Die Steine der Bernauer Stadtbefestigung

Von Olaf Juschus – 12/2020

Die ca. 1.500 Meter lange Bernauer Stadtmauer, inklusive ihrer Lughäuser, Rundtürme und Stadttore wurde im 13. und 14. Jahrhundert errichtet. Als Teil der Stadtbefestigung, die mehrfach Angriffen standhielt, hatte sie großen Anteil an der Blütezeit der Stadt im 14. und 15. Jahrhundert. Dieser Beitrag konzentriert sich jedoch nicht auf die kulturhistorischen Aspekte der Stadtbefestigung sondern vielmehr auf ihr wichtigstes Baumaterial: die Feldsteine und ihre wortwörtlich bewegte Geschichte und Herkunft.

1. Einführung

Die in den Bauwerken verarbeiteten Lesesteine wurden im Laufe ihrer Geschichte mehrmals bewegt. Einerseits stammen die Feldsteine der Stadtmauer und der weiteren Befestigungswerke aus der unmittelbaren Umgebung Bernaus. Dort wurden sie während der Bauphase von den Äckern bzw. den Feldrändern aufgelesen, per Ochsenkarren an die Baustelle transportiert und dort verarbeitet. Andererseits war dieser Transport für die Steine nicht der erste. Denn bei allen Feldsteinen in der Stadtmauer ist davon auszugehen, dass es sich um eiszeitliche Geschiebe handelt. Sie wurden also im Eiszeitalter vom Skandinavischen Inlandeis nach Süden transportiert. Und so dokumentieren die Feldsteine in der Stadtbefestigung auch ein gehöriges Stück der Naturgeschichte der Bernauer Umgebung und der Landschaft des Barnim.

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Auch wenn für Brandenburg mindestens drei große Vereisungsphasen nachgewiesen sind, so spielt doch für die Oberfläche des Barnim die jüngste Kaltzeit, die Weichselkaltzeit, die entscheidende Rolle. Vor etwa 20.000 Jahren wurde der Barnim das letzte Mal komplett vom Eis bedeckt. Um Bernau befindet sich daher eine typische, flachwellige Grundmoränenlandschaft. Am Grunde des Eises entstand damals als typische Ablagerung der Geschiebemergel. Da das Eis als recht fester Körper alle Korngrößen, vom feinen Ton über Sand bis hin zu großen Steinen transportieren kann, wird beim langsamen Abschmelzen an seiner Basis dieses Material auch so unsortiert wieder abgelagert. Geschiebemergel enthält daher alle Korngrößen, vor allem die feinen, tonigen Bestandteile sorgen für die beachtliche Fruchtbarkeit der Böden auf dem Barnim. Die für den Ackerbau eher hinderlichen Steine sammelte man nach und nach am Feldrand und transportierte die besten und größten Stücke für den Haus- und Mauerbau in die Städte. Daher muss man davon ausgehen, dass die meisten Steine der Stadtmauer schon bis zu 20.000 Jahren an der Erdoberfläche gelegen haben, bevor sie verarbeitet wurden. Dies lässt sich auch an einigen Oberflächenstrukturen belegen, wie z.B. die regelmäßig vorgefundenen Windschliffe (siehe Kap. 4.2). Umgekehrt muss man aber auch annehmen, dass die Ackerfluren um Bernau noch im Mittelalter extrem reich an großen Geschieben und Findlingen waren. Dieser Reichtum ist mit der Steingewinnung verloren gegangen.

Betrachtet man die Herkunftsgebiete der Gesteine, so fällt auf, dass die allermeisten Stücke von Bernau aus gesehen aus nordnordöstlicher Richtung stammen. So finden sich in der Stadtmauer sehr viele Gesteine aus Südostschweden und der zentralen und nördlichen Ostsee. Das finnische Festland ist mit nur einem, zudem unsicher bestimmtem Exemplar vertreten. Aus Südwestschweden oder gar Norwegen fand sich nicht ein Exemplar. Die Herkunftsgebiete der Geschiebe zeichnen damit sehr gut die ehemalige Bewegungsrichtung des Inlandeises nach.

2. Praktische Hinweise für den Spaziergang

Die folgende Auflistung naturwissenschaftlich interessanter Steine in der Stadtbefestigung konzentriert sich aus praktischen Gründen vor allem auf den östlichen und nördlichen Teil. Die Auflistung der Gesteine beginnt an der Ecke Alte Goethestraße/An der Stadtmauer und verläuft nach Osten über das Steintor immer entlang des Stadtmauerweges bis zum Henkerhaus. Außer einigen Funden am Steintor sind alle Steine auf der der Stadt zugewandten Seite der Mauer zu finden.

In dem beschriebenen Abschnitt befinden sich die am besten erhalten Bereiche und Bauwerke der Stadtbefestigung. Während der hier fehlende südwestliche Abschnitt etwas abseits liegt, wurde der westliche Abschnitt der Stadtmauer nach Restaurationsarbeiten durch Überstreichung künstlich gealtert (Eccarius 2017). Strukturen im Gestein sind daher dort kaum erkennbar. Auf eine Gesteinsbestimmung wurde aus diesem Grunde verzichtet.

Allerdings sind auch im hier vorgestellten Abschnitt die meisten Steine mehr oder weniger stark patiniert, die 700-jährige Geschichte der Stadtmauer ging an den Stücken nicht spurlos vorüber. Daher befinden sich die meisten der hier vorgestellten Stücke in Abschnitten, die relativ frisch restauriert worden sind und die Patinierung nur in Ansätzen aufweisen. Dort sind die Gesteinstrukturen, die für eine sichere Ansprache notwendig sind, meist noch gut zu erkennen. Es sei angemerkt, dass für die Restaurationsarbeiten entweder Altmaterial aus der Stadtmauer wiederverwendet oder auf Geschiebe aus Kiesgruben der Umgebung zurückgegriffen wurde (Eccarius 2017). Ortsfremdes Material, wie bei der Sanierung der Reste der Berliner Stadtmauer geschehen, wurde hier nicht verbaut. Sieht man von der noch frischen Farbe der Gesteinsoberflächen ab, so fügen sich die “neuen” Steine passend in das Gesamtbild der Stadtbefestigung ein.

Für den Spaziergang wird gesteinskundliches Grundwissen vorausgesetzt. Der Autor empfiehlt die aktuell verfügbaren Bücher zur Geschiebebestimmung, z.B. Rudolph 2016 sowie Smed u. Ehlers 2002. Eine Lupe ist zum Beobachten ausgewählter Gesteinsstrukturen zwar hilfreich, aber nicht unbedingt notwendig. Arbeiten mit dem Hammer verbieten sich an der denkmalgeschützten Mauer von selbst. Sowohl bei den patinierten als auch bei den frischen Steinen sind daher einer sicheren Bestimmung der Gesteine Grenzen gesetzt. Fehlbestimmungen bei den aufgeführten Gesteinen können aus diesem Grunde nicht ausgeschlossen werden. Der Autor freut sich über Hinweise anderer Fachkollegen.

Die vorgefundenen Steine wurden mit Hilfe des GPS-Empfängers “Trimble Geoexplorer 6000 GeoXH 3.5G” eingemessen. Bei guten Empfangsbedingungen liegt der Fehler des Gerätes im Dezimeterbereich, kann aber auch wegen der Beschattung durch die Stadtmauer wenige Meter betragen. Zur besseren Orientierung wird für jeden aufgeführten Stein der Stadtmauer auch ein Foto abgebildet, mit dessen Hilfe das Stück eindeutig auffindbar sein sollte. Die Angabe der Koordinaten erfolgt in UTM/ETRS Koordinaten, die mit jedem handelsüblichen GPS-Gerät bzw. Smartphone abgerufen werden können. Die Blattstreifennummer ist stets 33U.

