Themenbereiche Siedlung & Bevölkerung

Leipzig-Grünau im städtebaulichen Wandel

Von Evelin Müller – 06/2015

Städtisch wohnen – naturnah leben: Das bietet der Stadtteil im Westen Leipzigs. Wo einst mehr als 90.000 Menschen wohnten, wurden aufgrund von Wegzug und Leerstand zahlreiche Wohngebäude zurückgebaut. Dabei flossen erhebliche Fördermittel in die Gestaltung des Wohnumfeldes. Heute ist das Grün aus dem Stadtteilnamen zum charakteristischen Merkmal geworden. Naherholungsmöglichkeiten finden sich fast vor der Haustür und dank guter Verkehrsanbindung ist die Leipziger Innenstadt bequem erreichbar.

Stadtbezirk West

Der Leipziger Stadtbezirk West umfasst die Großwohnsiedlungsortsteile Grünau-Ost, -Mitte und -Nord sowie Lausen-Grünau (bis 1994 Grünau-West und Lausen, das 1995 eingemeindet wurde), Schönau (mit Resten des ehemaligen Gutsdorfes) und Miltitz (eingemeindet 1999). Eingeschlossen sind die beiden in den 1920er und 1930er Jahren entstandenen Eigenheimsiedlungsgebiete Kirschbergsiedlung und Siedlung Grünau, die der gesamten Großwohnsiedlung den Namen gab.

Standortwahl

Da im Norden und Süden Leipzigs weiterer Braunkohleabbau geplant war, standen nur zwei Standorte für extensiven Wohnungsneubau zur Verfügung: Paunsdorf im Osten und der Leipziger Westen, wo dann ab 1976 eines der größten Neubaugebiete der DDR entstand. Ausschlaggebende Kriterien für die Wahl Grünaus waren ein Minimum an standortbedingtem Aufwand durch Nutzung vorhandener Reserven und günstige Erschließungsmöglichkeiten. Darüber hinaus waren folgende Fakten von Bedeutung: Abbau der Disproportionen in der Verteilung von Wohn- und Arbeitsstätten bei einem Überschuss von Arbeitsplätzen im Westen der Stadt; günstige Möglichkeiten der verkehrstechnischen Erschließung; Anwendung industrieller Fertigungsmethoden im Wohnungsbau; Erholungsmöglichkeiten in vorhandenen und geplanten Naherholungsgebieten (Naherholungsgebiet Kulkwitzer See, Schönauer Park, Robert-Koch-Park, Schönauer Lachen).

Denkmal der Grundsteinlegung für Grünau
Denkmal der Grundsteinlegung für Grünau (Quelle:Evelin Müller)

Im Ergebnis eines anonymen Wettbewerbs 1973 wurden 24 Entwürfe eingereicht, die neben der städtebaulich-strukturellen und funktionellen Gliederung auch Aussagen zur architekturbezogenen bildenden Kunst, zur Ökonomie und zur stufenweisen Realisierung des Vorhabens enthielten. Die materielle Grundlage für die Errichtung Grünaus wurde Anfang 1976 durch den Bau eines neuen Plattenwerkes als Vorfertigungsstätte geschaffen.

Am 1. Juni 1976 wurde der Grundstein für das Neubaugebiet gelegt. Als Rechtsträger der Wohngebäudeinvestitionen fungierten neben dem volkseigenen Betrieb Gebäudewirtschaft Leipzig sechs Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften. 1986 – zehn Jahre nach der Grundsteinlegung – wurde ein Denkmal in Form einer stählernen Stele mit Erinnerungstafel an der Gärtnerstraße 179 enthüllt. Im Zuge von Stadtumbaumaßnahmen steht es jetzt auf freier Fläche, sichtbar von der zentralen Rad-Fußwegverbindung entlang der S-Bahn, Höhe Grünauer Allee.

Verkehrsanbindung

Grünau liegt ca. 6 km vom Stadtzentrum entfernt, erstreckt sich mit einer Länge von ca. 4 km und einer Breite von 2,5 km beiderseits von Lützner- und Ratzelstraße, die beiden zentralen Ost-West-Straßenverbindungen, auf denen jeweils Straßenbahnen verkehren. Die S-Bahn-Trasse verläuft von der Innenstadt, über Plagwitz und das Wohngebietszentrum bis zum westlichen Stadtrand. Der Fahrbetrieb zwischen Plagwitz und Grünauer Allee wurde 1978 aufgenommen, bis zur Endstelle fuhr sie ab Ende 1983.

