Geographische Namen und ihre Bildung

Von Inge Bily – 06/2015

Was bedeuten die Namen der Leipziger Gewässer und Ortsteile? Wann und wie sind sie entstanden und was sagen sie uns über die Geschichte des Leipziger Raumes? Alles über geographische Namen erfahren Sie hier.

Einleitung

Beim Stadtgebiet von Leipzig handelt es sich um einen Raum mit früher Besiedlung, was besonders die Gewässernamen, die auf eine indogermanische Ableitungsbasis zurückgehen, belegen, vgl. die (Weiße) Elster (981 Elstra; *Alistra, *Alstria; zur indogermanischen Wurzel *el-/ol- ‘fließen, strömen’ oder zu *al- ‘wachsen, anschwellen’ + germanisches Suffix -str-), die Luppe (1216 in Luppa fluvio et Morluppa; *Lupja; zur indogermanischen Wurzel *s(l)ub- ‘kriechen, gleiten, schleichen, langsam fließen’; möglicherweise auch zu indogermanisch *lob- ‘schlaff werden, hin- und herbewegen (von Wind und Wasser)’) und die Pleiße (1021, 1040, 1118, 1225 Plisina, Plisni; zur indogermanischen Wurzel *pelǝ-/p(ǝ)lei-/p(ǝ)leu ‘fließen, rinnen, schwimmen’).

Zu den geographischen Namen mit einer Ableitungsbasis, die aus dem Indogermanischen hergeleitet werden kann, gehört ebenfalls der Ortsname Leipzig (1015 in urbe Libzi vocata; am ehesten zu indogermanisch *leibh- ‘flusswasserreiche Gegend, Flussgegend’ bzw. auch ‘schlüpfrige, lehmige Gegend’. Später wurde slawisch *lipa ‘Linde’ eingedeutet.).

Bei der Parthe (1040 Parda fluvius) könnte es sich um eine altsorbisch-germanische Mischbildung aus altsorbisch *para ‘Dunst’ oder *bara ‘Dreck, Schlamm, Morast’ mit germanischem Suffix -d- handeln. Statt eines Suffixes -da könnte jedoch auch eine Struktur *Pard-(u)a vorliegen.

Auch deutsche sowie aus dem Slawischen zu erklärende Ortsnamen sind früh bezeugt, vgl. den deutschen Ortsnamen Gundorf (974 Gunthorp) und die slawischen Ortsnamen Böhlitz (1091 Belitza), Lößnig (1014 in burchwardo Lesnic in pago Zcudici) sowie Groß- und Kleinwiederitzsch (1091 Wideriz).

Wie oben bereits gezeigt wurde, können einige Gewässernamen und auch der Name der Stadt Leipzig auf eine indogermanische Ableitungsbasis zurückgeführt werden. Insgesamt sind unter den geographischen Namen des Stadtgebietes Leipzig überwiegend slawische und deutsche Bildungen vertreten, wobei die deutschen leicht überwiegen.

Ortsnamen und ihre Herleitung

Ortsnamen und ihre Herleitung (Entwurf: Inge Bily, nach Eichler u. Walther 2010, S. 358, Karte 7; Kartenredaktion/Kartographie: Silke Dutzmann)

Die Ortsnamen Bösdorf (zum altsorbischen Personennamen *Bog bzw. *Boj) und Meusdorf (zum altsorbischen Personennamen *Mič) sind slawisch-deutsche Mischnamen. Die Umkehrung, deutsch-slawische Mischnamen, d.h. die Verbindung eines deutschen Personennamens mit einem slawischen ortsnamenbildenden Suffix, fehlt hingegen.

Allerdings begegnen auch einige Ortsnamen, die auf der Grundlage ihrer historischen Überlieferung sowie der gegenwärtig zur Verfügung stehenden sprachwissenschaftlichen und namenkundlichen Nachschlagewerke oder vorhandener Vergleichsnamen (noch) nicht erklärt werden können, so z.B. der Ortsname Dösen, der möglicherweise slawisch ist. Eine altsorbische Grundform kann jedoch hier nicht sicher rekonstruiert werden. Eventuell ist auch mit einer slawisierten indogermanischen Grundlage (evtl. ein Gewässername) zu rechnen.

