Landwirtschaft in der Lommatzscher Pflege vom 18. Jahrhundert bis heute
Von Uwe Bergfeld – 12/2022
Die Lommatzscher Pflege gehört zu den ältesten kontinuierlich besiedelten Regionen Deutschlands. Ausschlaggebend dafür ist sicher die gute Qualität des Bodens, ein Garant für stabile und ausreichende Ernten und damit für das Überleben der in dieser Region lebenden Menschen. Der alte Spruch: „In der Lommatzscher Pflege kann man immer ernten, es sei denn, man hat vergessen zu säen“ hat seine Aussagekraft bis heute nicht verloren. Die bewegte Geschichte der agrarwirtschaftlichen Nutzung der Region wurde geprägt von staatlichen Entwicklungen und Vorgaben, aber auch der Eigeninitiative engagierter Landwirte wie Benno von Heynitz.
Überblick
Die Lommatzscher Pflege vor 1990
Die Lommatzscher Pflege gehört zu den ältesten kontinuierlich besiedelten Regionen Deutschlands. Ausschlaggebend dafür ist sicher die gute Qualität des Bodens, ein Garant für stabile und ausreichende Ernten und damit für das Überleben der in dieser Region lebenden Menschen. Schon sehr früh konzentrierte man sich vor allem auf den Ackerbau – die Lommatzscher Pflege wurde zur Kornkammer Sachsens. Stattliche Bauernhöfe, meist Vierseitenhöfe, prägten das Bild der Dörfer in einer sanft gewellten Landschaft. Sie war waldarm, denn der Boden sollte vor allem reichliche Ernten an Nutzpflanzen hervorbringen. Dennoch gliederten Ackerraine, Alleen und wegbegleitende Hecken und Sträucher das Bild (BEEGER 2017).
Die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe bot um 1900 ein Mosaik unterschiedlicher Ausprägungen. Die 50 bis 60 Rittergüter bewirtschafteten zwischen 50 und 200 ha Land, die Bauernwirtschaften besaßen 40–60 ha und waren deutlich zahlreicher als die Rittergüter. Des Öfteren waren sie auch wirtschaftlich erfolgreicher und man nannte die Bauern Samtbauern, da sie sich den Luxus teurer Kleidung aus Samt leisten konnten. Über die Bauern aus der Lommatzscher Pflege reimte man: „Sie fressen die Butter mit Löffeln und messen das Geld in Scheffeln“. Diese Landwirte profitierten von ihren guten Böden, aber auch von der Lage ihrer Region in der Nähe großer Städte wie Leipzig und Dresden. Diese waren nicht nur gute Absatzgebiete für die Produkte aus der Landwirtschaft. Von hier aus kamen gerade zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jh. viele neue Impulse für die weitere Technisierung der Landwirtschaft und für neue Methoden und Anbauverfahren (LANTZSCH 2017). Auch neuere Strömungen fanden Eingang in die landwirtschaftliche Praxis, so führte Benno von Heynitz 1930 auf seinem Gut in Heynitz die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise ein, welche auf den anthroposophischen Grundgedanken Rudolf Steiners basierte (BURGEFF 2017).
Tierzucht
Ein innovativer Impuls im Bereich der Tierzucht war beispielsweise die 1765 und 1778 erfolgte Einfuhr von Wollschafen der Rasse Merino. Durch sie konnte die einheimische Schafrasse entscheidend verbessert werden und es entstanden eine Reihe guter Schafherden, darunter die Steigersche Merinozucht in Leutewitz und die Herden in Gödelitz und Klipphausen. Die Wolle dieser Schafe bildete die Grundlage für die Herausbildung des Tuchmachergewerbes in Meißen und Lommatzsch (ENGEL 2021). Auch die Rinderzucht hatte Fortschritte zu verzeichnen, aus ostpreußischen und ostfriesischen Rinderschlägen züchtete man das schwarz-weiße Niederungsvieh, welches sich durch eine verbesserte Milchleistung auszeichnete. Zur Verarbeitung der Milch standen die Molkereien in Lommatzsch, Piskowitz und Meißen zur Verfügung, das Schlachtvieh brachte man in den Schlachthof nach Meißen. Damit waren für den Absatz der landwirtschaftlichen Produkte relativ kurze Wege garantiert. Führend waren die Bauern der Lommatzscher Pflege auch auf dem Gebiet der Schweinezüchtung. Deutschlands erste Zuchtgenossenschaft entstand hier bereits im Jahr 1888. Es ging dabei um die Züchtung des Meißner Schweins und dessen Leistungsprüfung (UHLEMANN 2011).
