Kulturhistorischer Ortsspaziergang durch Wandlitz

Von Claudia Schmid-Rathjen – 12/2020

Wandlitz kommt vom slawischen vandelice, das so viel bedeutet wie „Menschen, die am Wasser leben“. Doch mit dem Namen des Ortes verbinden die meisten Menschen zuerst die abgeschottete Wohnsiedlung der DDR-Politbüro-Mitglieder von 1958 bis 1990. Das eigentliche Dorf Wandlitz liegt davon fünf Kilometer entfernt, direkt am Wandlitzer See. Es ist eines der neun Ortsteile der heutigen Gemeinde Wandlitz und deren Verwaltungssitz. Der kulturgeschichtliche Ortsspaziergang präsentiert anhand von zwölf Stationen Wandlitz-Dorf als typisches märkisches Dorf am Rande der Metropole Berlin und als besonderen Ort mitten im Herzen des Naturparks.

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Station 1: Das Barnim Panorama – Naturparkzentrum Agrarmuseum Wandlitz zur Kartenansicht >>

Abb. 1: Der Eingang zum Barnim Panorama
Abb. 1: Der Eingang zum Barnim Panorama (Foto: Katja Hauptlorenz)

Das im September 2013 von der Gemeinde Wandlitz neu konzipierte und neu gebaute „Barnim Panorama – Naturparkzentrum Agrarmuseum Wandlitz“ präsentiert die Kulturlandschaft Barnim und ist mehr als ein Museum. Seine Ursprünge gehen bis in das Jahr 1953 zurück. Der heimatbegeisterte Bauer und ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Walter Blankenburg sammelte im Sommer 1953 archäologische Zufallsfunde. Begleitend zu Wandlitzer Straßenbaumaßnahmen wurden 21 Gräber der jüngeren Bronzezeit (Lausitzer Kultur) wissenschaftlich geborgen. Die Idee Walter Blankenburgs, einige dieser Urnenfunde in Verbindung mit anderen von ihm gesammelten, landwirtschaftlichen Kulturgütern auszustellen, nahm rasch Gestalt an. 1955 richtete er zusammen mit seiner Frau Margot in seinem Milchladen eine „Heimatstube“ ein. Mit der Einstellung der Blankenburgschen Milchsammelstelle 1960 im Zuge der Kollektivierung in der DDR gab er diese auf und wurde hauptamtlicher Leiter des nunmehr staatlichen „Heimatmuseums Wandlitz“ und leitete dieses bis 1971. Seine Nachfolgerin wurde Sigrid Papendieck, die spätere Dr. Sigrid Jacobeit (Leiterin 1971–1980), die dem nunmehr als „Museum der agraren Produktivkräfte“ geführten Haus museale Professionalität mit volkskundlichem Schwerpunkt verlieh. 1975 wurde gegenüber des Heimatmuseums eine neue Ausstellungshalle erbaut, um in der Ausstellung „vom Ich zum Wir“ die Geschichte der sozialistischen DDR-Landwirtschaft zu präsentieren. Im Laufe der Jahrzehnte führten das Museum Hans-Ulrich Papendieck (1981–2003) und Dr. Christine Papendieck (2006–2019). In den 1980er Jahren erlangte das Museum dank sukzessiv hinzugewonnener landwirtschaftlicher Großgeräte und mit landwirtschaftlichen Themenausstellungen (z.B. „Mechanisierung der Kartoffelproduktion“ (1988) überregionale Strahlkraft. Bis 2010 wurde eine der umfangreichsten agrarhistorischen Sammlungen des Landes Brandenburg mit dem Schwerpunkt Agrartechnikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts auf knapp 2.000 m² Ausstellungsfläche verteilt in drei örtlich zerstreuten Abteilungen präsentiert.

Abb. 2: Dampf-Pflug-Lokomobile
Abb. 2: Dampf-Pflug-Lokomobile (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

In den Zeiten der deutschen Vereinigung wurde das Haus 1990 in „Agrarmuseum Wandlitz“ umbenannt, notwendige Sanierungen sowie Anpassungen der Trägerschaft und die Klärung von Eigentumsverhältnissen von Exponaten und Immobilien ließen jedoch auf sich warten. Der Museumsbetrieb wurde vom neugebildeten Landkreis Barnim 1993 übernommen. Mit Entstehen des Naturparks Barnim 1998 trat ein weiterer Akteur mit Sitz in Wandlitz-Dorf auf. Die Idee der Zusammenarbeit von Museum und Naturpark zu den Themen Landwirtschaft, Umwelt, Natur, Technik und Geschichte war geboren. Komplexe Verhandlungen mit Land, Landkreis und Gemeinde um Flächen, Gebäude, Exponate und Kosten führten zum Neubau des Barnim Panoramas unter alleiniger Trägerschaft der Gemeinde Wandlitz. Der Name wurde in einem öffentlichen Namenswettbewerb ermittelt. Dank EU-Fördermittel konnte ein ansprechendes Bauensemble im Herzen des historischen Dorfkerns entstehen. Das Null-Emissions-Haus, das 2013 sogar den brandenburgischen Baukultur-Sonderpreis gewann, orientiert sich architektonisch am Motiv eines traditionellen Dreiseitenhofes mit Haupthaus (Verwaltungsgebäude) und Nebengebäuden (Stall und Scheune als Ausstellungsbereiche, Schauremise als Unterstellung für landwirtschaftliche Großgeräte und als Werkstattdepot). Markanter äußerer Blickfang des Barnim Panoramas ist eine Dampf-Pflug-Lokomobile von ca. 1900 von der Firma HEUCKE in Gatersleben gebaut.

Die innovative Dauerausstellung „Geformte und Genutzte Landschaft“ ist das Herzstück des Hauses. Auf 1.650 m² Ausstellungsfläche wird die Geschichte des Barnim von der eiszeitlichen Wildnis zur modernen Kulturlandschaft zeitgemäß erzählt. Über 7.500 Exponate, das überwältigende Gros aus dem Sammlungsbestand des traditionsreichen Agrarmuseums, bilden den Grundstock. In sechs Themenräumen wird mit interaktiven Elementen, Audio- und Spielstationen der Besuch zu einem multimedialen Erlebnis, das alle Sinne anspricht. Jeder Raum hat seine Höhepunkte: eine filmische Zeitreise in 300 Sekunden durch 20.000 Jahre Landschaftsprägung, ein Gang durch die „Traktoren-Herde“, Ausblicke aus einer turmartig auskargenden Dachgaube auf den Wandlitzer See, Einblicke zur „Pflugwand“, Überblicke auf einer begehbaren Bodenkarte des Barnims usw.. Hinzu kommen im Außenbereich ein Schaugarten und ein Entdeckerpfad, der den Barnim zu Wasser, zu Land und zu Luft (Baumhaus) abbildet.