3. Sehr häufige Gesteine der Stadtmauer

Geht man die Stadtmauer langsam ab und betrachtet die sehr verschiedenen Gesteinstypen, aus denen die Steine bestehen, so fällt dem geübten Betrachter schnell auf, dass einige Gesteinstypen immer wieder in der Stadtmauer zu finden sind. Drei Gesteine wurden dabei so häufig vorgefunden, dass sie hier gesondert erwähnt werden: der Jotnische Sandstein, der Braune Ostsee-Quarzporphyr und der Åland-Rapakiwi-Granit. Von allen dreien kann man im Abstand von wenigen Metern entlang der Stadtmauer typische Stücke entdecken. Die Angabe von speziellen Koordinaten erfolgt hier, um ungeübten Betrachtern gute Beispiele zu präsentieren. Bei zwei der drei Gesteinstypen ist eine Herkunft aus der zentralen Ostsee sicher, beim dritten und häufigsten Typ, dem Jotnischen Sandstein, ist sie am wahrscheinlichsten. Mit diesem Typ, zwar nicht am auffälligsten, wohl aber am häufigsten, beginnt die Auflistung.

3.1 Jotnischer Sandstein zur Kartenansicht

Koordinaten: 1. Beispiel 0404707, 5837331; 2. Beispiel 0404790, 5837452 (Stadtseite Turm am Steintor)

Abb. 1: Jotnischer Sandstein (1. Beispiel) in der Stadtmauer. Man erkennt gut die herausgewitterten Entfärbungsflecken, die dem Stein eine narbige Oberfläche verleihen. Rechts unterhalb des großen Steines befinden sich zwei kleinere Jotnische Sandsteine.
Abb. 1: Jotnischer Sandstein (1. Beispiel) in der Stadtmauer. Man erkennt gut die herausgewitterten Entfärbungsflecken, die dem Stein eine narbige Oberfläche verleihen. Rechts unterhalb des großen Steines befinden sich zwei kleinere Jotnische Sandsteine. (Foto: Olaf Juschus)
Abb. 2: Jotnischer Sandstein (2. Beispiel) in der Stadtmauer am Fundament des Hungerturmes. Man erkennt hier sehr gut die Schichtung (trogförmige Schrägschichtung) des Gesteins. Der Findling liegt mit ähnlicher Ausrichtung in der Stadtmauer wie original im Gesteinsverband.
Abb. 2: Jotnischer Sandstein (2. Beispiel) in der Stadtmauer am Fundament des Hungerturmes. Man erkennt hier sehr gut die Schichtung (trogförmige Schrägschichtung) des Gesteins. Der Findling liegt mit ähnlicher Ausrichtung in der Stadtmauer wie original im Gesteinsverband. (Foto: Olaf Juschus)

In großer Menge findet sich entlang der Stadtmauer ein roter bis violett-roter Sandstein. In der Literatur wird er aktuell als Jotnischer Sandstein bezeichnet. Fossilien kann man in diesem Gestein nicht finden. Das ist auch nicht verwunderlich, da er mit einem Alter von ca. 1,6 Mrd. Jahren älter ist, als alle vielzelligen Lebewesen. Diese roten Sandsteine sind in Skandinavien weit verbreitet. Die Färbung wird durch geringe Beimengungen an Eisenoxiden und -hydroxiden erzeugt. Vor allem bei größeren Findlingen, wie sie im Fundament der Stadtmauer zu finden sind, kommt die Schichtung des Gesteins gut zur Geltung.

Abb. 3: Herkunftsgebiete des Jotnischen Sandsteines
Abb. 3: Herkunftsgebiete des Jotnischen Sandsteines (Quelle: Olaf Juschus)

Man findet die Sandsteine sowohl auf dem schwedischen Festland in der Provinz Dalarna aber auch großflächig am Grunde der Ostsee und sogar ganz im Westen des finnischen Festlandes. Daher ist der Jotnische Sandstein nicht als Leitgeschiebe geeignet, der ein bestimmtes Herkunftsgebiet belegt. Es ist aber zu vermuten, dass die meisten Steine aus der Stadtmauer vom Grunde der Ostsee stammen. Es finden sich nämlich aus dieser Region zahlreiche weitere Steine in der Stadtmauer, während sowohl für Dalarna als auch für das finnische Festland sonst nur ganz vereinzelt andere Steine nachgewiesen wurden. Ausschließen lässt sich diese Herkunft aber nicht.

Viele, aber nicht alle Jotnischen Sandsteine haben auffällige, zentimetergroße weiße bis gelbliche Entfärbungsflecken, bei denen der rote Eisenfarbstoff zerstört wurde. Diese Entfärbungsflecken sind auf den patinierten Oberflächen der Stadtmauer farblich unauffällig. Da aber die gebleichten Flecken anfälliger für Verwitterung sind, entstehen auf der Oberfläche des Steines ganz charakteristische Vertiefungen, die diese Stücke unverwechselbar machen.

3.2 Brauner Ostsee-Quarzporphyr zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404749, 5837343

Abb. 4: Herkunftsgebiet des Braunen Ostsee-Quarzporphyrs
Abb. 4: Herkunftsgebiet des Braunen Ostsee-Quarzporphyrs (Quelle: Olaf Juschus)
Abb. 5: Die drei häufigsten Gesteine der Bernauer Stadtmauer dicht bei dicht: Der Braune Ostsee-Quarzporphyr ist der große braune Stein knapp oberhalb der Bildmitte. Links unterhalb befindet sich ein Jotnischer Sandstein, rechts unterhalb ein Åland-Rapakiwi.
Abb. 5: Die drei häufigsten Gesteine der Bernauer Stadtmauer dicht bei dicht: Der Braune Ostsee-Quarzporphyr ist der große braune Stein knapp oberhalb der Bildmitte. Links unterhalb befindet sich ein Jotnischer Sandstein, rechts unterhalb ein Åland-Rapakiwi. (Foto: Olaf Juschus)

Nicht ganz so häufig wie die roten Sandsteine, aber dennoch in großer Zahl finden sich in der Stadtmauer Findlinge aus einem vulkanischen Gestein. Die meisten dieser Steine wirken eher unansehnlich verwittert. Die Grundmasse wirkt schmutzig-rotbraun. In diese Grundmasse sind zahlreiche kleine, wenige Millimeter große Einsprenglinge von Kalifeldspat (rötlich) und Plagioklas (gelblich bzw. weißlich verwittert) eingeschlossen. Quarz kommt in noch kleineren, unauffälligen Einsprenglingen vor. Vor allem die charakteristische, angewittert wirkende Grundfarbe sorgt für die leichte Erkennbarkeit des Braunen Ostsee-Quarzporphyrs.

Das Gestein hat eine Besonderheit: Es ist ausschließlich als eiszeitliches Geschiebe bekannt. Sein Herkunftsgebiet liegt komplett am Grunde der Ostsee. Da es auf Höhe von Stockholm als Geschiebe noch fehlt, aber auf Gotland, knapp südlich des Herkunftsgebietes, in großer Menge als Geschiebe vorkommt, kann die Heimat des Braunen Ostsee-Quarzporphyrs recht genau eingegrenzt werden.

