Themenbereiche Natur & Landschaft

Wege zur halboffenen Waldlandschaft – Das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben 2011 bis 2015

Von Andreas Schulze – 12/2020

Die Umgestaltung der ehemaligen Rieselfelder zu einer halboffenen Waldlandschaft wurde durch ein von 2011 bis 2015 laufendes Großprojekt forciert. Das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben „Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde“ erkundete Chancen und Auswirkungen einer extensiven Waldweide sowie Möglichkeiten und Formen eines beschleunigten Waldumbaus, hin zu einem strukturreichen Eichenmischwald. Gleichzeitig ging es darum, das Gebiet als Ort der Erholung und Umweltbildung zu erschließen. Das heutige Gesicht der Rieselfeldlandschaft ist vielfach von diesem Projekt geprägt.

Projektziele

Hauptziel des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde“ war die Erprobung einer neuen Qualität der Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Forstwirtschaft und stadtnaher Erholung zur gegenseitigen Förderung. Das Projekt war länderübergreifend angelegt und umfasste im Hauptvorhaben drei zentrale Säulen:

  1. Erprobung der großflächigen extensiven Beweidung mit robusten Rindern und Pferden zur Förderung der Biodiversität sowie der Waldentwicklung in einem großstadtnahen Erholungswald

  2. Erhöhung der Grundwasserneubildung durch beschleunigten Waldumbau

  3. Besucherlenkung und Umweltbildung zur Sicherung und Verbesserung der touristischen Erlebbarkeit des Landschaftsraumes

Träger des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde“ war der Förderverein Naturpark Barnim e. V., der hier eng mit der Naturparkverwaltung und den Berliner Forsten zusammenarbeitete. Dazu kamen zahlreiche weitere Projektpartner aus der Region. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) förderte das Hauptvorhaben über die Projektlaufzeit von Mai 2011 bis August 2015 mit rund 1,7 Millionen Euro sowie die wissenschaftliche Begleitung der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde mit 840.000 Euro. Weitere Förderer des Hauptvorhabens waren die Stiftung NaturschutzFonds Brandenburg mit 300.000 Euro, das Land Berlin (einschließlich Eigenleistungen der Berliner Forsten) mit mehr als 700.000 Euro, der Landkreis Barnim mit 50.000 Euro und der Förderverein Naturpark Barnim e.V. mit 120.000 Euro.

Abb. 1: Halboffene, mit Konik-Pferden beweidete Waldlandschaft westlich von Hobrechtsfelde
Abb. 1: Halboffene, mit Konik-Pferden beweidete Waldlandschaft westlich von Hobrechtsfelde (Foto: Detlef Schwarz, Forstamt Pankow)

Durch eine großräumige extensive Beweidung wird hier ein in Deutschland sehr selten gewordener Landschaftstyp entwickelt, die halboffene Waldlandschaft. Grundsätzlich sollte das Projekt die Walderhaltung sichern. Gegenstand der Erprobung war insbesondere die Waldweide als Instrument zur Weiterentwicklung von forstlichen Sonderstandorten in eine halboffene Waldlandschaft. Im Fokus der Untersuchung standen sowohl naturschutzfachliche als auch forstliche Zielsetzungen. Dazu gehörte die Erhöhung der Artenvielfalt durch Schaffung von vielfältigen sowie seltenen Lebensräumen mit landschaftlicher Dynamik sowie ausgedehnten Übergangsstadien zwischen Gehölzen und Offenland. Weitere Schwerpunkte waren die Förderung von Zielbaumarten und das Zurückdrängen von sich stetig ausbreitenden sowie vorherrschenden Gehölzen und krautigen Pflanzen. Darauf aufbauend wurde untersucht, wie eine extensive Beweidung durch große Weidetiere zur Umwandlung verschiedener Aufforstungen in einen ökologisch wertvollen halboffenen Mischwald beitragen kann.

Die Beweidung von Waldflächen ist in der klassischen Waldbewirtschaftung nicht mehr vorgesehen und in der Regel nicht gewünscht. Insofern haben sich die Forstverwaltungen von Berlin und Brandenburg mit der Beweidung auf ein Experiment eingelassen – nämlich darauf, Waldflächen zu entwickeln, die nicht den Charakter eines klassischen Hochwaldes haben, sondern eine Mischung aus landwirtschaftlicher Fläche und Wald darstellen.
Dabei spielen die besonderen Standortbedingungen, die sich aus der ehemaligen Rieselfeldnutzung ergeben (Boden, Wasser, Schwermetalle), eine entscheidende Rolle. Eine große Bedeutung hat auch die Gefahrenabwehr für die Besucher und Weidetiere. Sie wird über geeignete Maßnahmen der Besucherlenkung und -information sowie der Futterpflanzenkontrolle erreicht.