Station 2: Ehemalige Kirchschule zur Kartenansicht >>

In den Ursprungszeiten von Schule nach der Reformationszeit als die deutsche Sprache und Schrift populär wurden, verpflichtete man den Küster, Religionsunterricht zu erteilen. Daraus verband sich Küster- und Schulamt. Nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm I. per Edikt von 1717 die Einführung der Schulpflicht unter Aufsicht der Kirche verfügt. Aber Schule auf dem platten Land ging ihre eigenen Wege. In Wandlitz hatte sich der Küster um 1770 mit den Kindern mehr um eine Baumschule im Küstergarten und eine Maulbeerbaumplantage gekümmert als um Lesen und Schreiben. Überhaupt kamen die wenigsten Dorfkinder zur Schule. Sie hatten keine Zeit zum Lernen, denn sie mussten zu Hause auf dem Hof und im Feld helfen.

Die alte Schule in Wandlitz wurde 18351836 als Fachwerkbau errichtet. Auf der einen Seite war eine Lehrerwohnung, auf der anderen Seite die Schulstube. 1867 erhielt das Gebäude massives Mauerwerk und einen Anbau, so dass nunmehr Lehrerwohnung und zwei Schulräume zur Verfügung standen. 1884 wurde die Schule von ca. 120 Kindern besucht und ein Erweiterungsbau nach dem Garten wurde fällig.

Abb. 3: Ehemalige Kirchschule
Abb. 3: Ehemalige Kirchschule (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Im 19. Jahrhundert war in der alten Kirchschule auch das seit 1910 hauptamtlich geführte Gemeindebüro untergebracht. In den 1930er Jahren zog die Gemeindeverwaltung in den Ortsteil Wandlitzsee in das Gebäude des heutigen Rathauses.

Da Wandlitz bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Zuzugsgemeinde galt, wurde ein größerer Schulneubau nötig. 1912 kam es in der Breitscheidstraße, ca. 200 m Richtung Bahnhof Wandlitz entfernt, zum Neubau einer Dorfschule. Mit sechs Klassenzimmern und einem großzügigen Schulhof mit Bolzplatz und Waldanteil – und für Dörfler nutzbare Wannenbäder im Keller – war diese Schule ein modernes Schmuckstück des Ortes. Fast 100 Jahre beschulte sie Generationen von Kindern. 2009 wurde sie von einer nochmals vergrößerten Grundschule abgelöst, die an der Prenzlauer Chaussee, der Wandlitzer Hauptverkehrsader, einen Kilometer vom Dorfkern entfernt, erbaut wurde. Als Nachfolgenutzung kam das leergezogene Schulgebäude zum Gebäude-Ensemble des Barnim Panoramas und dient seit 2013 als Verwaltungsgebäude des Barnim Panoramas und Sitz der Naturparkverwaltung Barnim.

Station 3: Friedenseiche zur Kartenansicht >>

Die Wandlitzer Friedenseiche wurde 1872 gepflanzt. Es ist ein Memorialbaum, der an die Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 erinnern soll. Dass die Eiche zum vermeintlichen deutschen Baum avancierte, ist ein Mythos und ein politisches Relikt der Kaiserzeit: Was den Städten der Bismarckturm, war den Dörfern eine deutsche Eiche.

Abb. 4: Friedenseiche
Abb. 4: Friedenseiche (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Die Friedenseiche ist ein Naturdenkmal und als solches gekennzeichnet. Sie machte im Jahr 2002 ihrem Image der Stärke und Standhaftigkeit alle Ehre: Sie trotzte dem Orkan, der am 10. Juli 2002 Wandlitz heimsuchte und im Dorf eine Schneise der Verwüstung hinterließ. Hunderte Bäume wurden entwurzelt, stürzten um und zerstörten Häuser, Gärten und Fahrzeuge. Allein im Wandlitzer Dorfkern mussten aus Sicherheitsgründen 150 Bäume gefällt werden. Zwar konnten einige Neupflanzungen aus einem Nothilfefonds des Landkreises erfolgen, aber Wandlitz-Dorf hatte sein grünes Gesicht verloren. Der alte Baumbestand an Dorfstraßen datiert auf 1910–1912 zurück. Eine der schönsten erhaltenen Alleen ist die Verbindungsstraße zwischen Wandlitzsee und Dorf, der Lange Grund. In der Breitscheidstraße, die zum Bahnhof Wandlitz führt, ist eine seltene sogenannte Doppel-Allee zu finden, hier säumen Bäume sowohl die Straße als auch den einseitigen Fußweg.

Gleich bei der Friedenseiche angrenzend zum Kirchfriedhof liegt das Wandlitzer Kriegerdenkmal von 1922. Es erinnert an 30 im Ersten Weltkrieg gefallenen Wandlitzer. Gestaltet von Prof. Kurt Hermann Hosäus (1875–1958), einem Meisterschüler von Reinhold Begas (1831–1911), zeigt es ein Relief eines Reiters zu Pferde, das Prof. Hosäus als Bronzeskulptur „Nach dem Kampf“ entwarf. 1994 wurde auf Initiative des wiedergegründeten Wandlitzer Schützenvereins 1888 e.V. eine Zusatztafel für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges angebracht.

Station 4: Dorfkirche zur Kartenansicht >>

Abb. 5: Dorfkirche
Abb. 5: Dorfkirche (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Die Dorfkirche ist zum Wahrzeichen von Wandlitz geworden. Ihre Silhouette ziert seit Jahrzehnten Wappen und Siegel der Gemeinde Wandlitz.

Die Kirche liegt strategisch günstig und leicht erhöht auf dem sogenannten Kirchberg. Dieser Platz bildet das Zentrum des mittelalterlichen Rundlingsdorfes, das Siedler im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts errichteten als die askanischen Markgrafen zur Besiedlung Brandenburgs aufriefen. Im Zuge dieser sogenannten mittelalterlichen Ostkolonisation zwischen Elbe und Oder kamen vorwiegend Bauern aus dem Gebiet zwischen Harz, Elbe und Saale nach Wandlitz. Planmäßig siedelten sie unter Führung eines sogenannten Lokators und gründeten neben den bereits hier lebenden Slawen ihr Dorf.

Diese Landnahme im klassischen Stil eines Siedlerkolonialismus war nachhaltig. Die Eroberungen erfolgten mit Schwert, Kreuz und Pflug. Hier im Barnim, der vorwiegend schlechte bis mäßige Ackerflächen bot und eher als Transitzone bis zur Oder gesehen wurde, erfolgte die systematische Ansiedlung ohne bewaffnete Kämpfe gegen hier lebende Slawen. Gleichwohl wurde unmittelbar nach der deutschen Landnahme hier am zentralen kultischen Dorf-Mittelpunkt eine christliche Kirche für die deutschen Zuwanderer ebenso wie für die bekehrten Slawen als Zeichen der neuen Zeit gebaut. Wenn auch historisch nicht eindeutig belegt, sondern eher plausibel hergeleitet, hat diese erste christliche Kirche den slawischen Kultplatz „überformt“.