Nach mehr als zwei Jahren Zwangspause wurde die S-Bahn-Linie nach Grünau im Dezember 2013 mit der Eröffnung des City-Tunnels wieder in Betrieb genommen. Aufgrund von Mittelkürzungen des Freistaates Sachsen hatte der Zweckverband für den Nahverkehrsraum den Betrieb Anfang 2011 eingestellt, ungeachtet der Proteste der Stadtteilbewohner. In der Stilllegungsphase wurden Stationen und Gleisanlagen umfangreich saniert.

Flurzuordnung

Die östliche Grenze wird durch die Brünner Straße gebildet. Im Westen grenzt Grünau an den Kulkwitzer See. Die in der Bauphase entstandene Gliederung in Wohnkomplexe mit spezifischer Gestaltung (WK 1, 2, 3, 4, 5.1, 5.2, 7 und 8) dient nach wie vor der Orientierung im Stadtteil.

Sanierungssituation in Grünau 2007
Sanierungssituation in Grünau 2007 (Entwurf: Evelin Müller; Quelle: Neubearbeitung nach Stadt Leipzig, Dezernat Stadtentwicklung und Bau 2007; Kartenredaktion: Birgit Hölzel, Kartographie: Romana Schwarz)

Das Siedlungsgebiet wurde gebaut auf den Fluren der Leipziger Stadtteile Kleinzschocher und Schönau und der zwei Landgemeinden Miltitz und Lausen. Am Zusammentreffen der drei letztgenannten Fluren am westlichen Rand der Kirschbergsiedlung gab es die sogenannte „Grenzlinde“, das städtische Naturdenkmal Nr. 95 auf der Alten Salzstraße, das 2012 wegen Pilzbefall gefällt werden musste. Nach Flurgrenzenverlegungen 1977 und 1997 gehörte der neue Stadtteil einheitlich zum Stadtbezirk Leipzig-West.

Soziologische Begleitforschung – Intervallstudie Grünau

Zum Zeitpunkt des zehnjährigen Jubiläums der Grundsteinlegung 1986 hatten ca. 90.000 Menschen in 35.000 Wohnungen ein neues Zuhause gefunden: „Das Wohnungsbauvorhaben in Leipzig-Grünau dient in erster Linie der Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiterfamilien, aber auch der Schaffung verbesserter Wohnbedingungen für kinderreiche Familien, junge Ehepaare sowie für ältere Bürger. Gleichzeitig werden mit Leipzig-Grünau Voraussetzungen geschaffen, um traditionelle Arbeiterwohngebiete komplex modernisieren bzw. rekonstruieren zu können“ (Rat der Stadt Leipzig 1985).

Die Entwicklung des Wohngebietes wurde wissenschaftlich von Soziologen der Universität Leipzig begleitet. Die erste Bewohnerbefragung im Rahmen der Intervallstudie Grünau wurde 1979 durchgeführt und dann in regelmäßigen Abständen auch nach dem Mauerfall wiederholt. Seit 1990 hat sich die Einwohnerzahl des Stadtteils etwa halbiert, die zuerst gebauten Wohnkomplexe sind durch einen hohen Altersdurchschnitt gekennzeichnet, die ursprünglich vorhandene soziale Mischung hat sich dahingehend verändert, dass einkommensstarke Bevölkerungsgruppen den Stadtteil verlassen haben und einkommensschwächere Haushalte verstärkt zugezogen sind.

Die letzte Intervallstudie von 2009 konstatierte eine weitgehende Zustimmung der Bewohner zu ihrem Stadtteil Leipzig-Grünau und ein optimistisches Zukunftsbild der Grünauer. Die befragten Grünauer sind überwiegend von einer weiteren Stabilisierung und positiven Entwicklung ihres Stadtteils überzeugt. Seit Beginn der Intervallstudie wird die Frage „Würden Sie einem guten Freund raten, nach Grünau zu ziehen?“ eingesetzt, um eine möglichst umfassende Bewertung der Wohn- und Lebensbedingungen im Stadtteil zu erhalten. Die Befragungsergebnisse der jüngsten Erhebung bestätigen den positiven Gesamttrend für den Stadtteil. Rund 70 % der Befragten würden einem guten Freund uneingeschränkt empfehlen, nach Grünau zu ziehen. Dieser Anteil hat sich somit seit der Erhebung von 2004 weiter erhöht.