Abb. 2: Besucher mit angeleintem Hund beim Durchqueren einer Waldweide östlich von Hobrechtsfelde im Sommer 2012
Abb. 2: Besucher mit angeleintem Hund beim Durchqueren einer Waldweide östlich von Hobrechtsfelde im Sommer 2012 (Foto: Andreas Schulze)

Eines der wesentlichen Erprobungsziele des Vorhabens war darüber hinaus die enge Verzahnung der extensiven Waldweide mit der Nutzung des Gebietes durch Erholungssuchende. Die großen Weidetiere stellen eine besondere Attraktion für Besucher dar und bieten die Chance, Ziele des Naturschutzes und der Forstwirtschaft den Bewohnern eines großstädtischen Ballungsraumes näher zu bringen. Besuchern wird dabei in großem Umfang direkter Zugang zu den Weideflächen gewährt.

Ergänzend zum Hauptvorhaben unterstützten gewässerrenaturierende Begleitprojekte den Landschaftswasserhaushalt im Einzugsgebiet des Lietzengrabens. Wissenschaftlich wurde das Hauptvorhaben durch die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde begleitet. Geprüft wurde dabei die nachhaltige Wirkung und Beispielhaftigkeit des Vorhabens sowie seine Übertragbarkeit auf vergleichbare Aufgabenstellungen.

1. Erprobung der extensiven Waldweide

Am 1. Juni 2011 startete mit der Ankunft von 20 englischen Parkrindern und zehn Konik-Pferden Deutschlands größtes Waldweideprojekt vor den Toren Berlins.

Abb. 3: Luftbildausschnitt des Projektgebietes mit den neun extensiven Waldweidekomplexen
Abb. 3: Luftbildausschnitt des Projektgebietes mit den neun extensiven Waldweidekomplexen (Quelle: Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg, LGB)

Das Projektgebiet liegt am nördlichen Stadtrand von Berlin. Es erstreckt sich über Berliner und Brandenburger Flächen - von den Karower Teichen im Süden, über den Bucher Forst, rund um das ehemalige Berliner Stadtgut Hobrechtsfelde bis hin zur Schönower Heide im Norden. Es ist Teil des 75.000 Hektar großen länderübergreifenden Naturparks Barnim.

Aus dem rund 2.000 Hektar großen Einzugsgebiet des Lietzengrabens wurde eine Beweidungskulisse von rund 830 Hektar ausgewählt. Sie umfasst in den Forstrevieren Gorin, Buch und Blankenfelde des Berliner Forstamtes Pankow neun Beweidungskomplexe. Charakteristisch ist das abwechslungsreiche Mosaik von Hochwald, halboffenen, aufgeforsteten ehemaligen Rieselfeldern, offenen Lichtungen und Hochstaudenfluren sowie Feuchtgebieten und Trockenstandorten.

Abb. 4: Einfangen und Umsetzen einer Konik-Herde durch die Agrar GmbH Gut Hobrechtsfelde im Sommer 2011
Abb. 4: Einfangen und Umsetzen einer Konik-Herde durch die Agrar GmbH Gut Hobrechtsfelde im Sommer 2011 (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 5: Zaunpfosten aus Robinie werden im Sommer 2011 per Ramme im Boden verankert
Abb. 5: Zaunpfosten aus Robinie werden im Sommer 2011 per Ramme im Boden verankert (Foto: Andreas Schulze)

Von Mitte Mai bis Mitte August 2011 errichteten die Agrar GmbH Gut Hobrechtsfelde und eine Zaunbaufirma rund 55 Kilometer überwiegend zweisträngigen Weidezaun, der das Areal in neun Beweidungskomplexe zwischen 35 und 150 Hektar Größe aufteilt. Eingebaut wurden rund 50 selbstschließende Personentore, durch welche Besucher die Weideflächen betreten können.

Eigentümer der Weidetiere ist die Agrar GmbH Gut Hobrechtsfelde. Sie sorgt für die Sicherheit und überwacht Wasserversorgung, Ernährungs- und Gesundheitszustand der Tiere.

Da besonders die Pferde im Winterhalbjahr durch das Schälen von Baumrinde einen erheblichen Einfluss auch auf gewünschte Gehölze der halboffenen Waldlandschaft haben können, wurden für sie zusätzliche Ausweichflächen eingerichtet. Im Herbst 2012 entstand eine 9,5 Hektar große Fläche bei Schönerlinde und im Frühjahr 2014 eine acht Hektar große Fläche am Oberlauf des Lietzengrabens. Zwischen November und April werden diese als Winterflächen für die Pferde genutzt.

