Klimawandel im Barnim
Von Simon Hoffmann – 12/2020
Klimawandel beschreibt einen permanenten Vorgang, der die Menschheit von Beginn ihrer Entwicklung an begleitet, aber erst in jüngster Vergangenheit durch den Einfluss des Menschen nachhaltig beeinflusst wird.
Die wirksame Einstellung und Anpassung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise auf diese regional und konkret wirkenden Aspekte bzw. Auswirkungen des Klimawandels sind die Herausforderung unserer Zeit. Der Umgang mit ihm und das nachhaltige Management der heute schon sichtbaren Folgen wie Überflutungsgefahr nach Starkregen, Wassermangel in Trockenperioden oder Aufheizung der Siedlungsflächen ist eine strategische Aufgabe, die weit über die Erfordernisse der Tagespolitik hinausreicht (IPCC 2019). Neben den global wirkenden Beiträgen zur Minimierung von Treibhausgasen und der nachhaltigen Energie- und Ressourcennutzung sind dabei gerade für die oben benannten Problemfelder Beiträge im regionalen Umfeld notwendig.
Klimaschutz und Klimaanpassung im Barnim
Der Landkreis Barnim hat schon im Jahr 2008 eine Nullemissionsstrategie beschlossen, die eine erneuerbare Energieversorgung für den Barnim anstrebt. Die vier Handlungsfelder Energiegewinnung, Energieeinsparung und Effizienz, Bildung und Forschung sowie Entwicklung und Innovationsförderung bilden die zentralen Säulen der Strategie. Im Rahmen der Umsetzung wurde der Anteil erneuerbarer Energien im Landkreis sukzessive erhöht. 24 % des Wärmebedarfs und sogar 129 % des Strombedarfs werden schon heute durch Nutzung erneuerbarer Energien gedeckt, sodass der Ausstoß von CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um ca. 53 % gesenkt werden konnte (Stand 2015). Etwa 2.000 Solaranlagen und etwa 110 Windkraftanlagen ermöglichen diesen hohen Anteil erneuerbarer Stromerzeugung (Barnimer Energiegesellschaft mbH 2015). Im Hinblick auf die vergleichsweise naturnahen Landschaften des Barnims mit zwei Großschutzgebieten (Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und Naturpark Barnim) wird diese Entwicklung durchaus auch kritisch gesehen.
Mit der Beteiligung am ZENAPA Projekt möchte der Naturpark Barnim an dieser Stelle ansetzen und das Management des Klimawandels und Naturschutz miteinander verbinden. Es sollen gangbare Wege für einen wirksamen Klimaschutz mit möglichst geringen negativen ökologischen Auswirkungen identifiziert und unterstützt werden.
ZENAPA: Klima- und Naturschutz zusammen denken
ZENAPA steht für „Zero Emission Nature Protection Areas“ und verfolgt das Ziel CO2-neutraler Großschutzgebiete. Das mit europäischen Mitteln geförderte Projekt umfasst insgesamt elf Großschutzgebietsregionen in Deutschland und Luxemburg, in denen Klimaschutz, Biodiversität und Bioökonomie synergetisch verfolgt werden. Es geht darum, Pfade einer nachhaltigen Entwicklung der Region im Kontext des Klimawandels aufzuzeigen und zu beschreiten. Dabei orientieren sich die Akteure an den Klimaschutzzielen des Bundes und setzen diese auf regionaler und kommunaler Ebene um. In dieser Form einzigartig ist die Verortung des Projektes in Landschaften und Regionen mit besonderem ökologischen Schutzstatus. Bei der Planung und Durchführung von Klimaschutzmaßnahmen sind somit immer auch die Belange des Naturschutzes zu berücksichtigen und konkurrierende Interessen auszugleichen. Das eröffnet die Möglichkeit, Klimaschutz ganzheitlich und unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Interessen zu betreiben (IfaS 2017).
