Streesee – Kartenserie
Von Sixten Bussemer und Axel Heise – 12/2020
Der kleine Streesee mit seinem überschaubaren Einzugsgebiet wurde von dem Berliner Geologen Siegfried Chrobok und seinen Mitarbeitern in der Anfangsphase geowissenschaftlicher Umweltforschung unter DDR-Bedingungen praktisch zu einem Feldlabor entwickelt. Nachfolgend rekonstruieren wir den wichtigen Erkenntnisfortschritt auf der Grundlage von erhaltenen Originalunterlagen und ordnen sie gemeinsam mit neuen Beobachtungen vor Ort in diesen Prototyp einer Jungmoränenlandschaft ein.
Orientierungspunkte um den Streesee
a Ausfluss Streesee 52°45,309` / 13°38,102
b Haselnussweg 52°45,096` / 13°38,306
c Berliner Chaussee Ost 52°45,374` / 13°38,574
d Berliner Chaussee West 52°45,543`/ 13°38,402
e Friedhof 52°45,703` / 13°38,155
Die vorliegende Studie stellt eine Ergänzung der klassischen Beschreibungen von Chrobok u.a. (1985, 2004) dar, neuerdings mit Hilfe von GIS auch bezüglich der jeweiligen Flächen ausgewertet und dank der digitalen Möglichkeiten umfangreicher illustriert. Von der Streesee-Landschaft selbst lässt sich an einem halben Tag bequem ein Eindruck gewinnen, sein Einzugsgebiet beträgt nur etwa 75 Hektar (Kersten 1978). Aufgrund dieser geringen Größe empfiehlt sich dabei eine hochauflösende Karte wie beispielsweise die amtliche topographische Karte 1:10.000 Blatt 3247-NO (Biesenthal).
Vom Wanderparkplatz am Ende des Langerönner Weges gehen wir an der Ostseite des keilförmigen Forstes vorbei nach Süden, links oberhalb immer vom Barnim-Hochflächensporn begleitet. Auf den Äckern dieser Anhöhe (Abb. 1) wurden nach Angaben von Bodendenkmalpflegern noch steinzeitliche Speerspitzen gefunden (Heinrich, Eckart u. Jakubik 1977), letztere erwähnen auch eine vermutlich bronzezeitliche Scherbe. Von hier oben überblickt man den Kiefernforst komplett. Im Inneren ist sein Unterholz sehr artenarm, während an den Rändern noch Maiglöckchen, Johannisbeere und Spitzwegerich wachsen. Nach Thümmler (1981) erfolgte die Anpflanzung auch erst nach 1828 offenbar schon im Zuge systematischer Forstwirtschaft (Abb. 3). Bei einem Vergleich bezüglich der Landnutzungsentwicklung weist dieses Brandenburg-typische Gehölz den großen Flächenzuwachs auf der Zeitachse in einer insgesamt doch stabil strukturierten Landschaft auf (Abb. 2). Die Flächenanteile von Wald sind so von 1,4 % im Jahr 1828 über 4,1 % in 1960 auf 12,4 % aktuell angestiegen, während Acker (64,3 % über 68,4 % auf 41,2%) und Grünland (34,3 % über 27,5 % auf 24,0 %) abnahmen. Sicher ist es nicht untypisch, dass Ackeranteile in der Zeit der DDR ihre Höchstwerte erreichten.
Abb. 3: Landnutzung Streesee 1828–2017
An dieser Stelle befindet sich eine interaktive Anwendung. Um die optimale Wahrnehmung der Inhalte zu ermöglichen, wird sie nur auf Ausgabegeräten angezeigt, die mehr als 768 Pixel breit sind.
Am Ende des kleinen Wäldchens biegt der Weg bei Punkt a nach links in das Becken des Streesees hinein ab. Auf der rechten Seite folgt der Ausfluss des Streesees (Abb. 4) in Gestalt des Pfauenfließes. Als ein ehemaliges Binnenentwässerungssytem wurde der Streesee zur Senkung des Seespiegels und Urbarmachung von landwirtschaftlicher Fläche im Jahre 1823 an das Pfauenfließ angebunden und entwässert seither über das Einzugsgebiet der Oberen Finow.
In den frühen 1980er Jahren konnte so schon eine Wasserbilanz des Streesees erstellt werden (Herr 1985, S. 164 und 165). Zur Bilanzierung des Wasserhaushaltes wurden in den Jahren 1979 bis 1981 Messwerte zur Quantifizierung wasserzehrender Faktoren wie Abfluss und Verdunstung sowie wassernährender Faktoren wie Zufluss und Niederschlag ermittelt und ins Verhältnis gesetzt.