Stadtsanierung und Wohnraumentwicklung am Beispiel von Grünau

Grünau unterscheidet sich von anderen Leipziger Stadtteilen nicht nur darin, dass es eine Großwohnsiedlung ist. Gegen manches Vorurteil hat sich hier in den vergangenen Jahren viel verändert. Grünau ist in der Tat ein grüner Stadtteil, der mit dem attraktiven Naherholungsgebiet Kulkwitzer See verbunden ist. Seine Bewohner schätzen saubere Luft, ein gutes Radwegenetz und energieeffizientes Wohnen.

Engagierte Bürgerschaft

Viele Akteure sorgen für Abwechslungsreichtum und Lebendigkeit. Die meisten derer, die hier leben, fühlen sich wohl und genießen das Leben im Stadtteil, die Vielfalt der Angebote, kurze Wege und weitläufige Grünstrukturen. Dank des großen bürgerschaftlichen Engagements entstehen immer wieder neue Ideen und Projekte – auch um ein positives Image des Stadtteils nach außen zu tragen. Mit Eifer setzen sich die Stadtteilbewohner für die Zukunft Grünaus ein, indem sie ihre Vorstellungen in Planungsprozesse einbringen. Nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Akteure, von Stadtverwaltung, Wohnungswirtschaft und engagierter Bürgerschaft bestehen die besten Voraussetzungen, eine lebenswerte Zukunft von Grünau zu gestalten.

Für all dies hat die Agendagruppe Grünau den Slogan „Städtisch wohnen – naturnah leben in Grünau“ geprägt. Er soll ein Alleinstellungsmerkmal von Grünau verdeutlichen: In keinem anderen Leipziger Stadtteil lässt sich demzufolge urbanes Wohnen so gut mit Naturnähe, Naherholung und grünem Umfeld verknüpfen. Nach dieser Devise organisieren Grünauer Akteure unterschiedlichste öffentliche Veranstaltungen und Aktionen mit dem Ziel, urbanes Wohnen mit Naherholungswerten zu verknüpfen, die Lebensqualität für die Bewohner zu erhöhen und für eine Entwicklung lokaler Lebenskultur zu sorgen. Denn Aufwertung des Wohnraumbestandes und Qualifizierung von Grünflächen sind zwar wichtige Faktoren der Stadtteilentwicklung, reichen aber allein nicht aus. Sie müssen in die soziale und kulturelle Infrastruktur eingebunden sein.

Förderprogramm zur Wohnumfeldverbesserung

Zur Wendezeit 1989 war Leipzig-Grünau ein unvollständiger Stadtteil. Viele ursprünglich geplante Vorhaben waren noch nicht umgesetzt, etwa die in Plänen vorhandene Zentrenbebauung mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen, die Wohnumfeldgestaltung besonders in den jüngsten Wohnkomplexen. Folglich waren die 1990er Jahre sowohl durch Fertigstellung als auch durch Sanierung, Umbau und Neustrukturierung geprägt.

Durch das seit 1993 bestehende Bund-Länder-Förderprogramm „Städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete in den neuen Ländern und im Ostteil Berlins“ konnten Maßnahmen vorwiegend zur Wohnumfeldverbesserung durchgeführt werden – zu je einem Drittel von Bund, Land und Kommune finanziert. Über 30 Mio. Euro öffentlicher Mittel wurden 1993–2005 eingesetzt – u.a. zur Stärkung der Zentren, zur Neugestaltung von Grün- und Freiflächen, zur Qualifizierung der sozialen Infrastruktur und zur organisatorischen Unterstützung der Bewohnerschaft.

