Themenbereiche Natur & Landschaft

Gruben und Müllberge – spezifische GeoKulturlandschaft auf dem Barnim

Von Axel Heise, Johann Rettner, Sixten Bussemer – 12/2020

Der Barnim beinhaltet eine Vielzahl verschiedener Rohstoffquellen, die in den zurückliegenden Jahrhunderten von der Bevölkerung insbesondere im Siedlungsbau für verschiedene Zwecke abgebaut wurden. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert veränderte sich das Landschaftsbild auf dem Barnim sprunghaft. Städtische Siedlungen expandierten, Kanäle und Eisenbahnstrecken durchquerten die Landschaft und Meliorationsmaßnahmen verbesserten die Bedingungen für die Landwirtschaft. Durch die vielfältigen Bautätigkeiten mussten verschiedenste Rohstoffe beschafft werden, gleichzeitig lieferte die Preußische Geologische Landesanstalt die wissenschaftlichen Grundlagen dafür.

Gesellschaftlicher Hintergrund

Entsprechend der naturräumlichen Gegebenheiten entstanden Sand- und Kiesgruben an Standorten mit Schmelzwasserablagerungen. Bei Becken- oder Geschiebemergelablagerungen entstanden Ton- und Mergelgruben. Nach dem Gebot der schnellen Verfügbarkeit mit möglichst kurzen Transportwegen, wurden zahlreiche Gruben unmittelbar in Siedlungsnähe abgebaut. Die GIS-gestützte Darstellung von Rettner (2016) erfasst in drei Zeitebenen alle Gruben kartographisch in einem Korridor über den Barnim nach Rohstoffart inventarisiert sowie nach späterem Status der Inbetriebname bzw. Umfunktionierung ergänzt.

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Gruben der Gründerzeit

Abb. 2: Sandgrube Beiersdorf Anfang der 1990er Jahre
Abb. 2: Sandgrube Beiersdorf Anfang der 1990er Jahre (Foto: Sixten Bussemer)
Abb. 3: Sandgrube Beiersdorf heute (mit Bauschutt eingeebnet)
Abb. 3: Sandgrube Beiersdorf heute (mit Bauschutt eingeebnet) (Foto: Sixten Bussemer)

Es ist zu erkennen, dass die reine Anzahl der Gruben um 1900 am größten war. Dieser daraus abzuleitende Rohstoffverbrauch lässt sich auf den Bauboom Berlins in den Gründerjahren zurückführen. Insbesondere für den Bau von Fabriken und Mietskasernen wurden Unmengen an Ziegeln und Sand benötigt. Für einen schnelleren Transport wurde ein überwiegender Teil der Rohstoffe mit Schiffen über die Kanäle der Urstromtäler verfrachtet. Die Karte zeigt auch, dass eine Vielzahl von Gruben nahe der Kanäle angelegt wurde um Tonziegel herzustellen (vgl. auch Lutze 2003). Beispiele hierfür finden sich am Oder-Havel-Kanal zwischen Eberswalde und Finow mit zahlreichen Tongruben und den dazugehörigen Ziegelbrennereien. Jedoch wurden die meisten der Eberswalder Tongruben in den 1930er Jahren wegen Erschöpfung des Rohstoffs und sinkendem Absatz geschlossen (Lehmann 2015). Heute sind die meisten Gruben aus damaliger Zeit als Teiche oder Seen renaturiert worden und nur noch bei größeren Gruben deutet die Morphologie auf ihre Vergangenheit hin. Ausnahmen bilden heute noch aktive Kiesgruben wie bei Germendorf, Ladeburg und Lanke. Abseits der Kanäle dominierten im peripheren Bereich eher kleinere Gruben, die sporadisch für einzelne, lokal begrenzte Bauvorhaben genutzt wurden. Zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsfähigkeit wurde ferner auch Mergel abgebaut. Die Anlage von Torfstichen spielte bei Biesenthal, Berlin-Buch, Klosterfelde und Henningsdorf eine große Rolle.

