Die Fränkische Schweiz in der Zeit des Nationalsozialismus

Von Albrecht Bald – 09/2019

In der Fränkischen Schweiz gibt es Orte, denen auf den ersten Blick die ursprüngliche Nutzung nicht anzusehen ist. So befindet sich westlich von Ebermannstadt auf dem Höhenzug der Langen Meile die Burg Feuerstein, die zunächst eine der vielen mittelalterlichen Burgen sein könnte. Im Ortsteil Breitenbach steht ein stattliches Steingebäude mit einem im rechten Winkel angeschlossenen Seitenflügel, dem die ehemalige Nutzungsweise ebenfalls nicht ohne weiteres anzusehen ist. Im Weihersbachtal bei Pottenstein befindet sich ein lang gezogener Teich, der Schöngrundsee, der zu einer Bootsfahrt einlädt. Diese drei Bauwerke sind allesamt in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden und versinnbildlichen – jedes auf seine Weise – sowohl die vormilitärische Ausbildung als auch die Kriegsanstrengungen des nationalsozialistischen Regimes.

Nationalsozialistische Strukturen in der Fränkischen Schweiz

Die Fränkische Schweiz war im Unterschied zur Coburger und Kulmbacher Region vor 1933 kein nationalsozialistischer Kernraum mit massiver Agitation und hohen Wahlergebnissen für die NSDAP. Das katholisch-agrarische Milieu mit seiner kleinbäuerlichen Wirtschaftsweise blieb bis zur Machtergreifung einigermaßen resistent. Nur in den ehemaligen markgräflichen und damit evangelischen Gebieten wie Streitberg und Muggendorf, im reichsstädtischen Nürnberger Land um Gräfenberg sowie in den entsprechenden reichsritterschaftlichen Orten, wie z. B. Aufseß, erzielte die NSDAP höhere Wahlergebnisse. Die am Rande der Fränkischen Schweiz gelegenen industrialisierten Kleinstädte Forchheim und Pegnitz vermochten daran wenig zu ändern.

Die Region der Fränkischen Schweiz wurde durch den gesamten Landkreis Ebermannstadt sowie einen Großteil der Landkreise Forchheim und Pegnitz gebildet, weitere Landkreise ragten in die Region hinein. Die Kreisleitung des NS-Kreises Ebermannstadt lag eigentlich in dem Marktort Heiligenstadt und wurde erst 1939 in die Kreisstadt verlegt. Der NS-Kreis Fränkische Schweiz, der sich auch in den Steigerwald hinein erstreckte, hatte seinen Sitz in Gräfenberg, auch hier fand die Verlegung nach Forchheim erst später statt. Heiligenstadt und Gräfenberg hatten sich als Wohnsitze rühriger NS-Honoratioren sozusagen ein Anrecht erworben, der NS-Hauptort des Kreises zu sein.

Die Vorkriegsjahre waren in der Fränkischen Schweiz sowohl vom Einsatz des Reichsarbeitsdienstes (RAD) als auch von den Planungen und Fertigstellung mehrerer Reichsautobahntrassen bestimmt. Diese Aktionen haben sich ins kollektive Gedächtnis der Bevölkerung mehr eingegraben als die wenigen touristischen Impulse, die von privater oder staatlicher Seite erfolgten.

Der NS-Tourismus und seine Auswirkungen

Abb. 1: Hitler mit Winifred Wagner, der Witwe von Siegfried Wagner, beim Besuch der Teufelshöhle am 3. Mai 1931.
Abb. 1: Hitler mit Winifred Wagner, der Witwe von Siegfried Wagner, beim Besuch der Teufelshöhle am 3. Mai 1931. (Quelle: ullstein bild)
Abb. 2: Am selben Tag, an dem er vor der Eiche hielt (23. Juli 1933, siehe Abb. 3), passierte Hitler mit Goebbels und weiteren ca. 15 Personen Begleitung auch Behringersmühle, wo die Bevölkerung ihn begeistert begrüßte.
Abb. 2: Am selben Tag, an dem er vor der Eiche hielt (23. Juli 1933, siehe Abb. 3), passierte Hitler mit Goebbels und weiteren ca. 15 Personen Begleitung auch Behringersmühle, wo die Bevölkerung ihn begeistert begrüßte. (Quelle: NEUBAUER 1998, S. 80)

Bereits vor seiner Machtergreifung war Hitler häufiger und gern gesehener Gast in Bayreuth, wo er mehrfach die Wagner-Festspiele besuchte, bei seiner Freundin Winifred Wagner Quartier nahm und von Bayreuth aus mehrfach Ausflüge in die Fränkische Schweiz unternahm. Schon 1931 war er mit Winifred an der Teufelshöhle (Abb. 1). Als sich Hitler, einige Monate nach der Machtergreifung mit seiner Entourage am 23. Juli 1933 an einem spielfreien Tag der Bayreuther Festspiele zu einem Kaffeepicknick in die Nähe von Muggendorf begab und von den Einheimischen bestaunt wurde (Abb. 2), gab man lediglich der Eiche, an welcher er gehalten hatte, den Namen Adolf-Hitler-Eiche und errichtete hier einen gemauerten Tisch sowie eine Bank (Abb. 3). Weitere Folgen zeitigte der Aufenthalt nicht. Ob der kurz darauf aufgeführte Film „Adolf Hitler in der Fränkischen Schweiz“ den Tourismus gefördert hat, ist mehr als zweifelhaft.