Der abgebildete Stein ist für einen Braunen Ostsee-Quarzporphyr schon ungewöhnlich groß. Die meisten Geschiebe des Porphyrs sind kleiner.

3.3 Åland-Rapakiwi-Granit zur Kartenansicht

Koordinaten: 1. Beispiel 0404749, 5837343; 2. Beispiel 0404781, 5837500

Abb. 6: Herkunftsgebiet des Åland-Rapakiwi-Granits
Abb. 6: Herkunftsgebiet des Åland-Rapakiwi-Granits (Quelle: Olaf Juschus)
Abb. 7: Typisches Erscheinungsbild des Åland-Rapakiwi-Granits. Die Ovoide sind hier schwach angewittert und wirken eher hell. Die feinkörnige Grundmasse ist rötlicher gefärbt
Abb. 7: Typisches Erscheinungsbild des Åland-Rapakiwi-Granits. Die Ovoide sind hier schwach angewittert und wirken eher hell. Die feinkörnige Grundmasse ist rötlicher gefärbt (Foto: Olaf Juschus)

Schon allein wegen ihres Namens gehören die Rapakiwis zu den bekanntesten Gesteinen, die Skandinavien zu bieten hat. Der in Nordostdeutschland mit Abstand häufigste Rapakiwi stammt von den Åland-Inseln, in der Ostsee zwischen Mittelschweden und Südfinnland gelegen.

Rapakiwis sind von ihrer Zusammensetzung her Granite, die aber ein ungewöhnliches, porphyrartiges Kristallmuster tragen. Im Rapakiwi befinden sich sowohl recht große als auch ziemlich kleine Kristalle, die mit einer Lupe noch zu erkennen sind. Der überwiegende Teil des Gesteins besteht aus Kalifeldspat. Ein Teil der Kalifeldspäte liegt in Form 1–2 cm großer, runder Kristalle vor, den Ovoiden. Diese tragen einen Ring aus Plagioklas. Sowohl Kalifeldspat als auch Plagioklas finden sich aber auch in der feinkörnigeren Grundmasse. Nur in der Grundmasse hingegen kann man den Quarz entdecken, der in zwei Kristallgenerationen vorkommt. Die erste Generation ist mehrere Millimeter groß, rund und recht dunkel, die zweite hingegen ist nur mit der Lupe zu erkennen und formt kleine, schriftähnliche Muster innerhalb der Kalifeldspatkristalle. Dunkle Minerale kommen relativ häufig, aber ebenfalls fast nur in der feinkörnigeren Grundmasse vor. Das seltsame Muster geht wahrscheinlich auf eine mehrphasige Abkühlung, Wiederaufheizung und erneute Abkühlung des Magmas zurück. Hat man sich in dieses Muster einmal eingesehen, fällt die Bestimmung der Rapakiwis recht leicht.

Der Name Rapakiwi bedeutet in der finnischen Sprache übrigens “schlechter Stein” beziehungsweise “bröckliger Stein”. Bezug genommen wird dabei auf die Anfälligkeit bestimmter Rapakiwi-Granite für die Frostverwitterung. Lokal zerfällt das Gestein rasch zu grobem Kies.

4. Besondere Oberflächenstrukturen auf den Steinen der Stadtmauer

Zwar zeigen die meisten Steine der Stadtmauer die oben erwähnte Patinierung und wirken oft auch angewittert, dennoch sind bei einigen von ihnen noch originäre Oberflächenstrukturen erhalten, die aus der Zeit der Vergletscherung beziehungsweise aus der späten Eiszeit stammen.

4.1 Gletscherschliff zur Kartenansicht

Koordinaten: 1. Beispiel 0404773, 5837513; 2. Beispiel 0404497, 5837699

Abb. 8: Ein nicht näher bestimmbarer Vulkanit (Porphyr) mit Gletscherschliff, Beispiel 1.
Abb. 8: Ein nicht näher bestimmbarer Vulkanit (Porphyr) mit Gletscherschliff, Beispiel 1. (Foto: Olaf Juschus)

Nur an zwei Stellen konnten entlang der Stadtmauer Steine mit Gletscherschliff nachgewiesen werden. Dass Gletscherschliff an der Stadtmauer so selten beobachtbar ist, verwundert nicht weiter, wenn man bedenkt, dass die meisten Steine von der Erdoberfläche oder knapp darunter abgesammelt wurden. Die Steine lagen somit mehrere Jahrtausende in der Verwitterungszone. Bereits bei einer Anwitterung von wenigen Millimetern kann man den Gletscherschliff nicht mehr feststellen. Die beiden Stücke bilden daher eher seltene Ausnahmen. Es ist durchaus möglich, dass diese beiden Steine vielleicht nicht vom Acker abgesammelt wurden, sondern aus einer tieferen Lehm- oder Mergelgrube stammen.

Abb. 9: Ein nicht näher bestimmbarer Magmatit (wahrscheinlich ein Granit) mit Gletscherschliff, Beispiel 2.
Abb. 9: Ein nicht näher bestimmbarer Magmatit (wahrscheinlich ein Granit) mit Gletscherschliff, Beispiel 2. (Foto: Olaf Juschus)

Der Gletscherschliff entsteht nicht durch das recht weiche Gletschereis direkt, sondern durch das im Gletschereis transportierte Material. Falls zum Beispiel einer unserer beiden Steine schon vom sich bewegenden Gletscher abgelagert worden ist, so bewegte sich das Gletschereis noch eine Weile direkt darüber hinweg. Gletschereis enthält aber Feststoffe aller Korngrößen, vom Ton über Sand bis hin zu Steinen. Werden diese Körner über den Untergrund geschrappt, so wird dieser wahlweise gekritzt, geschliffen oder poliert. Es hängt also stark davon ab, wie grob das Material im Eis ist. Meist wird es, wie auch in unseren beiden Fällen, geschliffen.

4.2 Windschliff zur Kartenansicht

Koordinaten: 1. Beispiel 0404773, 5837513; 2. Beispiel 0404632, 5837711

Abb. 10: Windschliffbeispiel 1: ein Granit (wahrscheinlich aus Småland/Südostschweden) mit Windschliff. Die Schliffkante ist links am Stein zu erkennen.
Abb. 10: Windschliffbeispiel 1: ein Granit (wahrscheinlich aus Småland/Südostschweden) mit Windschliff. Die Schliffkante ist links am Stein zu erkennen. (Foto: Olaf Juschus)

Anders als beim Gletscherschliff finden sich vom Wind geschliffene Geschiebe regelmäßig an der Stadtmauer. Steine mit Windschliff müssen schon in der ausgehenden Eiszeit direkt an der Erdoberfläche gelegen haben. Nur zu dieser Zeit waren die Bedingungen für die Bildung von Windschliff gegeben. In der damals noch vegetationsarmen Landschaft, heute würde man Tundra sagen, konnte der Wind nahezu ungehindert auf die Erdoberfläche wirken. Sandkörner wurden so z.T. kilometerweit verfrachtet. Trafen sie auf einen Stein, so wirkten sie im Laufe der Jahrtausende wie ein Sandstrahlgebläse.