Wie in anderen Regionen des deutsch-slawischen Siedlungs- und Sprachkontaktes, so unterlagen auch in diesem Gebiet die aus dem Slawischen herzuleitenden Ortsnamen überwiegend einer zumindest lautlichen Anpassung an das Deutsche (Eindeutschung), vgl. z.B. die Ortsnamen Mockau und Mölkau mit Eindeutschung des slawischen -ov-Suffixes als deutsch -au. Der Erstbeleg des Ortsnamens Liebertwolkwitz (1040 Niwolkesthorp) mit -thorp stellt einen frühen Eindeutschungsversuch des altsorbischen Ortsnamens dar, der sich nicht durchsetzte, vgl. den Beleg von 1262 Newolkuitz.

Scheinbare sekundäre semantische Verankerung

Auch scheinbare sekundäre semantische Verankerung, d.h. Umdeutung von Ortsnamen, die nicht mehr verstanden wurden, ist belegt, vgl. Sellerhausen und Zuckelhausen. Bei Sellerhausen (altsorbische Grundform *Želidrož, zum altsorbischen Personennamen *Želidrog) stand die slawische Endung -ož dem deutschen -hūs ‘Haus’ lautlich nahe und wurde durch dieses ersetzt. Hier ist von einer Analogiebildung zu Zuckel-, Burg-, Holz- und Seehausen im Umkreis von Leipzig auszugehen. Das Erstglied des Ortsnamens Sellerhausen blieb bei der Eindeutschung undurchsichtig. So wurde Želidr- zu Selder- umgestaltet. Da der Ort nahe der Kohlgärten lag, deutete man den Namen in jüngerer Zeit mundartlich um in ‘Selleriehausen’. Bei Zuckelhausen (altsorbische Grundform *Sukołazy (Plural) bzw. *Sukołozy (Plural), Bewohnername aus altsorbisch *suk ‘Ast, Knorren’ und *łaz ‘Rodung’, *łaziti ‘kriechen’ oder *łoziti ‘die Waben aus den Waldbienenstöcken herausschneiden’) wurde, wenn das Zweitglied łaz- angenommen wird, dieses zu -los- verdumpft. Erst im 16. Jahrhundert erfolgte eine Angleichung an die deutschen Ortsnamen auf -hausen.

Deutsche Ortsnamenbildungen

Simplizia, d.h. einfache deutsche Ortsnamenbildungen, sind viermal belegt, vgl. die Ortsnamen Anger (mittelhochdeutsch anger ‘ungepflügtes wildgrünes Grasland’, später ‘Dorfweide, Dorfplatz’), Hänichen (mittelhochdeutsch hagen, das in der Mundart zu hān monophthongiert und später zu ē umgelautet wurde) sowie Hohen- und Probstheida (mittelhochdeutsch heide ‘ebenes, unbebautes, wildbewachsenes Land, Heide’).

Komposita, d.h. Zusammensetzungen, bilden die Mehrheit der deutschen Ortsnamen des Stadtgebietes,

wobei das Grundwort -dorf mit 14 Nachweisen am häufigsten vorkommt. In neun Fällen verbindet es sich mit einem deutschen Personennamen, vgl. u.a. Baalsdorf (zum Personennamen Bald(u)win), Engelsdorf (zum Personennamen Engelrīch) und Gundorf (zum Personennamen Gundo, Gunno). Fünf der -dorf-Namen haben eine appellativische Ableitungsbasis, vgl. Crottendorf (‘Krötendorf’), Windorf (‘Wendendorf’) sowie drei Orte mit dem Namen Naundorf, und zwar Abt-, Knaut- und Zwei- (Ober-, Nieder-)Naundorf (Siedlungen ‘(Zum) neuen Dorf’). An zweiter Stelle steht in der Häufigkeit das Grundwort -feld, das in vier deappellativischen Ortsnamen belegt ist, vgl. Breitenfeld ‘Siedlung am weit ausgedehnten Feld’, Hirschfeld ‘Siedlung am Hirschfeld’, Schönefeld ‘Siedlung auf der schönen Flur’ und Sommerfeld ‘Rodungsort auf dem der Sommerseite (Sonnenseite) zugewandten Feld’.

Neben -dorf und -feld sind noch weitere Grundwörter belegt, und zwar (vgl. die Angabe der Frequenz in Klammern): -hausen (4), -berg (3), -au (2), -tal (2), -bach (1), -brunn (1) und -hain (1), vgl. z.B. die Ortsnamen Burghausen ‘Siedlung am/im Birkengehölz’, Knautkleeberg ‘Siedlung am Hang, der mit Klee bewachsen ist’, Lindenau ‘Siedlung in der Lindenaue’, Lindenthal ‘Siedlung im Lindental’, Rehbach ‘Siedlung am Bach, wo sich Rehe einfinden’, Marienbrunn ‘Marienbrunnen’ und Knauthain ‘Rodungsort eines Angehörigen der Adelsfamilie Knaut’.