Abb. 3: Touristen vor der Hitler-Eiche in Muggendorf: Anlässlich seines Besuchs in Muggendorf am 23. Juli 1933 wurde die Eiche umbenannt.
Abb. 3: Touristen vor der Hitler-Eiche in Muggendorf: Anlässlich seines Besuchs in Muggendorf am 23. Juli 1933 wurde die Eiche umbenannt. (Quelle: NEUBAUER 1998, S. 81)
Abb. 4: Hitler in der Fränkischen Schweiz am 6. Juni 1931. Im Hintergrund erkennbar ist die Burg Hiltpoltstein.
Abb. 4: Hitler in der Fränkischen Schweiz am 6. Juni 1931. Im Hintergrund erkennbar ist die Burg Hiltpoltstein. (Quelle: Cigaretten/Bilderdienst 1936, S. 15)

Hitler selbst war noch mehrfach in der Fränkischen Schweiz (Abb. 4), vor allem in Kombination mit Besuchen bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen. Im Sommer 1933 versuchte Hermann Esser, bayerischer Staatsminister und Vorsitzender des Bundes der Deutschen Verkehrs-Vereine, der einheimischen Tourismusbranche kleinere Impulse zu geben. Er führte für die – allerdings zahlenmäßig kleine – Schicht der bayerischen Beamten eine Genehmigungspflicht für Auslandsreisen ein. Außerdem gewährte er zwei zusätzliche Urlaubstage, wenn die Beamten mindestens 14 Tage ihres Urlaubs in dem notleidenden NS-Gau Bayerische Ostmark verbrachten, zu dem auch die Fränkische Schweiz gehörte.

Über den Tourismus in der Region nach 1933 existieren bisher nur wenige verlässliche Informationen. In dem ausgesprochenen Touristenort Muggendorf mit seinen rund 500 Einwohnern (1933) gab es 33 Vermieter von insgesamt 330 Betten. Größtenteils wurden Zimmer mit drei bis vier Schlafgelegenheiten vermietet, größere Hotels waren nicht vorhanden. Diese Infrastruktur ging wohl noch auf Muggendorfs Zeit als Molkekurort zurück.

Als ab 1935 der KdF (Kraft durch Freude)-Tourismus auf breiter Basis begann, wurden auch kurz- und mehrtägige Fahrten (1-2 bzw. mindestens 3 Tage) mit KdF-Urlauberzügen und zu niedrigen Preisen in die größeren Orte der Fränkischen Schweiz angeboten. Diese Fahrten waren, wenn auch nicht in erster Linie, auf die Erschließung strukturschwacher Gebiete ausgerichtet. Allerdings dürften auch hier die mittelmäßige Übernachtungsqualität sowie die mangelhafte Infrastruktur der Region einen touristischen Aufschwung gebremst haben.

Die Bing-Höhle hatte man nach ihrem Entdecker benannt, dem jüdischen Großindustriellen Ignaz Bing aus Nürnberg. Sie befand sich 1933 im Besitz seiner Erben. Dem nationalsozialistischen Gemeinderat von Streitberg und dem Landratsamt Ebermannstadt waren die nichtarischen Besitzer ein Dorn im Auge. Anfang 1935 gelang es ihnen mit erheblichem Druck, die Höhle zu arisieren. Das bedeutete, dass sie in den Besitz der Gemeinde Streitberg überging. Fortan wurde Bings Name ausgemerzt und nur noch von der Streitberger Höhle gesprochen. Zu den Pseudo-Argumenten gehörte der Hinweis, dass der jüdische Name arische Touristen vom Besuch abhalte, was die Streitberger Geschäftswelt schädigen würde.

Auch der touristisch bewährte Name Fränkische Schweiz drohte zeitweise einer nationalsozialistischen Sprachreinigung zum Opfer zu fallen. Manchem parteiamtlichen Sprachpuristen war daran gelegen, fremdländische Ruf- und Ortsnamen als undeutsch auszumerzen. Für diese Ideologen stellte die geographische Bezeichnung Fränkische Schweiz mit ihrem Anklang an die demokratische Eidgenossenschaft eine Provokation dar. Schnell war man mit Verbesserungsvorschlägen bei der Hand wie Fränkisches Bergland, Fränkische Höhe oder Ostmärkisches Felsengebirge bzw. Ostmarkalb.

Als Hermann Esser als Präsident des Reichsfremdenverkehrsverbandes im Frühjahr 1938 in tadelnder Weise sogar von einem NS-Gau mit schweizerischer Verkehrswerbung sprach und die Bayerische Ostmark meinte, waren die Verantwortlichen vor Ort wachgerüttelt. Man bat Hitler selbst um eine Entscheidung, aber auch die Bayreuther Gauleitung machte sich für die altbewährte Bezeichnung Fränkische Schweiz stark. Im Herbst des gleichen Jahres entschied dann das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, dass wegen der ökonomischen Nachteile von einer Umbenennung abgesehen werde.

Der Reichsarbeitsdienst in der Fränkischen Schweiz

Abb. 5a: Das RAD-Lager in Ebermannstadt
Abb. 5a: Das RAD-Lager in Ebermannstadt (Quelle: FRANZE u. RÖSCH 2011, S. 78)
Abb. 5b: Das RAD-Lager in Kirchahorn
Abb. 5b: Das RAD-Lager in Kirchahorn (Quelle: ENGELBRECHT 2015, S. 89)
Abb. 5c: Das RAD-Lager in Tannfeld
Abb. 5c: Das RAD-Lager in Tannfeld (Quelle: ENGELBRECHT 2015, S. 87)

Jene beiden rechtwinklig angeordneten Steinbauten in Ebermannstadt-Breitenbach waren Bestandteil des für rund 200 Arbeitsmänner ausgelegten RAD-Stammlagers Richard Wagner, zu dem zwei Baracken und eine hölzerne Exerzierhalle gehörten. Es wurde vom Herbst 1933 bis zum Sommer 1934 in rekordverdächtig kurzer Zeit errichtet und war eines der ersten in der Region. Die 18 bis 25 Jahre jungen Männer, welche ein halbes Jahr zu dienen hatten, stammten aus dem Ansbacher Raum und waren für den Straßenbau über die Lange Meile nach Drosendorf vorgesehen. Nachdem es über die Finanzierung zum Streit zwischen der finanzschwachen Gemeinde Ebermannstadt und dem RAD gekommen war, gab dieser das Lager 1938 auf. Anschließend fungierte es als Polizeischule. Die Steinbauten haben sich erhalten und sind nach 1945 für unterschiedliche Zwecke genützt worden.

