Akzeptanz, Wertschöpfung und Besuchermanagement im Naturpark Barnim – eine Momentaufnahme
Von Peter Gärtner – 12/2020
Wie schauen Bewohner und Kommunalpolitik auf den Naturpark? Welchen Beitrag kann er sowohl für regionale Arbeitsplätze und Einkommen als auch für die Lenkung der Besucher leisten? – Fragen deren Beantwortung die regionale Verankerung des Naturparks mitbestimmen.
1. Demographische Situation
Die Naturparkregion mit den drei Siedlungsachsen entlang der S-Bahnstrecken nach Bernau und Oranienburg sowie der Niederbarnimer Eisenbahngesellschaft (NEB) gehören zur wachstumsstarken Regionen im Norden Berlins (Gärtner 2016). Dieser Wachstumstrend am nördlichen Stadtrand ist seit dem Mauerfall ungebrochen und hat in einzelnen Kommunen zu mehr als einer Verdopplung der Wohnbevölkerung geführt (z. B. Mühlenbecker Land +130 % seit 1989). Darüber hinaus haben Reinickendorf und vor allem Pankow, als am stärksten wachsender Berliner Bezirk, zunehmenden Bedarf an Naherholungsangeboten in der Naturparkregion. Seit seiner Bekanntmachung 1998 verzeichnet der Naturpark daher wachsende Besucherzahlen sowohl aus Berlin als auch durch die wachsende Wohnbevölkerung der Naturparkregion.
2. Ergebnisse des Soziökonomischen Monitorings der SoMoNa-Studie (2013)
Wie steht die durch den Zuzug zunehmend städtisch geprägte heimische Bevölkerung und die lokale Politik in den metropolennahen Kommunen zu den Aktivitäten des Naturparks und welche Erwartungen sind an ihn zukünftig gerichtet?
Mit diesen und weiteren Fragen hat sich die SoMoNa-Studie der Universität Greifswald beschäftigt. Erfahrungen aus der quantitativen Bevölkerungsbefragung im Rahmen des Projektes “Gesellschaftliche Prozesse in vier deutschen UNESCO-Biosphärenreservaten” wurden hier erstmalig an die Schutzgebietskategorie „Naturpark“ angepasst und angewandt.
Das für deutsche Naturparke beispielhafte sozioökonomische Monitoringprogramm umfasste die Instrumente:
• Quantitative Bevölkerungsbefragung
• Workshop zur Managementeffektivität des Naturparks
• Befragung der Kommunalvertreter
• Analyse der „Stakeholder“
• Erhebung soziodemographischer und sozioökonomischer Daten
Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild für den Naturpark Barnim: Die Wertschätzung der natürlichen Umgebung ist unter den hier lebenden Menschen sehr hoch und stellt dementsprechend einen wichtigen Beitrag für ihre Verbundenheit mit ihrer Region dar. Geschätzt wird, dass der Zustand von Natur und Landschaft durch den Naturpark bewahrt wird. Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass mehr als jeder Zweite sogar noch weiteren Bedarf an Maßnahmen für Natur und Landschaft in der Region sieht.
Der Naturpark Barnim ist unter seinen Bewohnerinnen und Bewohnern gut bekannt und wird insgesamt überwiegend positiv wahrgenommen. Deutlich wird dies unter anderem daran, dass mehr als 80 % der Menschen ohne Einschränkung seinem Fortbestand zustimmen würden und neun von zehn keine Einschränkungen in ihrem Alltag sehen. Ähnlich hoch ist die Zustimmungsrate bei den Vertretern der Kommunalpolitik (92 %), die im stadtnahen Raum den Naturpark auch als Mittel gegen weitere Zersiedlung und Flächenverbrauch sehen.
Das Aufgabenspektrum des Naturparks wird in der Bevölkerung noch nicht umfassend wahrgenommen. Hier liegt der Schwerpunkt bisher deutlich auf Naturschutzmaßnahmen. Das Engagement des Naturparks für die Förderung nachhaltiger Regionalentwicklung sowie für die Umweltbildung, sollte daher deutlicher kommuniziert werden.
Der Naturpark wird in seiner Wirkung in der Fläche vor allem über seine Projekte und Aktivitäten wahrgenommen. Dabei bildet sich im Spektrum konkreter Projekte in Naturschutz, Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung und nachhaltiger Regionalentwicklung der Bezug zu den demographischen Besonderheiten der Region ab. Im Folgenden dazu einige Beispiele.
3. Regionale Wertschöpfung
In einer Studie zu regionalökonomischen Effekten von drei Brandenburger Naturparken (Stechlin, Niederlausitzer Heidelandschaft und Barnim) hat das dwif München 2015 validierte Zahlen für das Erhebungsjahr 2013 vorgelegt.