Bei den Ortsnamen Sellerhausen und Zuckelhausen handelt es sich um sekundäres -hausen, das auf scheinbare sekundäre semantische Verankerung (Umdeutung) der ursprünglich slawischen Ortsnamen zurückgeht.

Unter den deutschen Bildungen ist auch eine Zusammenrückung aus der niederdeutschen syntaktischen Gruppe al-to-nā ‘all zu nah’ (Alten)

und ein Satzname †Pflückuff (Flickert) ‘Pflüge (den Boden) auf’ zu nennen.

Grünau und Heiterblick sind jüngere Bildungen.

Slawische Ortsnamenbildungen

Erwartungsgemäß ist die Suffigierung häufigstes Wortbildungsmittel der slawischen Ortsnamen.

Mit dem -in-Suffix wurden possessivische Ortsnamen aus slawischen Personennamen gebildet, vgl. den Ortsnamen Gottscheina (*Chotčin-, *God-šin- oder *Godčin-).

Zu nennen sind weiterhin die folgenden suffigierten Bildungen: so mit dem possessivischen -ov-Suffix der Ortsname Mölkau (*Miłkov- bzw. *Mil’kov-)

und mit dem ebenfalls possessivischen -j-Suffix der Ortsname Groß-, Kleinwiederitzsch (*Vidoraź).

Weiterhin sind die folgenden suffigierten Ortsnamen belegt:

mit dem -ica-Suffix: Eutritzsch (*Udrica) und Stötteritz (*Stodorica),

mit dem -ica- bzw. -’c-Suffix: Dölitz (*Dolica bzw. *Dol(e)c),

mit dem -’c-Suffix: Stünz (*Sduńc),

mit dem -nica-Suffix: Reudnitz (*Rud’nica),

mit dem -ovica-Suffix: Plagwitz (*Płachtovica),

mit dem -ov-Suffix: Mockau (*Mokov-),

mit dem -uš(a)-Suffix: Gohlis (*Gołuš(a)),

mit dem -’e-Suffix: Leutzsch (*Łuč’e),

mit dem -n-Suffix: Kleinpösna (*Pěs-n-) und Lausen (*Łužno),

mit dem -nik-Suffix: Lößnig (*Lěśnik)

und mit dem -jane-Suffix: Lützschena (*Łučane, *Łučěne).

Außerdem sind zu vergleichen: mit dem -ica- bzw. -ici-Suffix die Ortsnamen Böhlitz (*Bělica, evtl. auch *Bělici) und Quasnitz (*Kvas-nici oder *Kvaśnica).

Zu den suffigierten slawischen Bildungen ist ebenfalls der Name der Rietzschke (*Rěčica bzw. *Rěcka, zu altsorbisch *rěka ‘Bach’) zu stellen.

Das Suffix -ici bzw. -ovici, das der Bildung von Patronymika, d.h. von Ortsnamen mit der Bedeutung ‘Siedlung der Leute eines …’ dient, tritt uns eingedeutscht überwiegend als -itz (bei den -ici-Bildungen) und als -witz (bei den -ovici-Bildungen) entgegen, vgl. zu den -ici-Bildungen die Ortsnamen Göbschelwitz (*Godisłavici), Groß- und Kleinmiltitz (*Miletici) und Portitz (*Borętici). Zu den -ovici-Bildungen gehört der Ortsname Liebertwolkwitz (*Nivołkovici).

Um ein slawisches Kompositum handelt es sich beim Bewohnernamen Zuckelhausen (*Sukołazy oder *Sukołozy).

Neben einer Bildung mit dem -jane-Suffix (Lützschena) ist ebenfalls ein Bewohnername mit dem -ovici-Suffix belegt, vgl. Connewitz (*Końovici).

Nur vereinzelt begegnen slawische Ortsnamen, bei denen die Namenbildung durch semantische Wortbildung erfolgte, d.h. ohne Beteiligung eines ortsnamenbildenden Suffixes und rein äußerlich durch den Übergang eines Appellativums zum Ortsnamen, vgl. Möckern (*Mokrina) und Plaußig (*Pl’usk).