Landschaftsüberformung durch Rieselwirtschaft

Länger anhaltende Perioden mit Seuchen beflügelten ab 1873 den Ausbau der Abwasserkanäle, um allgemein bessere Hygienebedingungen in Berlin zu schaffen. Bereits 1887 waren über eine Million Berliner Einwohner an das sogenannte Rieselsystem angeschlossen, welches Abwässer jeglicher Art in das Berliner Umland leitete und letztendlich in den Rieselfeldbau mündete. Auf zumeist pleistozänen, sandigen Hochflächen wurde die schadstofffilternde Funktion der Böden zur Abwasserreinigung genutzt. Das Landschaftsbild wurde vor allem durch Becken am Ende der Klärstufen überprägt. 1928 wurden im Berliner Raum ca. 100 km² für den Rieselfeldbau genutzt. Auf dem Südbarnim waren hiervon weite Flächen in Schönerlinde, Hobrechtsfelde, Buch, Blankenfelde, Malchow, Falkenberg und Hellersdorf betroffen. Nach Einstellung der Rieselwirtschaft seit den 1980er Jahren wurden jene Standorte zumeist mit Geschiebemergel durchpflügt, wofür die noch offenen Lehmgruben genutzt wurden. Die von den Altlasten kontaminierten Gebiete wurden in der Folge häufig aufgeforstet, seltener für den extensiven Landbau genutzt (LUA 2008).

Deponie Schwanebeck

Abb. 4: Deponie Schwanebeck im Luftbild
Abb. 4: Deponie Schwanebeck im Luftbild (Foto: Peter Gärtner 2019)
Abb. 5: Müllkippe Schwanebeck von Nordosten
Abb. 5: Müllkippe Schwanebeck von Nordosten (Foto: Sixten Bussemer)

Ein gutes Beispiel für die anthropogen gesteuerte Vielgestaltigkeit stellt die Umgebung der Gemeinde Schwanebeck im Wandel der Zeit dar. Nach dem zweiten Weltkrieg bis Anfang der 1960er Jahre wurden zur Realisierung von Großbauprojekten wie dem Autobahnbau zahlreiche Sand- und Kiesgruben in unmittelbarer Nähe zur Ortschaft angelegt. Ab 1960 erfolgte eine Umnutzung der künstlich geschaffenen Hohlformen. Dabei wurden auf einer Fläche von ca. 52 Hektar zunächst Bauschutt und Bodenaushub, später aber auch Siedlungsmüll und gewerbliche Abfälle aus dem Großraum Berlin inklusive Westberlin deponiert. Bis zum Zeitpunkt der Stilllegung im Jahre 2005 wurde das Areal der Mülldeponie mit 8 Mio. m³ Abfall aufgefüllt. Heute wird die Umgebung durch die „anthropogene Endmoräne“ um etwa 25 m überragt (Lutze 2003).

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Verbot der Deponierung unbehandelter Siedlungsabfälle aus dem Jahre 2005 hat die Sanierungsphase des Areals begonnnen. Da der Untergrund der ehemaligen Deponie nicht abgedichtet wurde, muss ein möglicher Fremdstoffeintrag in den Grundwasserleiter vermieden werden (Schröder 2012). Aus diesem Grund erfolgt bis voraussichtlich 2021 durch die Berliner Stadtreinigungsbetriebe als Bauherr und Projektleiter eine oberflächennahe Versiegelung des Areals. Auf wasserundurchlässigen Tonschichten wird das Niederschlagswasser über Asphalt- und Kunststoffbahnen in nahegelegene Versickerungsbecken geleitet. Um größere Abrutschungen im Bereich der Versiegelungsfläche zu vermeiden, erfolgt eine Rekultivierung im Bereich des Gefährdungsareals. Da durch Zersetzungsprozesse innerhalb des Versiegelungskörpers Hohlräume entstehen, sind satellitengestützte Ausbesserungsmaßnahmen der Geländeoberfläche immer wieder notwendig. Um durch Grundwasserschwankungen einen potentiellen Schadstoffeintrag zu vermeiden, sind weiterhin Regulierungsmaßnahmen des Grundwasserspiegels im näheren Umfeld des Betrachtungsraumes erforderlich. Zur weiteren Risikominimierung erfolgt im näheren Umfeld an Grundwasserkontrollbrunnen eine regelmäßige Bemessung der Schadstoffbelastung. Durch technische Innovationen konnten die aus den Zersetzungsprozessen frei werdenden Methangase auch nützlichen Synergieeffekten unterzogen werden. Seit dem Jahre 1999 ist eine Deponiegaserfassungs- und -verwertungsanlage in Betrieb, die voraussichtlich bis 2025 etwa 2.800 m³ Deponiegas in einem nahegelegenen Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umwandeln soll. Konzepte der Nachnutzung, die sich bislang auf Freizeitsport, Naherholung und Energiegewinnung konzentrieren, sollen nach dem Abschluss der Sanierungsphase voraussichtlich im Jahr 2021 realisiert werden (Schröder 2012).