Wohnraumsanierung, Baumaßnahmen und Umnutzungen

Daneben sanierten die Wohnungseigentümer Schritt für Schritt ihre Bestände, bauten Aufzüge an, standen aber auch vor der Herausforderung, einen Teil ihres Bestandes verkaufen zu müssen, um Altschulden aus der DDR-Zeit erlassen zu bekommen (Altschuldenhilfesetz laut Einigungsvertrag). Käufer waren meist sogenannte Zwischenerwerber, die ganze Wohnblöcke erwarben, um sie zum Teil später weiter zu veräußern.

Zu den wichtigen städtebaulichen Entwicklungen in den 1990er Jahren gehörte die „Entwicklungsmaßnahme Kaserne Schönau“, heute „Schönauer Viertel“, mit Einfamilien- und Reihenhäusern (fast 200 erschlossene Baugrundstücke), Geschosswohnungsbau, Freiflächen und Wegenetz, Einkaufs-, Dienstleistungs- und sozialen Einrichtungen. Die ursprünglichen Planungen sahen vor, neben gewerblichen Ansiedlungen in den ehemaligen Stabsgebäuden Wohnraum zu schaffen. Jedoch wurden sie komplett abgerissen.

Mit PEP (Pfiffige Einkaufspassage, 1995) und Allee-Center (1996) erhielt der Stadtteil das bis dahin fehlende Zentrum. Seit 1999 haben die Grünauer auch ihre in allen Befragungen gewünschte Schwimmhalle („Grünauer Welle“). Die Fläche für die Errichtung der Schwimmhalle war bereits in den ursprünglichen Planungen ausgewiesen. Realisiert wurde das Projekt aber erst 1999.

Aufgrund rückläufiger Schülerzahlen wurden in Grünau in den Jahren nach dem Mauerfall Grund- und Mittelschulen sowie das Kopernikus-, das Ratzel-, das Robert-Koch- und das Lichtenberggymnasium geschlossen. Für nicht mehr benötigte Kindereinrichtungen – vor der Wende waren das Kinderkrippe und Kindergarten in einem Gebäude, sogenannte Kinderkombinationen – gab es vielfach neue Nutzer wie beispielsweise Mütterzentrum, Suchtberatungsstelle, Caritas-Familienzentrum, aber auch Umnutzungen als Grundschule.

„Planspiel Grünau“

Initiiert 1996 durch den damaligen Bundesbauminister Klaus Töpfer wurde Grünau für ein Planspiel ausgewählt. Das Ziel bestand darin, am Beispiel von Grünau städtebauliche Innovationsansätze – Leitlinien, Handlungskonzepte und Realisierungswege – für die Entwicklung von Großwohnsiedlungen in den neuen Bundesländern und im östlichen Europa zu zukunftsfähigen Stadtteilen kurz-, mittel- und langfristig zu formulieren (2000, 2010, 2030). In diesem Arbeitsprozess wurden lokale Kompetenz sowie Fachwissen und Ideen von außen miteinander verbunden. Die Ergebnisse wurden auf der Weltkonferenz zur Zukunft der Städte URBAN21 im Juli 2000 in Berlin vorgestellt. Bestandteil war das „Forum Grünau“, eine Arbeitsform der Beteiligten, die auch nach dem Abschluss des Planspiels auf Initiative der Agendagruppe Grünau weitergeführt wurde.

Stadtteilentwicklungsplanung

Wohnungsabriss 2006 im Stadtumbaugürtel WK 8
Wohnungsabriss 2006 im Stadtumbaugürtel WK 8 (Quelle:Evelin Müller)

Trotz stetiger Verbesserung der Wohnbedingungen verließen viele Bewohner aus unterschiedlichsten Gründen den Stadtteil Grünau, ca. 30.000 bis Ende der 1990er Jahre. Dadurch stieg der Leerstand dramatisch an. Mit dem Stadtentwicklungsplan Wohnungsbau und Stadterneuerung – Teilplan Großsiedlungen/Zielplan Grünau – reagierte die Stadt Leipzig auf diese Entwicklung und förderte den Rückbau von Wohnungen. Im Rahmen des Landesrückbauprogramms und des Programms Stadtumbau Ost wurden 2001–2010 etwa 6800 leerstehende Wohnungen abgerissen. Für die WK 7 und 8 (Grünau-Nord, Lausen-Grünau) trat 2003 eine Sanierungssatzung in Kraft. Damit stehen für einen großen Teil des Stadtumbaugürtels, insbesondere für die Rückbaubereiche, die umfangreichen rechtlichen Instrumente des Städtebauförderungsrechtes zur Verfügung. 2005 wurde die gesamte Großwohnsiedlung Grünau Fördergebiet im Programm Soziale Stadt. Im Zeitraum 2005–2012 standen insgesamt ca. 9 Mio. Euro Fördermittel in diesem Programm für Grünau zur Verfügung.