1242 wurde Wandlitz erstmals urkundlich erwähnt, weil die Markgrafen eine Reihe von Barnim-Dörfern an die Zisterzienser-Mönche in Lehnin verkauften. Die Lehniner Mönche betrieben – weltlichen Kolonistenmanagern gleich – einen systematischen Landerwerb im Barnim und verwalteten ihre Besitzungen von Klostergutshöfen (lateinisch “grangia”) aus. Wandlitz blieb für fast 300 Jahre ein Klosterdorf. Erst mit der Reformation in Brandenburg wurde der Klosterbesitz 1539 säkularisiert. Wanditz fiel 1542 zurück an den brandenburgischen Kurfürsten und wurde fortan vom kurfürstlichem Amt als Domäne verwaltet.

Historisch verbürgt sind drei Phasen der Kirchenbaugeschichte:

  1. Das christliche Gotteshaus wurde im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts mit zwei romanischen Eingängen erbaut. Aus dieser Zeit ist das Gemäuer bis in Türhöhe an der Westseite des Turmes noch erhalten.

  2. Im 16. Jahrhundert wurde auf den Resten des alten Mauerwerks der noch heute zum Teil erhaltene spätgotische Granitbau gesetzt.

  3. Ab 1715 bekam die Kirche mit dem dreiseitigen Ost-Abschluss eine Apsis. Gleichzeitig wurde der südliche Fachwerkvorbau als Leichenhalle angebaut. 1750 waren die Kirchenarbeiten mit Satteldach, Dachreiter und verbrettertem Querturm abgeschlossen. Im Innern ist ein hölzerner Kanzelaltar aus dem Jahre 1716 sehenswert.

Abb. 6: Die Remler-Orgel
Abb. 6: Die Remler-Orgel (Foto: Wilhelm Evermann)

Im 18. Jahrhundert genügte die kleine Dorfkirche. Erst mit dem neu gegründeten Kaiserreich und seinen Hochzeiten ab 1880 kam die Moderne auch nach Wandlitz und der Ort vor den Toren der aufstrebenden Metropole Berlin wuchs durch Zuzug. Mit den Neubürgern kamen auch neue Berufe wie Bäcker, Schuhmacher, Kolonialwarenhändler usw. ins Dorf und die Kirche wurde zu klein. 1878 wurde eine Empore in L-Form eingezogen. Auf die Westempore kam im Jahre 1879 eine Orgel von Wilhelm Remler (1824–1856). Remlers Orgeln zeichnen sich durch sehr gute Materialauswahl und handwerkliche Qualität aus. Sie gelten nicht umsonst als künstlerisch hochrangige Instrumente mit vielfältigen Klangmöglichkeiten. Die Wandlitzer Remler-Orgel hat insgesamt ca. 350 Pfeifen. Die Prospektpfeifen, also die sichtbaren Pfeifen, sind aus Zinn, der Rest aus Holz. Die längste Pfeife, der Subbass, ist 2,40 m hoch, die kleinste Pfeife nur wenige Millimeter (ca. acht bis zwölf Millimeter) groß. Leider erlitten sämtliche Prospektpfeifen der Wandlitzer Remler-Orgel das Schicksal, für Kriegszwecke beschlagnahmt und eingeschmolzen zu werden. Entweder bereits vollständig im Ersten oder spätestens im Zweiten Weltkrieg gab es in Wandlitz keine einzige originale Remler-Metallpfeife mehr. Sie wurden durch Zink-Pfeifen ersetzt. Erst mit der 2016 abgeschlossenen Sanierung konnte der Originalzustand nach Remler wieder hergestellt werden. Die jüngsten sehr umfangreichen mehrjährigen und 2018 abgeschlossenen Sanierungen der Kirche betrafen den gesamten Dachstuhl sowie den Westturm.

Abb. 7: Der Altar der Kirche mit einer Bronzeplastik von Ernst Barlach im Vordergrund
Abb. 7: Der Altar der Kirche mit einer Bronzeplastik von Ernst Barlach im Vordergrund (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

In der Innenausstattung weiter sehenswert sind die beiden Apsisfenster mit Glasmalereien des Berliner Glasgestalters Gerhard Olbrich (1927-2010). Sie wurden zu den Themen Christi Geburt und Tod von dem Wandlitzer Ehepaar Striemer 1956 gestiftet. Seit 2012 hat ein anonymer Wandlitzer Bürger der Evangelischen Dorfkirche als Dauerleihgabe eine Bronzeplastik von Ernst Barlach (1870-1938) gestiftet. Der „Lehrende Christus“ (1931) steht im Altarraum und ist als Schmuckstück der expressionistischen Moderne eines von 14 nach 1950 in Bronze gegossenen Exemplaren.

Um die Wandlitzer Dorfkirche ruhen die Toten von acht Jahrhunderten. Einst hatte jede Familie ihren eigenen Begräbnisplatz. Heute finden sich nur noch wenige Grabsteine um die Kirche, darunter Louis Barth (verst. 1907) „Besitzer des Wandlitzsees, Fischermeister“ oder die Grabstätte der „Familie August Klein“, (verst. 1922) einstiger Besitzer des Seekrugs in Wandlitzsee. Bis zur Schaffung eines kommunalen Friedhofs samt Kapelle im Jahre 1912 war der Wandlitzer Kirchfriedhof die einzige Ruhestätte für fast sieben Jahrhunderte.

Station 5: Ehemaliger Kaufladen zur Kartenansicht >>

Der Kaufladen Sperling direkt gegenüber der Kirche gehörte um 1890 mit zu den ersten im Dorf. Der Berliner Apotheker Karl Hildebrandt eröffnete darin von 1921 bis 1927 die erste Apotheke. Später betrieb den Laden Kaufmann Schultz. Seit Mitte der 1950er Jahre wurde er als Konsum übernommen und als solcher bis Anfang der 1990er Jahre geführt. Nach der Rückübertragung an die Eigentümer erfolgte eine grundlegende bauliche Rekonstruktion und der Ausbau zum heutigen Wohnhaus. Das kleine Nebengebäude war in den 1920er Jahren ein Schuhreparaturgeschäft – geführt von F. Schönewald. Dahinter verbirgt sich Frieda Schönewald, die Ehefrau eines Lokomotivführers.