Die Zeitspanne, die dafür zur Verfügung stand, war durchaus beachtlich: die Zeit der letzten Eisbedeckung der Bernauer Gegend kann mit etwa 20.000–24.000 Jahren vor heute angegeben werden. Schon relativ kurze Zeit später, vor etwa 18.000–20.000 Jahren, lag der Eisrand wieder deutlich nördlich von Bernau beim heutigen Kloster Chorin. Zu dieser Zeit begann die Bildung von Windschliffen. Die endgültige Wiedererwärmung und Ausbreitung von Wäldern geschah vor ungefähr 12.000 Jahren, danach war kein Sandtransport durch den Wind mehr möglich. Es bleibt also ein Zeitfenster von immerhin 8.000 Jahren, in dem es zur Bildung der Windschliffe kommen konnte.

Abb. 11: Windschliffbeispiel 2: ein Basalt mit Windschliff. Die Schliffkante wird rechts durch den Schattenwurf markiert.
Abb. 11: Windschliffbeispiel 2: ein Basalt mit Windschliff. Die Schliffkante wird rechts durch den Schattenwurf markiert. (Foto: Olaf Juschus)

Windschliff kann durchaus unterschiedliche Spuren auf den Steinoberflächen hinterlassen. Besteht beispielsweise ein Gestein aus unterschiedlich harten (widerständigen) Mineralen, so werden die widerständigen weniger abgetragen und ragen dann heraus, während umgekehrt eher weiche Partien verstärkt abgetragen werden. Das ist zum Beispiel häufig bei den Entfärbungsflecken des Jotnischen Sandsteins der Fall. Andererseits wird von einem Stein, bei dem nur ein Teil aus der Erdoberfläche ragt, auch nur dieser Teil abgeschliffen und auch das bevorzugt in der Hauptwindrichtung. Am Übergang von den offenen zu den geschützten Partien entsteht dann eine typische, recht glatte Schliffkante. Diese Steine werden Windkanter genannt und sind ebenfalls in der Stadtmauer mehrfach vertreten.

4.3 stark angewitterte Geschiebe zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404776, 5837362

Abb. 12: Stark angewittertes Geschiebe, wahrscheinlich ein Gneis. Die durch die Verwitterung entstehenden Eisen-III-verbindungen erzeugen mit dem Sickerwasser die markante Rostspur
Abb. 12: Stark angewittertes Geschiebe, wahrscheinlich ein Gneis. Die durch die Verwitterung entstehenden Eisen-III-verbindungen erzeugen mit dem Sickerwasser die markante Rostspur (Foto: Olaf Juschus)

Wie bereits mehrfach erwähnt, sind die meisten der Steine in der Stadtmauer mehr oder weniger patiniert und angewittert. Diese Steine lässt man bei der Beschreibung oft weg, da sie nicht attraktiv erscheinen. Manchmal aber werden Steine erst durch eine besonders intensive Verwitterung interessant und sehenswert. Beim hier vorgestellten Stein handelt es sich um ein metamorphes Gestein, wahrscheinlich um einen Gneis. Als Besonderheit enthält er viel Glimmer, ein relativ weiches und leicht verwitterbares Mineral. Außerdem enthält Glimmer chemisch gebundenes, zweiwertiges Eisen. Durch die Verwitterung des Glimmers wird das Eisen aus dem Kristallgitter frei und wandelt sich in dreiwertige Eisenverbindungen um, die stark dem Rost ähneln. Hier wird deutlich, dass die intensive Verwitterung ein sehr junger Prozess ist, der aktuell noch in der Stadtmauer abläuft.

4.4 Geschiebezwillinge zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404672, 5837679

Abb. 13: Links und rechts im Bild erkennt man zwei passgenaue Hälften desselben Gesteins. Hier wurde ein größeres Geschiebe gespalten und in der Stadtmauer dicht bei dicht verarbeitet.
Abb. 13: Links und rechts im Bild erkennt man zwei passgenaue Hälften desselben Gesteins. Hier wurde ein größeres Geschiebe gespalten und in der Stadtmauer dicht bei dicht verarbeitet. (Foto: Olaf Juschus)

Alle bisher erläuterten Gesteinsoberflächen sind weitgehend natürlich entstanden. Ganz oft findet man auch rauhe, unregelmäßige Flächen, die auf eine Bearbeitung und Spaltung der Steine mit dem Hammer oder dem Meißel schließen lassen. Das ist für eine Stadtmauer aus Naturstein zu erwarten und eigentlich nicht weiter erwähnenswert. Manchmal lässt sich aber noch erkennen, dass größere Steine gespalten und beide Hälften in der Stadtmauer verarbeitet wurden. Es können dann zwei passgenaue Hälften aus dem gleichen Gestein in der Stadtmauer gefunden werden, sogenannte Zwillinge. Das schönste Beispiel ist hier aufgeführt. Es handelt sich um einen Gneis, ein metamorphes Gestein, dessen Hälften ca. 1,5 m voneinander entfernt in der Stadtmauer verbaut wurden. Sogar kleinere Details der Gesteinsstruktur finden sich spiegelbildlich auf beiden Seiten.

5. Leitgeschiebe in der Stadtmauer

Geschiebe werden zu Leitgeschieben, wenn man ihre Herkunft aus Skandinavien, dem Ostseebecken oder angrenzenden Regionen sicher auf ein Gebiet eingrenzen kann. Die Größe der Heimatregionen kann allerdings stark schwanken und liegt zwischen wenigen und mehr als 1.000 km² Größe.

Leitgeschiebe haben meist besondere Muster bzw. Strukturen, die sie unverwechselbar machen. Bei Graniten kann zum Beispiel die Kristallgröße, -farbe und -ausrichtung dafür verantwortlich sein. Gesteine hingegen, die schon in der Heimatregion variabel im Aussehen sind, bilden umgekehrt nur sehr selten Leitgeschiebe. Das trifft zum Beispiel auf die meisten Gneise zu. Diese hochmetamorphen Gesteine fehlen daher in der folgenden Auflistung, obwohl sie zu den häufigsten Gesteinen in der Stadtmauer (und natürlich in Skandinavien) gehören. Mehrere schön anzusehende Gneise werden aber in Kapitel 6 erwähnt.

Granite und mit ihnen eng verwandte plutonische Gesteine überwiegen bei den Leitgeschieben deutlich. Vulkanite, von denen zwar auch viele als Leitgeschiebe aus Skandinavien bekannt sind, sind in der Stadtmauer unterrepräsentiert. Der Grund liegt in der engen Klüftung (Rissbildung), die Vulkanite normalerweise besitzen. Die Klüfte sind eine Folge der raschen Abkühlung nach der Eruption. Sie sorgten dafür, dass die meisten Vulkanitgeschiebe beim Eistransport zerbrochen und daher deutlich kleiner als 20 cm sind, für die Stadtmauer sind sie zu klein.

5.1 Kristinehamn-Granit zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404749, 5837343

Abb. 14: Herkunftsgebiet des Kristinehamn-Granits
Abb. 14: Herkunftsgebiet des Kristinehamn-Granits (Quelle: Olaf Juschus)
Abb. 15: Rechts in der unteren Hälfte befindet sich der im Text beschriebene Kristinehamn-Granit. Der helle Stein links oberhalb ist ein Kalkstein, die sonst eher selten in der Stadtmauer zu finden sind. Am oberen Bildrand ist wieder ein jotnischer Sandstein zu sehen.
Abb. 15: Rechts in der unteren Hälfte befindet sich der im Text beschriebene Kristinehamn-Granit. Der helle Stein links oberhalb ist ein Kalkstein, die sonst eher selten in der Stadtmauer zu finden sind. Am oberen Bildrand ist wieder ein jotnischer Sandstein zu sehen. (Foto: Olaf Juschus)

Der Kristinehamn-Granit stammt aus einem Streifen nördlich des Väner-Sees. Leicht erkannt werden, kann er aufgrund seiner kräftigen und eher ungewöhnlich Farbgebung. Die Kalifeldspäte wirken hier violett-grau bis -braun. Die Plagioklase sind heller und gelbbraun gefärbt. Die Quarzkristalle sind klein, grau-blau und unauffällig ausgebildet. Dunkle Minerale sind reichlich vorhanden.

