Eine bandkeramische Siedlung mit Grabenwerk bei Piskowitz
Von Michael Strobel und Thomas Westphalen – 12/2022
Am östlichen Fuße des Tanzberges erstreckt sich ein ausgedehntes bandkeramisches Siedlungsareal, das nicht nur die Lösskuppe, sondern auch ein Feld nördlich der Staatsstraße einschließt. Umfangreiche archäologische Untersuchungen unter anderem mit Hilfe von Bohrstocksondierungen lassen hier zudem eine Nekropole der Eisenzeit vermuten. Da die Belegung des Friedhofes auf dem Tanzberg bereits in der jüngeren Bronzezeit einsetzt, ist es denkbar, dass hier kontinuierlich bis in die Kaiserzeit bestattet wurde.
Am östlichen Fuße des Tanzberges erstreckt sich ein ausgedehntes bandkeramisches Siedlungsareal, das nicht nur die Lösskuppe, sondern auch ein Feld nördlich der Staatsstraße einschließt. Insgesamt beträgt die Ausdehnung etwa 10 ha. Beim Setzen von Zaunpfählen kamen 1911 Scherben zum Vorschein, die der damalige Gutsbesitzer Kurt Hensel in Piskowitz dem Archiv Urgeschichtlicher Funde aus Sachsen in Dresden meldete. In mehreren Suchschnitten gelang es dem Archivleiter, Johannes Deichmüller, eine Grabenstruktur nachzuweisen, die mit stichverzierten Scherben in einen jüngeren Abschnitt der Bandkeramik datiert werden kann (Stichbandkeramik, 4800–4500 v.Chr.). Profile ergaben einen spitzen Querschnitt, der typisch für Grabenwerke der Bandkeramik ist. Durch geophysikalische Messungen ist inzwischen klar, dass es sich wohl um Abschnitte einer sogenannten Kreisgrabenanlage handelt, wie sie aus der Dresdner Elbtalweitung (Dresden-Nickern), Nordwestsachsen (Kyhna) und inzwischen auch der Lommatzscher Pflege (Sieglitz, Salbitz) bekannt sind. Nördlich der Straße konnte sogar eine bis dahin völlig unbekannte dreifache Kreisgrabenanlage aufgespürt werden. Funde der älteren Linienbandkeramik (ca. 5500–4900 v.Chr.) und der jüngeren Stichbandkeramik (ca. 4900–4500 v.Chr.) belegen auf dem Tanzberg mehrere Besiedlungsphasen unterschiedlicher Intensität. Das Mittelneolithikum ist durch Scherben der Gaterslebener Gruppe (um 4200 v.Chr.) vertreten. Auf Luftbildern gibt sich ferner eine trapezförmige Grabenstruktur zu erkennen, bei der es sich wahrscheinlich um eine Grabanlage der Baalberger Kultur (um 3700 v.Chr.) handelt.
Unter den bandkeramischen Funden ist eine Scherbe mit der Darstellung einer Schlange besonders bemerkenswert. Eine mit flächigen, teppichartigen Stichmustern verzierte Scherbe der Rössener Kultur dürfte aus westlichen Regionen Mitteldeutschlands importiert sein. Lesefunde zeigen, dass der Tanzberg und sein Umfeld während der Bandkeramik dicht besiedelt waren.
Während auf der Anhöhe selbst archäologische Strukturen bis auf letzte Reste der Erosion und Planierungen zum Opfer gefallen sein dürften, sind am südlichen Rand in einer leichten Senke bandkeramische Gruben noch bis zu einer Tiefe von 80 cm erhalten. Sie zeichnen sich durch eine charakteristische dunkle, schwarzerdeartige Verfüllung aus, die mit Rotlehmbrocken, Holzkohle und einzelnen Scherben durchsetzt ist. Viele dieser Gruben dürften der Entnahme von Lehm gedient haben, der für den Putz der langen, massiven Pfostenbauten in großen Mengen benötigt wurde.