Deutsche Personennamen in Ortsnamen

Folgende deutsche Personennamen sind in den untersuchten Ortsnamen belegt: Bald(u)win (Baalsdorf), Būn(i) (Paunsdorf), Engelrīch (Engelsdorf), Gundo (Gundorf), Hartmar (Hartmannsdorf), Maria (Marienbrunn, Marienthal), Rīkmar (Rückmarsdorf), Volkwart später Volkmar (Volkmarsdorf) sowie der Familienname Knaut (< althochdeutsch Knūt(e)) (Knauthain).

Slawische Personennamen in Ortsnamen

In den slawischen Ortsnamen können eine Reihe slawischer Personennamen nachgewiesen werden, so die zweigliedrigen slawischen Vollnamen *Vidorad (Groß-, Kleinwiederitzsch), *Godisłav (Göbschelwitz) und *Nivołk (Liebertwolkwitz),

außerdem die slawischen Kurznamen *Čachor(a) bzw. *Čacher (Groß-, Kleinzschocher), *God-š bzw. *Godk (Gottscheina), *Miłk bzw. *Mil’k (Mölkau), *Mileta bzw. *Miłota (Groß-, Kleinmiltitz), *Boręta (Portitz) und *Těch(e)l’ bzw. *Těchoł o.ä. (Thekla), und in den beiden slawisch-deutschen Mischnamen die slawischen Kurznamen *Mič (Meusdorf) und *Bog bzw. *Boj (Bösdorf).

Benennungsmotive: Naturnamen und Kulturnamen

Hinsichtlich ihres Benennungsmotivs sind die aus Appellativa abgeleiteten deutschen wie auch slawischen Ortsnamen mehrheitlich den Naturnamen zuzuordnen. Zu dieser Gruppe gehören geographische Namen, die einen Hinweis auf unterschiedliche natürliche Gegebenheiten enthalten, wie z.B. auf die Höhenlage einer Siedlung oder ihre Lage in einem Tal, vgl. dazu u.a. den slawischen Ortsnamen Dölitz (*doł ‘Tal’).

Ebenfalls zu den Naturnamen gehören Ortsnamen, die einen Hinweis auf die Bodenbeschaffenheit enthalten, vgl. den deutschen Ortsnamen Ehrenberg (mittelhochdeutsch ern, eren ‘Erdboden, Grund’; irdīn, erden ‘aus Erde, irden’), hier wohl in der Bedeutung ‘aus Lehm, Ton bereitet oder bestehend’, außerdem Thonberg (mittelhochdeutsch dahe, tahe ‘Ton’) und Seehausen (mittelhochdeutsch ‘See, Landsee’). Auch slawische Ortsnamen enthalten in ihrer Ableitungsbasis oftmals einen Hinweis auf die Bodenbeschaffenheit, vgl. Gohlis (*goły ‘kahl, leer’), Reudnitz (*ruda ‘Raseneinsenerz, rotbraune Eisenerde’), weiterhin Stötteritz (*stodor ‘Acker auf steinigem Grund’). Das Benennungsmotiv von Stötteritz wird durch die Realprobe gestützt, denn der Ort liegt am Rande eines Kies- und Geschiebegebietes. Außerdem ist Kleinpösna (*pěs ‘Sand’ bzw. Adjektiv *pěśny ‘sandig’) zu nennen. Möglicherweise handelt es sich beim Namen von Kleinpösna um den ursprünglichen Namen des Pösgraben, der dann als ‘Sandbach’ zu interpretieren wäre. In der Flur ist noch heute Sandabbau anzutreffen.

Zahlreich sind die slawischen Ortsnamen, die einen Hinweis auf eine feuchte Stelle bzw. auf Wasser geben, so:

Lausen (*ług ‘Grassumpf’ oder *łuža ‘Lache, Pfütze’),

Leutzsch (*łuka ‘Wiese’),

Mockau (*mok ‘Nässe, Feuchtigkeit’),

Möckern (*mokrina ‘nasse, feuchte Stelle’),

Plaußig (*pl’usk ‘Geplätscher’),

Schleußig (*slizky ‘schlüpfrig, feucht’) und

Wahren (*Varim, zu *variti ‘kochen, sieden, wallen’).

Zu den Naturnamen gehören außerdem Ortsnamen, die einen Hinweis auf die Vegetation enthalten, vgl. die deutschen Ortsnamen Burghausen (mittelniederdeutsch barke ‘Birke’), Holzhausen (mittelhochdeutsch holz ‘Holz, Wald, Gehölz’), Knautkleeberg (mittelhochdeutsch klē ‘Klee’), Lindenau und Lindenthal (beide zu mittelhochdeutsch linde, linte ‘Linde’), und außerdem den slawischen Ortsnamen Lößnig (*lěs ‘Wald’ oder *lěśnik ‘Waldbewohner, Waldwärter’ bzw. *lěśniky (Plural)).