Abb. 6: Frostsichere Tränke östlich von Hobrechtsfelde
Abb. 6: Frostsichere Tränke östlich von Hobrechtsfelde (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 7: Mit etwa 30 Rindern besetzte Separationsfläche Lietzengraben Süd, während der Bewegungsjagd im Januar 2014
Abb. 7: Mit etwa 30 Rindern besetzte Separationsfläche Lietzengraben Süd, während der Bewegungsjagd im Januar 2014 (Foto: Andreas Schulze)

Weiterhin wurde die Waldweide Schönower Heide mit einem Zwischenzaun und die Fläche Riesel Hobrechtsfelde West mit zwei Zwischenzäunen ergänzt. Dadurch war es möglich, mit relativ geringem Aufwand eine Beweidungssteuerung zu erproben. Die Tiere konnten zeitweise auf bestimmte Flächen konzentriert werden, andere Teilflächen wurden ihnen vorenthalten. So wurden im Rahmen des Projekts zwei unterschiedliche Staffelweideflächen eingerichtet und erprobt.

Zur sicheren Unterbringung der Weidetiere während forstlicher Maßnahmen, tierärztlicher Untersuchungen oder bei Bewegungsjagden mit Jagdhunden wurden Separationsflächen eingerichtet, die bei solchen Gelegenheiten die Weidetiere von Menschen und Jagdhunden fernhalten sollen. Dazu sind Teilflächen der großen Beweidungskomplexe zwischen zwei und elf Hektar Größe abgetrennt worden.

Aufgrund der nicht ausreichenden natürlichen Wasserversorgung über stehende oder fließende Gewässer östlich von Hobrechtsfelde wurden zwei große Ballentränken mit frostsicherer Trinkwasserzufuhr für Rinder eingerichtet. Eine neu angeschaffte mobile Fangeinrichtung kommt bei der tierärztlichen Untersuchungen und beim Umsetzen von Weidetieren zum Einsatz.

Weidetierbesatz

Die auf den begehbaren Weideflächen eingesetzten robusten Rinder und Pferde verschiedener Rassen sind meist ältere, erfahrene und auf die Begegnung mit Menschen gelassen reagierende ganzjährige Flächenbewohner. Ihr Nachwuchs wird auf den Flächen geboren und lernt von den Elterntieren.

Bei der ganzjährigen Haltung der Weidetiere besteht ein sensibles Gleichgewicht zwischen den natürlichen Gegebenheiten und den Ansprüchen der Tiere. Stress und erzwungene Bewegung bringen ihren Energiehaushalt durcheinander und sind besonders im Winter lebensbedrohend. Zugefüttert wird durch die Agar GmbH je nach Witterung und natürlicher Nahrungsverfügbarkeit in der Regel von Dezember bis März.

Die meisten Tiere verbringen, tierärztlich überwacht, ihren gesamten Lebenszyklus auf den Waldweiden – von der Geburt über die Nachzucht bis zum Tod. Ausgewählte, vor allem männliche Jungtiere werden von den Flächen entnommen, um die Herdenstruktur und die Besuchersicherheit nicht zu gefährden. Sie werden verkauft und vereinzelt auch geschlachtet.

Folgende Weidetierrassen kommen zum Einsatz:

Abb. 8: Robuste Rindermischung aus Schottischen Hochlandrindern und Uckermärkern westlich von Berlin-Buch
Abb. 8: Robuste Rindermischung aus Schottischen Hochlandrindern und Uckermärkern westlich von Berlin-Buch (Foto: Frank Liebke)
  • Schottische Hochlandrinder stammen aus dem Nordwesten Schottlands und von den Hebriden. Die kleinwüchsigen und relativ leichten Hochlandrinder gelten als gutmütig, robust und langlebig. Sie kalben leicht und ohne menschliche Hilfe. Das langhaarige Fell ist meist rot-braun.

  • Uckermärker Rinder sind nach der Landschaft in Brandenburg benannt. Sie sind gutartige und durch Züchtung oftmals hornlose Fleischrinder.

Auf den hiesigen Beweidungsflächen kommen vorwiegend robuste Mischungen mit den Schottischen Hochlandrindern zum Einsatz. Diese Kreuzungen kalben leichter und sind gut an die hiesigen Witterungsbedingungen angepasst.