Der Abfluss vom Streesee wurde auf Grundlage der Berechnung von Wasserstandsbeobachtungen, Querschnittsmessungen und Messung der Fließgeschwindigkeit abgeleitet. Die täglichen Wasserstandsmessungen ergaben im jährlichen Abflussgang nur relativ geringe Amplituden. Während des Messzeitraumes schwankte der Wasserspiegel in der Niedrigwasserphase mit dominierenden Wasserständen von etwa 20 cm und in der Hochwasserphase mit Messständen von etwa 35 cm. Größere Wasserstandsschwankungen wurden wahrscheinlich im Wesentlichen durch das Retentionsvermögen der benachbarten Beckentorfe abgefangen. Bei einem Vergleich zwischen dem im Einzugsgebiet gefallenen Niederschlag (Monatsmittel) und der Abflussmenge konnte kein direkter Zusammenhang festgestellt werden.
Diese aus hydrogeographischer Sicht interessanten Elemente sind jedoch im Gelände nur schwer greifbar. Unser Weg verläuft oberhalb, begleitet von Acker-Hornkraut und Löwenzahn, entlang der die terrestrischen Bereiche abschließenden Geländestufe. In ihrer Flucht wechseln sich Offenland und Büsche ab, teilweise ist sie aber auch schilfbestanden. Diese Ackerrandstufe (Abb. 5) beinhaltet ein Kolluvium, in welchem inzwischen Generationen von Berliner wie auch Greifswalder Geländepraktika vor allem slawische und deutsche Scherben des Mittelalters geborgen haben. Die anthropogen verstärkten Hangabspülungen erreichten dabei auch die semiterrestrischen Abschnitte um den Streesee herum, so dass der Stufenrand heute Torfen aufliegt (Abb. 6). Dieses auf vielen Exkursionen präsentierte Normprofil befindet sich bei 52°45,328`/ 13°38,134.
Insgesamt lässt sich dieser Trend zum „Zuwachsen“ der Landschaft auch im Vergleich der Seeufer von 1882 und heute erkennen, die in Abb. 7 (Kolluvium und Hangneigung) eingetragen sind.
Abb. 7: Kartenserie Streesee
An dieser Stelle befindet sich eine interaktive Anwendung. Um die optimale Wahrnehmung der Inhalte zu ermöglichen, wird sie nur auf Ausgabegeräten angezeigt, die mehr als 768 Pixel breit sind.
An den immer wieder von Brache bestimmten, oberhalb gelegenen Hängen beschrieben Fanigliulo, Seitz und Heinken (2014) artenreiche Glatthafer- und Kohldistelwiesen. Für den Untergrund des Einzugsgebietes halten Vonderhagen, Schmidt und Fähndrich (1976, S. 18) neben den schon angesprochenen Torfen noch drei weitere Hauptsubstrattypen aus: Geschiebemergel, geschichtete und ungeschichtete Sande sowie Kolluvium. Mit letzterem korrigierten sie die alte Kartierung von Berendt (1882) gegenüber seinen „alluvialen Abschlämmmassen“ an einer entscheidenden Stelle, was später von Dietz und Hübner (1977) noch vertieft wurde. Die neue großflächige Zusammenstellung von Axel Heise zeigt weite Areale mit Kolluvium an (Abb. 7: Bodentyp und Substrat), welches nach seinen Berechnungen eine Fläche von 22,3 Hektar einnimmt (d. h. über ein Viertel des Einzugsgebietes!). Derartig kurzfristige interne Verschiebungen innerhalb einer über Jahrtausende scheinbar stabilen Landschaft erkannt und auf weitere Konsequenzen (s.u.) geprüft und mit häufig nur einfachster Ausrüstung vermessen zu haben, gehört zu den bleibenden Verdiensten von Siegfried Chrobok und seinen Mitarbeitern.