Die auffällige Häufung von sieben RAD-Lagern in der Fränkischen Schweiz (Ebermannstadt, Frauendorf, Kirchahorn, Kleingesees, Königsfeld, Tannfeld, Weismain, Abb. 5–7) erklärt sich aus den Tätigkeitsbereichen des RAD.

Abb. 6: RAD-Lager „Trompeter von Säckingen“ in Frauendorf (Lautergrund), das 1939–1940 auch für Arbeitsmaiden in Funktion war.
Abb. 6: RAD-Lager „Trompeter von Säckingen“ in Frauendorf (Lautergrund), das 1939–1940 auch für Arbeitsmaiden in Funktion war. (Quelle: Sammlung Elmar Kerner, Uetzing)
Abb. 7: Aktuelle Überreste der Gebäude des ehemaligen RAD-Lagers Frauendorf
Abb. 7: Aktuelle Überreste der Gebäude des ehemaligen RAD-Lagers Frauendorf (Foto: Herbert Popp)

In der bevölkerungsarmen und von unzulänglichen Straßen und Wegen durchzogenen Region ließen sich die Arbeitsdienstmänner ohne größeren logistischen und technischen Aufwand im Straßen- und Wegebau einsetzen, und zwar aus ideologischen Gründen ohne Maschinenunterstützung für einfache Erdarbeiten (Entsteinungen, Erdaufschüttungen/Aushub, Planierungen usw.), Urbarmachungen und Meliorationen. Großprojekte wie die Hochrhönkultivierung oder den Dammbau im Straubinger Donaubecken hat es jedoch in der Fränkischen Schweiz nicht gegeben. Die eher städtisch geprägten Arbeitsdienstmänner störten sich an der traditionellen Katholizität der dörflichen Bevölkerung, was die Erinnerung an die Fremden mitgeprägt hat.

Die Planung von Reichsautobahntrassen

Abb. 8: Reichsautobahnprojekte 1934 und 1937 durch die Fränkische Schweiz
Abb. 8: Reichsautobahnprojekte 1934 und 1937 durch die Fränkische Schweiz (IfL)

In Verbindung mit der Kulmbacher Plassenburg war die Planung der westlich und östlich an der Fränkischen Schweiz vorbeilaufenden Trassen der Reichsautobahn (RAB) von Bedeutung, wobei eine Verbindungstrasse die Region unmittelbar von Osten nach Westen durchquert hätte.

Die westliche Haupttrasse sollte von München über Nürnberg/Erlangen und Bamberg bis nach Hamburg führen, gelangte aber – von der fertiggestellten Strecke München-Nürnberg abgesehen – nicht über das Planungsstadium hinaus.

Die östliche Haupttrasse sollte von München über Nürnberg/Feucht und Lauf am oberfränkischen Plech vorbei sowie über Pegnitz nach Bayreuth und weiter nach Berlin verlaufen. Ende 1937 war das RAB-Teilstück Nürnberg–Leipzig durchgehend befahrbar.

Um die westliche und östliche Haupttrasse miteinander zu verbinden, sahen die Planer eine ca. 70 km lange Verbindungstrasse zwischen dem Bamberger bzw. Forchheimer und dem Bayreuther Raum vor, für die zwei unterschiedliche Führungen geplant waren:

1. Ursprüngliche Verbindungstrasse durch die mittlere Fränkische Schweiz (ca. 1934): Forchheim – Pretzfeld/Trubachtal – Gößweinstein – Pottenstein/Püttlachtal – Hohenmirsberg – Oberkonnersreuth – Bayreuth.

Diese Trasse sollte – von Nürnberg kommend – anfangs parallel zum Ludwig-Donau-Main-Kanal verlaufen, ins Wiesenttal einbiegen und im Raum Pretzfeld die Trubach auf einer niedrigen Brücke überqueren. Über die Hochfläche führend, sollte sie dann das Püttlachtal zwischen Gößweinstein und Pottenstein mittels einer 80 m hohen und 300 m langen Brücke überwinden und über Hohenmirsberg nach Bayreuth führen. Vermutlich wegen der hohen Baukosten des Reichsautobahnnetzes und der konkurrierenden Finanzierungszwänge des zweiten Vierjahresplanes sah man sich 1936 zu Kosteneinsparungen veranlasst. Es musste eine kürzere und billigere Verbindungstrasse gefunden werden.

2. Neuere Verbindungstrasse durch die nördliche Fränkische Schweiz (ca. 1937): Bamberg – Scheßlitz – Kleinziegenfelder Tal/Weismain – Thurnau – Langenstadt/Tal des Roten Main – Unterbrücklein/Reichsstraße 85 – Lanzendorf bei Bad Berneck (Abb. 9).

Auch diese Trasse, welche nördlich der heutigen BAB 70 verlaufen sollte, blieb zum überwiegenden Teil im Planungsstadium stecken. Im Winter 1937 begann man mit dem ca. 9 km langen östlichen Teilabschnitt von Unterbrücklein bei Neudrossenfeld bis Nenntmannsreuth bei Bad Berneck. Für die Bauarbeiter wurden zwei Barackenlager in Waldau und Ramsenthal eingerichtet. Die Strecke war erst teilweise fertiggestellt, als man die Arbeiten im Sommer 1940 kriegsbedingt beendete.

