Themenbereiche Natur & Landschaft

Von der Altlast zum Erholungsgebiet

Von Christian Hoffmann – 12/2020

Als mit dem Ende der Abwasserverrieselung 1985 der Umbau der Rieselfeldlandschaft zu einem Erholungwald begann, standen die Verantwortlichen vor großen Problemen. Viele Jahrzehnte der Verrieselung hatten den Boden mit Schadstoffen angereichert. Vor allem während des Intensivfilterbetriebs der letzten 20 Jahre waren stark belastete Klärschlammschichten entstanden. Die hohen Schadstoffkonzentrationen gefährdeten das Grundwasser, den beabsichtigten Umbau der Landschaft und ihren Erholungwert. Die Sanierung vieler Flächen mit dem eigens entwickelten Bucher Verfahren hat die Situation seither deutlich verbessert. Dennoch beeinflusst die verrieselungsbedingte Schadstoffbelastung noch heute die Nutzung der Landschaft um Hobrechtsfelde.

Abb. 1: Aktive Rieselfeldbecken am nordöstlichen Standrohr von Hobrechtsfelde, 1984
Abb. 1: Aktive Rieselfeldbecken am nordöstlichen Standrohr von Hobrechtsfelde, 1984 (Foto: Eckhart Scheffler)

Fast 100 Jahre lang wurden Berlins Abwässer ungeklärt auf eine Fläche von zusammen etwa 12.000 Hektar am Rande der Stadt gepumpt. Große Rieselfelder befanden sich u.a. im Norden, zwischen Hobrechtsfelde und Berlin-Buch. Diese Flächen wurden 1985 aus der Rieselnutzung genommen und in einen Erholungswald umgewandelt.

20 Jahre zuvor waren diese Rieselbecken noch für den Intensivfilterbetrieb ausgebaut worden. Mit dem Abwasser gelangten auch organische Substanzen, Nährstoffe und Schadstoffe in die genutzten Böden. Vor der Aufforstung ebnete man die alten Rieselbeckenstrukturen mit schwerer Technik großflächig ein. Dabei wurden schadstoffbelastete Klärschlammschichten mit dem Mineralboden vermischt.

Abb. 2: Rieselfeldboden bei Hobrechtsfelde mit mächtigem Klärschlammband, 2003
Abb. 2: Rieselfeldboden bei Hobrechtsfelde mit mächtigem Klärschlammband, 2003 (Foto: Olaf Zeuschner)

Ende der 1990er Jahre kamen Chrom, Kupfer und Zink großflächig in Konzentrationen zwischen 1.000 und 4.000 Milligramm je Kilogramm trockenen Bodens vor. Das hoch giftige Cadmium erreichte auf Teilflächen bis zu 50 Milligramm. Blei wies Konzentrationen von bis zu 500 Milligramm je Kilogramm Mineralboden auf. In alten Klärschlammschichten lagen die Konzentrationen sogar noch um ein Vielfaches höher – vergleichbare Werte werden sonst z.B. auf intensiv genutzten Industriestandorten gemessen.

Auch organische Schadstoffe wurden in erheblichen Konzentrationen festgestellt. Die mittleren Konzentrationen für PCB (polychlorierte Biphenyle) und PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) betrugen 3,5 Milligramm (PCB) bzw. 4,0 Milligramm (PAK) pro Kilogramm Boden. Auch Mineralölkohlenwasserstoffe wiesen mittlere Konzentrationen von 220 Milligramm auf. Die in der Bundesbodenschutzverordnung (BBodschV) festgelegten Prüfwerte für Park- und Freizeitanlagen wurden damals für Cadmium, Chrom und PCB überschritten.