Obwohl der Kristinehamn-Granit in der Literatur gemeinhin als Granit bezeichnet wird, ist er nach der aktuellen Gesteinsnomenklatur kein Granit, sondern ein Granodiorit. Die Plagioklase überwiegen mengenmäßig deutlich vor den Kalifeldspäten. Bei einem Granit wäre es umgekehrt. Der Hauptgrund für die eigentlich inkorrekte Bezeichnung, die sich bei skandinavischen Geschieben häufiger findet, liegt in der historisch gewachsenen Verwendung der Gesteinsnamen. Die meisten entstanden zu einer Zeit, als die Gesteinsnomenklatur noch nicht so differenziert war wie heute.

5.2 Finnischer Rapakiwi-Granit (?) zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404800, 5837433; im Steintor, Tordurchgang stadtauswärts links

Abb. 16: Herkunftsgebiete von Rapakiwi-Graniten vom finnischen Festland.
Abb. 16: Herkunftsgebiete von Rapakiwi-Graniten vom finnischen Festland. (Quelle: Olaf Juschus)
Abb. 17: Im Zentrum des Fotos befindet sich der mutmaßliche Rapakiwi-Granit vom finnischen Festland.
Abb. 17: Im Zentrum des Fotos befindet sich der mutmaßliche Rapakiwi-Granit vom finnischen Festland. (Foto: Olaf Juschus)

Auch wenn die Bestimmung unsicher ist, soll hier trotzdem auf ein interessantes Geschiebe hingewiesen werden, welches sich direkt im Tordurchgang des Steintores befindet.

Das Gestein kann recht sicher als Granit bestimmt werden. Es handelt sich um einen porphyrischen Granit, das heißt, die Kristalle sind unterschiedlich groß. Einige Kalifeldspäte erreichen bis zu 4 cm Größe. Andere Kalifeldspatkristalle, die Plagioklase und die Quarze sind mit Größen von einigen Millimetern Größe deutlich kleiner. Zum Teil sind die Quarze kranzartig um die großen Feldspäte herum angeordnet. Dies alles spricht für einen Rapakiwi-Granit. Allerdings unterscheidet sich dieses Muster deutlich von dem bereits beschriebenen Åland-Rapakiwi. Der Rapakiwi hier stammt daher von einem anderen Rapakiwivorkommen. Aus Schweden sind Gesteine mit so einem Muster weitgehend unbekannt, in Finnland gibt es sie aber mehrmals. So ist es wahrscheinlich, dass der im Steintor verbaute Findling ursprünglich vom finnischen Festland stammt. Es sei aber nochmals betont, dass die Bestimmung unsicher ist.

5.3 Filipstad-Granit (Örebro-Granit) zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404807, 5837459

Abb. 18: Herkunftsgebiet des Örebro-Granits. Die Herkunft der verwandten Filipstadt-Granite liegt weiter westlich.
Abb. 18: Herkunftsgebiet des Örebro-Granits. Die Herkunft der verwandten Filipstadt-Granite liegt weiter westlich. (Quelle: Olaf Juschus)

Nördlich des Vänern- und des Vätternsees finden sich neben dem Kristinehamn-Granit noch weitere, sehr farbenfrohe Gesteine, die als Filipstad-Granite zusammengefasst werden. Es gibt mehrere, sich von der chemischen Zusammensetzung leicht unterscheidende Varianten. Dennoch kann man sie recht sicher bestimmen. Das hier vorgefundene Geschiebe stammt sehr wahrscheinlich aus diesem großen Gebiet. Da die Gesteine farblich recht variabel sind, wird die vorliegende Varietät nach einem Dorf auch als Örebro-Granit bezeichnet. Die Kalifeldspäte sind recht groß (2–3 cm) und auffällig blassrot. Einige von ihnen, aber nicht alle, sind als Karlsbader Zwilling ausgebildet, zwei Kristalle sind zu einem zusammengewachsen. Eine deutlich sichtbare Naht trennt beide Kristallhälften. Die anderen Minerale, Plagioklase, Quarz und dunkle Minerale sind deutlich kleiner und füllen recht unauffällig den Raum zwischen den Kalifeldspäten.

Abb. 19: Im Zentrum des Fotos befindet sich der Örebrö-Granit. Die großen, blassroten Kalifeldspäte prägen das Aussehen des Gesteins.
Abb. 19: Im Zentrum des Fotos befindet sich der Örebrö-Granit. Die großen, blassroten Kalifeldspäte prägen das Aussehen des Gesteins. (Foto: Olaf Juschus)
Abb. 20: Der große Kristall über dem Fingernagel ist ein Kalifeldspatkristall als Karlsbader Zwilling. Man erkennt gut die Verwachsungsnaht, an der die beiden Hälften zusammengewachsen sind. Im Örebro-Granit kommen sie regelmäßig vor.
Abb. 20: Der große Kristall über dem Fingernagel ist ein Kalifeldspatkristall als Karlsbader Zwilling. Man erkennt gut die Verwachsungsnaht, an der die beiden Hälften zusammengewachsen sind. Im Örebro-Granit kommen sie regelmäßig vor. (Foto: Olaf Juschus)

5.4 Uppland-Granite zur Kartenansicht

Koordinaten: Stockholm-Granit: 0404790, 5837452 Stadtseite des Hungerturmes am Steintor, Uppsala-Granit: 0404807, 5837459 Außenseite des Hungerturmes am Steintor

Abb. 21: Herkunftsgebiete des Stockholm-Granits und des Uppsala-Granits.
Abb. 21: Herkunftsgebiete des Stockholm-Granits und des Uppsala-Granits. (Quelle: Olaf Juschus)

Es klingt schon etwas seltsam, aber einige Leitgeschiebe sind deshalb sicher bestimmbar, weil sie eher langweilig aussehen. Dies trifft auf einige Geschiebe aus dem Stadtgebiet und der Umgebung von Stockholm, der Landschaft Uppland, zu. Auch wenn es Ausnahmen gibt, so sind doch die häufigsten Granite aus dieser Region eher unauffällige Vertreter ihrer Gattung. Die Kalifeldfeldspäte und Plagioklase sind meist weiß bis grau gefärbt und nur schwer zu unterscheiden. Mit grauen Quarzen und den dunklen Mineralen wirkt das Gestein dann schwarz-weiß. Zudem besitzen alle Kristalle etwa die gleiche Größe. Dennoch finden sich in Skandinavien solch gewöhnliche Granite nur in Uppland und sind daher als Leitgeschiebe verwendbar. Der feinkörnige Stockholm-Granit ist dabei noch unauffälliger als der gröbere Uppsala-Granit.