Abb. 8: Der ehemalige Kaufladen
Abb. 8: Der ehemalige Kaufladen (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Der Kolonialwarenladen Schröder nahe der Friedenseiche in der Kirchstraße war nicht nur Wohnhaus und Lebensmittelpunkt der Wandlitzer Heimatdichterin Clara Schröder (1856–1940), die sehr viel über Hochzeiten und Erntefeste schrieb. Dort gab es neben allerlei Waren, die Dorfbewohner benötigten, auch Nachrichten – wichtige und weniger wichtige, jedenfalls interessante, über Wandlitz und die weite Welt. Diese kleinen Dorflädchen, in denen (nebengewerblich) Lebensmittel und Gemischtwaren verkauft oder Dienstleistungen (u.a. Bäcker, Schlachter, Schuhreparatur) angeboten wurden, waren seinerzeit Zeichen dafür, dass die Moderne Einzug ins märkische Dorf Wandlitz hielt. In den Jahren 1880–1910 wurde das seit über 300 Jahren im Bevölkerungszuwachs stagnierende Dorf durch Neuansiedlungen Richtung Prenzlauer Chaussee erweitert. Der Ortsteil „Neu-Wandlitz“ rund um den Bahnhof entstand. Mit der räumlichen Ausdehnung differenzierte sich auch das Sozialgefüge. Neben armen verschuldeten Kleinstbauern (Büdner, Kossäten) zogen Bauern und Menschen mit neuen Berufen nach Wandlitz. Das Dorf fand Anschluss an den Zug der Zeit – im wörtlichen Sinne. Der Motor der Moderne für Wandlitz war der Bau der Eisenbahnstrecke Berlin – Groß Schönebeck. Die Niederbarnimer Eisenbahn, im Volksmund „Heidekrautbahn“, eröffnete 1901 den Bahnhof Wandlitz. Eine 1905 errichtete Bedarfshaltestelle in Wandlitzsee verfestigte sich zum zweiten Bahnhof. Seit 1923 lockte das gemeindeeigene Seebad (heute Strandbad Wandlitzsee) die Hauptstädter an. Ein typisches Produkt seiner Zeit, gedacht zur Hebung der „Volkshygiene“, entpuppte es sich rasch zum Touristenmagneten und als „Badewanne der Berliner“. Es waren die Eisenbahn und die Naturschönheiten von Wandlitz und Umgebung, die den Ort von einem Bauern- und Fischerdorf zum Ausflugsort machten. Sichtbares Zeichen dieser Entwicklung war das 1928 sehr repräsentativ gebaute Bahnhofsgebäude mit Hotel und Ladenkolonien unmittelbar gegenüber dem Wandlitzer Seebad. Das Gesamtensemble vom Strandbad bis zum Bahnhof verbunden mit Pergolen steht unter Denkmalschutz.

Vom Bau der Eisenbahn hatte manch Wandlitzer Bauer profitiert, der seinen ertragsarmen Ackerboden für gutes Geld verkaufte. Zugleich setzten Bodenspekulationen ein, denn die Eisenbahnbaugesellschaft war gleichzeitig auch Immobilienfirma. Auf ihr Betreiben entstand 19071908 an den „drei heiligen Pfühlen“ mit zehn Sommerhäusern die erste Villenkolonie in Wandlitzsee. Weitere „Terraingesellschaften“ entdeckten die Naturschönheiten von Wandlitz und der Ort blühte auf.

Station 6: Ehemalige Schmiede und Scheune des einstigen Schnitterhauses zur Kartenansicht >>

Auf dem runden Anger des Dorfes, der Wandlitz als eines der wenigen Rundlingsdörfer des Barnims ausweist, befanden sich ursprünglich nur die Kirche und der Kirchfriedhof. Im Laufe der Zeit wurde auch der Anger bebaut. Für Wandlitz ist früh ein ortsansässiger Schmied nachweisbar. Noch heute finden sich an der Ecke Reste der Dorfschmiede. 2015 hat die Gemeinde gemeinsam mit Anwohnern das sogenannte Schmiede-Eck mit Traktorensitzen und drei Fisch-Skulpturen zum ansprechenden Verweilort mitten im Dorfkern gestaltet. Zwischen der Dorfkirche und der Alten Schmiede steht eine Scheune aus dem Jahr 19051906. Das Gelände wurde 1999 von einer jungen Wandlitzer Familie gekauft. In langwierigen Sanierungsarbeiten und mit liebevoller Sorgfalt für Details wurde die Scheune zu einem ökologischen Wohnhaus mit Architekturbüro umgestaltet. Stein um Stein wurde die alte Scheune abgetragen, die alten Klinker einzeln abgeklopft, gereinigt und dann neu aufgemauert. Das neue Bauwerk nutzt regenerative Energien. So finden sich auf dem Dach Solarzellen zur Warmwasserbereitung und zur Heizungsunterstützung und im Inneren trifft man auf Lehmfußboden und Kirschkernlehmdämmung.

Abb. 9: Die ehemalige Schmiede
Abb. 9: Die ehemalige Schmiede (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Einst stand auf diesem Grundstück das sogenannte Lehnschulzen-Arbeiterhaus („Schnitterhaus“), ein zweigeschossiges Wohnhaus für Arbeitskräfte, die auf dem Gut des Lehnschulzen in Brot und Arbeit standen. Als das baufällig gewordene Wohnhaus 1926 abgerissen wurde, blieben nur Stall und Scheune übrig.

Ab Mitte der 1950er Jahre wurde das Gelände von der Maschinen-Traktoren-Station (MTS) genutzt, die an die Zeit der Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR erinnert. Durch den bevorzugten Traktoren-Einsatz in den entstehenden landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sollten die MTS das Tempo der Genossenschaftsbildung beschleunigen.

Als Wandlitz im März 1960 als „vollgenossenschaftlich“ gemeldet wurde, ging der gesamte Technikbestand der MTS an die LPG über. Mitte der 1980er Jahre wurden die von der LPG nicht mehr benötigten Gebäude dem Agrarmuseum als Magazin zur Verfügung gestellt. Mitte der 1990er Jahre erfolgte die Rückübertragung des Grundstücks an den ehemaligen Eigentümer. Er verkaufte die Scheune an jene Wandlitzer Familie, die Sinn für den Erhalt historischer Bauten, regionaltypisches Bauen und modernen Nutzungskomfort hatte.

Station 7: Dorfkrug zur Kartenansicht >>

Abb. 10: Dorfkrug Kulturbühne
Abb. 10: Dorfkrug Kulturbühne (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Die Fassade des Dorfkruges gehört zum denkmalgeschützten Ensemble des Ortskerns um die Dorfkirche in Wandlitz. Seine betriebsamste Zeit hatte der Dorfkrug in den 1920/1930er Jahren. Als eine von vier Gaststätten in Wandlitz war im „Goldenen Löwen“ immer Betrieb. Ob Erntefeste oder Familienfeiern, ob Sportverein, Gesangsverein oder Feuerwehr – der wahrscheinlich zur Jahrtausendwende 1899 auf 1900 erbaute Saal mit Bühne wurde für vielerlei Unterhaltung genutzt.