Abb. 9: Englische Parkrinder an den Karower Teichen
Abb. 9: Englische Parkrinder an den Karower Teichen (Foto: Frank Liebke)
  • Die gelblich-weißen Englischen Parkrinder sind eine sehr alte und ursprüngliche Rinderrasse. Sie werden seit dem 13. Jahrhundert halbwild in einigen großen Parks in England gehalten. Bis auf die Augen, die Ohren sowie das Maul, die schwarz sind, sind Englische Parkrinder pigmentarm. Diese besondere Rinderrasse wird ausschließlich an den Karower Teichen im Süden des Projektgebietes eingesetzt.
Abb. 10: Konik-Herde, westlich von Hobrechtsfelde im Herbst 2012
Abb. 10: Konik-Herde, westlich von Hobrechtsfelde im Herbst 2012 (Foto: Frank Liebke)
  • Konik-Pferde sind eine dem ursprünglichen Wildpferd ähnliche Ponyrasse aus dem osteuropäischen Paum. Ihr Name leitet sich aus dem Polnischen für ‚Pferdchen‘ oder ‚kleines Pferd‘ ab. Sie sind sehr robust und werden heute sowohl in der Landwirtschaft als auch bei der Landschaftsgestaltung genutzt. Koniks sind schwarzfalbene Ponys mit dunklem Aalstrich und dunklen Beinen. Sie gelten als ruhig und genügsam. Die Rasse zeichnet sich durch Langlebigkeit und ein geringes Sprungvermögen aus.
  • Vereinzelt kommen auch die etwas größeren, aber ebenso robusten Norwegischen Fjordpferde zum Einsatz.
Abb. 11: Sie dürfen die Waldweiden betreten. Bitte verhalten Sie sich zu ihrer eigenen Sicherheit angemessen.
Abb. 11: Sie dürfen die Waldweiden betreten. Bitte verhalten Sie sich zu ihrer eigenen Sicherheit angemessen. (Infotafel)

Besucher dürfen die Waldweiden über ausgewiesene Personentore betreten. Dabei wird zur eigenen Sicherheit empfohlen, die nebenstehenden Verhaltenshinweise zu beachten.

Was wurde erreicht

Vier Jahre lang wurden Möglichkeiten und Grenzen der Beweidung sowie deren Steuerung erprobt. Dabei war festzustellen, dass die eingesetzten robusten Rinder und Pferde nach und nach neue Strukturen und damit neue Lebensräume mit unterschiedlicher Vielfalt schaffen. Die Weidetiere haben sich an ihre neue weitläufige Umwelt und die Besucher gewöhnt. Es herrscht überwiegend ein entspanntes Verhältnis zwischen Mensch und Tier.

Die Waldentwicklung steht trotz vereinzelten Verbisses und Schälens vor allem junger Zielbäume außer Frage. Die Voraussetzungen für einen struktur- und artenreicheren Erholungswald haben sich verbessert. Besonders aufgrund des Rückgangs großflächiger, artenarmer Grasfluren gibt es nun günstigere Voraussetzungen für eine natürliche Entwicklung von Gehölzen und krautigen Pflanzen. Konkurrenzstarke Arten wie der Eschenahorn sollten dabei auf ausgewählten Flächen durch menschliches Eingreifen in ihrer raschen Ausbreitung beschränkt werden.

2. Erhöhung der Grundwasserneubildung durch beschleunigten Waldumbau – Der Wasserwald

Abb. 12: Erprobungsgebiet „Wasserwald“ zur Erhöhung der Grundwasserneubildung durch Waldumbau
Abb. 12: Erprobungsgebiet „Wasserwald“ zur Erhöhung der Grundwasserneubildung durch Waldumbau (Luftbild: Archiv Forstamt Pankow)

Ein weiterer wichtiger und umfangreicher Bestandteil des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde“ ist der sogenannte „Wasserwald“, ein ca. 300 Hektar großer und von dichteren, mittelalten Kiefernbeständen geprägter Teil der Schönower Heide östlich des Gorinsees. Ein beschleunigter Umbau dieser Kiefernforsten in einen lichten Eichenmischwald soll die Grundwasserneubildung, die Waldstruktur und -stabilität sowie den Erholungswert verbessern. Anders als bei den üblichen, kleinflächigen Waldumbaumaßnahmen über einen Zeitraum von ca. 100 Jahren, versucht man hier die bestehenden Kiefernbestände in einem Zeitraum von 5–10 Jahren mit den Zielbaumarten zu ergänzen, mit geeigneten Maßnahmen und unter Förderung natürlicher Prozesse.

Maschinelle Durchforstung und Traubenkirschenrodung

Zu diesen Maßnahmen gehört die Auflichtung des Waldbestandes durch Durchforstung und auch durch die Rodung der Traubenkirsche, einer aus Nordost- und Mittelamerika stammenden nichtheimischen Pflanze (Neophyt), die seit 1685 in Deutschland vorkommt und bis in die 1980er Jahre auch im Projektgebiet aufgeforstet wurde, mit ihrer Ausbreitungsstärke jedoch die Naturverjüngung heimischer Pflanzen behindert.