Auf das Vorkommen von Tieren weisen einige deutsche Ortsnamen hin, so: Rehbach (mittelhochdeutsch ‘Reh’), Crottendorf (mittelhochdeutsch krot(e), krotte ‘Kröte’) und Hirschfeld (mittelniederdeutsch hert(e), mittelhochdeutsch hirze ‘Hirsch’). Auf Eigenschaften der Landschaft deuten die deutschen Ortsnamen Schönau und Schönefeld (beide mittelhochdeutsch schœn(e) ‘schön, anmutig’) sowie Breitenfeld (breit ‘weit ausgedehnt, breit’) und Sommerfeld (mittelhochdeutsch sumer ‘Sommer’).

Zu den Kulturnamen, d.h. den Ortsnamen, deren Ableitungsbasis einen Hinweis auf die Tätigkeit des Menschen enthält, sind zu stellen: die deutschen Ortsnamen Abt-, Knaut-, Zwei- (Ober-, Nieder-)Naundorf (mitteldeutsch nau ‘neu’), Windorf (mittelhochdeutsch wint ‘Wende, Slawe’) sowie der Ortsname Stahmeln. Da Stahmeln an einem Arm der Weißen Elster liegt, der wohl hier Mühlgraben gewesen ist, ist eine Herleitung von mittelhochdeutsch mül(e), mittelniederdeutsch mȫle anzunehmen, denn bis ins 16. Jh. bestand Stahmeln nur aus einem Freigut mit Mühle. Zu den Kulturnamen sind außerdem die folgenden slawischen Ortsnamen zu stellen: Plagwitz (*płachta ‘Tuch; abgeteiltes Flurstück’; Hinweis auf die Flurform) und Stünz (eventuell zu altsorbisch *sdun ‘Töpfer’).

Mehrere Möglichkeiten der Herleitung

Bei einer ganzen Reihe slawischer Ortsnamen sind mehrere (meist zwei) Möglichkeiten der Herleitung in Betracht zu ziehen. Dabei kommt als Ableitungsbasis eines Ortsnamens nicht selten sowohl ein Personenname wie auch ein Appellativum in Betracht, vgl. z.B. den Ortsnamen Böhlitz, für den einerseits eine altsorbische Grundform *Bělica zu altsorbisch *běly ‘weiß, hell’ bzw. zu altsorbisch *běl’ ‘feuchte Wiese’ angesetzt wird, andererseits aber eine altsorbische Grundform *Bělici ‘Siedlung der Leute eines Běł bzw. Běl’’, zum altsorbischen Personennamen *Běł bzw. *Běl’ nicht ausgeschlossen werden kann.

In diese Gruppe gehört ebenfalls der Ortsname Quasnitz, für den eine altsorbische Grundform *Kvas-nici zu einem Personennamen *Kvas-n oder auch altsorbisch *Kvaśnica zu einem Appellativum *kvas ‘Sauerteig’ bzw. ‘saurer Boden’ angesetzt wird. Da die slawischen Suffixe -ica und -ici im Zuge der Eindeutschung, d.h. der lautlichen Anpassung der Slavica an das deutsche Lautsystem, in deutsch -itz zusammenfielen, müssen beide Möglichkeiten der Ortsnamenbildung in Betracht bleiben.

Unterscheidende Bestimmungswörter

Zu einer Reihe von Ortsnamen tritt im Laufe der Überlieferung ein unterscheidendes Bestimmungswort, wie z.B. Hohen- im Ortsnamen Hohenheida. Der ursprüngliche unterscheidende Zusatz windisch (1339 Windysche Heide) benannte diesen Ort im Gegensatz zu Probstheida nach seiner Lage im ehemaligen altsorbisch besiedelten Umfeld. Das später an seine Stelle getretene Bestimmungswort hoch bezog sich auf die Ortslage von Hohenheida in Relation zu der von Taucha (am tiefer gelegenen Parthelauf).

Beim Ortsnamen Probstheida kennzeichnet der jüngere unterscheidende Zusatz Probst die frühere Zuständigkeit des Ortes zum Leipziger Thomaskloster, er diente zur Unterscheidung von Hohenheida.