Abb. 9: Plan der Reichsautobahnnebenstrecke im Bereich der geplanten Überquerung des Kleinziegenfelder Tales von 1937, Talverlauf und Autobahntrasse wurden durch Farben verstärkt
Abb. 9: Plan der Reichsautobahnnebenstrecke im Bereich der geplanten Überquerung des Kleinziegenfelder Tales von 1937, Talverlauf und Autobahntrasse wurden durch Farben verstärkt (geändert nach: URBAN 1986, S. 76)

Zwei Sachverhalte sind im Zusammenhang mit der Planung der nördlichen Variante von Bedeutung. Erstens sollte die Trasse das Kleinziegenfelder Tal mit dem Flüsschen Weismain ursprünglich auf einem Viadukt überqueren. Darüber hinaus würde eine enge Straße als Autobahnzubringer aus dem Tal heraus zu der Reichsautobahn führen, die auf der Hochfläche verlief (Abb. 9). Sowohl die Regierung von Ober- und Mittelfranken als auch die Berliner Reichsstelle für Naturschutz lehnten diese Planung als naturgefährdend ab und vermochten sich gegen die Autobahnplaner durchzusetzen. Die Trasse wurde 2 km nach Süden verlegt, was den Viadukt überflüssig machte.

Zweitens ist auch nicht auszuschließen, dass die Trassenführung im Raum Kulmbach von Erwägungen des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen Fritz Todt beeinflusst worden ist. Im Jahr 1937 quartierte sich nicht nur die Organisation Todt auf der Plassenburg ein, auch Todt selbst hielt sich dort gerne auf und hatte vor, die Festung als Reichsburg Deutscher Technik zu einer zentralen Stelle nationalsozialistischer Technikkultur auszubauen. Aus ideologischen und praktischen Gründen passte das Projekt einer nur 9 km von Kulmbach entfernten Reichsautobahn gut in diesem Gesamtzusammenhang.

Abb. 10: BAB 70 Bamberg–Bayreuth: Brücke der ehemaligen Reichsautobahn bei Waldau
Abb. 10: BAB 70 Bamberg–Bayreuth: Brücke der ehemaligen Reichsautobahn bei Waldau (Quelle: KRIEST 2016, S. 259)

Bis zur Neutrassierung von 2010 zählte der 8 km lange Streckenabschnitt der BAB 70 von Neudrossenfeld bis zum Autobahndreieck Bayreuth/Kulmbach als nur zweispurig ausgebaute Straße zu den am besten erhaltenen Strecken der ehemaligen Reichsautobahn. Typische Merkmale des Autobahnbaus der Dreißigerjahre finden sich – mehr oder minder modernisiert – auch heute noch in der Trassierung (Gerade und Kreisbögen, starke Steigung zum Autobahndreieck, Staffelung der Richtungsfahrbahnen), in der Verkleidung der Brücken (Abb. 10), Unter- bzw. Überführungen, Bach- bzw. Flurwegdurchlässen (landschaftstypischer Sandstein in Rustika-Ausführung) sowie die Fahrbahnen trennenden Rundbogen-Mittelstützen bei manchen Unterführungen. Was die beiden Baracken für die Arbeiter betrifft, haben sich nur wenige, längst eingewachsene Abwasserschächte erhalten.

Rüstungsproduktion und Betriebsverlagerungen am Rande der Fränkischen Schweiz

Abb. 11: Zwangsarbeiter im Metallwerk Creußen, die an Revolverdrehbänken für die Rüstungsindustrie arbeiten mussten.
Abb. 11: Zwangsarbeiter im Metallwerk Creußen, die an Revolverdrehbänken für die Rüstungsindustrie arbeiten mussten. (Quelle: ENGELBRECHT 2015, S. 64)
Abb. 12: Barackenlager in Creußen-Thietmarsplatz für die Zwangsarbeiter von Carl Tabel, nach einer Bleistiftskizze eines tschechischen Zwangsarbeiters
Abb. 12: Barackenlager in Creußen-Thietmarsplatz für die Zwangsarbeiter von Carl Tabel, nach einer Bleistiftskizze eines tschechischen Zwangsarbeiters (Quelle: ENGELBRECHT 2015, S. 67)

Diejenigen Rüstungsbetriebe, welche in der Fränkischen Schweiz zu finden waren, lagen aus arbeitskräftebedingten und verkehrstechnischen Gründen in den größeren Orten. Einer der wenigen einheimischen Betriebe war die Metallfabrik Carl Tabel in Creußen, die Gewehre, Lafetten und Munitionskästen herstellte und während des Krieges über 1.000 Arbeitskräfte aufwies (Abb. 11 u. 12).

Die Amag-Hilpert-Pegnitzhütte hatte 1941 wegen der Luftkriegsgefahr Teile ihrer Armaturen- und Ventilproduktion in den gleichnamigen Ort Pegnitz ausgelagert, dort waren sogar an die 1.800 Arbeitskräfte beschäftigt. Tabel wurde in den 1970er Jahren geschlossen, die Amag-Hilpert-Pegnitzhütte existiert unter dem Namen KSB noch heute. Das verkehrsgünstig gelegene Forchheim wurde mit der Zunahme der alliierten Luftangriffe zum Verlagerungsort für Bosch/Bamberg (Zündkerzen, Einspritzteile), Kugelfischer/Schweinfurt (Kugellagerteile) und MAN/Nürnberg (Teile von Militärfahrzeugen). Die Rüstungsproduktion konnte wie auch in Creußen und Pegnitz nur durch den Einsatz von Zwangsarbeitern aufrechterhalten werden.

