Botanische und faunistische Ausstattung des Gebietes
Von Hans-Jürgen Hardtke, Friedemann Klenke und Jörg Lorenz – 12/2022
Einige Arten von überregionaler Bedeutung sind in den NSG der Lommatzscher Pflege gesichert. Das Artenschutzprogramm für diese Arten besteht in der Erhaltung des optimalen Zustandes der Vorkommen durch geeigneten Biotopschutz. Dazu gehören neben verschiedenen Ackerwildkräutern der Märzenbecher und der Eremit.
In der Lommatzscher Pflege haben oder hatten bestimmte Ackerwildkräuter wie Feld-Rittersporn, Sommer-Adonisröschen, Schwarzkümmel, Gezähntes Rapünzchen und die Kornrade ihre aktuellen Verbreitungsschwerpunkte in Sachsen (HARDTKE u. IHL 2000; RICHTER et al. 2016). Diese Arten sind nur durch die Beibehaltung traditioneller Landwirtschaft, begleitet von Hilfsmaßnahmen, zu erhalten. Aus diesem Grunde wurden Schutzäcker am Rand von Schutzgebieten im Ketzerbachtal und Käbschützbachtal eingerichtet. Das Sommer-Adonisröschen ist eine submediterrane Art der Haftdoldengesellschaft auf Kalkäckern. Heute ist sie auf einzelne kleine Ackerparzellen im Ketzerbachtal zurückgedrängt. Der Schwarzkümmel hatte seine letzten Vorkommen im Schutzgebiet Prositz.
Zu den beliebtesten Frühjahrsblühern gehört der Märzenbecher. Die weißen Blüten mit einem grüngelblichen Fleck duften angenehm nach Veilchen. Der Märzenbecher ist ein Zwiebelgeophyt und überdauert so den Winter. Die Art liebt nährstoffreiche und sickerfeuchte Standorte und wächst gesellig in feuchten Laub- und Auwäldern und auf Auenwiesen. Der Märzenbecher erreicht in Sachsen die Nordostgrenze seiner Verbreitung in Deutschland. In der Lommatzscher Pflege gibt es noch einige kleine Vorkommen und große Bestände im Jahnabachgebiet. Sie wurden mit der Ausweisung des NSG Jahnabachtal und NSG Großholz besonders geschützt (DOEGE et al. 1994⁄95).
Der Eremit besitzt im Gebiet einen sächsischen Verbreitungsschwerpunkt. Er besiedelt Altholz mit Mulmhöhlen in besonnter Lage. Die für die Besiedlung des Eremiten geeigneten Bäume (im vorgestellten Gebiet hauptsächlich Obstbäume) müssen über eine verhältnismäßig große Baumhöhle verfügen, in der ein relativ konstantes Innenklima mit ausreichender Feuchtigkeit herrscht. Das Holz an den Innenwänden solcher Baumhöhlen wird von bestimmten saprophytischen Pilzen teilweise aufgeschlossen, sodass sich erdfeuchter Mulm am Höhlenboden bilden kann. Dieses Mulmsubstrat bzw. eine ausreichende Menge davon ist von essentieller Bedeutung für das Überleben der Larven des Eremiten. Die Larven benötigen eine mindestens dreijährige Entwicklungszeit. Die Käfer leben nur wenige Wochen und sind bei warmer Witterung von Mitte Juni bis Mitte August aktiv. Meist halten sie sich an oder in der Baumhöhle auf. Nur selten kann man fliegende Eremiten beobachten. Aufgrund seiner geringen Mobilität ist eine sehr enge Vernetzung seiner Lebensräume nötig, z.B. über die schwindenden Obstbaumreihen entlang von Feldwegen. Gezielte Erhaltung und wieder Innutzungnahme von Streuobstwiesen und die Wiederbepflanzung von Feldwegen mit Obstbäumen soll sein Vorkommen zumindest stabilisieren. Das Käbschütztal und das Saubachtal können als Teil des deutschland- und europaweiten Hauptverbreitungsgebietes des Eremiten bezeichnet werden.
Für einige Arten reicht die Unterschutzstellung der Vorkommen nicht. Um sie für spätere Generationen zu erhalten, sind spezielle Artenschutzprogramme erforderlich. Das betrifft unter anderem die Wiesenkuhschelle, die Bologneser Glockenblume und die Violette Königskerze, aber auch den Eremiten!