Erste Erwähnung findet der Dorfkrug bereits um 1450 und ab 1562 ist das Recht des Lehnschulzens auf die Erhebung des Zapfenzinses verbürgt. Von jedem Fass Bier, das im Dorfkrug geflossen ist, profitierte der Gutsherr. Bis 1750 sind die Namen der Krüger dieser Braustätte erwähnt. Ab dieser Zeit wurde dann vom Erbkrüger gesprochen. 1880 kaufte ein Gastwirt aus Werneuchen den Dorfkrug und betrieb ihn erfolgreich.

Der Dorfkrug war zu jeder Zeit kulturpolitischer Mittelpunkt im Dorf – im Guten wie im Schlechten:

• Der verheerende Großbrand von 1847, dem einige strohgedeckte Bauernhäuser und Scheunen rund um den Jünemannplatz zum Opfer fielen, war im Dorfkrug ausgebrochen.

• Im Revolutionsjahr 1848 versammelten sich hier unzufriedene Bauern, um vom Lehnschulzen Dienstfreiheit zu fordern.

• In der Weimarer Republik boten sozialdemokratische Vorträge, die von deutschnationalen und nationalsozialistischen gezielt gestört wurden, Anlass zu handfesten Streitereien im Saal.

• Im gleichgeschalteten Wandlitz zu NS-Zeiten umrahmten jede Feier die entsprechenden Flaggen.

Abb. 11: Eine der Wandlitzer Schinkelleuchten
Abb. 11: Eine der Wandlitzer Schinkelleuchten (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Zu DDR-Zeiten wurde der „Löwe“ 1958 an den Konsum verpachtet und später an den Staat verkauft. In den Jahren 1958 bis 1989 sah die Gaststätte mehr als 20 Betreiber und 1990 gab der letzte Wirt auf. Das Haus wurde sich selbst überlassen und zu einem Sanierungsfall. Lange Jahre war der Dorfkrug juristisches Streitobjekt. Die Gemeinde Wandlitz, die schließlich rechtskräftig Eigentümerin wurde, übernahm die Sanierung. Seit 2010 wird hier ein Drei-Säulen-Konzept für die „Kulturbühne Goldener Löwe“ umgesetzt. Neben Sitzungen kommunalpolitischer Gremien sind Anmietungen für private Feiern und Kongresse möglich und das ganzjährige Kulturprogramm mit musikalischen Events von Klassik bis Disco, mit Comedy und Lesungen, Vorträgen und Ausstellungen wird besonders gut angenommen. Damit hat auch der unter Denkmalschutz stehende Dorfkrug ein allgemein akzeptiertes, modernes Nutzungskonzept seitens der öffentlichen Hand gefunden, das die Tradition bewahrt, dass ein Dorfkrug zum Kernbestand des dörflichen Kulturerbes zählt.

Im Rahmen eines Programms zur Dorferneuerung wurde im Jahr 1999 die Beleuchtung in Wandlitz-Dorf modernisiert. Dabei wurde bewusst für die Aufstellung der nach dem Berliner Baumeister, Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) benannten „Schinkel-Leuchten“ entschieden.

Station 8: Jünemannplatz zur Kartenansicht >>

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die Wandlitzer Gemeindevertretung einstimmig, den Dorfplatz in „Jünemannplatz“ umzubenennen. Damit sollte Karl Jünemann (1881–1945), der erste hauptamtliche Gemeindevorsteher, geehrt werden. Er machte in den Jahren seines Wirkens von 1910 bis 1933 zielstrebig und ehrgeizig das Bauerndorf Wandlitz zum bekannten Erholungs- und Badeort vor den Toren nördlich der Metropole Berlin. Dank seiner Initiativen und Projekte, die er anlegte und die über Jahrzehnte weiterverfolgt wurden, gewinnt auch das neue Logo mit der Wortmarke „Echt schön hier!“, das sich die Gemeinde Wandlitz im Jahr 2017 gab, an Glaubhaftigkeit.

Als 1956 ein sehr großer Findling in der Wandlitzer Kiesgrube gefunden wurde, setzte der Wandlitzer Heimatforscher Walter Blankenburg alles daran, den Findling auf dem Jünemannplatz aufzustellen zu lassen. Es dauerte lange bis 1962 der Stein errichtet war, aber nur Eingeweihte fanden Stein und Platz, denn beides war nicht markiert. Erst die Geschichtswerkstatt Wandlitz konnte mit Unterstützung der Gemeinde 1999 eine Gedenktafel am Findling anbringen. Damit ist Karl Jünemann ein sichtbares Zeichen der Ehrung als verdientem Gemeindevorsteher und als Opfer des Faschismus gesetzt worden.

Abb. 12: Der Jünemannplatz
Abb. 12: Der Jünemannplatz (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

In seiner 23-jährigen Amtszeit wurden Grundlagen geschaffen, von denen Wandlitz bis heute profitiert: das umgestaltete Ortserscheinungsbild mit Kopfsteinpflaster, Baumpflanzungen, elektrische Beleuchtung, Neubau einer geräumigen Dorfschule, ein kommunaler Friedhof mit Kapelle, das Seebad in Gemeindehand, ein Feuerwehrdepot mit einem modernen Überlandlöschzug, eine eigene Post am Ort, ein Sportplatz und vieles mehr. Konsequent arbeitete Jünemann daran, Wandlitz zu einem märkischen Kur- und Erholungsort zu machen. Auch die infrastrukturelle Anbindung wurde verbessert. Neben der Heidekrautbahn wurden regelmäßige Autobuslinien von und nach Berlin eingerichtet. Der private PKW-Verkehr und die Anzahl von Tankstellen nahm zu. In den 1930er Jahren florierten in Wandlitz Gaststätten, Cafés und Hotels. Jünemann betrieb eine gezielte Imagewerbung und aktive Wirtschaftsansiedlung. Er umwarb besonders betuchte Geschäftsleute in Berlin, damit diese ihren Zweitwohnsitz in Wandlitz einrichteten oder eine Filiale am Ort eröffneten.

Doch bereits damals war für die teuren Projekte kaum genügend Geld vorhanden, besonders in wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeiten der 1920er/1930er Jahre. Jünemanns Kritiker tadelten sein Finanzgebaren und seine einsamen Entscheidungen. Wenngleich autoritär auftretend, war Jünemann doch ein liberaler Demokrat. Er saß für die Deutsche Demokratische Partei (DDP), die für den Erhalt und den Ausbau der parlamentarischen Demokratie eintrat, im Barnimer Kreistag. Aber gerade als bürgerlicher Demokrat war er seinen politischen Gegnern, voran den Mitgliedern der NSDAP in Wandlitz, ein Dorn im Auge. Spätestens nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 gab es in Wandlitz keinen Platz mehr für Jünemann. Ein Wandlitzer Bürger hatte ihn als Hitler-Gegner denunziert. Karl Jünemann wurde verhaftet und am 6. Juli 1933 ins Konzentrationslager Oranienburg verbracht. Seine Gesundheit, die schon seit Jahren aufgrund eines Mittelohrleidens angeschlagen war, wurde dort vollends ruiniert. Die Haft hatte Jünemann psychisch gebrochen, Schläge und Gewalt machten ihn körperlich zum Wrack. Nach seiner Entlassung aus dem KZ am 25. Juli 1933 musste er mit Familie binnen 24 Stunden Wandlitz für immer verlassen. Ein schweres Nervenleiden stellte sich ein, weswegen sich Jünemann in die Obhut der Heilanstalt Eberswalde begab. Dort verstarb er am 21. Januar 1945.