Eine erstmalige Verschneidung der Substrate mit den Bodentypen lässt im Bereich der Geländestufen kolluvial beeinflusste Gleye und Braunerden erkennen, was auch durch die von allen Laborbearbeitungen betonte Sandlastigkeit der Kolluvialablagerungen gestützt wird (v.a. Dietz und Hübner 1977). Die bis heute weitgehend beackerten Hänge und Kuppen der Grundmoräne weisen meist lehrbuchhaft Fahlerden in diversen Variationen auf. Angesichts der vorangehend beschriebenen mittelalterlich-neuzeitlichen Ablagerungsprozesse an den Hangfüssen müssen die Böden der Oberhänge deutlich gekappt sein, was vor allem im Winterhalbjahr schon äußerlich sichtbar wird (Abb. 8). Dieser Aspekt wird in der Übersichtskarte aufgrund des Generalisierungsgrades zwar nicht so deutlich, konnte aber später in den von Otfried Baume angeleiteten Studien zur flächenhaften Wirkung der Bodenerosion wie durch Ewert (1990) belegt werden. Darin ist bis zur Hälfte der Ackerflächen als stark und sehr stark erosionsgefährdet erfasst und ausgewiesen.
Bei Fortsetzung des Streesee-Hauptweges entlang des Nordwestufers wechseln sich dichte Hecken aus Amerikanischer Traubenkirsche, Schwarzem Holunder und Schlehdorn mit verschilften Abschnitten ab, bis die Stufe kurz vor der Berliner Chaussee ausstreicht. Auf dieser Strecke hat man einen guten Ausblick auf die in regelmäßigen Abständen gezogenen Meliorationsgräben seeseitig, die inzwischen zuwachsen. Nach Kirchenrechnungen im Biesenthaler Pfarramt wurde ihre Anlage 1851 bezahlt. Im hydrologischen Sommerhalbjahr fallen viele dieser Quellgräben, die früher auch zur Entwässerung der Weideflächen dienten, in der weitgehend ebenen Fläche trocken. Die Torfkartierung von Baudis (1977) zeigt in den flacheren westlichen Bereichen erwartungsgemäß etwas größere Flächen an während die Moorumrandung auf der Ostseite schmaler wird. Insgesamt sind es um den Streesee herum 17,2 Hektar Moorfläche. Die von Chrobok (2004) beschriebene größte Torfmächtigkeit im Mittelstreifen wird hier nochmal flächenhaft sichtbar (Abb. 7: Torf). Der Weg endet am Punkt d auf der von Ahorn bestandenen Berliner Chaussee.
Hier bietet sich ein kurzer Abstecher zum Friedhofseck (Punkt e) mit schönem Gesamtblick über das Streeseebecken bis hin zur Eisrandlage südlich Rüdnitz an. Der Friedhof selbst besitzt neben den ubiquitären Kiefern, Eichen und Birken mit Fichten, Lärchen und auch Eiben einen für den Biesenthaler Raum eher untypischen Aufbau, bei den Sträuchern kommen Rhododendron, Wacholder und Buchsbaum hinzu. Auf der Wasserscheide kann man über die schon mittelalterlichen Äcker der „schmalen Mathen“ bis zum Abzweig nach Danewitz gehen, wo im Zwickel ein kleines Refugium Eidechsen schützen soll (Abb. 9).
Nach der Rückkehr an den See wird die nun erreichte Ostseite von einem Hangquellmoor unter Erlenbruch geprägt (Chrobok 2004), welches praktisch nur über die Chaussee zugänglich ist. Der Wald ist relativ jung, in den vergangenen Jahrhunderten versuchten die Bauern es trotz der großen Nässe mit Weidewirtschaft (Abb. 3).
Hier konnte insbesondere an den steileren Hängen der östlich angrenzenden Barnimhochfläche ein häufig stetiger Wasserzufluss mit z.T. ergiebigen Grundwasserschüttungen beobachtet werden (Abb. 10). Der sehr tiefgründige Moorkörper ist aufgrund des hohen Sauerstoffgehaltes des fließenden Grundwassers stark zersetzt. Die hohe Wasserschüttung bewirkt durch den Rückstau des Torfkörpers in der nähreren Umgebung einen langsamen und langfristigen Grundwasseranstieg. Im Gelände konnte angrenzend die Vergesellschaftung mit einem jüngeren Versumpfungsmoor beobachtet werden. Dieses unterliegt entsprechend des nachlassenden Grundwasserrückstaus im Sommerhalbjahr stärkeren Grundwasserschwankungen und ist daher tendenziell stärker zersetzt und der Geländemorphologie folgend flachgründig aufgebaut.
