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Leipzig – Die klingende Stadt

Von Elke Leinhoß – 06/2015

„Ach wie beneide ich immer Leipzig um seine Musik!“ (Clara Schumann) – Musikstadt: eines jener Attribute, mit denen sich die schöne Tausendjährige völlig zu Recht schmückt. Auch Messestadt – unbedingt, denn die Messe begründete den Reichtum Leipzigs und öffnete die Stadt der Welt. Und Buchstadt – na selbstverständlich, war doch im Grafischen Viertel der Konzentrationspunkt des Verlagswesens schlechthin. Sportstadt, Wasserstadt – die Attribute der Neuzeit. Aber die Musik begleitet Leipzig inzwischen schon über 800 Jahre, seit 1212 der Thomanerchor gegründet wurde. Berühmte Komponisten wohnten, arbeiteten, lebten und liebten hier. Warum? Die Musik ist in Leipzig zu Hause!

Blütezeit und Verlage

Thomaskirche, Fotografie, um 1880
Thomaskirche, Fotografie, um 1880 (IfL, Eu068-2078)

Zwei große Blütezeiten prägten die Musikstadt. Zunächst im Barock mit Georg Philipp Telemann, der in Leipzig seine ersten musikalischen Erfolge feierte, sowie mit dem Wirken Johann Sebastian Bachs als Director musices und Thomaskantor in Leipzig von 1723 bis zu seinem Tode 1750.

Die nächste Blütezeit erlebt Leipzig als „Nabel der musikalischen Welt“ in der Romantik, Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts, personifiziert im Schaffen von Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert und Clara Schumann, Richard Wagner, Edvard Grieg, Albert Lortzing, die in Leipzig wirkten. Die berühmten Musikverlage – Breitkopf & Härtel, 1719 gegründet und damit der älteste Musikverlag der Welt sowie Erfinder des Notendrucks mit beweglichen Lettern, C.F. Peters, Friedrich Hofmeister, u.a. – taten das Ihrige dazu durch die Veröffentlichung und Verbreitung der Kompositionen, durch Werksausgaben und Editionen.

Ausbildungsstätten

Zahlreiche spätere Nationalkomponisten ihres Landes (z. B. der Litauer Mikalojus K. Čiurlionis) studierten am Leipziger Konservatorium, das 1843 von Mendelssohn als erste musikalische Hochschule Deutschlands gegründet wurde und sich sehr schnell zu einer der renommiertesten Ausbildungseinrichtungen Europas entwickelte.

Leipziger Konservatorium, Ansichtskarte, um 1910
Leipziger Konservatorium, Ansichtskarte, um 1910 (IfL, PKL-Musik002)

Unzählige Musikerkarrieren haben hier ihren Anfang genommen; berühmte Studenten waren z.B. Edvard Grieg, Erwin Schulhoff, Leoš Janáček, Ethel Smyth, Taki Rentarō, Sigfrid Karg-Elert, Jón Leifs, Kurt Masur

Die Leipziger Universität spielt ebenfalls eine wichtige Rolle als Ausbildungs- und Wirkungsstätte großer Komponisten und Musiker und pflegt auch in der Musikausübung jahrhundertealte Traditionen. Ab 1410 war die Musikausbildung Pflichtfach an der Artistenfakultät und gehörte zu den Septem artes liberales, den sieben freien Künsten, die an der mittelalterlichen Universität gelehrt wurden. Eingeschriebene Studenten der juristischen Fakultät waren u. a. G. Ph. Telemann, R. Wagner, R. Schumann. Zahlreiche studentische und akademische musikalische Vereinigungen haben sich im Verlauf der über 600-jährigen Universitätsgeschichte gegründet, z.B. 1701 das Collegium musicum von G. Ph. Telemann, das 1979 vom damaligen Universitätsmusikdirektor Max Pommer ins Leben gerufene Neue Bachische Collegium Musicum, Akademisches Orchester und Universitätschor. Als Universitätsmusikdirektor wirkte u.a. Max Reger. Seit 2005 hat David Timm diese Position inne.

Instrumentenbau

Eine weitere und nicht zu vernachlässigende Tatsache, die Leipzigs Aufstieg zur europäischen Musik-Metropole beförderte, war der Musikinstrumentenbau und die Herstellung von Musikautomaten.

Im Sommersaal des Bosehauses/Bachmuseum
Im Sommersaal des Bosehauses/Bachmuseum (Foto: Elke Leinhoß)

Was in den Werkstätten so berühmter Familien wie der Geigenbauerfamilie Hoffmann oder der Julius Blüthner Piano Forte Fabrik erdacht, entwickelt und gebaut wurde, setzt noch heute Maßstäbe für den Instrumentenbau. Die Exponate und Sammlungen des Museums für Musikinstrumente im Grassimuseum legen auch dafür eindrucksvoll Zeugnis ab.

Klangkörper

Nicht zuletzt sorgen musikalische Klangkörper von herausragender Qualität für die internationale Ausstrahlung Leipzigs als Musikstadt bis in die heutige Zeit. Das erste bürgerliche Orchester im deutschsprachigen Raum, 1743 aus 16 Musikern – zumeist ehemaligen Stadtpfeifern – entstanden, verzaubert noch immer als „Gewandhausorchester“ Musikliebhaber in der ganzen Welt. Berühmte Gewandhauskapellmeister, z.B. Felix Mendelssohn Bartholdy, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler, Franz Konwitschny, Kurt Masur, Herbert Blomstedt, Riccardo Chailly, schrieben nicht nur in Leipzig Musik- und Interpretationsgeschichte.