Station 9: Bauernhäuser – Landhäuser zur Kartenansicht >>

Wandlitz erlebte nach der Bauernbefreiung im 19. Jahrhundert eine langwierige und komplizierte Flurbereinigung, die sogenannte Separation. 1818 in die Wege geleitet, wurde sie in Wandlitz nach heftigen Bauernprotesten und gerichtlichen Streitigkeiten um eine gerechte Neuaufteilung der Fluren erst 1850 abgeschlossen. Die mittelalterliche Dreifelderwirtschaft war gefallen. Ehedem an die Scholle gebundene Untertanen wurden bedingt selbstständige Bauern. Nunmehr erhielten sie eigene Flurstücke aus zusammenhängenden Ackerstücken – wenn auch z. T. in großen Entfernungen vom Dorf. Sie konnten selbst entscheiden, wie sie ihre Äcker bewirtschafteten. Gleichzeitig brachte die Separation aber auch eine Umwälzung des dörflichen Sozialgefüges. Ende des 19. Jahrhunderts differenzierte sich die Dorfstruktur, da neue Bauern an den Ort kamen. Aber viele fristeten als Kleinstbauern (Büdner, Kossäten) ein kärgliches Dasein.

Abb. 13: Landhaus in der Kirchstraße
Abb. 13: Landhaus in der Kirchstraße (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Die Bauernhäuser waren praktisch ausgerichtet. Auf der Hofstelle stand das Haus und im Haus selbst lag die Wohnstube vorne. Eine Diele führte an der Küche vorbei nach hinten zu zwei Schlafzimmern. Heiratete der Hoferbe, gehörte eine Hausseite dem Altenteil. In der schwarzen Küche, die klein und meist fensterlos war, räucherte man Fleisch und Wurstwaren. Der Hausboden diente als Kornspeicher. Keller wurden erst später zugebaut. Alle Höfe hatten Fachwerkbauten, deren Satteldächer mit Stroh gedeckt waren. Ab 1770 war es Vorschrift, alle Schornsteine zur Verhütung der Feuergefahr massiv zu erbauen. Rohr- oder strohgedeckte Dächer und Scheunen schwanden erst im Laufe der Zeit. Hinter den Bauernhäusern lagen der Hausgarten und meist eine Wiese, wobei auch der Feldbackofen und ein Teich dazu gehörten. Eingefriedet waren die Gehöfte durch Bretter- und Staketenzäune. Wessen Hofstelle zu klein war, der legte seinen Haus- und Nutzgarten in das Gebiet dicht beim See, den sogenannten „Bauerngärten“. Dort werden noch heute bevorzugt Gemüse, Obst und Blumen angepflanzt. Im 19. Jahrhundert mehrten sich die Kaufleute im Ort. Mit dem Wegfall des Mahlzwangs kamen zwei Mühlen nach Wandlitz, durch die mehrere Bäcker ihr Auskommen fanden, allerdings sind die Mühlen heute nicht mehr am Ort. Gab es 1870 nur eine Schlächterei, waren es vor dem Ersten Weltkrieg schon drei (Sewekow, Rehbock, Wolff).

In alten Zeiten vermittelten Kaufleute, Mönche oder Boten Bestellungen und Neuigkeiten. Später gab es „Posten“, die Nachrichten und Personen von einem Ort zum anderen brachten. In Brandenburg gibt es seit 1649 die „Post“ und Wandlitz bekam um ca. 1800 eine Poststation nahe der Dorfgrenze zu Basdorf. Diese wurde 1881 aufgelöst und das Postamt nach Basdorf verlegt. Wandlitz erhielt eine kaiserliche Postagentur, welche beim Kaufmann Gustav Wegener eingerichtet wurde. Von hier aus konnten die Wandlitzer für 2,20 Mark Hin- und Rückfahrt mit der Postkutsche nach Berlin fahren: Morgens um sechs Uhr drei Stunden hin und abends um sechs Uhr drei Stunden zurück.

Heute befindet sich am selben Ort und in der Familientradition des Kaufmanns Wegener sinnfällig das Wandlitzer Reisebüro. Wegener war es auch, der dort im Jahre 1890 den ersten Telefonanschluss von Wandlitz erhielt. Bis 1920 war diese Postagentur im Dorf, anschließend verlagerte sie sich direkt an die Prenzlauer Chaussee in ein Eckhaus. Schließlich wurde ein eigenes Postamt 1928 auf der gegenüberliegenden Straßenseite gebaut. Mittlerweile wurde dieses Gebäude privatisiert und Wandlitz hat seit 2003 wieder eine Postagentur – diesmal im Ortsteil Wandlitzsee, in ein Geschäftszentrum integriert.

Abb. 14: Bauernhaus Töpper
Abb. 14: Bauernhaus Töpper (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Um 1900 erfolgte für das märkische Bauerndorf Wandlitz, ausgelöst durch die Eröffnung der Eisenbahnlinie Berlin ─ Groß Schönebeck (Heidekrautbahn) am 21. Mai 1901, ein Siedlungsschub. Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte des märkischen Bauerndorfes. Wandlitz profitierte von der Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzenden regen Landspekulation und Bautätigkeit. Die Sehnsucht nach einem gesunden Leben in der Natur, in Luft und Sonne war zusammen mit der englischen Sitte des „weekend“, den Sonntag draußen auf dem Lande zu verleben um 1900 mehr als ein Modetrend. Wandlitz mit seinen Seen wurde ein begehrtes Sommerfrische-Ziel. Neben der Eisenbahn fuhren seit 1908 Kraftomnibusse von Berlin direkt an den Wandlitzer und Liepnitzsee.

Begüterte Mittelschichtangehörige wollten sich auch damals schon ein Wochenendhaus oder einen Zweitwohnsitz sichern und sich „Schöner Wohnen im Grünen“ leisten. Am Nordufer des Wandlitzer Sees entstanden daher 19071908 zehn Muster-Landhäuser. Die Landhaus-Kolonie an den „Drei Heiligen Pfühlen“ war Ergebnis eines deutschlandweiten Wettbewerbes für Sommer- und Ferienhäuser, die der Verleger August Scherl in seiner Zeitschrift „Die Woche“ aufgriff. Jury-Vorsitzender war Hermann Muthesius (1861–1927), berühmter Architekt, Vorkämpfer für den Landhausbau nach Vorbild der englischen Wohnkultur und Mitbegründer des Deutschen Werkbundes und der Gartenstadt Hellerau. Von den zehn gebauten Musterhäusern inklusive eines eigenen Wasserturms stehen bis heute noch sieben, zum Teil stark überformt und verbaut, aber auch zum Teil noch gut erhalten und denkmalgeschützt.

