Einwohnerentwicklung

Von Heinz Peter Brogiato – 06/2015

Nur wenige Kommunen in den neuen Bundesländern können behaupten, was das Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig seit der Jahrtausendwende Jahr für Jahr verkündet: Die Stadt wächst! Lebten 1999 noch knapp 490.000 Menschen in Leipzig, so sind es 2015 bereits über 550.000 Einwohner.

Dieses Wachstum kompensiert allerdings kaum mehr als die Bevölkerungsverluste, die in den 1990er Jahren zu verkraften waren. Und schaut man sich die Gesamtentwicklung der Einwohnerzahlen an, ist Leipzig noch weit entfernt vom historischen Bevölkerungsmaximum Anfang der 1930er Jahren mit ca. 720.000 Einwohnern (bei deutlich kleinerem Stadtgebiet!).

Die Entwicklung von Bevölkerungszahlen einer Zähleinheit (Ortsteil, Kommune, Kreis, Land etc.) setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: natürliche Bevölkerungsentwicklung (Geburtenzahl minus Todesfälle) und Wanderungssaldo (Zuwanderung minus Abwanderung). Als „Fehlerquelle“ kommt noch hinzu die administrative Umgestaltung der Zähleinheit selbst, die einen Vergleich von Zahlen nur bedingt zulässt. So führten im Fall Leipzigs Eingemeindungen immer wieder zu einem sprunghaften Anstieg der Einwohnerzahl, zuletzt 1999. Ohne Gebietsreformen, die seit 1889 das Stadtgebiet immer weiter ins Umland ausgreifen ließen, lebten heute nur ca. 80.000 Menschen in Leipzig und damit kaum halb so viele wie vor der ersten Eingemeindungswelle 1889. Eine Fehlerquelle ist schließlich auch die übliche Praxis der Meldeämter, die Einwohnerzahl ausgehend von Volkszählungen im weiteren Verlauf anhand von Zuzügen und Wegzügen fortzuschreiben. So hat der Zensus vom Mai 2011 gezeigt, dass die tatsächliche Bevölkerungszahl Leipzigs um mehr als 12.000 unter dem von 1990 bis 2010 fortgeschriebenen Wert von ca. 522.000 Einwohnern lag.

Bis zum beginnenden 19. Jahrhundert blieb Leipzig eine mittelgroße Stadt, deren Bevölkerungswachstum im Laufe der Jahrhunderte immer wieder durch Kriege, Hungersnöte und Seuchen gehemmt worden war. Deutlich sind solche Einbrüche während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648), des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) und der Napoleonischen Kriege mit der Völkerschlacht 1814 im Diagramm ablesbar. Auch die beiden verheerenden Weltkriege hinterließen deutliche Spuren in der Bevölkerungsstatistik.

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Das 19. Jahrhundert brachte der Stadt ein stürmisches Wachstum. Leipzig entwickelte sich zum Verkehrsknotenpunkt, zum mitteldeutschen Wirtschaftszentrum und zu einer Handels- und Messestadt von Weltniveau. Die Einwohnerzahl verzehnfachte sich zwischen 1850 und dem Ersten Weltkrieg. In den Jahren zwischen 1880 und 1914 wuchs die Stadt in die Fläche, die Vorstädte entwickelten sich zu den Schwerpunkten des Wohnungsbaus. Trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und dem Verfall nach 1945 bietet Leipzig auch heute noch in weiten Teilen das Bild einer gründerzeitlichen Stadt. Mit mehr als 600.000 Einwohnern war Leipzig zur viertgrößten deutschen Stadt aufgestiegen, fast gleichauf mit München als drittgrößter Stadt. Zwischen den beiden Weltkriegen wuchs Leipzig weiter, wenn auch nicht mehr so dynamisch wie vor 1914. In den eingemeindeten Stadtteilen entstanden im Rahmen kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungsbauprogramme große Siedlungen, um die immense Wohnungsnot zu lindern. Sie prägen durch ihre Architektur (Neue Sachlichkeit, Bauhaus, Art Déco) heute viele Leipziger Ortsteile.

