Themenbereiche Natur & Landschaft

Die Revitalisierung der Schnellen Havel

Von Volker Keuchel – 12/2020

Die Schnelle Havel ist einer der letzten vom Menschen wenig veränderten Tieflandsflüsse in Brandenburg. Mit dem Projekt zur Revitalisierung soll der Fluss im besten Sinne „entfesselt“ werden. Mehr Wasser kann dann ohne künstliche Hindernisse fließen und diesen wertvollen Naturraum neu beleben.

Als Schnelle Havel wird der Teil der oberen Havel bezeichnet, der zwischen Zehdenick im Norden und Oranienburg (Sachsenhausen) im Süden liegt. Sie ist Teil der Zehdenick-Spandauer-Havelniederung. Ihr über 39 km langer Abschnitt ist seit 1882, der Inbetriebnahme des Vosskanals, abgekoppelt. Nur ein kleiner Teil des Havelwassers fließt seither durch das alte, streckenweise gut erhaltene Gewässerbett. Die Durchflussmenge wird durch die Freiarche Zehdenick gesteuert.

Abb. 1: Historische Karte mit einer Ansicht der Schnellen Havel bei Friedrichsthal
Abb. 1: Historische Karte mit einer Ansicht der Schnellen Havel bei Friedrichsthal (Quelle: Privatarchiv Pamperin)

Aus dieser „Abgeschnittenheit“ resultierend hat sich die Schnelle Havel bis zum heutigen Tag ein hohes Maß an Ursprünglichkeit erhalten können. Die immer wieder vorgenommenen Aus- und Umbauversuche, letzte davon in den 1970er und 1980er Jahren, haben nur Abschnitte drastisch verändert, nicht aber das Gewässerbett als Ganzes zerstört. So ist es heute die über weite Strecken erhaltenen Unverbautheit und Weite, die ihren besonderen Wert ausmacht.

Rinder weiden, Traktoren brummen zur Heuzeit, Störche suchen Nahrung….Ruhe durchströmt den Wanderer. Aber der Schein trügt zum Teil auch. Verschwunden sind die Wiesenbrüter und Sumpf- und Watvögel, verarmt und degradiert das Grünland und teilweise umgebrochen. In der Aue werden auf über 80 Hektar Mais und Kartoffeln angebaut. Folgen sind Stoffeinträge vor allem durch den behandlungs-, düngungs- und wasserverbrauchsintensiven Kartoffelanbau. Die von vielen Bauern gewünschten Winterhochwässer, die die Wiesen natürlich düngen und mit der Speicherung von Wasser in den Niederungsmooren den Landschaftswasserhaushalt stabilisieren, waren daher bislang nicht möglich.

Abb. 2: Entwicklungsziele Flussrenaturierung Schnelle Havel
Abb. 2: Entwicklungsziele Flussrenaturierung Schnelle Havel (Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt, Johannes Rost; verändert)

Daher hat sich das Landesamt für Umwelt (LfU) als Fachamt des Landes Brandenburg die Verbesserung der Situation im Gebiet zum Ziel gesetzt. Im November 2010 fiel dazu der Startschuss für das Pilotprojekt „Revitalisierung der Schnellen Havel“. Am Beispiel der Schnellen Havel sollte exemplarisch ein Verfahrensweg erarbeitet werden, der sowohl Planung wie auch Umsetzung beinhaltet.

Dazu wurde eine Steuergruppe aus Vertretern aller involvierten behördlichen und privaten Institutionen und Nutzer einberufen. Neben den Planern saßen Vertreter der zuständigen Ämter von Kommunen, Landkreis, Land und Bund, Landwirte, der Deutsche Anglerverband und die im Gebiet agierende Naturparkverwaltung zusammen an einem Tisch.