Um das Problem der Freilenkung von Wohnungen optimal zu lösen, haben die LWB und fünf Genossenschaften eine gemeinsame Willenserklärung unterschrieben, die u.a. folgende freiwillige Leistungen der Unternehmen für ihre Mieter beinhaltet: Übernahme der Umzugskosten, Zeitwertentschädigung für bauliche Maßnahmen, Auszahlung von Kaution/Genossenschaftsanteilen, besenreine Übergabe der Wohnung, Beibehaltung der Kündigungsfrist aus DDR-Mietverträgen, Übernahme einer Kostenpauschale für Ummeldungen.

Die 2007 beschlossene „Entwicklungsstrategie Grünau 2020“ konkretisiert den Teilplan Großsiedlungen und weist neben dem Kernbereich (keine Rückbauförderung und Priorität von Aufwertungsmaßnahmen) einen Stadtumbaugürtel aus. Die Strategie wurde von der Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen sowie dem beauftragten Stadtumbaumanager erarbeitet und in einem intensiven Diskussionsprozess mit den Akteuren und Bewohnern vor Ort erörtert und optimiert. In Grünau gibt es eine sehr engagierte Bürgerschaft, die sich aktiv in Stadtumbauprozesse einbringt, Initiativen zur Verbesserung der Lebensqualität ergreift, vernetzte Strukturen etabliert hat und sich in der Stadtverwaltung Gehör verschafft – so auch bei der Überarbeitung der Entwicklungsstrategie. Diese ist die Grundlage für den Einsatz von Fördermitteln und öffentlichen Ressourcen in Grünau und bildet gleichzeitig den Rahmen für die Investitionstätigkeit der Wohnungseigentümer und der öffentlichen Hand und ist Leitbild für die Stadtteilentwicklung insgesamt. Im Ergebnis von Szenarien wird die Einwohnerzahl Grünaus 2020 etwa zwischen 40.000 und 32.000 Einwohnern liegen. Am realistischsten wird das mittlere Szenario mit ca. 36.000–37.000 Einwohnern 2020 eingeschätzt. Anfang 2014 erteilte der Oberbürgermeister Leipzigs der Verwaltung den Auftrag, für Grünau ein Integriertes Stadtteilkonzept zu erarbeiten. Darin sollen vor allem die Chancen Grünaus auf dem sich verändernden Wohnungsmarkt herausgearbeitet werden – in enger Verzahnung mit dem aktuellen Wohnungspolitischen Konzept der Stadt.

Veränderung des Stadtbildes durch Um- und Neubau sowie neue Nutzungen

Stadtbildprägend waren in der Vergangenheit die 20 sechzehngeschossigen Wohngebäude des kommunalen Wohnungsunternehmens LWB, wovon nur noch vier Hochhäuser im Zentrum stehen blieben und ein auch äußerlich saniertes (Balkonanbau bis zur neunten Etage) am Robert-Koch-Park.

Fest in den Kolonnaden Alte Salzstraße 2012
Fest in den Kolonnaden Alte Salzstraße 2012 (Quelle:Evelin Müller)

Wohnen in Grünau bedeutet auch heute schon an manchen Orten „Wohnen im Grünen”. Durch den Abriss von Gebäuden entstanden Freiflächen, die die Chance bieten, in Grünau ein System von Stadt zu entwickeln, in dem sich freie Flächen und kompakte Kernen abwechseln, das Kleinteiligkeit und Rückzugsmöglichkeiten bietet und auch Parks und Landschaft integriert. So entstanden mit dem „Park 5.1“ eine Sport- und Spielfläche (hier musste das erste sechzehngeschossige Punkthochhaus weichen), mit den „Kolonnaden Alte Salzstraße“ eine Garten- und Erholungslandschaft und mit dem Bürgergarten eine Freiluftbühne mit Sitzbänken. Zudem wurde das Aufforstungsprojekt „urbaner Wald“ initiiert, welches unter waldbaulichen Gesichtspunkten angelegt und als Stadtforst bewirtschaftet wird.