In der DDR verlor die Stadt kontinuierlich an Bevölkerung, trotz ihrer zentralen Bedeutung für die Wirtschaft des Staates und trotz sozialpolitischer Maßnahmen nach 1970. Als die DDR 1989 zusammenbrach, rechneten Viele damit, dass Leipzig sich zur Boomtown entwickeln und seine frühere Zentralität im Gesamtstaat zurückgewinnen würde. Aber der völlige Zusammenbruch der Industrie führte zu einem Exodus an Arbeitsbevölkerung; hinzu kam ein starker Rückgang der Geburtenzahlen. In zehn Jahren schrumpfte die Bevölkerung um 100.000 Menschen.

Zuzüge und Fortzüge 1990-2013

Zuzüge und Fortzüge 1990-2013 (Quelle: IfL)

Seit 2000 wächst die Stadt wieder, zunächst nur durch ein positives Wanderungssaldo, seit 2013 kommt ein Geburtenüberschuss hinzu. Ob diese positive Entwicklung von anhaltender Dauer ist und Leipzig eine Wachstumsinsel bleibt, hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von der gesamtstaatlichen Konjunktur.

Die Bevölkerungsentwicklung einer Stadt verläuft naturgemäß nicht gleichmäßig im gesamten Stadtgebiet. Faktoren wie Wohnungs- und Immobilienangebot, Naturnähe und Erholungswert, soziale und technische Infrastrukturausstattung und anderes mehr bestimmen die Attraktivität von Wohnstandorten. In Leipzig waren es in den letzten Jahren vor allem die innenstadtnahen gehobenen (Waldstraßen-, Bachstraßen-, Musikviertel, Gohlis-Süd) und mittleren gründerzeitlichen Wohnquartiere der Vorstädte, die deutliche Zuwächse von mehr als 40 % seit 2000 (bei einem Durchschnitt für die Gesamtstadt von 13 %) verzeichnen konnten. Aber auch in ehemaligen Problemgebieten wie Lindenau und Plagwitz ist die Einwohnerzahl ebenso überproportional angestiegen wie in Connewitz oder Schleußig. Inzwischen ist in vielen Quartieren des Südens und Westens der verfügbare Wohnraum knapp geworden und die Mieten steigen an. Als Folge werden Verdrängungsprozesse (Gentrifizierung), wie sie in vielen westdeutschen Städten feststellbar sind, auch in Leipzig befürchtet. Ablesbar sind diese Prozesse in unserer interaktiven Karte, die außerdem auch den Ausländeranteil und dessen Entwicklung darstellt.

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Profitieren könnten von dieser Entwicklung verstärkt Stadtteile, die bisher vernachlässigt blieben. In manchen Ortsteilen, z. B. im Osten, lassen sich solche Aufwertungsprozesse bereits feststellen. Von Bevölkerungsrückgang sind hingegen weiterhin die Großwohnsiedlungen aus DDR-Zeiten betroffen (Grünau, Schönefeld-Ost, Mockau, Paunsdorf, Lößnig), wenn sich auch der Schrumpfungsprozess verlangsamt hat und eine gewisse Konsolidierung zu beobachten ist.

Hier finden Sie eine Tabelle der Bevölkerungszahl der Stadtteile von 1834 bis 2014.

Empfohlene Zitierweise

Heinz Peter Brogiato: “Einwohnerentwicklung” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_B_110-einwohnerentwicklung/, Stand 29.06.2015

Bildnachweise

  • Titelbild: Gondwanaland Eröffnung 30.06.2011 (Ausschnitt), von michimaya, via flickr, cc-by 2.0

  • Vorschaubild: Leipzig. Konzert im Albertpark (historische Postkarte, Ausschnitt), IfL, PKL-Park102