Die Fränkische Schweiz als Verlagerungsort für Forschungsinstitute und NS-Raubgut

Im Laufe der Kriegsjahre siedelten sich vier Forschungsinstitute in der Fränkischen Schweiz an. Die Kleininstitute von Brand und Schottky umfassten nicht mehr als ein paar Zimmer und einige wenige Mitarbeiter. Nur Riedels Versuchsanstalt und vor allem Vierlings Forschungslabor hatten rüstungstechnische Bedeutung. Darüber hinaus war Vierlings Burg Feuerstein das einzige Institut, das zu diesen Zwecken extra neu erbaut worden war.

Im Frühjahr 1940 wurde die ein Jahr zuvor in München gegründete Forschungsstelle für Karst- und Höhlenkunde nach Pottenstein verlegt. Der Bergbauingenieur, Geologe und Höhlenforscher Hans Brand (1879–1959), welcher gute Beziehungen zu Himmler unterhielt, vermochte seiner mit vier Mitarbeitern ausgestatteten Forschungsstelle nicht nur kriegswichtige Bedeutung zu verleihen, sondern konnte sie auch unter das Dach des SS-Ahnenerbe bringen. Im Sommer 1944 ließ Himmler angesichts der nach Norditalien vordringenden Alliierten in Pottenstein eine SS-Fortifikationsstelle zur Erkundung der italienischen Grenzwehranlagen einrichten, die ebenfalls unter Brands Leitung stand und rund 30 Mitarbeiter umfasste. Weder Brands Höhlenkataster noch seine Kartierung der italienischen Befestigungsanlagen erlangten allerdings praktische Bedeutung für die deutsche Kriegsplanung.

Angesichts der Luftangriffe auf die Reichshauptstadt zog sich der Physikprofessor Walter Schottky Anfang 1944 mit wenigen Mitarbeitern in einige Räume des Pretzfelder Schlosses zurück. Über Siemens hatte er einen geheimen Forschungsauftrag der Luftwaffe und beschäftigte sich mit Halbleitern bzw. mit der Phosphortheorie.

Die Versuchswerkstatt des Ingenieurs Norbert Riedel, welche Anfang 1943 von Nürnberg nach Muggendorf verlegt wurde, war wegen der Geheimhaltungsstufe mit Stacheldraht sowie Mauer geschützt und umfasste rund 50 Beschäftigte. Dort wurden Anlassermotoren für Flugzeugtriebwerke, bevorzugt für Strahltriebwerke, entwickelt und getestet. Die Serienfertigung erfolgte dann in Nürnberg und anderswo.

Abb. 13: Oskar Vierlings Forschungslabor als getarnte Burg Feuerstein
Abb. 13: Oskar Vierlings Forschungslabor als getarnte Burg Feuerstein (Postkarte um 1950, Quelle: Archiv Herbert Popp)

Heute befindet sich in der Burg Feuerstein die Jugendbegegnungsstätte des Erzbistums Bamberg. Die Straße zur Burg hinauf wurde bereits zum Teil vom RAD angelegt und auch bei der Burg selbst handelt es sich keineswegs um eine intakte Ritterburg, sondern um eine Forschungseinrichtung aus Nationalsozialistischer Zeit.

Der Physikprofessor der TH Hannover Oskar Vierling (1904–1986) beschäftigte sich in den 1930er Jahren mit Elektroakustik und Hochfrequenztechnik. Da für diese kriegswichtigen Forschungen wie für die weitreichenden Richtfunkübertragungen ein abgelegener Berg am besten geeignet war, wurde 1941 westlich von Ebermannstadt die Burg Feuerstein mit wuchtiger Rustika-Verkleidung und hohem Bergfried errichtet (Abb. 13).

Zeitweise waren hier 250 Ingenieure, Mechaniker, Laborantinnen und Verwaltungsangestellte beschäftigt, es existierte auch ein fünfzehnköpfiger Werkschutz. Man spezialisierte sich auf Radartechnik, Torpedosteuerung, radarabweisende U-Boot-Beschichtung sowie auf maschinelle Chiffrierverfahren. Als sich die Amerikaner im April 1945 näherten, konnten nur noch Teile des Labors ins Salzburgische verlagert werden. Die amerikanischen Chiffrierspezialisten, darunter der später berühmt gewordene Alan Turing, untersuchten Vierlings Labor, hielten aber seinen wissenschaftlichen Ansatz für veraltet.

Die Amag-Hilpert-Pegnitzhütte und Vierlings Forschungslabor waren die beiden einzigen Betriebe, die während des Krieges ausgelagert bzw. neu errichtet wurden und noch heute in der Fränkischen Schweiz produzieren.

NS-Raubgut von Gemälden bis zu Büchern, aber auch wertvolle Kunstwerke aus deutschen Museen wurden gegen Kriegsende vor allem wegen der günstigen Erreichbarkeit und des verfügbaren Depotraumes bevorzugt in Staffelstein und Kloster Banz am Obermain deponiert. Die Kleine Teufelshöhle war nur kurzzeitig Lagerraum für Kisten aus dem Fundus des Ahnenerbe.

Die SS in der Fränkischen Schweiz: Der Standort des Ahnenerbe in Waischenfeld sowie das SS-Karstwehrlager und das KZ-Außenlager in Pottenstein

Für manche österreichische Nationalsozialisten, die nach dem gescheiterten Putsch gegen den Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (Juli 1934) ins Reich geflohen waren, diente die Fränkische Schweiz als Rückzugsraum. Im Frühjahr 1934 kaufte die SS der Stadt Waischenfeld das unmittelbar an der Wiesent gelegene ehemalige Rentamtsgebäude (übrigens ein Dientzenhofer-Bau aus dem 17. Jh.) ab und verwendete es als SS-Hilfswerklager der Österreichischen Legion. Auf engstem Raum wurden an die 400 Männer zusammengepfercht, die nicht mehr nach Österreich zurückkehren konnten. Auf der Stirnseite des Rentamtsgebäudes war die SS-Losung „Meine Ehre heißt Treue!“ zu lesen (Abb. 14).