Aktuelle Aspekte

Auf dem Zeitschnitt von 1980 (Alter der Gruben in Abb. 1) ist keine aktive Tongrube mehr vermerkt. Gründe hierfür liegen wahrscheinlich in der veränderten Bauweise, da zu DDR-Zeiten mit dem Stahlbeton eher Sand und Kalk als Baustoff benötigt wurden. Durch den Einsatz neuerer Transportmöglichkeiten und größerer Maschinen wurde der Rohstoffabbau auf wenigere Abbaustätten konzentriert. Für das Untersuchungsgebiet wurden auf dieser Zeitscheibe keine neuen Gruben festgestellt welche einen anderen Rohstoff als Sand förderten.

Abb. 6: Die Arkenberge
Abb. 6: Die Arkenberge (Foto: Peter Gärtner 2015)

Heute finden sich nur noch neun aktive Sand- und Kiesgruben im Betrachtungsraum. Davon entfallen lediglich vier auf den Barnim. Für den Bau der Autobahnen A10 und A11 wurden größere Mengen Sand und Kies im unmittelbaren Umfeld abgebaut. Die entstandenen Hohlformen wurden in der Folge zumeist geflutet. Die Nutzung der ehemaligen Gruben ist heute sehr vielfältig (Alter der Gruben in Abb. 1). Ein innovativer Impuls wurde bei Germendorf bereits umgesetzt, wo aus einer alten Kiesgrube ein Freizeitpark mit mehreren kleinen Seen sowie einem Tier- und Urzeitpark mit Dinosauriernachbildungen geschaffen wurde. Einige ehemalige Rieselfelder wurden bis heute zu Parkanlagen oder wie die Karower Teiche zu Fischteichen umfunktioniert. Ein Großteil der alten Gruben wurde geflutet und ist heute häufig ein Bestandteil der wachsenden Siedlungsflächen geworden. Weitere Gruben sind als Senken im Wald oder auf Ackerflächen in Vergessenheit geraten und stellen somit einen anthropogen geschaffenes Flora-Fauna-Habitat dar. Demgegenüber heben sich die ehemaligen Deponiestandorte Schwanebeck, Arkenberge und Hohen Neuendorf als Reliefvollformen wohl auch auf langfristige Sicht deutlicher von der Umgebung ab.

Resultierend lässt sich zusammenfassen, dass das morphologisch abwechslungsreiche Relief der Barnimhochfläche insbesondere im südlichen Teilbereich nach der weichselkaltzeitlichen Formung in besonderer Weise auch flächenwirksam durch anthropogene Einflüsse umgestaltet wurde. Durch eine kleingekammerte Gruben-, Riesel- und Deponielandschaft wurden neue Lebensräume geschaffen.


Empfohlene Zitierweise

Axel Heise, Johann Rettner, Sixten Bussemer: “Gruben und Müllberge – spezifische GeoKulturlandschaft auf dem Barnim” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_104-gruben-und-deponien/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • Landesumweltamt Brandenburg (2008): Untersuchungen zum Schwermetallgehalt von Boden und Vegetation auf ehemaligen Rieselfeldern (= Fachbeiträge des Landesumweltamtes 107). – Potsdam.
  • LEHMANN, Jörn (2015): Die Obere Havel und der Finowkanal. Die wirtschaftliche Entwicklung der Orte entlang der Oberen Havel und des Finowkanals. – Erfurt.
  • LUTZE, Gerd (2003): Landschaft im Wandel – der Nordosten Brandenburgs vom 17. Jahrhundert bis heute (= Entdeckungen entlang der Märkischen Eiszeitstraße 8). – Eberswalde.
  • RETTNER, Johann (2016): Kartographische Auswertung von ausgewählten Naturraumparametern auf dem Barnim. Bachelorarbeit (unveröffentlicht).
  • SCHRÖDER, Olav (2012): Schwanebecker Deponie erhält Deckel. – Onlineportal der Märkischen Oderzeitung: https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1021189, abgerufen am 23.04.2019

Bildnachweise

  • Titelbild: Kiesgrube Ladeburg (Foto: Peter Gärtner 2015)
  • Vorschaubild: Deponie Schwanebeck im Luftbild (Foto: Peter Gärtner 2019)