Kunst im Wald
Von Olaf Zeuschner – 12/2020
Seit dem Beginn der Verrieselung am Ende des 19. Jahrhunderts ist die Landschaft um Hobrechtsfelde ein durch und durch künstlicher Raum. Daran hat auch die Umgestaltung in ein vielfältiges und strukturreiches Naherholungsgebiet nichts geändert. Die Revierförsterei Buch hat gezeigt, dass die künstlich geschaffene Landschaft auch ein Kunst-Raum sein kann.
Die ehemaligen Rieselfelder, die sich von Blankenfelde über die Karower Teiche, den Bucher Hochwald um Hobrechtsfelde bis an den Gorinsee ziehen, stellen einen vielfältig gegliederten und abwechslungsreichen Naherholungsraum für fast eine Million Bewohner und Besucher des nördlichen Berlin und der Umlandgemeinden Panketal, Schönow (Bernau), Schönwalde und Schönerlinde (Wandlitz) dar. In diesem Großraum übernimmt die Forstverwaltung das Natur- und Landschaftsmanagement. Täglich erlebt die Revierförsterei Buch zusammen mit der Waldschule Bucher Forst eine kaum zu deckende Nachfrage im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Die Berliner Forsten versuchen, diese Region mit verschiedenen Mitteln „ins rechte Licht“ zu rücken.
Dazu gehören die Sanierung der Flächen und damit die Inwertsetzung der ehemaligen Rieselfelder sowie landschaftsgestalterische Maßnahmen, wie kunstvolle Wege und Bänke an interessanten Orten, die Wiederbewässerung von alten Rieselbecken und die Beweidung der Flächen mit verschiedenen robusten Weidetierarten.
Diese Palette wurde um künstlerische Aktivitäten erweitert, um dem Waldbesucher in der Landschaft zusätzlich zu den natürlichen Besonderheiten einen weiteren Augenschmaus anzubieten. Diese künstliche Kulturlandschaft, die bepflanzten ehemaligen Abwasserreinigungsflächen Berlins, jetzt Hobrechtswald genannt, soll zu einer „Neonatur“ aus zweiter Hand umgestaltet werden. Die gegenwärtige Beweidung der Flächen stellt einen weiteren Schritt von einer technischen Reinigungsanlage hin zu einer „künstlichen“ Erholungslandschaft dar. Natur gestaltet Natur? Der Mensch gestaltet/lenkt Natur? Das Ziel der Revierförsterei Buch mit seinen engagierten und künstlerisch ambitionierten Mitarbeitern ist es, beide Teile, den alten Hochwald und den neuen Hobrechtswald, zu einem Natur- und Kulturraum der besonderen „Wald-Art“ zu formen. Er soll der Bevölkerung und auch den Fachleuten als ein sprichwörtlich erfassbarer und erlebbarer „Ausstellungs- und Lehrraum“ zur Verfügung stehen.
Die künstlerische Annäherung an die Landschaftsentwicklung dieser riesigen „Galerie“ hat Tradition. Ein internationales Bildhauersymposium namens „Steine ohne Grenzen“ widmete sich seit 2001 dem Thema „für Frieden und Menschlichkeit“. Die entstandenen Werke werden nach Fertigstellung an besonderen Orten in der Landschaft aufgestellt. Inzwischen sind so bereits eine Reihe von Skulpturenwegen entstanden, besonders um Berlin-Buch und Hobrechtsfelde, aber auch an weiteren Standorten.
Insgesamt können Besucher bisher rund 120 Skulpturen aus Stein und Holz entdecken, erstellt von 91 Künstlerinnen und Künstlern aus 25 Nationen. Einige der Kunstwerke sind bewusst temporär angelegt.
Begründer und Initiatoren des internationalen Bildhauersymposiums „Steine ohne Grenzen für Frieden und Menschlichkeit“ sind die Berliner Bildhauer Rudolf J. Kaltenbach und Silvia Christine Fohrer. Seit 2012 ist das Projekt offizielles Mitglied der europäischen Straße des Friedens, die dem von den Nationalsozialisten ermordeten deutsch-jüdischen Bildhauer und Maler Otto Freundlich gewidmet ist. Er hatte in den 1930er Jahren die Idee zu einer Völker verbindenden Straße der Skulpturen von Paris nach Moskau, die zur Brüderlichkeit und menschlichen Solidarität auffordern soll.
Die dabei entstandenen Skulpturen locken den unbedarften Besucher zwischen Buch und Hobrechtsfelde tief in das teilweise noch unwirtliche Gelände. Folgende Gedanken kommen dem einen oder anderen dabei vielleicht: Weshalb sieht es hier anders als in den übrigen Wäldern der Umgebung aus? Was war hier einmal? Welche helfende Hand war am Werk? Wohin wollen die Förster, Naturschützer und Künstler mit diesen Flächen? Welche Entwicklung schlägt die Natur selbst ein? Wie fügt sich Natürliches mit Künstlichem – nämlich den zahlreichen Kunstexponaten im Hobrechtswald, dem vermutlich größten Skulpturenpark Berlins – zu einem Gesamtbild zusammen?
Was ist Kunst im Wald?
Die Bank, die genau an der richtigen Stelle steht, auf der man sich nach einer anstrengenden Wanderung niederlassen möchte? Die Holzbrücke, die sich seit zehn Jahren dort über den Abwasserkanal der Rieselflächen spannt? Der Lehmberg, der bei den Sanierungen der Rieselfelder vergessen wurde und auf dem seltene Pflanzen wachsen? Das Feuchtgebiet, das sich aus einem Torfstich des letzten Jahrhunderts entwickelt hat? Die Grabenstruktur, die einen Wald kunstvoll durchädert oder auch gerade reihen mit Kopfweiden, die schon aus der Ferne wahrnehmbar sind?
Sind ein Wegzeichen, ein bearbeiteter Findling an der Wegekreuzung, welcher dem Unkundigen die Richtung weist, das Se(e)(h)zeichen aus Holz in der Monotonie des Pappelforstes, ein Markierungszeichen, ein Kunstwerk, etwas künstlich dem Wald Hinzugefügtes?