Angaben und Umsätze | |
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Zahlungsinsidenzrelevante Ausgaben insgesamt | 8.264.443,- € |
Darunter primäre Zahlungsinzidenzen | 4.779.762,- € |
Primäre und sekundäre Zahlungsinzidenzen | 6.213.691,- € |
Anteilige Gesamtinvestitionen | 5.500.000,- € |
Bruttoumsätze durch Naturparkbesucher | 6.700.000,- € |
Dadurch ausgelöste Vorleistungsumsätze | 3.800.000,- € |
Gesamtwirkungen | 24.264.443,- € |
Bei der insgesamt durch den Naturpark ausgelösten hohen Wertschöpfungsrate über Projekte und Investitionen sind die anteiligen Wertschöpfungsraten pro Tag und Besucher im Barnim geringer als in den berlinferneren Großschutzgebieten. Ursache sind vor allem die kürzere Verweildauer, aber auch fehlende qualitativ hochwertige Angebote.
4. Planerische Grundlagen und Rahmenbedingungen für das Besuchermanagement
Der Pflege- und Entwicklungsplan des Naturparks aus dem Jahr 2008 schlägt für die touristische Entwicklung eine Zonierung der Intensität touristischer Nutzung vor. Ausgehend von der naturschutzfachlichen Bewertung der Schutzgebietskulisse und der touristischen Attraktivität des Raumes werden fünf Erholungszonen unterschiedlicher Nutzungsintensität ausgewiesen. Der Gradient reicht dabei von Ruhezonen bis zu Zonen intensiver Erholungsnutzung, die konzeptionell zu gestalten sind. Für Planungen zum Rad- und Wanderwegenetz des Naturparks, für touristische Projekte oder Vorhaben zur Renaturierung ist damit ein Rahmen gesetzt.
Bei den allgemein hohen Besucherzahlen mit teilweise enormen saisonalen Spitzen und einer dünnen Personaldecke setzt der Naturpark vor allem auf strategisch konzeptionelle Ansätze als wichtigste Managementmaßnahmen zur Besucherlenkung.
Die klassische Intervention der Naturwacht bei der Gebietskontrolle als Mittel zur Besucherlenkung und Aufklärung ist mit punktuellem Effekten durchaus von Bedeutung. Bei der Menge an Gästen ist sie jedoch rein faktisch als Instrument zur Besucherlenkung in der Breite ungeeignet. Das gilt insbesondere bei ordnungsrechtlichen Problemen. Während sommerlicher Saisonspitzen in Schwerpunkträumen, wie z. B. großen Seen zur Hauptbadesaison, werden über die zuständige Kommunen hier z. T. professionelle Wachdienste eingesetzt.
Unter den genannten Rahmenbedingungen konzentriert sich die Arbeit des Naturparks auf die konzeptionelle Optimierung der Streckenführung des Wander- und Radwanderwegenetzes. In Abstimmung mit den Landkreisen Barnim und Oberhavel sowie der Berliner Senatsverwaltung erfolgte in deren Zuständigkeit die Beschilderung der Wanderwege des Naturparks. Die Pflege und Unterhaltung der Wanderwegeinfrastruktur liegt ebenfalls bei diesen Einrichtungen (Kreiswegewarte).
Für die Organisation der Radwegebeschilderung wurde die Naturparkverwaltung vom Kuratorium gebeten, die Koordinierung zwischen den Ländern, Kreisen und Kommunen zu übernehmen.
5. Anreiseverhalten der Besucher
Trotz der außergewöhnlich guten ÖPNV Erschließung des Naturparks durch S- und Regionalbahn mit 47 Bahnhöfen ist der PKW das Hauptanreisemittel. Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Anreisenden mit dem Fahrrad, der fast doppelt so hoch ist wie der Anteil von Besuchern, die mit dem ÖPNV kommen.
Für die anteilig im Naturpark liegenden Nordberliner Bezirke Reinickendorf und Pankow liegt der Anteil der mit dem Fahrrad anreisenden Besucher mit 39 % (Meyer 2014) deutlich höher und übersteigt die Anreise mit dem ÖPNV, die bei 9 % liegt, um ein Vielfaches.
6. Modellprojekt zur Optimierung der Radwegebeschilderung zwischen den Radfernwegen Berlin – Usedom und Berlin – Kopenhagen im Gebiet des Naturparks Barnim
Das erste brandenburgische LEADER Kooperationsprojekt startete 2008 mit dem Ziel der modellhaften Optimierung der Radwegebeschilderung im Gebiet des Naturparks Barnim. Beabsichtigt war, das Erholungs- und Wertschöpfungspotential des Naturparks für und durch bessere Lenkung des Radverkehrs zu erhöhen.