Abb. 22: Die Geschiebezwillinge rechts oberhalb und links unterhalb des Steines im Bildzentrum bestehen aus Stockholm-Granit.
Abb. 22: Die Geschiebezwillinge rechts oberhalb und links unterhalb des Steines im Bildzentrum bestehen aus Stockholm-Granit. (Foto: Olaf Juschus)
Abb. 23: Ein Uppsala-Granit in der Turmmauer am Steintor. Da die Quarze hier nicht blau gefärbt sind, kann es sich auch um einen Granit aus anderen Herkunftsgebieten handeln. Dennoch ist die Herkunft aus Uppland am wahrscheinlichsten.
Abb. 23: Ein Uppsala-Granit in der Turmmauer am Steintor. Da die Quarze hier nicht blau gefärbt sind, kann es sich auch um einen Granit aus anderen Herkunftsgebieten handeln. Dennoch ist die Herkunft aus Uppland am wahrscheinlichsten. (Foto: Olaf Juschus)

5.5 Småland-Granite zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404773, 5837513; alle Geschiebe im Lughaus, Småland-Granite links, Mariannelund-Granit mitte-links

Abb. 24: Herkunftsgebiet der Småland-Granite. Vorkommen von Småland-Graniten befinden sich aber auch nördlich und südlich des roten Kreises.
Abb. 24: Herkunftsgebiet der Småland-Granite. Vorkommen von Småland-Graniten befinden sich aber auch nördlich und südlich des roten Kreises. (Quelle: Olaf Juschus)

Anders als bei den Uppland-Graniten kommen in der schwedischen Provinz Småland, im Südosten des Landes gelegen, oft sehenswerte Gesteine vor. Dies liegt vor allem daran, dass zwar nicht bei allen, aber doch bei den meisten Graniten aus Småland die Kalifeldspäte rot gefärbt sind. Da die Kalifeldspäte auch das häufigste Mineral in vielen Småland-Gesteinen sind, sorgt beides für einen angenehmen Farbton des gesamten Gesteins. Dennoch kann bei den Småland-Graniten die chemische Zusammensetzung und die Kristallstruktur von Ort zu Ort stark schwanken, sodass es viele Lokalvorkommen spezieller Granite gibt.

Da einerseits die Granitgebiete Smålands recht ausgedehnt sind und zudem relativ nahe an Norddeutschland liegen, sind Småland-Granite im Geschiebe ziemlich häufig zu finden, so auch in der Bernauer Stadtmauer. Viele von ihnen werden, da man ihre Herkunft innerhalb Smålands nicht weiter eingrenzen kann, unspezifisch als Småland-Granite bezeichnet. Als Leitgeschiebe sind sie deshalb nur bedingt geeignet.

Abb. 25: Zwei hellrote Småland-Granite. Trotz der großen Ähnlichkeit handelt es sich nicht um Geschiebezwillinge, sondern um leicht unterschiedliche Granite.
Abb. 25: Zwei hellrote Småland-Granite. Trotz der großen Ähnlichkeit handelt es sich nicht um Geschiebezwillinge, sondern um leicht unterschiedliche Granite. (Foto: Olaf Juschus)

Zwei schöne Vertreter finden sich in der Stadtmauer dicht bei dicht. Das Gestein wird vom hellroten Kalifeldspat dominiert. Alle anderen Minerale wirken da nur wie eine Füllmasse. Die Plagioklase sind recht klein und hellgelb. Dunkle Minerale finden sich lediglich in geringer Menge. Die Quarze wirken milchig hellgrau, bei genauem Hinsehen können sie aber einen leichten Blaustich zeigen. Dieser Blaustich in den Quarzen ist übrigens in vielen Gesteinen Smålands zu finden.

Abb 26: Das Geschiebe knapp oberhalb der Bildmitte ist der im Text beschriebene Mariannelund-Granit. Links unterhalb der Bildmitte befindet sich ein gut entwickelter Windkanter.
Abb 26: Das Geschiebe knapp oberhalb der Bildmitte ist der im Text beschriebene Mariannelund-Granit. Links unterhalb der Bildmitte befindet sich ein gut entwickelter Windkanter. (Foto: Olaf Juschus)
Abb. 27: Die aufgesprungenen Feldspatkristalle im Mariannelund-Granit. Die Verfüllung erfolgte mit dem dunklen Mineral Hornblende, welches die markanten schwarzen Striche im Gestein erzeugt.
Abb. 27: Die aufgesprungenen Feldspatkristalle im Mariannelund-Granit. Die Verfüllung erfolgte mit dem dunklen Mineral Hornblende, welches die markanten schwarzen Striche im Gestein erzeugt. (Foto: Olaf Juschus)

Ziemlich aus dem Zentrum des roten Kreises in Abb. 24 stammt der Mariannelund-Granit, auch als Järeda-Granit bezeichnet. Es handelt sich um ein ausgesprochen interessantes Gestein, was vor allem für die Nahbetrachtung gilt. Der Granit besitzt ca. 1 cm große, beigerote Kalifeldspäte. Das besondere an den Feldspäten ist, dass sie kurz nach der Erstarrung aufgesprungen sind. Die Risse wurden mit einem später eingedrungenen, dunklen Mineral (Hornblende) wieder verfüllt. Gerade dieses Muster macht in der Nahbetrachtung das Gestein recht attraktiv und unverwechselbar. Die anderen Minerale kommen wieder in deutlich geringerer Menge vor. Bei diesem Stein ist jedoch der Blaustich der Quarze sehr ausgeprägt.

5.6 Bornholm-Granit zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404731, 5837598; am Lughaus rechts unten

Abb. 28: Herkunftsgebiet des Bornholm-Granits.
Abb. 28: Herkunftsgebiet des Bornholm-Granits. (Foto: Olaf Juschus)
Abb. 29: Der Stein in der oberen Bildhälfte ist der Bornholm-Granit. Rechts unterhalb der Bildmitte befindet sich ein Åland-Rapakiwi-Granit.
Abb. 29: Der Stein in der oberen Bildhälfte ist der Bornholm-Granit. Rechts unterhalb der Bildmitte befindet sich ein Åland-Rapakiwi-Granit. (Foto: Olaf Juschus)

Das südlichste Vorkommen skandinavischer Granite befindet sich auf der zu Dänemark gehörenden Ostseeinsel Bornholm. Als Block bei der Absenkung des umliegenden Gebietes stehen geblieben, bildet Bornholm auch geologisch eine Insel aus Granit und Gneis in einem “Meer” aus Sedimentgesteinen. Wegen der großen Nähe zu Norddeutschland ist es nicht weiter verwunderlich, dass Bornholm-Gesteine, obwohl ihr Herkunftsgebiet nicht sehr groß ist, im Geschiebe doch häufig zu finden sind.

Bornholm-Gesteine sind recht leicht zu erkennen, obwohl die verschiedenen Granite und Gneise auf der Insel eher unauffällig aussehen und manchmal auch schwer untereinander zu unterscheiden sind. Die Farbgebung changiert zwischen schwach rötlich bis grünlich. Das Gestein besteht zu etwa gleich großen Teilen aus Kalifeldspat und Quarz. Plagioklas tritt schon deutlicher zurück. Dunkle Minerale kommen nur untergeordnet vor. Ganz eigentümlich sind die unregelmäßigen, verwaschenen Korngrenzen, mit der die verschiedenen Mineralkörner eher fließend ineinander übergehen. Scharfe Kristallgrenzen, wie zum Beispiel beim Mariannelund-Granit, findet man hier nur selten.