Unterstützt durch das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben wurden von 2011 bis 2015 im „Wasserwald“ und nördlich angrenzenden Beständen etwa 420 Hektar mittels Vollerntemaschine (Harvester) durchforstet. Dabei verringerte man vorwiegend reine, mittelalte Kiefernbestände von 30 bis 70 Jahren in ihrem Baumbestand um durchschnittlich 30 %. Ältere Bestände über 110 Jahre wurden um ca. 50 % reduziert.

Abb. 13: Strauchförmig wachsende Spätblühende Traubenkirsche in der Schönower Heide
Abb. 13: Strauchförmig wachsende Spätblühende Traubenkirsche in der Schönower Heide (Foto: Andreas Schulze)

Die Spätblühende Traubenkirsche bildet besonders im „Wasserwald“ und angrenzenden Flächen des Naturschutzgebietes Schönower Heide eine zum Teil sehr dichte und problematische Strauchschicht. Sie verhindert auf großen Flächen das natürliche Aufkeimen von Eichen, Birken, Ahornen und Kiefern. Gerade unter lichteren Kiefern lässt die dichte Strauchschicht anderen Pflanzen und Gehölzen kaum Licht zum Wachsen. Sie behindert besonders die sehr lichtbedürftigen Eichen. Seit den 1990er Jahren bekämpfen die Berliner Forsten die Spätblühende Traubenkirsche als schädliche und sich schnell ausbreitende nichtheimische Pflanze. Die Bekämpfung ist aufwendig und kostenintensiv. Bei der Rodung übersehene Wurzelteile bilden eine sehr vitale Wurzelbrut, die schneller wächst und dichtere Bestände bildet als zuvor.
Aus diesem Grund wurden im Rahmen des Projekts verschiedene Verfahren zur Bekämpfung der Spätblühenden Traubenkirsche erprobt und weiterentwickelt. Bewährt hat sich eine möglichst frühe und kombinierte Bekämpfung aus maschineller und manueller Rodung. Hierbei sollte möglichst die gesamte Pflanze samt Hauptwurzel vollständig herausgerissen werden.

Im Vorfeld der Rodungsarbeiten wurden neben den zu erntenden Bäumen auch die Traubenkirschen mit Signierfarbe markiert. Dies ermöglicht eine zügige und zielgerichtete maschinelle Abarbeitung im blattlosen Zustand, ist jedoch aufwendig. Da vereinzelte Traubenkirschen bereits vor der Durchforstung im Herbst und Winter zahlreiche Früchte tragen, müssen diese noch vor dem Reifen in Brusthöhe abgeschnitten werden. Zu tief abgesetzte Exemplare treiben sehr schnell und mehrstämmig wieder aus.

Abb. 14: Maschinelle Durchforstung mit Traubenkirschenrodung im Juni 2011
Abb. 14: Maschinelle Durchforstung mit Traubenkirschenrodung im Juni 2011 (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 15: Bestand nach der maschinellen Durchforstung und Traubenkirschenrodung im November 2011
Abb. 15: Bestand nach der maschinellen Durchforstung und Traubenkirschenrodung im November 2011 (Foto: Andreas Schulze)

Bei der maschinellen Rodung dürfen die Traubenkirschen nicht zu klein und zu dünn sein, da die Maschine sie sonst nicht greifen kann oder die Wurzeln abreißen. Dies sollte unbedingt verhindert werden, ebenso das Zusammentragen von gerodeten Traubenkirschen auf Haufen.

Zum Teil traten sehr starke Unterschiede in der Dichte der Traubenkirschenbestände auf. Im Winter 2011 / 2012 wurden zwischen 500 und 3.000 Traubenkirschen je Hektar gerodet. Auf zehn Hektar feuchter Standorte am Gorinseeufer erfolgte die Traubenkirschenrodung mit zwei kräftigen Rückepferden, erfahrenen Kaltblütern. Bis 2014 lagen die Kosten der maschinellen Rodung von Traubenkirschen bei durchschnittlich 300 Euro je Hektar und wurden vom Holzerlös abgezogen.

Das kombinierte oder nacheinander ausgeführte Verfahren der maschinellen Durchforstung samt Traubenkirschenrodung hat sich bewährt. Seit dem Winterhalbjahr 2013 / 2014 lassen die Berliner Forsten ohne Unterstützung durch das Projekt weitere Flächen abarbeiten.