Die neu ausgebauten Radfernwege „Berlin – Usedom“ und „Berlin – Kopenhagen“ durchziehen als elementare Radverkehrsachsen den Naturpark. Sie haben eine hohe Nutzerfrequenz durch Fahrradferntouristen. Ungenügend war der Verweis auf touristische Sehenswürdigkeiten im Naturpark. Um ein bloßes „Durchfahren“ der Region zu verhindern, sollten verweisende Querverbindungen zu und zwischen den bestehenden touristischen Angeboten entwickelt werden. Das zu lösende Problem bestand in der von unterschiedlichen Planungsträgern im Gebiet des Naturparks vorgenommenen Radwegebeschilderung. Sie war uneinheitlich und beschränkte sich oft auf das Gebiet einer Gemeinde, eines Landkreises oder einer touristischen Einrichtung. Folglich gab es zwischen den einzelnen Wegeverbindungen Netzlücken. Darüber hinaus fehlten an den begleitenden Radwegen an Bundes- und Landesstraßen zum Teil zielorientierte Wegweisungen, wodurch eine Einbindung in das Radwegenetz des Naturparks nicht gegeben war. Lückenhafte Verweise auf Haltestellen des Öffentlichen Personennahverkehr sowie deren ungenügende fahrradfreundliche Umgebung und Ausstattung hemmten zudem die Entwicklung einer nachhaltigen Radverkehrsbeförderung.
Die Optimierung der Radwegebeschilderung vollzog sich in zwei Ausführungsschritten. Der erste, analytische und planerische Teilschritt umfasste einen Zeitraum von 19 Monaten. Er schloss die GIS gestützte Kartierung der Radwege vor Ort und den Aufbau eines Flurstückkatasters für standorts- und inhaltsgenaue Vorschläge sowie die genaue Kalkulationen des Bedarfs ein. Mit ihm wurde Planungsträgern auch ein Werkzeug zur qualitativen Verbesserung der Radwegestruktur, die Konzeption eines über das Internet verfügbaren GPS-Radroutensystems und die Grundlage für spätere Evaluierungsmaßnahmen an die Hand gegeben. In einem zweiten Schritt übernahm die Gemeinde Wandlitz stellvertretend für die 19 Projektpartner 2010 die Schirmherrschaft für den LEADER–Folgeantrag zur Umsetzung. Unter Vermittlung des Naturparks wurden dazu für seine gesamte Fläche mit allen Gemeinden Kooperationsverträge zur Umsetzung und späteren Betreuung der Infrastruktur abgeschlossen.
Im Ergebnis war 2013 der gesamte Naturpark als erste Radverkehrsregion zwischen Berlin und Brandenburg flächendeckend standartgerecht beschildert. Der Landkreis Barnim nahm das zum Anlass, um darauf basierend den Landkreis mit einer Knotenpunktbeschilderung zu versehen. Gleiches erfolgte wenig später auch für den Landkreis Oberhavel. Damit hat sich die radtouristische Attraktivität des Raumes weiter erhöht.
7. Besucherlenkung im Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde
Neben den naturschutzfachlichen und forstlichen Prämissen des vom Bundesamt für Naturschutz geförderten E&E-Vorhabens „Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde“ war wesentliches Ziel des Vorhabens, die Synergien der Beweidung für die touristische Profilierung des Gebietes als Naherholungsraum im Norden Berlins unter gleichzeitiger Verbesserung der Lenkung der Besucher zu nutzen, ohne dabei die Naturschutz- und Forstziele zu gefährden.
In diesem Zusammenhang fungieren die „besucherverträglichen“ Weidetiere neben ihrer Rolle als Landschaftspfleger auch als touristische Attraktion und Mittel zur Besucherlenkung. Konkret erhalten interessierte Besucher über Klapptore, die Möglichkeit die Weideflächen direkt zu betreten und die Tiere vom Weg aus unmittelbar zu beobachten. Wesentliche Verhaltensregeln werden an allen Eingängen und in der Ausstellung des Besucherzentrums Hobrechtsfelde kommuniziert. Ein Teil der Besucher nimmt dieses besondere Angebot gern in Anspruch. Der größere Teil beobachtet die Tiere jedoch von den ausgezäunten Hauptwegen aus. Der Besucherstrom fokussiert sich somit auf das Wegesystem außerhalb, aber auch innerhalb der Beweidungsflächen. Die Weideflächen erfahren dadurch trotz deutlich gestiegener Besucherzahlen eine partielle Beruhigung.