Sanierung mit dem „Bucher Verfahren“ = Sicherung von Grundwasser und menschlicher Gesundheit

Rieselfelder stellen großflächig kontaminierte Altlastenstandorte dar und gefährden die Schutzgüter Mensch und Grundwasser. Das Bodenschutzgesetz fordert von den Eigentümern solcher Flächen Sicherungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen. Der Handlungsbedarf ergab sich hier aus dem Umstand, dass sich die Schwermetalle überwiegend im Oberboden befinden und Maßnahmen deswegen einfacher und kostengünstiger durchzuführen sind. Die Verantwortlichen entwickelten die Idee, Mergel zu verwenden, der bei Großbaumaßnahmen im Norden Berlins anfällt. Damit sollten die folgenden Ziele erreicht werden:

  • Bildung von stabilen Bindungsformen der Schwermetalle im Boden sowie Reduzierung der Schwermetallverlagerung durch die Zuführung von Ton und Kalk.
  • Verringerung der Giftwirkung und Verminderung schädlicher Auswirkungen auf Pflanzen, deren Wurzeln und Mikroorganismen durch niedrigere Schadstoffkonzentrationen in der Bodenlösung.
  • Düngung vorhandener Baumbestände und langfristige Erhöhung der Nährstoffspeicherfähigkeit sowie der Nährstofffreisetzung.
  • Verbesserung der Wasserspeicherkapazität durch Erhöhung des Feinanteils im Boden.
  • Begründung gesunder Waldbestände auf Hochlastflächen zur Reduzierung der Grundwasserneubildung. In Verbindung mit der Pflanzenaufnahme von Schwermetallen verlangsamt sich deren Auswaschung.
  • Verdrängung der flächendeckend dominanten, wasserzehrenden Quecke. Dies schafft Raum für eine artenreichere Vegetation aus dem Bodensamenpotenzial.
  • Erhöhung des Tongehaltes im Boden zum Schutz vor Verlagerung durch Abspülung und Winderosion.
Abb. 3: Stark durchwurzeltes Klärschlammband mit Kunststoffabfällen bei Hobrechtsfelde, 2003
Abb. 3: Stark durchwurzeltes Klärschlammband mit Kunststoffabfällen bei Hobrechtsfelde, 2003 (Foto: Olaf Zeuschner)
Abb. 4: Einfräsen von unbelastetem Geschiebemergel von Berliner Großbaustellen, 2000
Abb. 4: Einfräsen von unbelastetem Geschiebemergel von Berliner Großbaustellen, 2000 (Foto: Olaf Zeuschner)

Ab 1998 arbeitete man unbelasteten Geschiebemergel in den belasteten Boden ein, später wurden auch andere Bodenmaterialien verwendet. Mehr als 120 Hektar ehemaliger Rieselfeldflächen um Hobrechtsfelde wurden so bearbeitet, um das Schadstoffbindungsvermögen zu verbessern. Dieses Verfahren ist als „Bucher Verfahren“ bekannt und ausführlich publiziert worden.

Die Vermischung mit dem Mergel führte innerhalb von wenigen Wochen zu neutralen pH-Werten. Die mobilen Cadmium- und Zinkgehalte reduzierten sich um 70 % bis 90 %. Blei war gar nicht mehr in der mobilen Fraktion messbar. Die Untersuchungen des obersten Grundwasserleiters deuteten schon nach zwei Jahren auf einen Konzentrationsrückgang hin. Diese positiven Wirkungen beschränken sich jedoch auf jene etwa 10 % der ehemaligen Rieselfeldflächen, die saniert wurden. Auf den unbearbeiteten Flächen ist die Situation auch heute noch nahezu unverändert. Hohe Schadstoffkonzentrationen führen weiterhin zur Auswaschung von Schwermetallen ins Grundwasser und zur Schadstoffaufnahme durch die Vegetation.