Diese besondere Situation regte zur Detailkartierung der zugehörigen Quellen an (Krause 1980). Auf Grundlage der Messergebnisse erfolgte eine Auswahl repräsentativer Quellzuflüsse in den See, die 1980 monatlich bemessen wurden (Abb. 7: Quellen, Zuflüsse und Eintrag). Stellvertretend für den Fremdstoffeintrag wurden auf dem Seegrund weiterhin die Kies- und Grobsandanreicherungen kartiert (Henning u. Schuster 1978). Für die Fläche des Seeuntergrundes liegen von Siegfried Chrobok angeregte und von Kersten (1978) durchgeführte Aufnahmen der Kalkgehalte vor (Abb. 7: Kalk). Abgesehen von wenigen Ausnahmen am Nordrand des Streesees wurde ein durchgehender Kalkgehalt von über 50 % registriert. Mit zunehmender Wassertiefe konnte hingegen ein tendenzielles Absinken des Kalkgehaltes beobachtet werden. Insgesamt erwies sich die Abhängigkeit der Stoff- und Korngruppen auf dem Seegrund vom Eintragsgeschehen als hochkomplex und unerwartet kleingekammert.
Mit Sicherheit konnte festgestellt werden, dass Niederschlag und Verdunstung in der Wasserbilanz des Sees nur eine untergeordnete Rolle spielen. So entsprach 1980 die Niederschlagsmenge auf dem See nur etwa 3 bis 4 % der aus dem Grundwasserzustrom dem See zugeführten Wassermenge. Die Verdunstungsmenge vom See erreichte ebenfalls nur etwa 3 bis 4 % der Abflussmenge aus dem See (Herr 1985). Beim Input in den See kann der Grundwasserzufuhr eine absolut dominierende Rolle zugeordnet werden.
Eigene zusätzliche Bohrungen aus dem Jahre 2018 zeigten für den tiefsten Seebereich unterhalb einer knapp vier Meter tiefen Wassersäule Muddeschichten an, die ohne Erreichen ihrer Basis eine Gesamtmächtigkeit von über sieben Metern aufwiesen (Abb. 11).
Auf der Südost- und Südseite des Streesees tritt auch visuell wieder das Kolluvium in den Vordergrund. Ausgehend von Punkt c bei 52°45,374`/ 13°38,574 führt der Weg wieder über Äcker, deren Oberhänge wie im Zwickel der Kreuzung nach Danewitz schon auf den ersten Blick erosionsgeschädigt sind. Im Südosten und Osten wurde das Kolluvium besonders intensiv vermessen und erlaubt somit eine fast dreidimensionale Interpretation (Abb. 7: Kolluvium). Hier werden teilweise flächenhaft Mächtigkeiten von 1,5 m und mehr erreicht, Chrobok (1980, S. 180) berichtet von einer maximalen Stufe mit vier Metern. Gleichzeitig wird gut erkennbar, dass sich das Kolluvium hinter der Berliner Chaussee noch großflächig die Hänge hochzieht.
Ein Vergleich der gesamten vorliegenden Kolluvialdaten (in allerdings nicht so großer Dichte wie vorangehend) mit den Hangneigungen im Streeseegebiet (Abb. 7: Kolluvium und Hangneigung) offenbart ein differenziertes Bild. Mächtige Kolluvien sind häufig schon weit in den flachen Ebenen um den Streesee angekommen und können, müssen aber kein steiles Rückland haben. Die Kolluvien des Südwestgebietes sind eher dünn und nur kleinräumig verbreitet, allerdings handelt es sich hier auch eher um Stichproben.
In diesen Südwesten führt auch der abschließende Weg entlang einer in zweiter Reihe oberhalb des Sees stehenden dichten Hecke mit Hasel, Heckenkirsche, Kreuzdorn, Espe, Ahorn, Birke und Eiche, welche nur an einzelnen Stellen einen guten Blick auf den See erlaubt (Abb. 12). Inzwischen sind die Äcker wieder mit einigen Büschen wie Kulturbirne oder Büschelrose bestanden (Abb. 13). Entlang des gelben Wanderwegs findet man den Einstieg in den Waldweg zwischen Kiefern, begleitet von Holunder und Eberesche. Ein letzter Blick auf die historische Flächennutzung (Abb. 3) zeigt, dass sich dieser Waldkorridor – wie einige andere im südlichen Biesenthaler Becken auch – im Laufe der letzten 200 Jahre systematisch verbreiterte.
An Punkt b (52°45,096`/ 13°38,036) mit der Tafel „Haselnußweg“ endet dann schon jenseits der oberirdischen Wasserscheide unsere kleine Übersicht, es bietet sich gleich der Übergang zur hier kreuzenden Exkursion Biesenthaler Becken an. Auf dem Rückweg empfiehlt sich ein abschließender Gesamtüberblick von der Berliner Chaussee (Abb. 14).