Die Wiesenkuhschelle kommt nur im NO Deutschlands vor (BETTINGER 2013). In Sachsen erreicht sie ihre südliche Verbreitungsgrenze. Die Art steht unter Naturschutz und ist in Sachsen vom Aussterben bedroht (Rote Liste Gefährdungsgrad 1). Früher an 45 Fundorten im Elbhügelland in Kiefernwäldern, lichten Eichenwäldern und Halbtrockenrasen vorkommend, ist sie heute auf vier Standorte in sandigen oder steinigen Silikattrockenrasen reduziert, davon zwei in der Lommatzscher Pflege im Ketzerbachtal (bis 2011). Die Wiesenkuhschelle ist eine alte Arzneipflanze. Sie enthält das giftige Protoanomonin. Früher wurde sie auch zur Abtreibung benutzt und deshalb oft ausgegraben. Noch 1920 schrieb NAUMANN in den Mitteilungen des Landesvereins über das Vorkommen in Piskowitz: „da ist vor allem die Kuhschelle, die im ersten Frühjahr in reichster Zahl die Hänge bedeckt“ (NAUMANN 1920). Von den Standorten im Elbhügelland waren 1977 nur noch vier Vorkommen mit 32 Pflanzen vorhanden, davon in Piskowitz nur noch drei Pflanzen.
Die Fachgruppe Geobotanik Dresden (damals im Kulturbund) entschloss sich deshalb in Zusammenarbeit mit dem Botanischen Garten Dresden und mit Unterstützung der Naturschutzbehörde Meißen, die Art in Erhaltungskultur zu nehmen. Es wurden ca. 1.000 Pflanzen aus Samen von den Standorten Prositz und Piskowitz gezogen und Teile davon auf den Hängen des Ketzerbaches wieder ausgebracht (HARDTKE 1978). Das Programm wird auch nach 1990 fortgesetzt. Aktuell besteht ein bereits über zehn Jahre andauerndes Bestandsstützungsprogramm des Umweltkreises Wurzen im Ketzerbachtal und ein Erhaltungsprogramm im Raum Radebeul-Meißen. Die Erfolge sind noch nicht zufriedenstellend. Es fehlt an großräumigen angepassten Pflegemaßnahmen der Standorte, bzw. entsprechen die zur Verfügung stehenden Standorte (oft stark exponiert oder besonders flachgründig) nicht dem ökologischen Optimum der Art.
Ähnlich sieht es beim Erhalt der Vorkommen der Bologneser Glockenblume im Ketzerbachtal aus. Die subkontinentale, wärmeliebende Art besitzt hier ihre einzigen Vorkommen in Sachsen. Sie kommt nur noch in Thüringen und an den Oderhängen in Deutschland vor. Erstmalig wurde die Bologneser Glockenblume am Prositzer Mühlhügel mit über 100 Exemplaren vom Meißner Apotheker Schlimpert gefunden und in der Deutschen botanischen Monatsschrift 1893 publiziert. Durch fehlende Schafbeweidung ging die Art immer weiter zurück und kam im Jahr 2004 nur noch mit vier Exemplaren vor. Sie wurde deshalb im Botanischen Garten Dresden auf der Bosel in Erhaltungskultur genommen. Inzwischen wurden die dort erfolgreich gezogenen Exemplare im Ketzerbachtal unter anderem am Prositz-Wachtnitzer Hang, in Mertitz und am Eichberg wieder ausgebracht. Es ist erforderlich, die jungen Pflanzen gegen Wildfraß einzugattern und ständig zu kontrollieren (HARDTKE 2005).
Die Violette Königskerze kommt in Deutschland nur in den wärmebegünstigten Gebieten Mitteldeutschlands vor und besitzt in Sachsen ihren Schwerpunkt der Vorkommen in der Lommatzscher Pflege. Es ist eine Art der subkontinentalen Trockenrasen. Sie bevorzugt basenreiche sandig-kiesige bis leicht lehmige Böden. Die Art ist in Sachsen vom Aussterben bedroht. Um sie zu erhalten, wurden Erhaltungskulturen angelegt und Pflanzen im NSG Ketzerbachtal an verschiedenen Teilflächen wieder ausgebracht oder die Populationen verstärkt. Die Erhaltung der Art ist aufwendig. Um die Jungpflanzen vor Tierfraß zu schützen, mussten sie wie die Bologneser Glockenblume beim Auspflanzen in Drahtgatter gesetzt werden. Die Bestände dieser Arten konnten so zunächst, wenn auch auf niedrigem Niveau, stabilisiert und die Arten für die nächste Generation in ihrem natürlichen Umfeld erhalten werden.
Botanische Erhaltungsmaßnahmen im Gebiet bestehen unter anderem auch für den Deutschen Ziest, die Tauben-Skabiose oder das Bartgras – alles ebenfalls vom Aussterben bedrohte Arten der Trockenhänge.