Rückbau im WK7: Terrassenhäuser der Wohnbaugenossenschaft Kontakt
Rückbau im WK7: Terrassenhäuser der Wohnbaugenossenschaft Kontakt (Quelle:Evelin Müller)

Beispiele für Umbaumaßnahmen der Wohnungseigentümer sind die Solaranlagen der Wohnungsgenossenschaft Unitas (Frankenheimer Weg), moderne Haus- und Regeltechnik im Wohnkomplex 8 (Wohnungsgenossenschaft Lipsia), die Terrassenhäuser in der Uranusstraße (Wohnungsbaugenossenschaft Kontakt) mit Pelletheizanlage und Wärmerückgewinnung.

Demgegenüber veranlasste hoher Leerstand in einem elfgeschossigen Gebäude im Zentrum Grünaus den Eigentümer, einen Teil des Gebäudekomplexes schrittweise stillzulegen, obwohl diese Maßnahme der Entwicklungsstrategie für das Zentrum Grünaus widerspricht.

Für die Aufwertung des lange Zeit vernachlässigten, im Stadtumbaugürtel liegenden WK 5.1 (Schönau) haben die vier Wohnungseigentümer eine gemeinsame Strategie zur Aufwertung und Umstrukturierung entwickelt, die sowohl Abriss als auch das Abtragen einzelner Geschosse vorsieht. Schulsanierung samt Hofgelände mit angrenzendem Kindertagesstättengelände und Spielplatz „Don Quichotte“ brachten bereits Farbtupfer in das Areal. Neben der Optimierung von Wegeverbindungen wären für die Zukunft auch freie Flächen für Wohnungsneubau vorstellbar. Zentrale Lage, gute Verkehrsanbindung und Nähe zu Einkaufs- und Freizeiteinrichtungen sprechen für solche Pläne.

Kulkwitzer See
Kulkwitzer See (Quelle:Evelin Müller)

Nachdem Grünau seit einiger Zeit leichten Zuzug zu verzeichnen hat, entstehen seit März 2014 tatsächlich erstmals wieder große Neubauten – drei sechsgeschossige Terrassenhäuser im WK 8 mit Blick auf den Kulkwitzer See.

Zweifellos sind diese Entwicklungen auch ein Erfolg bürgerschaftlichen Engagements. Die Grünauer Bürger selbst haben nach dem massiven Wegzug der 1990er Jahre viel dazu beigetragen, um die DDR-Plattenbausiedlung zu gestalten, ein positives Lebensgefühl zu entfachen und Grünau eine Zukunft zu geben.


Empfohlene Zitierweise

Evelin Müller: “Leipzig-Grünau im städtebaulichen Wandel” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_b_108-gruenau-im-staedtebaulichen-wandel/, Stand 29.06.2015

Quellen und weiterführende Literatur

  • BMBau (Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau), Freistaat Sachsen und Stadt Leipzig (Hgg., 1997): Fachveranstaltung zur Städtebaulichen Weiterentwicklung großer Neubaugebiete anlässlich des 20jährigen Bestehens des Stadtteils Leipzig-Grünau. – Bonn, Berlin, Leipzig.
  • BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) (Hg., 1999): Eine Zukunft für die Plattenbausiedlungen. – Bonn, Berlin.
  • Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (Hg., 2010): Grünau 2009, Einwohnerbefragung im Rahmen der Intervallstudie ‘Wohnen und Leben in Leipzig-Grünau’, Ergebnisbericht. – Leipzig.
  • KAHL, Alice (2003): Erlebnis Plattenbau. eine Langzeitstudie. – Opladen.
  • Rat der Stadt Leipzig (Hg., 1985): Neubaugebiet Leipzig-Grünau 1976-1986. – Leipzig.
  • Stadt Leipzig, Dezernat Stadtentwicklung und Bau (Hg., 2007): Entwicklungsstrategie Grünau 2020. – Leipzig.

Bildnachweise

  • Titelbild: Kunst in der Stuttgarter Allee (Foto: Evelin Müller)
  • Vorschaubild: Innenhof im WK 8 nach dem Umbau (Foto: Evelin Müller)