Händische Rodung der Spätblühenden Traubenkirschen

Aufgrund der technischen Grenzen bei der maschinellen Rodung verbleiben 10 bis 30 % kleine und mittlere Traubenkirschen in den durchforsteten Waldbeständen. Weiterhin wurden einzelne Pflanzen sowohl beim Auszeichnen, als auch beim Roden übersehen. Ein nicht unerheblicher Teil an Neukeimungen wuchs bei feuchter Witterung durch am Boden liegende Samen zügig heran. Diese Traubenkirschen müssen möglichst zeitnah im Sommer und Herbst des Folgejahres händisch nachgerodet werden.

Abb. 16: Per Hand gerodete Spätblühende Traubenkirschen, im NSG Schönower Heide im Sommer 2014
Abb. 16: Per Hand gerodete Spätblühende Traubenkirschen, im NSG Schönower Heide im Sommer 2014 (Foto: Andreas Schulze)

Um der natürlichen und künstlichen Etablierung der gewünschten Baumarten ein möglichst langes und ungestörtes Jugendwachstum zu gewährleisten, wurden die meisten verbliebenen Traubenkirschen händisch nachgerodet. Dabei kamen zur Unterstützung Grabegabel, Spaten und Wiedehopfhaue zum Einsatz. Besonders in den dichteren Partien ist es im Sommer eine schweißtreibende und körperlich anstrengende Arbeit, was sich insbesondere bei aufwendigen und schwierigen händischen Rodungsarbeiten am Gorinsee und in der Schönower Heide 2012 bis 2014 zeigte. Unter diesen Umständen stoßen die beschriebenen Verfahren mit den erforderlichen Nacharbeiten an ihre Grenzen, sowohl was den zeitlichen Aufwand als auch was die Wirtschaftlichkeit betrifft. Aus dieser Erfahrung heraus sollte eine Bekämpfung der Spätblühenden Traubenkirsche so früh wie möglich erfolgen.

Im Ergebnis bekam aber besonders die Zielbaumart Eiche mehr Licht für ihr langsames, natürliches Jugendwachstum. Durch die Auflichtung der dichten Kiefernbestände wurden auch die Verdunstungsverluste der sonst zum Großteil in den Kronen hängen gebliebenen Niederschläge reduziert. Dadurch erreicht ein höherer Anteil der mit 550 mm ohnehin geringen Jahresniederschläge, den Waldboden. Ein Teil davon trägt bei geringem bis mäßigem Grasbewuchs zur Grundwasserneubildung bei. Durch die beschleunigten Waldumbaumaßnahmen kann so nachhaltig Zusatzwasser für das Einzugsgebiet des Lietzengrabens und damit für das größtenteils relativ trockene Projektgebiet zur Verfügung gestellt werden.

Nachteilig ist der wirtschaftliche Verlust durch die vorzeitige Nutzung der noch nicht hiebreifen Kiefern. Diesen Verlust nehmen die Berliner Forsten in Kauf, um mittel- bis langfristig stabile, struktur- und artenreichere Waldbestände aufzubauen. Dabei wird auch auf die Entwicklung eines ansprechenderen Erscheinungsbildes der Wälder und damit auf ihren Erholungswert geachtet.

Unterstützte Hähersaat

Abb. 17: Eichelhäher bei der Aufnahme von Eicheln aus einem Häherkasten
Abb. 17: Eichelhäher bei der Aufnahme von Eicheln aus einem Häherkasten (Foto: HNE Eberswalde)

Ein willkommener heimischer Helfer bei Umbau in einen Eichenmischwald ist der Eichelhäher (Garrulus glandarius). Er sammelt im Herbst viele Eicheln und steckt sie gut geschützt in den Waldboden. Im Frühjahr füttert er mit den frischen Austrieben seine Jungen, findet viele versteckte Früchte jedoch nicht wieder, sodass hier junge Eichen aufwachsen. So sorgt der Eichelhäher nach und nach für eine natürliche Verbreitung der Baumart, deren Namen er trägt.

Da es jedoch im „Wasserwald“ und den angrenzenden Forsten nur wenige ältere und regelmäßig Früchte tragende Eichen gibt, konnte dieses natürliche Verhalten der heimischen Eichelhäher zur Förderung der Naturverjüngung von Eichen bisher nicht genutzt werden. Zur Unterstützung der kostengünstigen und natürlichen Verbreitung der Zielbaumart Eiche durch heimische Eichelhäher wurde im Rahmen des Vorhabens ein großflächiger Versuch zur unterstützen Hähersaat durchgeführt.