Ein Jahr später lagen eine abgestimmte Machbarkeitsstudie und ein detaillierter Maßnahmenplan vor, dessen wesentliche Punkte waren:

  1. die Erhöhung der Durchflussmengen
  2. Herstellung der Durchgängigkeit, Uferentfesselung und -strukturierung
  3. Vernässung/Wasserrückhalt in der Aue

Mit der Beseitigung dieser Defizite werden auch den Forderungen der Wasser-Rahmen-Richtlinie (WRRL) der Europäischen Union entsprochen, um den berichtspflichtigen guten ökologischen Zustand des Flusses wieder herzustellen.
Für die praktische Umsetzung bedeutete dies: Umbau/Rückbau von vier Wehren innerhalb der Gewässerstrecke sowie die Herstellung der Durchgängigkeit an der Freiarche Zehdenick als Einlaufbauwerk und des Wehres Sachsenhausen als Auslaufbauwerk. Für die beiden Letztgenannten konnte hier eine Vereinbarung zur Umsetzung mit der Wasserschifffahrtsverwaltung des Bundes abgeschlossen werden. So wird die Schnelle Havel künftig als Wanderstrecke für Fische zwischen Oranienburg und Zehdenick fungieren. Auf aufwendige Umbauten der Schleusenanlagen im parallel verlaufenden Vosskanal kann hingegen verzichtet werden. Um die notwendigen höheren Wasserspeisungen zu erreichen, wurden nach Berechnungen und einem gesteuerten Hochwasserversuch Maßnahmen, wie das Auflösen von Verklausungen (durch Ablagerungen entstandene Engstellen) und ein angepasster Unterhaltungsplan auf den Weg gebracht. Dadurch können nun zwischen 1,5 m³/s als permanenter Mindestwasserbedarf und bis zu 8 m³ für gesteuerte Winterhochwässer durch die Schnelle Havel geleitet werden.

2013 wurde als erste Maßnahme die Wehrumgehung in Krewelin umgesetzt. Durch den Wiederanschluss zweier Altarme, bei Erhalt des Wehres, konnte hier eine sehr gute und schnell wirksame Maßnahme umgesetzt werden.

Abb. 3: Projekttag an der Schnellen Havel
Abb. 3: Projekttag an der Schnellen Havel (Foto: Lukas Landgraf)

Folgend wurde bis 2015 der strukturlose Gewässerabschnitt der Schnellen Havel südlich von Liebenwalde auf einer Länge von 4,7 km in Angriff genommen. Günstig wirkte sich hier ein bereits vorhandener beidseitig zehn Meter breiter Uferrandstreifen aus. Dieser war im Rahmen des Bodenordnungsverfahrens (BOV) Liebenwalde-Neuholland bereitgestellt worden und konnte im Rahmen des Projekts auch bepflanzt werden. Im Flussbett entstanden Abschnitte mit Uferentfesselungen, Kiesbänken, Strömungslenkern, Beschleunigungsstrecken und Totholzeinbau. Zur Freude vieler Neuholländer wurde auch die zwischenzeitlich „untergegangene“ Flussbadestelle des Ortes wiedergeboren. Mit einem Arbeitseinsatz halfen dabei auch Kinder der Liebenwalder Grundschule.

Abb. 4: Das Wehr Maihof vor dem Umbau
Abb. 4: Das Wehr Maihof vor dem Umbau (Foto: Peter Gärtner 2015)

Ein weiterer Meilenstein war die Umsetzung der Umgehung des Wehres Maihof. Auch hier konnte mit Hilfe des Anschlusses eines abgeschnittenen Altarmes das Ziel der Herstellung der Durchgängigkeit erreicht werden. Für den ortsansässigen Landwirtschaftsbetrieb wurde ein Hamco-Profil (Korrosionsfeste Stahlplatten werden, je nach gefordertem „Bogenmass“ vor Ort zusammengeschraubt und als Überfahrt eingebaut, eine gute Alternative zu aufwendigeren Brückenbauten) als Querungsmöglichkeit eingebaut.