Zur weiteren Profilschärfung von Wandlitz als Ausflugsort trug das 1923 eröffnete gemeindeeigene Strandbad bei. Die durch den Zweiten Weltkrieg jäh unterbrochene Wachstumsentwicklung von Wandlitz als bevorzugter Wohn- und beliebter Ausflugsort erfuhr erst in den 1960er Jahren wieder einen Aufschwung. Bedingt durch die politischen Entwicklungen in der DDR kultivierten manche ihren Rückzug ins Privatleben. Ein regelrechter „Datschen-Boom“ setzte auch wegen des Mauerbaus und der eingeschränkten Reisefreiheit ein. Aber auch so manche Ferien- und Urlaubseinrichtungen Volkseigener Betriebe oder anderer Staats- und Parteiorganisationen schossen wie Pilze aus Wandlitzer Boden. Einen weiteren Zustrom erlebte die Gemeinde Wandlitz in den 1990er Jahren als der Boom des Eigenheim-Baues einsetzte. Manche Besitzer eines Wochenendgrundstückes richteten sich nunmehr ein ständiges Zuhause ein. Viele junge Familien wählten im „Speckgürtel Berlins“ Wandlitz als neuen Wohnsitz, nicht zuletzt aufgrund seiner kinderfreundlichen Einrichtungen wie Kita, Hort, Grundschule und Gymnasium. Und nach wie vor wird die Wandlitzer Kulturlandschaft für einen Zweitwohnsitz bevorzugt.

Im Sommer beherbergt Wandlitz fast doppelt so viele Menschen wie es Einwohner hat – ganz wie zu Karl Jünemanns Zeiten vor fast 100 Jahren.

Station 10: Lehnschulzenhaus zur Kartenansicht >>

Hinter dem Tor der Kirchstraße 10 eröffnet sich das Gelände des einstigen Lehnschulzens. Das bis zum Wandlitzer See reichende Grundstück ist heute gemeindeeigen. Bei der planmäßige Ansiedlung zugewanderter Bauern im 13. Jahrhundert nannte man den Anführer des Trecks Lokator oder Schulze. Nach der Niederlassung übte er als Vertreter des Markgrafen die niedere Gerichtsbarkeit aus. Später hatte er das „Schulzen-Gericht zu Wandlitz“ als Lehen erhalten. Dem Lehnschulzen floss ein Drittel der Einnahmen des Dorfgerichtes zu, darüber hinaus gehörten ihm Ländereien in Wandlitz und Umgebung, die Fischereirechte und der Zapfenzins vom Dorfkrug. Von den Bauern erhielt der Lehnschulze Abgaben, wofür er im Gegenzug den Zuchtbullen und -eber unterhalten und seinerseits dem Markgrafen Geldzahlungen leisten musste.

Im 16. Jahrhundert fungierte das Lehngut als Kapitalanlage und das Lehnschulzenhaus diente als Sommersitz. Anfang des 19. Jahrhunderts endete die Erbuntertänigkeit der Bauern und die Landbewohner wurden persönlich frei, das heißt ab 1811 konnten Bauern das von ihnen bewirtschaftete Land erwerben und sich von den Diensten freikaufen. In Wandlitz war diese Separation von starken Protesten begleitet und auch mit Prozessen stritten die Bauern gegen den Lehnschulzen. Es dauerte über 30 Jahre bis im April 1850 in Wandlitz die Separation ihren Abschluss fand. Der Lehnschulze verlegte daraufhin seine Wirtschaftsgebäude auf die ihm neu zugeteilte Feldmark Richtung Basdorf. Der Gutshof hieß ab diesem Zeitpunkt „Emilienhof“ und ab 1934 „Annenhof“. Das dort 1853 errichtete Herrenhaus erhielt 1898 ein zweites Stockwerk. Am 21./22. April 1945 wurde es mit fünf weiteren Häusern des Dorfes gezielt abgebrannt und zwei Frauen der Gutsbesitzerfamilie erschossen. Die Ländereien des letzten Gutsbesitzers, Konsul Schröder, wurden im September 1945 im Zuge der Bodenreform enteignet und aufgeteilt.

Abb. 15: Das einstige Lehnschulzenhaus
Abb. 15: Das einstige Lehnschulzenhaus (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Das Lehnschulzengut am Wandlitzer See wechselte häufig die Besitzer. 1926 erwarb Ferdinand Striemer den alten Hof am See und betrieb dort erfolgreich eine Hühner- und Entenzucht. Als der Zweite Weltkrieg in Wandlitz am 21. April 1945 durch den Einmarsch polnischer und sowjetischer Truppen endete, war es Ferdinand Striemer, der den Alltag – vor allem die Versorgungslage – im befreiten Wandlitz-Dorf in neue Bahnen lenkte. Im Zuge der staatssozialistischen Agrarwirtschaft in der DDR verpachtete er seinen Geflügelhof 1958 an den Magistrat Groß Berlins als Volksgut Berlin-Buch. Bald schon erweiterte das Volkseigene Gut den Geflügelhof: Das Nachbargrundstück wurde hinzugepachtet, die Freigelände-Zucht erweitert, der Uferbereich des Wandlitzer Sees genutzt und für 14 Lehrlinge ein Ausbildungsgang in der Sparte Geflügelzucht etabliert. Im Laufe der Zeit häuften sich die Beschwerden über Geruchsbelästigung und die umfangreiche Seeverschmutzung, da der Wandlitzer See zu kippen drohte. Hartnäckig hält sich im Dorf die Vermutung, dass erst die Intervention des damaligen sowjetischen Botschafters in der DDR, Pjotr Abrassimow, der auf der gegenüberliegenden Seeseite eine Villa zur Nutzung zugesprochen bekam, dem ökologischen Frevel Einhalt gebot.

1971 erfolgte die Schließung des Geflügelhofes und die Lehrausbildung in der Geflügelzucht wurde nach Bernau verlegt. Das Ökosystem Wandlitzer See erholte sich rasch wieder.

Das Gelände des einstigen Lehnschulzenhauses ist das letzte größere und direkt am Wandlitzer See gelegene gemeindeeigene Territorium in Wandlitz-Dorf. Seit 2020 stehen die Zeichen gut: Künftig werden ein Hospiz und ein öffentlicher Bürgergarten der Gemeinde Wandlitz eine sinnvolle und gute Nutzung des einstigen Anwesens des Lehnschulzens bieten.