Die Berliner Forsten stellten im Zentrum des „Wasserwaldes“ auf einer Fläche von etwa 120 Hektar im Abstand von 100 x 100 Metern 160 Häherkästen auf. Diese wurden jährlich von Ende September bis Anfang Dezember versuchsweise in verschiedenen Abständen mit unterschiedlichen Mengen von Eicheln befüllt. Seit 2011 wurden dazu in anerkannten Saatguterntebeständen des nordostdeutschen Tieflandes und der Oberlausitz durch Fachfirmen Eicheln gesammelt und ins Projektgebiet geliefert.

Entscheidend für die Verbringung durch den Häher ist die Eichelqualität und nicht die Menge. Ebenso scheint es bevorzugte Häherkästen zu geben. Beispielsweise werden die Kästen in jüngeren Kiefernbeständen mit wenig Bodenbedeckung, in Nestnähe und an Wegrändern besser angenommen.
Wichtigstes Ziel ist die Beschaffung qualitativ hochwertigen Saatgutes. Für das Sammeln ist der nach Jahreszeit und Witterung optimale Zeitpunkt zu nutzen. Die geeignete Lagerung ist problematisch und sollte nie in geschlossenen Behältern und so kurz wie möglich sein. Die Kosten richten sich nach dem jährlichen natürlichen eichelangebot in den Sammelbeständen sowie dem Lagerungs- und Verteilungsaufwand. Sie lagen zwischen 5,60 und 8,60 Euro je Kilogramm Eicheln.
Mehr als zwei bis drei Kilogramm Saatgut je Häherkasten und Lieferung sind aufgrund der Erfahrungen mit Stockung, Pilzbefall und schlechtem Wasserabfluss nicht zu empfehlen. Ebenso haben sich drei Ausbringungen zwischen Ende September/Anfang Oktober bis Anfang Dezember als zielführend erwiesen.

Ergänzende Pflanzungen

„Dorneninseln“

im Nordwesten des „Wasserwaldes“ wurden während der Durchforstung mehrere besonders lichte Bereiche geschaffen. Im Zentrum dieser kleinen bis mittelgroßen offeneren Flächen wurden im Dezember 2011 einjährige natürlich gewachsene Eichen aus anderen Wäldern gepflanzt. Um diese 18 „Dorneninseln“ bei einem zukünftigen Beweidungsversuch vor Rinder- und Pferdeverbiss zu schützen, legte man drei bis sechs Meter breite Ringe aus Weißdorn und Hundsrosen um sie herum an. Eine Einzäunung hält jeweils in der empfindlichen Aufwuchsphase der jungen Pflanzen das Rehwild von ihnen fern.
Im Herbst 2014 wurden die jeweiligen Schutzringe aus Dornensträuchern mit einer Nachpflanzung von 2.500 Weißdornen und 1.500 Hundsrosen ergänzt. Die im Zentrum der Dorneninseln gepflanzten Eichen-Wildlinge haben sich zusammen mit Eichen aus Naturverjüngung gut entwickelt.

Vergleichsflächen und Laubholzpflanzungen:

Im Winter 2011 wurden im Zentrum des „Wasserwaldes“ vier Vergleichsflächen von jeweils 14 Hektar Fläche eingezäunt. Auf diesen Weiserflächen untersuchte die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde wissenschaftlich den Erfolg der Hähersaat ohne Wildeinfluss. Im Frühjahr 2012 wurden ergänzend zu der großflächigen und ungeschützten Hähersaat sechs Teilflächen von zusammen 5 Hektar Fläche eingezäunt und mit Laubhölzern bepflanzt. Geschützt durch Zäune haben sich die Laubhölzer seither gut entwickelt.

Bejagung

Damit die größtenteils ungeschützten jungen Eichen, Buchen, Kiefern und Ebereschen aus Naturverjüngung unterstützt durch Hähersaat auch in ausreichender Zahl aufwachsen können, werden die Flächen bejagt. Dazu finden neben der Einzeljagd jährlich zwei bis drei gezielte Bewegungsjagden mit mehreren Jägern und Jagdhunden statt.

Ergebnisse

Abb. 18: Eichennaturverjüngung im Zentrum des „Wasserwaldes“, 2014
Abb. 18: Eichennaturverjüngung im Zentrum des „Wasserwaldes“, 2014 (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 19: Strukturreicher Kiefern-Eichen-Bestand in der Schönower Heide, 2014
Abb. 19: Strukturreicher Kiefern-Eichen-Bestand in der Schönower Heide, 2014 (Foto: Andreas Schulze)

Die ersten Ergebnisse des beschleunigten Waldumbaus stimmen zuversichtlich. Wenn das hohe Engagement von Förstern, Waldarbeitern und Naturschützern in Zukunft fortgeführt wird, können hier in einem überschaubaren Zeitraum die wichtigsten Voraussetzungen für einen stabilen, struktur- und artenreichen Erholungswald etabliert werden.