Pflanzenzüchtung
Die Pflanzenzüchtung erfuhr zu Beginn des 20. Jh. ebenfalls einen Entwicklungsschub. Die in den örtlichen Landwirtschaftsschulen gut ausgebildeten Landwirte beschäftigten sich mit der Verbesserung der Erträge durch Fruchtwechsel und Düngung und durch die Züchtung neuer Sorten. Dies betraf vor allem Getreide, Zuckerrüben und die Vermehrung von Futtergräsern. Herrmann Hellriegel aus Tharandt beschrieb und begründete die ertragsfördernde Wirkung der stickstoffbindenden Leguminosen und förderte den Zwischenfruchtanbau sowie die Abschaffung der Brache. Guido Uhlemann aus Schrebitz widmete sich der züchterischen Verbesserung der Zuckerrübe. Von Bedeutung für den effizienteren Anbau der Rüben war sicher auch die Gründung der Oschatzer Dampfpfluggesellschaft, welche die Möglichkeiten der Bodenbearbeitung verbesserte. Auf dem Rittergut Leutewitz erarbeitete man Beispiele für ertragreiche Fruchtfolgen mit bis zu 20 unterschiedlichen Kulturen. Die Fruchtfolge umfasste nicht nur Getreide, Zuckerrüben, Raps, Mais und Feldfutter, sondern auch viele Gemüsesorten. Daneben wurde auch Obst auf zahlreichen Streuobstwiesen geerntet, welche sich am Dorfrand bzw. um die Gehöfte herum befanden. Für die Früchte gab es neben dem Frischverzehr noch eine gute Verwertungsmöglichkeit in einer der Brennereien, die vor allem auf den Rittergütern bestanden. Der gute Stand der Landwirtschaft in der Lommatzscher Pflege lässt sich nicht zuletzt an den Getreideerträgen erkennen, so wird z.B. der durchschnittliche Getreideertrag für ganz Deutschland im Jahr 1900 mit 18,5 dt/ha angegeben, die Betriebe der Pflege erzielten im Durchschnitt 25–30 dt/ha (KRETSCHMER 1996).
Ausbau der Infrastruktur
Schon frühzeitig wurden Anstrengungen unternommen, die Vermarktung des Erntegutes zu optimieren. Die Pflege verfügte zu Beginn des 20. Jh. über ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz, sowohl der Normalspur als auch Kleinbahnen. Die sogenannten Rübenbahnen beförderten die Zuckerrüben in die Zuckerfabriken in Döbeln und Oschatz. Nach und nach erhielt der ländliche Raum zudem einen Anschluss an das Wassernetz und die Stromversorgung, es folgten nun Geräte mit Elektroantrieb wie Wasserpumpen, Melkanlagen u.ä.