Abb. 14: Das SS-Hilfswerklager im ehemaligen Rentamt in Waischenfeld
Abb. 14: Das SS-Hilfswerklager im ehemaligen Rentamt in Waischenfeld (Quelle: Fotoarchiv Manfred Friedrich)

Ihr Hass richtete sich gegen das klerikal-antinationalsozialistische System ihres Heimatlandes und vor allem gegen ihre isolierte Lage in der tiefsten und noch dazu katholischen Provinz, sodass es zu antikatholischen Ausschreitungen kam (Zerstörung von Heiligenstatuen, Beschädigung von Kruzifixen usw.). Auch ein Kurzbesuch Himmlers in dem SS-Hilfswerklager vermochte die Gemüter nicht zu beruhigen und im Sommer 1936 fand in Muggendorf eine Massenschlägerei statt, bei der die Österreicher Wohnungen durchsuchen ließen und der Dorfpolizist bedroht wurde. Schließlich beschloss man, das Lager sukzessive aufzulösen.

Schon im Herbst 1942 begann man, in Pottenstein sowohl das Truppenlager für das SS-Karstwehrbataillon als auch das Außenlager für die KZ-Häftlinge einzurichten. Ein Jahr später wurde wegen der zunehmenden Luftangriffe auf Berlin die Hauptverwaltung des Ahnenerbe nach Waischenfeld ins Rentamtsgebäude verlagert, das der SS sowieso schon gehörte. Den entsprechenden Hinweis hatte der in Pottenstein wohnende Brand gegeben und Ahnenerbe-Hauptgeschäftsführer Wolfram Sievers ließ sich dort mit 40 Mitarbeitern nieder. Die Verwaltung der über das gesamte Reichsgebiet verstreuten Abteilungen überforderte die Hauptverwaltung völlig, zur einheimischen Bevölkerung bestand so gut wie kein Kontakt. Das ehemalige Rentamtsgebäude existiert heute nicht mehr.

Von Pottenstein aus kann die Teufelshöhle heute leicht zu Fuß erreicht werden, Pkw können auf einem Parkplatz gegenüber dem Burgfelsen abgestellt werden. Bei diesem Parkplatz handelt es sich um einen ehemaligen Exerzier- und Fahrzeugabstellplatz der SS-Karstwehr, der mit Hilfe von KZ-Häftlingen angelegt worden war. Am gegenüberliegenden Burghang befand sich die sogar mit einer Bühne ausgestattete SS-Vortragsbaracke, in der 1.000 Personen Platz hatten. Sie existiert heute nicht mehr.

Abb. 15: Der Schöngrundsee im Weihersbachtal ist heute eine idyllische Oase für Freizeitsuchende. 1943 staute die SS-Karstwehr von Hans Brand mit Hilfe von bis zu 700 Zwangsarbeitern den Weihersbach an zu einem sog. Wasserübungsplatz. Von hier aus erfolgte auch die Trinkwasserversorgung des SS-Karstwehrlagers mit einer Pumpleitung (vgl. Abb. 16a, links).
Abb. 15: Der Schöngrundsee im Weihersbachtal ist heute eine idyllische Oase für Freizeitsuchende. 1943 staute die SS-Karstwehr von Hans Brand mit Hilfe von bis zu 700 Zwangsarbeitern den Weihersbach an zu einem sog. Wasserübungsplatz. Von hier aus erfolgte auch die Trinkwasserversorgung des SS-Karstwehrlagers mit einer Pumpleitung (vgl. Abb. 16a, links). (Postkarte um 1950, Quelle: Archiv Herbert Popp)

Der südöstlich von Pottenstein gelegene Schöngrundsee bildet heute eine Ergänzung zu weiteren touristischen Attraktionen (Abb. 15). Dass dieser angestaute Teich während der Kriegsjahre eine militärtechnische Bedeutung hatte, dürfte vielen Erholungssuchenden nicht bekannt sein.

Hans Brand, dessen Forschungsstelle für Karst- und Höhlenkunde schon seit 1940 in Pottenstein lag, gab im Herbst 1942 den Anstoß zur Aufstellung eines SS-Karstwehrbataillons, das in den jugoslawischen Karstgebieten bei der Partisanenbekämpfung eingesetzt werden sollte. In einer eigenartigen Mischung aus wehrtechnischen und lokalpatriotischen Gründen hoffte er, dass durch die noch zu errichtende Infrastruktur auch der Pottensteiner Raum aus seiner Rückständigkeit herausgeführt werden könnte. Dieses Ziel war nach Ansicht des damals über sechzigjährigen Karstspezialisten nur mit Hilfe der Arbeitskraft von KZ-Häftlingen zu erreichen.