Weiterhin ist die Uferstrukturierung und Auenentwicklung zwischen Freiarche Zehdenick und Brücke Krewelin geplant. Wichtigster Schritte ist dabei die Uferentfesselung südlich Zehdenick. Hier wurde in der Historie das Ufer beidseitig mit Ziegelbruchabfall so befestigt, dass die Böschungen wie „betoniert“ wirken. Aber auch Altarme sollen wieder angeschlossen und der Uferrandstreifen abschnittsweise bepflanzt werden. Die Bepflanzungen dienen der Beschattung des Gewässers. Die hohen Sommertemperaturen des Wassers können so gesenkt werden, zugleich ist es für die Erhöhung des Sauerstoffgehaltes im Wasser und somit für die empfindlicheren im Wasser lebenden Tierarten eine wichtige Maßnahme. Die Beschattung verhindert aber auch das ungebremste Wachstum von Wasserpflanzen. Diese führen regelmäßig in den Sommermonaten zu ungewünschtem Aufstau und einer ebenfalls nicht günstigen Verringerung der Fließgeschwindigkeit.

Diesem Abschnitt werden weitere, wie z.B. „Exin“ und „Bischoffswerder“ folgen. Eine weitere wichtige Maßnahme stellt das Boden-Ordnungs-Verfahren „Schnelle Havel Süd“ dar. Hier wird über Flächentausch auf Konsensbasis die Einrichtung eines Gewässerrandstreifens angestrebt. Bis 2030 sollen dann auch hier Gewässer- und Uferstrukturierungen im Abschnitt Schweizer Hütte-Malz umgesetzt werden. Jeder dieser Abschnitte entwickelt etwa die doppelte Länge Strahlwirkung für dann natürlich ablaufende Prozesse in beide Richtungen. Durch diese Initialmaßnahmen wird der Fluss ertüchtigt sich selbst zu heilen. Weiterhin sollen die beiden verbliebenen Wehrstandorte zurück gebaut und durch Sohlgleiten ersetzt werden. Neben der Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit werden so auch zwei Engpunkte, die bei Hochwasser eine stark rückstauende Wirkung haben, beseitigt.

Abb. 5: Übersicht über die Maßnahmen an der Schnellen Havel im Südteil ab Liebenwalde
Abb. 5: Übersicht über die Maßnahmen an der Schnellen Havel im Südteil ab Liebenwalde (Quelle: Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg)
Abb. 6: Maßnahmenvorschläge an der Schnellen Havel
Abb. 6: Maßnahmenvorschläge an der Schnellen Havel (Quelle: Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg)

Parallel finden im Einzugsgebiet der Schnellen Havel weitere Maßnahmen zum Wasserrückhalt und Moorschutz statt. Beispiele dafür sind die Wiedervernässung der Fließgrabenniederung, eines Seitentals der Schnellen Havel. Oder der Umbau der Sohlgleite Exin – eine notwendige Maßnahme um auch hier den Fischen sowohl bei Niedrig- wie auch bei Hochwasser das Wandern zu ermöglichen und einen für das Randmoor günstigen Wasserstand zu erreichen. Auch der aufwendige Anschluss des Döllnfließes mittels Unterdükerung des Vosskanals an die Schnelle Havel, steht noch auf der Agenda.

Die Umsetzung der ersten Maßnahmen hat schon jetzt zu einer messbaren Verbesserung der Bedingungen für die Fischfauna in der Schnellen Havel geführt. Arten wie der Rapfen können wieder beobachtet werden. Eisvögel pfeifen vielerorts nicht nur ihren schrillen Pfiff sondern auch am Beobachter vorbei. Wo sie sind, ist die Fischwelt und sind die Lebensbedingungen wieder auf gutem Weg.


Empfohlene Zitierweise

Volker Keuchel: “Die Revitalisierung der Schnellen Havel” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_122-revitalisierung-schnelle-havel/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

Bildnachweise

  • Titelbild: Durchleitungsversuch an der Schnellen Havel (Foto: Lukas Landgraf 2010)
  • Vorschaubild: Landschaft an der Schnellen Havel (Foto: Volker Keuchel 2018)