Entwicklung der Landwirtschaft in der Lommatzscher Pflege bis 1990
Landwirtschaft vor dem Ersten Weltkrieg
In der Lommatzscher Pflege bewirtschaften zu dieser Zeit bäuerliche Familienbetriebe 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN), 40 % entfielen auf die Rittergüter sowie die Kleinbauern und Häusler. Die durchschnittliche Betriebsstruktur eines bäuerlichen Familienbetriebes, der 45 ha landwirtschaftliche Nutzfläche besaß, wies 40 ha Ackerfläche und 3 ha Wiese auf, 2 ha waren Obstgärten, Wege usw. Dazu gehörten neun Pferde, 38 Rinder, darunter 22 Kühe sowie zwölf Schweine. Das bedeutet, dass es sich hierbei um überwiegend auf Marktfruchtbau eingestellte Betriebe handelte. Auch am Beispiel eines Rittergutes lässt sich dies erkennen, wenn auch hier die Dimensionen andere waren. So besaß das Steigersche Rittergut 207 ha LN, davon 172 ha AF, 22 ha Wiesen, 5 ha Wald und 2 ha Weiden. Der Tierbestand umfasste 17 Pferde, 76 Rinder darunter 55 Kühe, 306 Schafe und 30 Schweine. Die Schafhaltung war ursprünglich nur den Rittergütern vorbehalten, dies wirkte sich auch nach der Abschaffung dieser Regel noch immer aus (BEEGER 2017).
Auswirkungen des Ersten Weltkriegs
Diese positive Entwicklung unterbrach jäh der Erste Weltkrieg, gefolgt von den Jahren der Inflation und politischer Wirren. Viele Güter waren überschuldet und wurden versteigert. Die Kaufkraft der Bevölkerung war gering und die Halbierung der Preise für landwirtschaftliche Produkte trug dazu bei, dass sich sowohl Rittergüter als auch bäuerliche Familienbetriebe nur schwer aus der Schuldenfalle befreien konnten. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten änderte sich die Situation der Landwirtschaft grundlegend. Marktordnungsgesetze und das Gesetz zum Reichsnährstand verbesserten die finanzielle Lage der Bauern, im Reichserbhofgesetz regelte man die Erbfolge und verhinderte Zersplitterung und Überschuldung. Dadurch konnte die Zustimmung zur Politik des Naziregimes zumindest der Bauern gesichert werden. Unter dem Begriff der „Erzeugungsschlacht“ wurde die Landwirtschaft auf den Krieg eingeschworen, auf die maximale Selbstversorgung unter Ausnutzung aller vorhanden Ressourcen (UHLEMANN 2011).
Umstrukturierung nach dem Zweiten Weltkrieg
Als 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, ahnte man zunächst noch nicht, welch große Veränderung dies für die Landwirtschaft in der Lommatzscher Pflege bedeuten sollte. Noch liefen die Arbeiten auf den Feldern und in den Ställen weiter, trotz Plünderungen und Repressalien hoffte man auf eine baldige Normalisierung. Aber anders als in den von den alliierten Westmächten besetzten Zonen Deutschlands wurde in der sowjetischen Besatzungszone mit großer Eile eine Bodenreform in Gang gesetzt. Unter dem Motto „Junkerland in Bauernhand“ wurden im Herbst 1945 alle landwirtschaftlichen Betriebe, welche mehr als 100 ha besaßen, entschädigungslos enteignet. Trat bei Bauern, deren Betriebe kleiner als 100 ha waren der Verdacht auf, dass sie aktive Nationalsozialisten bzw. Kriegsverbrecher waren, wurden auch sie enteignet. Die Enteignung bezog sich auch auf Haus und Hof, die gesamte Familie musste oft in großer Eile den Hof verlassen, alle Habe musste zurückgelassen werden. Die Betriebsinhaber erwartete kein Gerichtsverfahren, sie wurden zunächst in Coswig interniert und später auf die Insel Rügen verbracht. Nach ihrer Entlassung durften sie nicht in ihren Heimatort zurückkehren, sondern mussten sich in einem anderen Ort niederlassen. Viele von ihnen zogen diesen Schikanen die Flucht in den Westen vor.