Abb. 16a: Der Plan des SS-Karstwehrlagers bei Pottenstein
Abb. 16a: Der Plan des SS-Karstwehrlagers bei Pottenstein (Quelle: ENGELBRECHT 1997, S. 216)
Abb. 16b: Zum Vergleich derselbe (heutige) Gebietsausschnitt aus der amtlichen TK
Abb. 16b: Zum Vergleich derselbe (heutige) Gebietsausschnitt aus der amtlichen TK (Quelle: Amtliche Topographische Karte, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung 054 / 19)
Abb. 17: Die Baracken des Schulungslagers im SS-Karstwehr-Bataillon bei Pottenstein
Abb. 17: Die Baracken des Schulungslagers im SS-Karstwehr-Bataillon bei Pottenstein (Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1994-024-15 / CC-BY-SA 3.0)

Das auf einer nahe gelegenen Hochfläche angelegte SS-Lager auf dem Bernitz sollte nach der Fertigstellung 28 Baracken für 1.200 Soldaten und ihre Ausrüstung umfassen. Aus dem Stausee im Weihersbachtal, der auch als Übungsgewässer für die Karstwehr dienen sollte, wurde das Trinkwasser für das SS-Lager hochgepumpt. Darüber hinaus legte man eine sehr steile Zufahrtsstraße an und baute im Tal einen Parkplatz sowie eine Vortragsbaracke (Abb. 16 und 17).

Außerdem stellte sich Brand, der den Blick für die realen Möglichkeiten verloren hatte, die innere Fränkische Schweiz als großen Truppenübungsplatz vor. Er schwärmte von 16 Schießbahnen, 90 Übungshöhlen bzw. Dolinen und von 30 Klettergärten, es wurde aber nur ein einziges Übungsgelände in Lagernähe fertiggestellt. Die Umsetzung solcher Ideen hätte einen schweren Eingriff in das Ökosystem der Alb bedeutet. Zu den ebenfalls nicht verwirklichten Projekten Brands zählten ein SS-Erholungsheim oberhalb des Felsenschwimmbades (vgl. Abb. 16a, oberer Rand), ein ca. 200 m langer Luftschutzstollen im Bereich des SS-Lagers und ein gegenüber der Teufelshöhle eingerichteter Stollen für höhere Führungsstellen.

Abb. 18: Das KZ-Außenlager Pottenstein in der Magerscheune kurz nach Kriegsende
Abb. 18: Das KZ-Außenlager Pottenstein in der Magerscheune kurz nach Kriegsende (Quelle: ENGELBRECHT 1997, S. 14)

Das Außenlager Pottenstein des KZ Flossenbürg, in dem zu Beginn nur 40 und bei Kriegsende rund 370 Häftlinge inhaftiert waren, wurde ab Frühjahr 1943 in der Magerscheune eingerichtet. An den Fachwerkbau grenzte ein mit Stacheldraht umzäunter kleiner Appellplatz mit zwei Wachtürmen, die von SS-Männern mit Maschinengewehren besetzt waren (Abb. 18). Das Lager befand sich mitten in der Stadt und die Häftlinge mussten morgens und abends durch die Stadt zu ihren Arbeitsplätzen marschieren. Neben dem Ausbau des SS-Lagers konnten die Häftlinge auch an Wochenenden gegen Bezahlung in der örtlichen Landwirtschaft bzw. der Gastronomie eingesetzt werden.

Gegen Kriegsende hatten die Häftlinge die Teufelshöhle zu reinigen, aber auch vom Hinterausgang der Höhle eine Fluchtstraße nach Gößweinstein anzulegen. Angeblich sollten in der Höhle höhere Wehrmachts- und SS-Stellen, möglicherweise sogar Himmler selbst, Unterschlupf finden. Außerdem sollen in der Teufelshöhle Geheimakten eingelagert worden sein, über die nichts weiter bekannt ist.

An das große SS-Lager auf dem Bernitz erinnerte Ende der 1990er Jahre nur noch ein überwachsenes Betonfundament, ein betonierter Löschteich und der als Schuppen dienende Wasserhochbehälter des Lagers. Auch die vom Weihersbachtal zum Lager hinaufführende Zufahrtsstraße ist noch vorhanden. Außer dem Schöngrundsee und dem Parkplatz existiert noch das Gebäude des Außenlagers. Für die Magerscheune gibt es Überlegungen, darin ein Dokumentationszentrum über das Außenlager Pottenstein einzurichten.

Höhlen und Stollen als Luftschutzkeller

Abb. 19: Das Hotel Waldesruh am südöstlichen Ortsrand von Gößweinstein, hier noch vor seiner Umwandlung in ein KLV-Lager für Hamburger Kinder
Abb. 19: Das Hotel Waldesruh am südöstlichen Ortsrand von Gößweinstein, hier noch vor seiner Umwandlung in ein KLV-Lager für Hamburger Kinder (Foto: 1930er Jahre, Quelle: Archiv Herbert Popp)

Die Fränkische Schweiz stellte wegen der fehlenden Industrie-, Verkehrs- und Militärobjekte für die alliierten Luftangriffe kein lohnendes Ziel dar. Als allerdings nach der alliierten Invasion (Juni 1944) die englischen und amerikanischen Flugzeuge allgegenwärtig waren, hielt man es für geraten, sowohl für die auswärtigen Schüler der Kinderlandverschickung (KLV) als auch für die einheimische Bevölkerung Schutzvorkehrungen zu treffen.

Abb. 20: Am Eingang zur Gaststätte Heinlein in Doos weist ein Schild darauf hin, dass sich hier eines der zahlreichen KLV-Lager vom Ende des Zweiten Weltkrieges befand: KLV Jungmädchenlager GASTHAUS DOOS Entsendegau Hamburg.
Abb. 20: Am Eingang zur Gaststätte Heinlein in Doos weist ein Schild darauf hin, dass sich hier eines der zahlreichen KLV-Lager vom Ende des Zweiten Weltkrieges befand: KLV Jungmädchenlager GASTHAUS DOOS Entsendegau Hamburg. (Quelle: HAUSCHILD 2004, S.96)
Abb. 21: „Die Nacht in der Höhle“, Skizze einer Hamburger Teilnehmerin an der Kinderlandverschickung nach Doos
Abb. 21: „Die Nacht in der Höhle“, Skizze einer Hamburger Teilnehmerin an der Kinderlandverschickung nach Doos (Quelle: HAUSCHILD 2004, S. 160)

Die meist aus Hamburg stammenden Jugendlichen waren in elf größeren Orten der inneren Fränkischen Schweiz untergebracht und lebten in rund 30 KLV-Lagern. So wurden z. B. gegen Kriegsende die Gößweinsteiner Hotels Faust, Distler, Stern, Waldesruh (Abb. 19) und das Franziskanerkloster zu KLV-Lagern umgewandelt. Auch in Doos befand sich eines der KLV-Lager (Abb. 20). Bei Luftalarm verließ man die Gebäude und suchte in einer nahegelegenen Höhle so gut wie möglich Schutz. Es war wohl für die Hamburger Schüler eher ein Abenteuerspektakel als eine angstbesetzte Bedrohung (Abb. 21).

