarrenproduktion in der DDR.

Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde der Betrieb privatisiert und zunächst als Treuhandbetrieb mit dem Namen Tabak-Haus Dingelstädt GmbH weitergeführt, bevor dann 1992 die Von Eicken Gruppe die Zigarrenproduktion am traditionsreichen Standort Dingelstädt übernommen hat und bis heute fortführt. (Joh. Wilh. von Eicken GmbH). Auf der Homepage des Unternehmens ‚Von Eicken‘ findet sich folgende prägnante Aussage: „Alle Von Eicken Zigarren und Zigarillos werden heute am Standort Dingelstädt hergestellt, da es neben dem Eichsfeld kaum eine andere Region in Deutschland gibt, in der Zigarrenexperten so zahlreich zu Hause sind.“ Diese Aussage unterstreicht, welche Bedeutung die regionale wirtschaftliche Spezialisierung im Bereich der Zigarrenfabrikation bis heute im Eichsfeld hat. Die handwerklichen Fähigkeiten, die über Generationen weitergegeben wurden, sind offensichtlich auch heute ein bedeutender Standortfaktor, wie das Beispiel der Dingelstädter Zigarrenfabrikation zeigt. An den Tabakanbau im Eichsfeld selbst erinnern nur noch die umgenutzten Gebäude der ehemaligen Tabaktrockenschuppen, die Tabakverarbeitung und insbesondere die Zigarrenproduktion dagegen ist im Eichsfeld auch heute noch ein aktives Gewerbe.


Empfohlene Zitierweise

Ulrich Harteisen: “Zigarrenproduktion im Eichsfeld” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/79_b_103-zigarrenproduktion-im-eichsfeld/, Stand 29.11.2018

Quellen und weiterführende Literatur