Bei Knautkleeberg wurde das Bestimmungswort Knaut spät eingeführt, um diesen Ort von Markkleeberg zu unterscheiden. Es bezieht sich auf die Adelsfamilie Knaut, die seit 1298 im Nachbargebiet Knauthain und weiteren Orten, so auch Kleeberg, ansässig wurde.

Mehrere Orte mit dem Namen Naundorf bedurften ebenfalls der Unterscheidung durch differenzierende Bestimmungswörter, vgl. zunächst Abtnaundorf: Hier diente anfangs das Kemmerien (1335 Kemmerien-Nuendorf) der Unterscheidung von den übrigen nahegelegenen Naundorf-Orten. Es weist auf fiskalischen (hier klösterlichen) Besitz hin. Wog- (1263), später Wachaw-, Wachen-, deutet auf einen Leipziger Bürger als Besitzer. In jüngerer Zeit dient Abt- (1652 Abtt Naundorff) nach dem Besitzer, dem Kloster St. Petri in Merseburg, zur Unterscheidung. Knautnaundorf hat sein differenzierendes Bestimmungswort Knaut- nach dem Namen der Adelsfamilie Knaut. Dieser ist auch als Ortsherrschaftskennzeichnung in die Namen Knauthain und Knautkleeberg südwestlich Leipzig eingegangen. Zweinaundorf (auch Ober-, Niedernaundorf) war zunächst nach den beiden Besitzern oder Bauermeistern Kellner bzw. Schumann und Gottschalk benannt; später (1474 Obirnuwendorff) wurde – wohl wegen des Wechsels der Personen – nur mittels der Zusätze nieder und ober differenziert. Seit dem 16. Jahrhundert sind zusammenfassende Benennungen überliefert, wobei trotz des Zahladjektivs (Sammelzahl) beide bzw. des Zahlwortes zwei der Singular beibehalten wurde.

Bei Kleinpösna stand in älterer Zeit für klein der Zusatz wenig (1359 von der weinigen Pezen), lateinisch minor (1324 in minori Pesna).

Nicht zuletzt sei auf die differenzierenden Zusätze groß und klein hingewiesen, vgl. Groß- und Kleinwiederitzsch, Groß- und Kleinmiltitz sowie Groß- und Kleinzschocher.

Mögliche Ortsübernamen

Als mögliche Ortsübernamen, d.h. Spottnamen, können die Ortsnamen Thonberg, Quasnitz und Zuckelhausen angesehen werden.

Empfohlene Zitierweise

Inge Bily: “Geographische Namen und ihre Bildung” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_B_158-die-bedeutung-der-namen/, Stand 29.06.2015

Quellen und weiterführende Literatur

  • Eichler, Ernst (1985, 1987, 1993, 2009): Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße. Ein Kompendium. Bd. 1–4, (Bd. 4 unter Mitarbeit von Erika Weber). – Bautzen.

  • Eichler, Ernst; Lea Elisabeth u. Hans Walther (1960): Die Ortsnamen des Kreises Leipzig (=Deutsch-Slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte 8). – Halle.

  • Eichler, Ernst u. Hans Walther (Hgg., 2001): Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, bearb. von Ernst Eichler, Volkmar Hellfritzsch, Hans Walther u. Erika Weber. Bd. 1–3. – Berlin.

  • Eichler, Ernst u. Hans Walther (2010): Alt-Leipzig und das Leipziger Land. Ein historisch-geographisches Namenbuch (= Onomastica Lipsensia. Leipziger Untersuchungen zur Namenforschung. 7). – Leipzig.

  • Walther, Hans (1998): Ortsnamen (Siedlungs- und Wüstungsnamen). Karte 1:400 000 u. Beiheft. G II 1, in: SAW zu Leipzig u. Landesvermessungsamt Sachsen (Hgg.): Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen. – Leipzig, Dresden.

  • Walther, Hans (2004): Historische Gewässernamenschichten als Zeugnisse der Sprach-, Kultur- und Siedlungsgeschichte. Karte 1:200 000 u. Beiheft. G II 4, in: SAW zu Leipzig u. Landesvermessungsamt Sachsen (Hgg.): Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen. – Leipzig, Dresden.

  • Walther, Hans u. Erika Weber (2010): Deutsche Siedlungsnamen der hochmittelalterlichen Ostsiedlung (1100–1300). Karte 1: 800 000 u. Beiheft. G II 5, in: SAW zu Leipzig u. Landesvermessungsamt Sachsen (Hgg.): Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen. – Leipzig, Dresden.

Bildnachweise

  • Titelbild/Vorschaubild: Geographische Zentralbibliothek, IfL, HK 0619