Klimabildung: Der Motor der Zukunft
Voraussetzung für einen erfolgreichen Klimaschutz ist themenbezogenes Grundlagenwissen. ZENAPA möchte dieses Wissen auf verschiedenen Ebenen kommunizieren und möglichst früh in der Ausbildung junger Menschen verankern (IfaS 2017). Daher finden seit Projektbeginn 2017 jährlich Kinderklimaschutzkonferenzen in der Naturparkregion statt, bei denen Grundschulkinder an das Thema Klimawandel und Klimaschutz praxisnah und altersgerecht herangeführt werden. Zur dauerhaften Integration von Klimaschutz in den Unterricht werden darüber hinaus Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer organisiert, die der Vorstellung von Lehrkonzepten und konkreten Werkzeugen für eine wirksame Klimabildung dienen. Das pädagogische Angebot wird stetig weiterentwickelt: So ist in Zusammenarbeit mit weiterführenden Schulen im Barnim für das Schuljahr 2020 / 2021 ein Schulwettbewerb unter dem Titel „Meine Schule wird klimaneutral“ geplant. Aufgabe der teilnehmenden Schulklassen ist es, im Rahmen einer Projektwoche ein Klimaschutzkonzept für die eigene Schule zu entwickeln. Weiterhin werden themenbezogene Exkursionen durch den Naturpark konzipiert, die lokale Auswirkungen des Klimawandels veranschaulichen und Ansätze der Anpassung und der Emissionsreduktion aufzeigen.
Hilfe zur Selbsthilfe (Capacity Building) durch Kampagnen und Workshops
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Projektarbeit im Rahmen von ZENAPA ist die Organisation und Durchführung von Kampagnen und Workshops. Zentrales Ziel ist die Aufklärung über Möglichkeiten der Emissionsreduktion in verschiedenen Bereichen wie Mobilität, Wärmeversorgung und Stromerzeugung. Adressaten dieser Aufklärungsmaßnahmen sind je nach Themenschwerpunkt Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen, Gewerbetreibende und kommunale Akteure (IfaS 2017).
Mit der E-Bike-Kampagne „Elektrisiert ins Grüne“ wurde im Jahr 2019 in Zusammenarbeit mit regionalen Fahrradhändlern die Nutzung von Elektrofahrrädern anstelle des Pkw beworben. Die Solar-Kampagne „Kohle sparen durch Sonnensch€in“ zielt im Jahr 2020 auf die Förderung von Photovoltaikanlagen auf privaten Eigenheimdächern ab. Hier wird ein bivalenter Ansatz verfolgt: Zum einen werden Informationsveranstaltungen durchgeführt, die interessierte Bürgerinnen und Bürger möglichst umfassend über die technischen und finanziellen Möglichkeiten der Solarenergienutzung aufklären sollen. Zum anderen soll im Rahmen der Kampagne ein Netzwerk aus Installateur- und Dachdeckerbetrieben aufgebaut werden, um interdisziplinär und frühzeitig potenziell geeignete Dächer für die Installation einer Solaranlage zu identifizieren. Eine Provisionsvereinbarung stellt die faire Verteilung der erzielten Synergieeffekte sicher, wie aus der Grafik deutlich wird.
Die energetische Versorgung von Gebäuden ist ein weiteres zentrales Handlungsfeld. Eine energetische Gebäudeoptimierung durch verbesserte Dämmung, effiziente Anlagentechnik und den Einsatz erneuerbarer Energien kann zu einer erheblichen Reduktion des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen beitragen (BMWi 2015). Im Rahmen von ZENAPA werden Kommunen bei der Entwicklung von energetischen Quartierskonzepten inhaltlich und finanziell unterstützt. Dabei stehen die Wirtschaftlichkeit von Investitionen und deren ökologischer Mehrwert sowie die Unterstützung bei der Beantragung von Förderungen im Vordergrund.
Bioökonomie: Lokale Wirtschaft nachhaltig stärken
Landwirtschaftliche Nutzflächen prägen auf einem Viertel der Fläche die Naturparkregion (SenSW 2009). Ein charakteristisches Landschaftsmerkmal sind Feldhecken, die Windschutz bieten und damit Bodenerosion vermeiden sollen. Der Naturpark Barnim entwickelt gemeinsam mit der BTU Cottbus und der Agrarproduktion Neuholland ein Konzept, um diese oftmals alten und brüchigen Heckenstrukturen nachhaltig zu erneuern. Es wird ein heterogener Heckenaufbau mit verschiedenen heimischen Strauch- und Baumarten angestrebt, mit dem Ziel, Lebensraum für Tiere zu schaffen, Wind- und Erosionsschutz sicherzustellen sowie das Mikroklima durch einen verbesserten Wasserhaushalt aufzuwerten. Neben diesen Naturschutzaspekten steht auch die energetische Verwertung des anfallenden Pflegeholzes im Fokus der Untersuchung. Auf diese Weise soll zum einen ein konkreter Klimaschutzbeitrag geleistet, zum anderen jedoch auch ein ökonomischer Anreiz geschaffen werden, um eine Verstetigung dieses Nutzungskonzeptes über das Projekt hinaus zu ermöglichen.