Braunkohlenbergbau rund um Leipzig
Von Andreas Berkner – 06/2015
Der Braunkohlenlagerstättenkomplex des „Weißelsterbeckens“ erfasst große Teile der Leipziger Tieflandsbucht und unterlagert auch die Messemetropole selbst. Nach ersten Gräbereien im Stadtgebiet prägten ab ca. 1900 Tagebau- und Tiefbaubetriebe zunehmend das Umfeld der Stadt und bedrohten stellenweise Siedlungsentwicklung und Lebensqualität. Seit 1990 führte der Wandel zum „Leipziger Neuseenland“ zu einer deutlichen Aufwertung der Freizeit-, Erholungs- und Naturschutzpotenziale im einstigen Revier.
Nachdem die ersten Abbauaktivitäten auf Braunkohle im Stadtgebiet bereits für 1704 belegt sind, brachte erst die einsetzende Industrialisierung, verbunden mit einem erhöhten Brennstoffbedarf und der Verfügbarkeit der Eisenbahn als Transportmittel, nach 1850 neue Impulse, die sich ab 1900 deutlich verstärkten. Einen frühen Meilenstein bildete dabei der ab 1894 erkundete und ab 1905 betriebene Förderschacht Leipzig-Dölitz, der bis 1961 aktiv war wurde und das Kraftwerk Connewitz versorgte.
Einen großflächigen Abbau rund um Leipzig sah erstmals der „Sperrplan“ des Sächsischen Finanzministeriums aus dem Jahr 1920 vor. Folgerichtig wurde ab 1925 eine „Landesplanung“ für das Westsächsische Braunkohlengebiet etabliert, bei der allerdings die Lagerstättensicherung im Vordergrund stand und die „Landschaften nach der Kohle“ noch keine Rolle spielten.
Die Tagebauneuaufschlüsse in Böhlen (1921) und Espenhain (1937) erfolgten noch fernab vom Stadtgebiet. Dagegen rückte der 1937 begonnene und 1973 eingestellte Tagebaubetrieb im Bereich Kulkwitz-Miltitz, wo davor bereits seit 1864 Tiefbauaktivitäten erfolgten, der Stadt bereits deutlich näher.
In der Zeit zwischen 1945 und 1989 rückten die Tagebaue von Süden her auf die Stadtregion zu. So erreichte der Tagebau Zwenkau (vormals Böhlen) im Raum Hartmannsdorf und Elsterstausee das heutige Stadtgebiet, in das der 1981 aufgeschlossene und bis 1992 betriebene Tagebau Cospuden noch weitaus stärker eingriff, indem er auch Teile des Südlichen Leipziger Auenwaldes in Anspruch nahm. Der Tagebau Espenhain drang bis an die Peripherie der Stadt Markkleeberg vor, ehe er Mitte der 1970er Jahre nach Südosten abschwenkte. Mit der verlegten und vierspurig ausgeführten B2/B95 verblieb eine bis heute sichtbare Narbe insbesondere im AGRA-Park und im Auenwald. Vom Norden her rückte seit 1986 der Tagebau Breitenfeld auf die Stadt im Bereich Wiederitzsch-Lindenthal zu, wobei die Folgen der Grundwasserabsenkung für Bauwerke im Stadtzentrum durch eine Infiltrationstrasse abgemildert werden sollten.
Die Vorwendeplanungen zum Braunkohlenabbau gingen gebietsweise noch weit über diesen Rahmen hinaus. So existierten für Cospuden Abbauplanungen, die bis zum Wildpark Connewitz reichten. Dem Tagebau Zwenkau sollten bis 2015 selbst die gleichnamige Stadt und das westlich anschließende Eichholz zum Opfer fallen. Für den Tagebau Espenhain existierten Abbauplanungen über das Jahr 2030 hinaus für die Felder Liebertwolkwitz-West und -Ost, die bis nach Probstheida und Holzhausen gereicht hätten.
Im Norden wäre der Neuaufschluss Delitzsch-Süd ca. 2025 bis an Seehausen herangerückt. Leipzig wäre praktisch von ehemaligen und aktiven Förderstätten eingekreist gewesen. Ins Reich der Legenden sind lediglich Abbauvorstellungen für das unmittelbare Stadtgebiet zu verweisen, unter dem immerhin 1,3 Mrd. Tonnen Braunkohle lagern.
Nach 1989 änderten sich die Rahmenbedingungen für die Braunkohlenindustrie grundlegend, indem der Bedarf insbesondere für Brikettfabriken und Schwelereien innerhalb von kurzer Zeit zusammenbrach. Folgerichtig wurden die Förderstätten in Stadtnähe auch im Ergebnis des Wirkens von Bürgerinitiativen in rascher Folge geschlossen (Breitenfeld 1991, Cospuden 1992, Espenhain 1996); lediglich Zwenkau wurde als „Übergangstagebau“ zur Bekohlung der Altkraftwerke bis 1999 weiterbetrieben. Alle Förderstätten wurden in den Sanierungsbetrieb in Zuständigkeit der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) mbH überführt.
Nach der Böschungsgestaltung für dauerstandsichere Verhältnisse erfolgte die Flutung der Tagebaurestlöcher, wozu seit 1998 Sümpfungswasser aus den aktiven Tagebauen Profen und Vereinigtes Schleenhain der MIBRAG mbH über eine Rohrleitung herangeführt wurde, um vergleichsweise kurze Flutungszeiträume (Cospudener See 1995-2000, Markkleeberger See 1999-2006, Störmthaler See 2003-2013, Zwenkauer See 2007-2015) und gute Wasserqualitäten zu gewährleisten. Der Schladitzer See im Tagebaubereich Breitenfeld wurde mit Wasser aus der Luppe geflutet und ist seit 2003 in Nutzung. Größere zusammenhängende Waldgebiete wie die Neue Harth sowie Anziehungspunkte wie der Freizeitpark BELANTIS oder der Bergbau-Technik-Park tragen heute genauso wie das entstandene Radwegenetz zum neuen Freizeitwert der neuen Landschaften bei, in denen auch neue Naturrefugien wie am Südufer des Markkleeberger Sees nicht fehlen (Thema:Wasserstadt).