3. Besucherlenkung und Umweltbildung

Abb. 20: Beschilderung der neuen Rieselfeldlandschaft mit Wegweisern,
Abb. 20: Beschilderung der neuen Rieselfeldlandschaft mit Wegweisern, (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 21: Infotafel mit Gebietskarte am Druckrohrweg östlich von Hobrechtsfelde
Abb. 21: Infotafel mit Gebietskarte am Druckrohrweg östlich von Hobrechtsfelde (Foto: Andreas Schulze)

Seit dem Frühjahr 2012 wurden zur Verbesserung der Besucherlenkung und Erholungsnutzung zahlreiche Einzelvorhaben umgesetzt und unterhalten. Dazu zählt die Beschilderung des Wegenetzes im Projektgebiet. Ausgehend von den S- und Regionalbahnstationen werden Besucher zu interessanten Orten der halboffenen Waldlandschaft sowie zum Gut Hobrechtsfelde und zurück geführt. Dazu wurden an über 50 Standorten rund 110 Wegweiser installiert und auch die Radwegebeschilderung ist ergänzt worden

Etwa 35 Informationstafeln vermitteln den Besuchern verschiedene Inhalte zur Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde. Die Ausschilderung setzt an den Bahnhöfen mit einer überregionalen Karte des Naturparks Barnim ein. An wichtigen Punkten des Projektgebietes stehen Infotafeln mit einer Gebietskarte. Diese zeigen ausgesuchte Wegeverbindungen inner- und außerhalb der Waldweideflächen und informieren kurz über Projektinhalte. An ausgewählten Standorten informieren zudem Tafeln über Themen wie Beweidung, Weidetiere, Rieselfeldgeschichte, Erholungswald und Kunst.

Abb. 22: Eine robuste Bank für die Besucher der neuen Rieselfeldlandschaft
Abb. 22: Eine robuste Bank für die Besucher der neuen Rieselfeldlandschaft (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 23: Neue Reitwege wurden im Sommer 2011 um Hobrechtsfelde angelegt
Abb. 23: Neue Reitwege wurden im Sommer 2011 um Hobrechtsfelde angelegt (Foto: Andreas Schulze)
Abb. 24: Instandsetzung der Wege zum Gut Hobrechtsfelde im Dezember 2014
Abb. 24: Instandsetzung der Wege zum Gut Hobrechtsfelde im Dezember 2014 (Foto: Olaf Zeuschner)

Weiterhin wurden neue Aufenthaltsorte für Besucher angelegt. Dazu zählen neben 16 robusten Bänken auch fünf überdachte Rastplätze. An den Großen Reinigungsteichen westlich von Hobrechtsfelde ist zur besseren Beobachtung von Weidetieren und Wasservögeln eine vier Meter hohe Aussichtsplattform errichtet worden.

Bei den Zaunbauarbeiten wurden um Hobrechtsfelde mehrere bestehende Reitwege abgeschnitten. Daraufhin sind durch Mitarbeiter des Forstreviers Buch neue Reittrassen außerhalb der Waldweiden und Wanderwege angelegt worden. Anschließend wurden diese mehrfach gefräst, um ein gefahrloses Reiten zu gewährleisten. Über das Projekt sind so rund acht Kilometer neue Reitwege um Hobrechtsfelde hergerichtet worden

Im Rahmen des zweiten Berliner Umweltentlastungsprogramms (UEP II) wurden von Mitte 2012 bis Ende 2014 rund 15 Kilometer Wander- und Radwege des Projektgebiets besuchergerecht hergerichtet. Über das E & E-Vorhaben konnten ergänzend dazu der östliche und westliche Wegeanschluss zum Gut Hobrechtsfelde instand gesetzt werden.

Ziel ist auch zukünftig die gemeinsame Weiterentwicklung eines länderübergreifenden, struktur- und artenreichen Erholungswaldes, der sowohl für Erholungssuchende als auch für verschiedene Vertreter der Tier- und Pflanzenwelt attraktiv ist.


Empfohlene Zitierweise

Andreas Schulze: “Wege zur halboffenen Waldlandschaft – Das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben 2011 bis 2015” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_145-e-u-e-vorhaben/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

Bildnachweise

  • Titelbild: Extensive Waldweide mit robusten Rindern westlich von Berlin-Buch im Frühjahr 2012 (Foto: Frank Liebke)
  • Vorschaubild: Konik-Herde, westlich von Hobrechtsfelde im Herbst 2012 (Foto: Frank Liebke)