Die leerstehenden Gutshöfe und Herrenhäuser nutzte man zum Teil als Wohnungen für Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, als Sitz von Verwaltungen, als Schule oder Kindergarten. Mitunter dienten sie auch einfach nur als Steinbruch für die Errichtung neuer Gebäude oder man ließ sie schlicht verfallen. So verschwanden die Herrensitze in Graupzig, Naundorf, Schweta, Seerhausen, Stauchitz und Stösitz. Es wurden 40 größere Rittergüter und kleinere Güter, deren Besitzer als Naziverbrecher deklariert worden waren, enteignet. Dieses Land wurde an landlose Bauern als Neubauernstelle vergeben, auch landarme Dorfbewohner konnten sich um ein Stück Land bewerben. Die Neubauern erhielten in der Regel 5–7 ha. Der Anfang war für die meisten dieser Neubauern schwer – sie besaßen kaum Maschinen und Geräte, konnten nur wenig Vieh halten, da geeignete Stallungen fehlten. Oft wohnten sie weit entfernt von ihren Feldern. Mitunter waren diese nicht arrondiert, nicht selten von minderer Qualität. Nicht alle Bewerber für eine Neubauernstelle besaßen Erfahrung in landwirtschaftlichen Tätigkeiten und oft kannten sie die Besonderheiten der Lommatzscher Pflege nicht, da sie aus anderen Gegenden in Mitteleuropa kamen.
Einige größere Betriebe wurden nicht aufgeteilt, sondern gingen in Staatsbesitz über und übernahmen Aufgaben der Saat- und Tierzucht, z.B. Leutewitz und Gödelitz (SCHMID-GÖDELITZ 2017).
Um dem Mangel an Maschinen und Geräten abzuhelfen, konzentrierte man 1949 die vorhandenen Maschinen in Maschinenausleihstationen (MAS). Hier konnte man sie dann bei Bedarf gegen Entgelt ausleihen. Dennoch fehlte es den Neubauern an vielem und sie konnten mit ihren kleinen Flächen keine hohen Leistungen erzielen, die Produktivität der Landwirtschaft sank kontinuierlich. Mit Hilfsprogrammen und einer Senkung des Abgabensolls versuchte man, diese Verluste auszugleichen. Sehr bald war klar, dass mit den durch die Bodenreform entstandenen Kleinbetrieben keine erfolgreiche Landwirtschaft betrieben werden konnte und das Problem der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichenden Nahrungsmitteln so nicht zu lösen war.
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) in der Lommatzscher Pflege
Es begann eine Kampagne der SED-Führung, die Bauern zur Gründung von LPG zu bewegen. In der Lommatzscher Pflege stieß dies zunächst auf wenig Gegenliebe bei den Bauern. So wurde der Druck auf die Großbauern, d.h. Bauern mit einem Landbesitz ab 20 ha, verstärkt. Sie erhielten keinen Zugang zu den MAS, ihr Abgabesoll war höher als bei den Kleinbauern und ihnen wurden keine Kredite gewährt. Ein kostendeckendes Wirtschaften war nahezu unmöglich und so verließen weitere Bauern die DDR Richtung Westen. Von den 108 Höfen mit mehr als 20 ha Land wurden 1952/53 41 verlassen.