Schutz und Erhalt 100 Jahre nach den ersten Ausgrabungen
Die Entdeckung von Friedhöfen und bandkeramischem Siedlungsareal liegt über ein Jahrhundert zurück. Da der Friedhof offensichtlich nicht vollständig untersucht wurde, bestehen ein Jahrhundert später mehrere Gründe, den Forschungsfaden wieder aufzunehmen: Zum einen sind Urnengräber der älteren Kaiserzeit in Sachsen immer noch eine Rarität. Zum anderen sind über diese herausragende Fundstelle mehrere Jahrzehnte intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und Flurbereinigungsmaßnahmen hinweggegangen. Ob heute noch Gräber im Boden erwartet werden dürfen und welcher Erhaltungszustand vorherrscht, lässt sich nur durch Nachuntersuchungen klären.
Suchschnitte zeigen eindrucksvoll, wie komplex die Überlieferungs- und Erhaltungsbedingungen im mittelsächsischen Lösshügelland sein können. Auf die archäologischen Strukturen im Boden wirkten wahrscheinlich nämlich nicht nur Bodenabtrag und mechanische Verlagerung, sondern auch Planierungen und unterschiedliche Bewirtschaftungsweisen der LPG, zwischen denen der Schlag aufgeteilt war. Noch in den 1960er Jahren war das Gelände in viele kleine Streifen parzelliert. Es kommen also viele Faktoren zusammen, die die Erhaltung archäologischer Befunde beeinflussen.
Durch Sondagen und Bohrstocksondierungen, d.h. Aufnahmen des Bodenprofils, lassen sich kleinräumige Unterschiede in Abhängigkeit vom Mikrorelief herausarbeiten. Schon nach kurzer Zeit war klar, dass die älterkaiserzeitliche Nekropole entweder ausgegraben oder weitgehend zerstört ist. Von zwei Gräbern waren nur noch letzte Reste anzutreffen. Die meisten Beigaben sind in der Pflugschicht aufgearbeitet. Eine intensive Nachsuche erbrachte immerhin noch Fragmente von Fibeln des 1. Jh. n.Chr. sowie die Bruchstücke weiterer Metallobjekte.
Überraschenderweise konnte in einem Suchschnitt eine ovale, etwa 2–2,5 m große Steinpackung mit Einfassung entdeckt werden, die unter der Pflugsohle lag. Nach Entfernung der Steine kamen etwa 30 teilweise gut erhaltene Gefäße zum Vorschein. Sie waren in zwei getrennten Gruppen angeordnet bzw. aufgereiht. Möglicherweise hatte man die Gefäße in einer Kammer aus Holz aufgestellt, diese mit Steinen ummantelt und darüber einen kleinen Grabhügel aufgeschüttet. Zwei Urnen und große Mengen Leichenbrand lassen ebenso auf mehrere Bestattungen schließen wie die getrennten Gefäßgruppen.
Die dunkel polierte, mit Riefen verzierte Keramik ist typisch für die ältere vorrömische Eisenzeit, die sogenannte Billendorfer Kultur (ca. 750–500 v. Chr.). Der Bestand umfasst Kegelhalsgefäße, Schalen, Trinkschalen und miniaturartige Krüge und Tassen.
Gräber der älteren Eisenzeit bilden üblicherweise größere Friedhöfe. Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn das neu entdeckte Grab nicht Teil einer Nekropole wäre. Auf dem Tanzberg dürfen daher weitere Bestattungen vermutet werden. In entsprechenden Tiefen wären sie einer Zerstörung durch Pflug und Erosion bislang entgangen. Sie lohnen in jedem Fall bestandssichernde Schutzanstrengungen. Von einem jüngeren eisenzeitlichen Brandgrab waren dagegen nur noch letzte Reste vorhanden. Aus den Scherben konnte immerhin noch eine typische Urne und Deckschale der frühen jüngeren vorrömischen Eisenzeit rekonstruiert werden. Da die Belegung des Friedhofes auf dem Tanzberg bereits in der jüngeren Bronzezeit einsetzt, ist es vielleicht nicht völlig abwegig anzunehmen, dass auf dieser markanten Anhöhe weitgehend kontinuierlich bis in die Kaiserzeit bestattet wurde. (ENDER et al. 2012)