Abb. 22: Der durch Zwangsarbeiter gebaute Tunnel in Creussen
Abb. 22: Der durch Zwangsarbeiter gebaute Tunnel in Creussen (Quelle: HAUSCHILD 2004, S. 160)

Nur in den Industriestädten Pegnitz und Creußen ist es zum Bau von unterirdischen Luftschutzstollen gekommen. Im Frühjahr 1944 legten Kriegsgefangene auf dem Firmengelände der Amag-Hilpert-Pegnitzhütte unter der Leitung einiger Bergleute der Eisensteinzeche einen Luftschutzstollen an, der aber höchstwahrscheinlich nicht benutzt werden musste. Für die Arbeitskräfte der Zeche und die umliegenden Werkssiedlungen war ein zweiter Stollen bestimmt. In Creußen führte ein über 100 m langer unterirdischer Stollen von einem Zwangsarbeiterlager zu dem Rüstungsbetrieb Carl Tabel, dessen 1.160 Zwangsarbeiter in mehreren Lagern über den Ort verteilt waren. Natürlich konnte er als Luftschutzkeller verwendet werden, angeblich wollte man aber auch die Zwangsarbeiter vor den Augen der Einheimischen verbergen.


Empfohlene Zitierweise

Albrecht Bald: “Die Fränkische Schweiz in der Zeit des Nationalsozialismus” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/81_b_122-die-fraenkische-schweiz-in-der-ns-zeit/, Stand 19.09.2019

Quellen und weiterführende Literatur

  • BALD, Albrecht u. Manfred FRANZE (2019): Die Fränkische Schweiz im Nationalsozialismus 1933–1945. – Bayreuth.
  • ENGELBRECHT, Peter (1997): Touristenidylle und KZ-Grauen. Vergangenheitsbewältigung in Pottenstein. – Bayreuth.
  • ENGELBRECHT, Peter (2015): Der Krieg ist aus. Frühjahr 1945 in Oberfranken. – Weißenstadt.
  • FRANZE, Manfred u. Christian RÖSCH (2011): Ebermannstadt. Erinnerung an eine vergangene Zeit. – Erlangen, Jena.
  • GÖRLICH, Christopher (2015): NSDAP-Mitglied Nr. 2. Hermann Esser und der Fremdenverkehr im Nationalsozialismus. – Norderstedt.
  • GREIF, Thomas (2000): Der SS-Standort Waischenfeld 1934–1945. Hilfswerklager und Ahnenerbe. – Erlangen (= Die Fränkische Schweiz. Heimatkundliche Beihefte 16).
  • HAMANN, Brigitte (2002): Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth. – München.
  • HAUSCHILD, FRITZ (2004): Das Ende der Kriegs-Kinderlandverschickung. Die Hamburger KLV-Lager im Jahr 1945. Briefe, Tagebücher, Berichte. – Norderstedt.
  • HOFMANN, Rainer (Hg., 2016): Fürchten, Bangen, Hoffen. Leben um 1945 auf dem Land am Beispiel der Fränkischen Schweiz. Begleitband zur Sonderausstellung im Fränkische-Schweiz-Museum Tüchersfeld vom 19.6.–8.1.2015. – Tüchersfeld.
  • KRIEST, Michael (2016): Die Reichsautobahn. Konzeption, räumliche Struktur und Denkmaleigenschaft eines historischen Verkehrsnetzes. – Petersberg.
  • NEUBAUER, Erwin (1998): Muggendorf, Fränkische Schweiz. In alten Fotoalben geblättert. - Horb am Neckar.
  • o. V. (1934): Reichsautobahn durchquert die Fränkische Schweiz. Das Land der tausend Wunder wird dem großen innerdeutschen Reiseverkehr angeschlossen, in: Bayreuther Tageblatt vom 4. Juli, S. 5.
  • POPP, Herbert: (2008): Nicht realisierte Pläne zum Autobahnbau. Die hektischen Planungen des NS-Regimes für den Raum Bayreuth 1934-1937 (1), in: Heimat-Kurier. Das historische Magazin des Nord-bayerischen Kuriers 41 (Nr. 3), S. 19–21.
  • SANDNER, Harald (2016): Hitler – Das Itinerar. Aufenthaltsorte und Reisen von 1889 bis 1945. Bd 2: 1928–1933. – Berlin.
  • URBAN, Josef (1986): Die geplante Reichsautobahnbrücke über das Kleinziegenfelder Tal. Zur Geschichte des Natur- und Landschaftsschutzes im Landkreis Lichtenfels, in: Vom Main zum Jura 3, S. 59–87.

Bildnachweise

  • Titelbild: Trauerzug in Ebermannstadt für den beim Radfahren tödlich verunglückten Anton Gebhard (FRANZE u. RÖSCH, 2011, S. 26)
  • Vorschaubild: Oskar Vierlings Forschungslabor als getarnte Burg Feuerstein. (Quelle: Archiv Herbert Popp)