Das MDR Sinfonieorchester, gegründet 1923, ist eines der ersten Rundfunkorchester weltweit und seit seiner Gründung besonders eng der Neuen Musik verbunden. Unter Dirigenten wie Fabio Luisi, Jun Märkel oder Kristjan Järvi ist es auch auf Tourneen ein vielbeachteter Klangkörper. Und schließlich ist mit seiner über 800-jährigen Geschichte und außergewöhnlichen Meisterschaft der Thomanerchor Botschafter der Musikstadt Leipzig in der ganzen Welt.

Festivals

Leipzig bebt förmlich, wenn während des Bachfestes Zehntausende Besucher nach Leipzig kommen, sich bei den Classic open, Wagner- und Mendelssohn-Festtagen oder dem Romantik-Festival in den Konzertsälen oder auf dem Markt drängeln, wenn „Leipzig Courage“ zeigt, sich die Szene beim Wave Gothik oder beim Honkytonk trifft – Musik ist in Leipzig zu Hause.

Leipziger Notenspur-Initiative

Kaum ein Komponist von Weltgeltung, der nicht wenigstens einmal in seinem Leben einen Fuß nach Leipzig gesetzt hat: Außer den oben bereits erwähnten hinterließen auch N. Paganini, W.A. Mozart, L. v. Beethoven, P.I. Tschaikowski, F. Liszt, J. Brahms, F. Chopin, E.T.A. Hoffmann, C.M. v. Weber, G. Mahler, Richard Strauss und viele andere ihre Spuren in Leipzig – „Notenspuren“ – denen die Leipziger Notenspur-Initiative nach“spürt“.

Was vor 15 Jahren noch die Idee eines Einzelnen, des Physikers Prof. Dr. Werner Schneider, war, hat sich inzwischen zum Vorzeigeprojekt gemausert, das stolz sagen kann „Musik bewegt die Stadt“. Dabei verlief die Entwicklung der Notenspur gar nicht geradlinig. Nach zwei erfolglosen Versuchen, die Stadt für das Anliegen zu gewinnen, hat sich 2005 eine Initiative aus der Bürgerschaft gebildet. Die Idee: Leipzigs außergewöhnliches Musikerbe mit der Stadt – ihren Gebäuden und öffentlichen Räumen, ihrer Geschichte und ihren Persönlichkeiten – zu verknüpfen und über Generations- und Bildungsgrenzen hinweg erlebbar und hörbar zu machen.

Die Leipziger Notenspur mit ihrem Wege- und Audioleitsystem wurde 2012 feierlich eröffnet. Zwei weitere musikalische Erkundungsrouten – das Leipziger Notenrad und der Leipziger Notenbogen – werden folgen.

  1. Die “Leipziger Notenspur” ist ein musikalischer Stadterkundungspfad. Er erfasst auf 5,3 km Länge die wichtigsten Wohn- und Schaffensstätten berühmter Leipziger Komponisten in der Innenstadt und verbindet sie durch eine visuell hervorgehobene Markierung. Das weltweit Einmalige an Leipzig ist die örtliche Dichte der authentischen Orte, so dass man bei einem Spaziergang 800 Jahre Musikgeschichte auf kurzem Weg erkunden kann. Elemente eines geschwungenen Edelstahlbandes – „Intarsien“ – ziehen sich ebenerdig als Spur durch die Leipziger Innenstadt und verbinden die 23 Stationen miteinander. Informationstafeln und Stelen erklären die Bedeutung des jeweiligen Standortes. Das Audio-Leitsystem macht die Musikgeschichte Leipzigs auch hörbar.

  2. Das “Leipziger Notenrad” ist eine etwa 40 km lange Radtour, die zentrumsferne musikgeschichtlich interessante Orte miteinander verbindet und durch ausgedehnte Grünbereiche, entlang von Wasserläufen und durch die Vorstädte Leipzigs führt. Diese doppelten Vorzüge werden mit dieser Radroute für die Gäste und Bürger Leipzigs erschlossen. Die ungewöhnliche Verbindung von Musik und naturnaher Erholung schafft eine eigene Erlebniswelt. Durch die geplante Vernetzung des Leipziger Notenrades mit Elster- und Pleißeradweg sowie zukünftig über ausgebaute Verbindungswege mit Mulde- und Saaleradwanderweg wird auch für den überregionalen Radtourismus ein attraktives Angebot geschaffen. (In Planung)

  3. Der 5 km lange „Leipziger Notenbogen“ ist ein die Notenspur ergänzender musikalischer Stadtspaziergang und führt durch die Gründerzeitviertel und Parkanlagen westlich der Innenstadt. Dabei steht die Zeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Außerdem führt der Weg führt zum forum thomanum und der Hochschule für Musik – zwei traditionsreichen Ausbildungsstätten für den musikalischen Nachwuchs. Schließlich hebt der Leipziger Notenbogen mit drei Stationen den Beitrag jüdischen Lebens zur musikalischen Tradition Leipzigs hervor. (In Planung)


Empfohlene Zitierweise

Elke Leinhoß: “Leipzig – Die klingende Stadt” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_b_122-spuren-der-musik/, Stand 29.06.2015

Bildnachweise

  • Titelbild: Konzertflügel im Schumann-Haus (Foto: Elke Leinhoß)
  • Vorschaubild: Bach-Büste (Foto: Elke Leinhoß)