1952 wurde in Jahna die erste LPG in Sachsen gegründet (DONATH 2017). Sie war vom Typ I, das bedeutet, das nur das Land gemeinsam bewirtschaftet wurde, die Maschinen, Geräte und das Vieh blieben individueller Besitz. Es waren vor allem die Neubauern, die ihre 5 ha Land einbrachten, sie erhofften sich von der gemeinsamen Arbeit Erleichterung und Unterstützung in der Feldarbeit. Im gleichen Jahr entstand die LPG Krögis mit 25 ha LN. Trotz der guten Böden hatten die neuen Genossenschaften zunächst Probleme, die Betriebe rentabel zu führen, die noch selbständigen Bauern bedachten sie mit Spott und prophezeiten den baldigen Bankrott. Die Partei- und Staatsführung reagierte mit verstärktem wirtschaftlichen Druck auf die Einzelbauern und einer massiven Unterstützung der neuen LPG. Weitere Genossenschaften entstanden, nun vor allem vom Typ III, der auch die genossenschaftliche Viehhaltung einschloss. Das Jahr 1960 markierte den Abschluss der Vergenossenschaftlichung – alle Einzelbauern der DDR waren nun Mitglied einer Genossenschaft. Die Betriebe wurden deutlich größer und nahmen neben ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auch Aufgaben des Erhalts der dörflichen Infrastruktur und der Versorgung der ländlichen Bevölkerung wahr. So besaß z.B. die LPG Krögis, die mit 25 ha begonnen hatte, im Jahr 1961 1.376 ha LN, davon 1004 ha AF, hielt 700 Milchkühe und hatte 385 Mitglieder. Ein weiterer Schritt zu Konsolidierung der LPG war die 1969 erfolgte Übergabe der Technik von den MAS an die Genossenschaften. Die immer größer werdenden Schläge von mehr als 50 ha Größe führten zu einer weiteren Ausräumung der ohnehin wald-und gebüscharmen Lommatzscher Pflege. Ein weiteres Problem stellte die Erosion dar, im leicht hügeligen Gelände wird der fruchtbare Ackerboden bei Regen und Wind abgetragen, es können Rinnen und Dellen entstehen. Dieser Gefahren war man sich zwar durchaus bewusst, aber das Streben nach Höchsterträgen und nach einem hohen Selbstversorgungsgrad standen im Vordergrund (Landwirtschaftsausstellung der DDR 1976).
Mehr und mehr spezialisierten sich die Betriebe – es gab ab Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre die Spezialrichtung Pflanzenbau und die der Tierhaltung. Beide Zweige kooperierten. Darüber hinaus entstanden zwischengenossenschaftliche Einrichtungen z.B. die Agrochemischen Zentren (ACZ) in Döbeln, Leisnig, Lommatzsch, Miltitz, Mügeln Oschatz, Prausitz und Streumen, verantwortlich für die Beschaffung und Ausbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Des Weiteren arbeiteten Meliorationsgenossenschaften, Bauorganisationen und Einrichtungen der Futteraufbereitung und Trocknung. Dadurch sollte die Landwirtschaft industriemäßig betrieben und zu höheren Leistungen geführt werden.
Landwirtschaft nach der Wiedervereinigung
Als 1990 der Beitritt der Länder der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgte, bedeutete dies auch für die Landwirtschaft im Osten einen rigorosen Wandel. In kurzer Zeit brachen die alten Strukturen weg, Absatzmärkte verschwanden. Die Tierproduktion unterlag einer starken Schrumpfung und die Betriebe der Lommatzscher Pflege, die sich auf die Obst- und Gemüseproduktion spezialisiert hatten, konnten mangels Absatz keine Erlöse erzielen. Damit war es auch nicht mehr möglich, die gesamte Belegschaft weiter zu beschäftigen. Zum ersten Mal in ihrem Leben waren viele in der Landwirtschaft beschäftigte Menschen von Arbeitslosigkeit bedroht.