Abb. 5: Überlehmter Rieselfeldboden mit Pappelaufforstung, 2005
Abb. 5: Überlehmter Rieselfeldboden mit Pappelaufforstung, 2005 (Foto: Olaf Zeuschner)

An die Stelle der wasserzehrenden Queckenfluren trat eine stabile artenreiche Ackerbegleitflora. Das Bucher Verfahren ermöglichte die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern, die aufgrund der bisher knappen Wasserversorgung am Standort sonst chancenlos gewesen wären. Auf Teilflächen trotzen heute Winterlinde, Ahorn, Eberesche, Weißdorn und andere auch trockeneren Sommern.

Die neue Vegetationsvielfalt begünstigte darüber hinaus auch eine rasche Wiederbesiedelung der Flächen. Schon kurze Zeit nach der Einarbeitung des Mergels wanderte eine typische Bodenfauna aus umliegenden Flächen ein. Auch die Vogelwelt und Säugetiere haben die neugestalteten Flächen sehr gut angenommen.

Nach einigen Jahren zeigte sich jedoch, dass alte vorwüchsige Pflanzen, wie die Quecke und das Landreitgras, die umgestalteten Flächen schnell wieder annahmen, dabei aber schwächere Konkurrenten verdrängten. Neue, nicht heimische sowie ausbreitungsstarke Arten wie der Eschenahorn aus Nordamerika wachsen seither besonders gut auf den überlehmten Flächen, verdrängen aber auch offenere Lebensräume und andere Arten.

Erfolge in der Landschaftsentwicklung bei weiterhin vorhandenem Risikopotenzial

Die Aktivitäten der vergangenen Jahrzehnte haben zur Entwicklung einer arten- und abwechslungsreicheren halboffenen Landschaft beigetragen, die heute intensiv erholungstouristisch genutzt wird.

Abb. 6: Robuste Rinder auf überlehmten aufgeforsteten Rieselfeldern westlich von Hobrechtsfelde, 2013
Abb. 6: Robuste Rinder auf überlehmten aufgeforsteten Rieselfeldern westlich von Hobrechtsfelde, 2013 (Foto: Andreas Schulze)

Problematisch ist jedoch weiterhin der in sehr unterschiedlichen Konzentrationen vorhandene Schadstoffpool, besonders auf den nicht sanierten Flächen. Hier muss davon ausgegangen werden, dass auch 30 Jahre nach dem Ende der Verrieselung weiterhin hohe Schadstoffgehalte vorhanden sind. Dies belegen eigene Untersuchungen auf vergleichbaren Rieselfeldern im Süden Berlins im Jahr 2010. Die Schadstoffe werden sehr unterschiedlich von Pflanzen und Tieren aufgenommen und können so in die Nahrungskette gelangen. Die potenziellen Belastungspfade werden entsprechend weiter beobachtet. Vom regelmäßigen Sammeln von Pilzen und Kräutern im Bereich der ehemaligen Rieselfelder sollte weiterhin Abstand genommen werden. Bei den auf den Flächen gehaltenen Tieren sollte durch ein geeignetes Beweidungsmanagement sichergestellt werden, dass keine dauerhafte Nahrungsaufnahme auf nichtsanierten Flächen stattfindet. Sollte Fleisch dieser Tiere in Verkehr gebracht werden, muss die Unbedenklichkeit ermittelt und bescheinigt werden.


Empfohlene Zitierweise

Christian Hoffmann: “Von der Altlast zum Erholungsgebiet” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_147-von-der-altlast/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • HOFFMANN, Christian (2002): Schwermetallmobilität und Risikopotenziale der Rieselfeldböden Berlin-Buch (= Bodenökologie und Bodengenese 35). – Berlin.
  • Rieselfelder Hobrechtsfelde und „Bucher Verfahren“: http://www.berliner-rieselfelder.de/

Bildnachweise

  • Titelbild: Einfräsen von unbelastetem Geschiebemergel von Berliner Großbaustellen, 2000 (Foto: Olaf Zeuschner)
  • Vorschaubild: Rieselfeldboden bei Hobrechtsfelde mit mächtigem Klärschlammband, 2003 (Foto: Olaf Zeuschner)