Bei der Bestimmung für oder gegen Bornholm hilft aber eine ganz markante, jüngere Verfärbung. Im Gestein finden sich Flecken und Fetzen aus einem kräftig roten Farbstoff, Eisen-III-oxid. Dieser Stoff färbt bei genauer Betrachtung nur die Kristallgrenzen, nicht die Kristalle selbst. Die Ursache dieser Färbung ist nach wie vor ungeklärt. Denkbar ist eine Imprägnierung mit dem Sickerwasser, welches das Eisenoxid mitführte. Findet man aber sowohl die oben genannten Kristalleigenschaften als auch den Farbstoff, so hat man sicher ein Geschiebe von der Insel Bornholm vor sich. Ausnahmsweise können hier sogar Gneise als Leitgeschiebe verwendet werden, auch wenn es sich beim vorliegenden Stein in der Stadtmauer um einen Granit handelt.

5.7 Karlshamn-Granit zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404645, 5837701; am Tordurchgang

Abb. 30: Herkunftsgebiet des Karlshamn-Granits.
Abb. 30: Herkunftsgebiet des Karlshamn-Granits. (Quelle: Olaf Juschus)
Abb. 31: Der Karlshamn-Granit in der Stadtmauer. Bei diesem Stück sind die Kalifeldspäte gut eingeregelt.
Abb. 31: Der Karlshamn-Granit in der Stadtmauer. Bei diesem Stück sind die Kalifeldspäte gut eingeregelt. (Foto: Olaf Juschus)

Ebenfalls aus der südlichsten Ecke Skandinaviens, aus der schwedischen Provinz Bleckinge, stammt der Karlshamn-Granit. In seiner typischen Ausbildung ist er recht leicht zu erkennen, da die zentimetergroßen, fleischfarbenen Kalifeldspäte schnell für eine sichere Bestimmung sorgen. Diese Kristalle sind deutlich größer als die der anderen Minerale, oft sind sie auch parallel zueinander ausgerichtet. Zudem liegen auch hier viele der Kalifeldspäte als Karlsbader Zwilling vor (siehe Örebro-Granit, Kap. 5.3). Grünliche Plagioklase und graue Quarze finden sich mit deutlich kleineren Kristallen zwischen den großen Kalifeldspäten. Auffällig ist der relativ hohe Anteil dunkler Minerale, vor allem von Glimmer.

Wegen seiner relativen Nähe zu Norddeutschland ist der Karlshamn-Granit als Geschiebe häufig und auch häufig in großen Exemplaren zu finden. So besteht der größte Findling Brandenburgs, der große Markgrafenstein, ebenfalls aus Karlshamn-Granit.

5.8 Åland-Quarzporphyr zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404731, 5837598; am Lughaus rechts unten

Abb. 32: Ein Åland-Quarzporphyr in der Stadtmauer. Bei diesem nach einer Reparatur frisch eingefügten Geschiebe sind die Gesteinsfarben noch besonders kräftig.
Abb. 32: Ein Åland-Quarzporphyr in der Stadtmauer. Bei diesem nach einer Reparatur frisch eingefügten Geschiebe sind die Gesteinsfarben noch besonders kräftig. (Foto: Olaf Juschus)

Obwohl die Stadtmauer an vulkanischen Gesteinen relativ arm ist, finden sich doch hier und da ansehnliche Exemplare. Auch einige Leitgeschiebe sind darunter, die hier vorgestellt werden. Der erste Vulkanit stammt von den Åland-Inseln, von denen auch die Rapakiwi-Granite stammen (siehe Kap. 3.3). Sie treten dort in mehreren aber eher kleinräumigen Vorkommen auf und stehen in enger Verwandtschaft zu den Graniten. Sie sind nahezu gleich alt und weisen eine ähnliche chemische Zusammensetzung auf. Auch bei den Vulkaniten Ålands überwiegt der Kalifeldspatanteil, sodass sowohl die feinkörnige Grundmasse als auch die meisten großen Einsprenglinge daraus bestehen. Der Åland-Quarzporphyr wirkt so kräftig rot. Die groben Kalifeldspateinsprenglinge sind meist heller als die Grundmasse. Auffällig sind zudem zahlreiche, meist gerundete Quarze. Sie sehen den Quarzen aus den Rapakiwi-Graniten sehr ähnlich. Plagioklas fehlt für gewöhnlich als Einsprengling. Dunkle Minerale kommen zwar vor, aber nur in geringen Mengen.

Der Bezeichnung Porphyr gilt übrigens nach der aktuellen Gesteinsnomenklatur als veraltet. Korrekt handelt es sich hier um einen Rhyolith bis Alkalifeldspat-Rhyolith. Aber ähnlich wie beim Kristinehamn-Granit (Kap. 5.1) besitzen die althergebrachten Gesteinsnamen eine bemerkenswerte Langlebigkeit.

5.9 Småland-Porphyre zur Kartenansicht

Koordinaten: Emarp-Porphyr 0404690, 5837652, rechts unten neben der Tür; Paskallavik-Porphyr 0404466, 5837694

Abb. 33: Ein Småland-Porphyr in der Stadtmauer mit einer dunklen Grundmasse. Dieses Gestein wird als Påskallavik-Porphyr bezeichnet.
Abb. 33: Ein Småland-Porphyr in der Stadtmauer mit einer dunklen Grundmasse. Dieses Gestein wird als Påskallavik-Porphyr bezeichnet. (Foto: Olaf Juschus)
Abb. 34: Ein Småland-Porphyr in der Stadtmauer. Ähnlich wie beim Åland-Quarzporphyr handelt es sich auch hier um eine frisch renovierte Fläche, so dass die Gesteinsfarben noch besonders kräftig sind. Diese eher rötliche Variante wird als Emarp-Porphyr bezeichnet.
Abb. 34: Ein Småland-Porphyr in der Stadtmauer. Ähnlich wie beim Åland-Quarzporphyr handelt es sich auch hier um eine frisch renovierte Fläche, so dass die Gesteinsfarben noch besonders kräftig sind. Diese eher rötliche Variante wird als Emarp-Porphyr bezeichnet. (Foto: Olaf Juschus)

Auch in Småland gibt es zu den dort vorkommenden Graniten (siehe Kap. 5.5) eng verwandte vulkanische Gesteine. Sie weisen ebenfalls eine sehr ähnliche chemische Zusammensetzung auf. Die Vulkanite Smålands kommen eher kleinräumig vor, allerdings gibt es zahlreiche Vorkommen, sodass sie als Geschiebe nicht selten sind. Viele Småland-Porphyre lassen sich als solche sehr leicht erkennen. Allerdings kann es schwierig werden, die Geschiebe den verschiedenen Lokalvorkommen zuzuordnen, die sich oft nur wenig voneinander unterscheiden.

Das wichtigste Bestimmungsmerkmal der Småland-Porphyre sind einmal mehr die Kalifeldspäte. Hell-rosa bis kräftiger rot gefärbt, finden sie sich in den Vulkaniten in großer Menge. Ihr besonderes, unverwechselbares Merkmal ist ihre Quaderform mit abgerundeten Ecken, die an die Bildschirme der klassischen Röhrenfernseher erinnert. Auch hier geht man bei der Entstehung der Strukturen von einer Wiederaufheizung des Magmas aus, welches zu einem Anschmelzen der ursprünglich eckigen Kristalle führte. Zuweilen erkennt man auch einen jüngeren Anwachssaum, der mit dem erneuten Abkühlen entstand. Die Kristalle wirken dann zoniert. Ebenso charakteristisch sind die Quarze, die zwar in wechselnden Häufigkeiten auftreten, aber meist den typischen Blaustich besitzen. Plagioklas fehlt oft als eigenständiger Kristall, findet sich aber in den Anwachssäumen. Die dunklen Minerale sind in den Småland-Porphyren unauffällig. Die Farbe der Grundmasse ist bei den Småland-Porphyren recht variabel und kann von einem helleren rot bis hin zu dunkelgrau reichen.