Rein rechtlich bestand nunmehr die Möglichkeit, das eigene Land wieder in Besitz zu nehmen und es auch zu bewirtschaften. Aber diese „Wiedereinrichtung“ nutzten nur wenige, denn sie erkannten sehr schnell, dass mit 40 oder 50 ha LN und einer geringen Kapitaldecke die Erfolgsaussichten in der Marktwirtschaft gering sein würden. Somit entstanden aus den bisherigen LPG häufig eingetragene Genossenschaften, kleiner als die früheren Betriebe aber ausreichend groß für eine moderne Bewirtschaftung. Sie haben eine Durchschnittsgröße von 850 ha und beschäftigen acht bis zehn Mitarbeiter. Neben den Genossenschaften entstanden auch GmbH, sowie Personengesellschaften als GbR. Der Privatisierung lag das Treuhandgesetz zugrunde, die Treuhandanstalt war damit beauftragt, es umzusetzen. Der Ansturm auf die guten Böden der Lommatzscher Pflege war hoch, neben Alteigentümern interessierten sich Landwirte und Unternehmen aus dem In- und Ausland dafür. Die Klärung der Vermögensansprüche gestaltete sich kompliziert und erschwerte den Neustart der jungen Unternehmen. Nach und nach wurden die offenen Fragen geklärt und es entstand wieder ein funktionierendes Mosaik kleinerer und größerer Betriebe. Es entspricht nicht mehr dem Bild der Landwirtschaft vor 1945 und auch die Dörfer sind einem grundlegenden Wandel unterworfen. Im Einzugsgebiet der Lommatzscher Pflege wirtschaften nun:
- sechs eingetragene Genossenschaften
- sieben GmbH
- zwei Kommanditgesellschaften
- eine Aktiengesellschaft
- 17 Gesellschaften bürgerlichen Rechts
- 64 Einzelbauern
Die neuen Landwirtschaftsbetriebe bearbeiten nach wie vor große Flächen und konzentrieren sich auf den Marktfruchtbau. Die Fruchtfolge ist ausgedünnt, überwiegend werden Winterweizen, Wintergerste, Raps, Mais, Sommergerste und Zuckerrüben angebaut. Hinzu kommen traditionell Obst und Gemüse. Der Tierbestand hat sich deutlich verringert, dadurch reduzierte sich auch der Anfall an organischem Dünger (TRÖGER 2015). Um die Erosionsgefahr weiter zu verringern, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die zum Teil auch mit Förderprogrammen unterstützt werden. Im Rahmen des Programms „Umweltgerechter Ackerbau“ verzichtet man weitgehend auf das Pflügen, man wendet eine Mulchsaat an und baut Zwischenfrüchte an, um den Boden möglichst kurz ohne Pflanzendecke dem Regen auszusetzen (SCHULZE 2013). Der Beratungsring „Erosionsmindernde Landbewirtschaftung e.V.“ bietet den Landwirten eine institutionelle Plattform für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen (KUNTH 2005).
Alle Programme zur umweltgerechten Landwirtschaft sind freiwillig und werden im Teilprojekt „Landwirtschaft und Ökologie in der Lommatzscher Pflege“ der Umweltallianz Sachsen zusätzlich unterstützt (Deutsche Bundesstiftung Umwelt et al. 2011). Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Herausbildung regionaler Kreisläufe und Kooperationen. So gibt es seit 1993 eine Zusammenarbeit der Erzeugergemeinschaft „Sachsens Ährenwort“ mit den regionalen Mühlen. Das Agrarunternehmen „Lommatzscher Pflege“ liefert Durum-Weizen für die Riesaer Teigwaren. Die Kathi-Mehlmischungen enthalten ebenfalls Lommatzscher Getreide.
Die Ostrauer Agrar GmbH trägt mit einer breiten Palette der angebauten Kulturen und nachhaltiger Grünlandbewirtschaftung zur Erhöhung der biologischen Vielfalt bei, sie nutzt Biogas zur Stromerzeugung ebenso wie eine Photovoltaik-Anlage.
Die Firma Elbtal-Tiefkühlkost (sie gehört zu Frosta) verarbeitet das Lommatzscher Gemüse zu Tiefkühlkost. Der Gedanke Rudolf Steiners zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft in Heynitz erfährt seine Fortsetzung auf 270 ha in Mahlitzsch, zertifiziert nach Demeter-Richtlinien.
Der alte Spruch: „In der Lommatzscher Pflege kann man immer ernten, es sei denn, man hat vergessen zu säen“ hat seine Aussagekraft auch in der jetzigen Zeit nicht verloren.