Station 11: Am Wandlitzer See zur Kartenansicht >>

Wandlitz ist nachweislich ein sehr alter von Menschen bewohnter Ort. Bereits in der Steinzeit durchstreiften Fischer, Jäger, Sammler und Wildbienenzüchter die Seeufer. Wandlitz kann auf mehr als 5.000 Jahre Besiedlung zurückblicken. Zahlreiche Spuren hat die Bronzezeit (1800 v. Chr. – 700 v. Chr.) in der Wandlitzer Flur hinterlassen: Pfeilspitzen, Werkzeug-, Waffenteile, Keramikfunde sowie Brandgräber und Urnenfelder besonders aus der jüngeren Bronzezeit, der Lausitzer Kultur. Von ca. 500 n. Chr. bis zum 12. Jahrhundert war Wandlitz Siedlungsraum für die Slawen.

Abb. 16: Hotel am See
Abb. 16: Hotel am See (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Ausgrabungen dokumentieren hier auf dem Gelände der am weitesten vorgeschobenen Seehalbinsel slawische Siedlungen. Slawisches Erbe lebt vor allem im Wandlitzer Ortsnamen und zahlreichen Flurnamen fort. Jahrhundertelang wurde der Bereich in Seenähe landwirtschaftlich genutzt. Erst in den 1970er Jahren mit der Abwicklung der Enten- und Geflügelzucht des Volkseigenen Gutes Berlin-Buch kam diesem Gelände eine reine Erholungsfunktion zu. Ökologische und ideologische Absichten trafen zusammen. Die enorme Umweltverschmutzung durch die Geflügelzucht wurde gestoppt. Die machtpolitischen Anforderungen der Partei im DDR-Staat taten ein Übriges dazu: Die SED beanspruchte die lukrativsten Grundstücke für sich. In diesem Falle baute die SED-Bezirksleitung Berlin ein Ferien- und Erholungsheim. Sie investierte in Infrastruktur und Parkanlagen. So bot ein gepflegtes und unauffällig bewachtes Parteiheim so manch verdientem Genossen erholsame Tage in Wandlitz. Nach der deutschen Vereinigung wurde das Gelände privatisiert. Nach umfangreichen Sanierungen eröffnete 1997 ein Hotel auf der 20.000 m² großen Parkanlage.

Abb. 17: Stele zum einstigen SED-Erholungsheim
Abb. 17: Stele zum einstigen SED-Erholungsheim (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Der See selbst war einst im Besitz der Lehniner Mönche, dann wieder dem Markgrafen gehörig und unter der Obhut von Lehnschulzen wurde der See im Zuge der Separation vom preußischen Staate privatisiert. 1831 kaufte ihn Christian Friedrich Otto für 5.000 Taler. Anschließend blieb er in Familienbesitz bis er durch das Bodenreformgesetz 1945 aufgrund seiner Größe von 215 ha enteignet und in Volkseigentum der DDR überführt wurde. Auf der Grundlage des Einigungsvertrages vom August 1990 ging der Wandlitzer See dann in Bundeseigentum über. Im März 2003 veräußerte die zuständige Treuhand-Nachfolge-Organisation den See an den Meistbietenden. Leider erhielt die Gemeinde Wandlitz den See weder zu einem symbolischen Kaufpreis überschrieben, noch konnte sie genügend Geld aufbringen, um den Zuschlag im Bieterverfahren zu erhalten, sodass eine Immobilien-Gesellschaft den Wandlitzer See erwarb. Die Gemeinde Wandlitz wurde ein See-Anlieger unter vielen. Sie betreibt nach wie vor als Eigentümerin das Strandbad Wandlitzsee, das im Mai 1999 als Fünf-Millionen-DM-Projekt durch Mittel des Brandenburger Wirtschaftsministeriums, der Europäischen Union und des Landkreises Barnim von Grund auf modernisiert wurde.

Station 12: Freiwillige Feuerwehr zur Kartenansicht >>

In Wandlitz war Feuer einst eine echte Gefahr. Die leichte Bauweise der Häuser mit ihren Rohr- und Strohdächern sowie mangelhafter Brandschutz ließen schnell Brände entstehen. Großbrände wie jene 1847, 1867 und 1911 legten ganze Dorfteile in Schutt und Asche. Seit 1909 waren alle männlichen Einwohner zum Feuerlöschdienst verpflichtet. Der Ortsvorsteher war Brandstellenleiter, der Schmied der Spritzenmeister. Das Geläut der Kirchenglocke und die Töne des Feuer-Horns gaben das Signal zum Einsatz. Der frühere Dorfteich hinter der Kirche fungierte als „Spritzenkute“, wobei die Wandlitzer mit Eimerketten versuchten, den Brand zu löschen. Erst 1888 begann man im Kreis Niederbarnim mit der Bildung freiwilliger Feuerwehren. Ein schwerer Brand mitten im Dorf im Sommer 1911 lieferte in Wandlitz den Anstoß. Am 27. Juni 1911 gründeten 24 Männer unter Federführung des Gemeindevorstehers Jünemann die „Freiwillige Feuerwehr Wandlitz“ und ein Feuerwehrgerätehaus mit Steigerturm wurde erbaut.

Abb. 18: Feuerwehr
Abb. 18: Feuerwehr (Foto: Claudia Schmid-Rathjen)

Der Dorfteich wurde zugeschüttet und ein Tiefbrunnen diente fortan als Löschwasserlieferant. Der heutige Spielplatz überdeckt den einst stinkenden Dorfteich, in den angeblich so mancher Anwohner jeden Morgen seinen Nachttopf entleerte. Seit 1911 wurde der Ausbruch eines Feuers von zahlreichen Meldestellen durch Alarmhörner, seit 1940 durch elektrische Sirenen verkündet. Ob Feuer, Feier oder Politik, die Wandlitzer Feuerwehr kennt viele Einsatzfelder. Nicht nur entwickelte sich die Freiwillige Wehr in Brand- und anderen Katastrophen zum fähigen Helfer, sie ist auch als Gemeinschaft im Dorf eine tragende Säule. Bei den Kommunalwahlen 1990 in Wandlitz wurde sogar ein Vertreter der Feuerwehr in die Gemeindevertretung gewählt. Und aufgrund ihrer attraktiven Jugendarbeit hat die Freiwillige Feuerwehr Wandlitz keine Nachwuchsprobleme. Im Sommer 2000 wurde der moderne Feuerwehr-Ergänzungsbau fertig gestellt. Mit Investitionen in Höhe von über einer halben Million Euro entstand ein denkmalverträglicher Anbau an das historische Gebäude.


Empfohlene Zitierweise

Claudia Schmid-Rathjen: “Kulturhistorischer Ortsspaziergang durch Wandlitz” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/80_e_515-kulturhistorischer-ortsspaziergang-wandlitz/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • SCHMID-RATHJEN, Claudia und Bodo THÖNS (2005): Wandlitz. – Erfurt.

Bildnachweise

  • Vorschau- und Titelbild: Alter Dorfkern von Wandlitz mit Wandlitzsee (Foto: Peter Gärtner)