6. Weitere interessante Gesteine der Stadtmauer

Abschließend werden noch einige Gesteine auflistet, die zwar sehenswert, aber keine Leitgeschiebe sind. Es finden sich einige Gneise und verwandte Gesteine in der Auflistung, da sie wegen ihrer großen Variabilität nicht als Leitgeschiebe geeignet sind. Gneise sind metamorphe Gesteine, die durch hohen Druck und hohe Temperatur aus älteren Gesteinen (z.B. Graniten) hervorgegangen sind. Typisch ist ihr gerichtetes Gefüge, das als Schieferung bezeichnet wird.

6.1 Granat-Gneis (?) zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404790, 5837452, Stadtseite des Hungerturmes

Abb. 35: Rechts im Bild ist das metamorphe Geschiebe zu sehen, das Granatkristalle enthält. Die sehr dunkle Farbe auf dem Foto rührt vom Regen her, der im Moment der Aufnahme die Oberfläche durchfeuchtet hat. Links daneben befindet sich ein nicht näher bestimmbarer Vulkanit mit einer narbigen Windschliffoberfläche.
Abb. 35: Rechts im Bild ist das metamorphe Geschiebe zu sehen, das Granatkristalle enthält. Die sehr dunkle Farbe auf dem Foto rührt vom Regen her, der im Moment der Aufnahme die Oberfläche durchfeuchtet hat. Links daneben befindet sich ein nicht näher bestimmbarer Vulkanit mit einer narbigen Windschliffoberfläche. (Foto: Olaf Juschus)

Der Hungerturm beherbergt in seiner Mauer ein Geschiebe, in das Halbedelsteine eingestreut sind. Ob es sich um einen Gneis oder ein anderes metamorphes Gestein handelt, kann nicht entschieden werden. Vor allem im feuchten Zustand wirkt das Gestein sehr dunkel. Es enthält aber, und das ist das Spannende, zahlreiche Granatkristalle. Bei genauerer Betrachtung fallen sie als weinrote, dunkle Kristalle ins Auge. Granate sind chemisch sehr variable Silikatminerale. Sie finden sich ganz überwiegend in metamorphen Gesteinen, sodass man davon ausgehen kann, dass das Geschiebe auch in diese Gruppe gehört. Granate können wegen ihrer tiefroten Färbung und bei rein ausgebildeten Kristallen als Schmuckstein verwendet werden.

6.2 Schriftgranit zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404778, 5837505

Abb. 36: Ein Schriftgranit in der Bernauer Stadtmauer.
Abb. 36: Ein Schriftgranit in der Bernauer Stadtmauer. (Foto: Olaf Juschus)

Ein genauer Blick auf den Schriftgranit in der Stadtmauer verrät schnell, wie das Gestein zu seinem Namen kam. In dem hellgrauen Kalifeldspat sehen die Quarzkristalle aus wie altertümliche Schriftzeichen. Schriftgranite entstehen beim Erstarren der letzten Schmelze, wenn eine große Magmenkammer fast abgekühlt ist. Unter den dann herrschenden besonderen Bedingungen kristallisieren Kalifeldspat und Quarz gleichzeitig aus, daher die innige Verwachsung beider Minerale. Die Feldspatkristalle werden dann sehr groß, sodass das Geschiebe in der Stadtmauer durchaus aus nur einem Kristall bestehen kann.

In Skandinavien treten Schriftgranite ziemlich häufig in den Kernregionen der großen Granitvorkommen auf. Da aber eindeutige Muster bzw. Farben in den einzelnen Schriftgranitvorkommen fehlen, können sie keinem einzelnen Herkunftsgebiet zugeordnet werden. Schriftgranite sind sehr attraktive Gesteine, auch sie werden hin und wieder zu Schmucksteinen verarbeitet.

6.3 Tektonische Brekzie zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404615, 5837717

Abb. 37: Links im Bild ist die tektonische Brekzie zu erkennen. Das Geschiebe fällt schon aus größerer Entfernung wegen der unruhigen Farbgebung auf. Rechts daneben liegt ein rötlicher Porphyr mit Windschliff.
Abb. 37: Links im Bild ist die tektonische Brekzie zu erkennen. Das Geschiebe fällt schon aus größerer Entfernung wegen der unruhigen Farbgebung auf. Rechts daneben liegt ein rötlicher Porphyr mit Windschliff. (Foto: Olaf Juschus)

Die letzte große Gebirgsbildung, die Skandinavien betroffen hat, liegt schon einige hundert Millionen Jahre zurück. Das Gebiet gilt derzeit geologisch als sehr stabil. Dennoch können in den eiszeitlichen Geschieben manchmal Spuren der uralten tektonischen Bewegungen sichtbar werden. In großen Streifen entlang der alten Bewegungszonen wurden die Gesteine förmlich zerdrückt und zerbrochen. Solch ein Gestein findet sich auch in der Stadtmauer. Die Klüfte und Risse wurden aber schon bald nach der Gebirgsbildung mit jüngeren Mineralen verfüllt. Der überwiegende Teil der Füllung besteht aus Quarz, aber auch andere Minerale sind beteiligt. Die Kluftfüllungen dominieren den Stein so stark, dass nicht einmal mehr zu erkennen ist, um welches Gestein es sich ursprünglich gehandelt hat. Solch eigentümliche Gesteine nennt man tektonische Brekzie. Sie treten in Skandinavien in mehreren Gebieten auf, eine große Zone befindet sich in Südschweden.

Unmittelbar rechts neben der Brekzie liegt übrigens ein Geschiebe mit einem gut ausgebildeten Windschliff. Das Gestein ist hier ein Vulkanit. Eventuell stammt er aus der mittelschwedischen Provinz Dalarna.

6.4 Quarzit zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404457, 5837688

Abb. 38: Der Quarzit als ein Fremdkörper in der Stadtmauer. Gerade im Vergleich zu den umliegenden Steinen ist der Farbkontrast besonders groß.
Abb. 38: Der Quarzit als ein Fremdkörper in der Stadtmauer. Gerade im Vergleich zu den umliegenden Steinen ist der Farbkontrast besonders groß. (Foto: Olaf Juschus)

Bleich und weißlich gelb wirkt dieser Stein wie ein Fremdkörper in der Stadtmauer. Zu den benachbarten, eher grau bis rot gefärbten Steinen bildet er einen auffälligen Kontrast. Beim näheren Hinsehen erkennt man, dass fast das gesamte Gestein aus dem Mineral Quarz besteht, welches hier eine dichte, pflasterartige Masse bildet. Beim Gestein handelt es sich um einen Quarzit. Quarzite sind durch hohen Druck und hohe Temperatur umgewandelte Sandsteine. Sie gehören zu den metamorphen Gesteinen. Quarzite kommen zwar auch in Skandinavien vor, sie sind aber sehr häufig in den Mittelgebirgen Deutschlands, Polens und Tschechiens zu finden. Diese “südlichen Geschiebe” sind in Norddeutschland zwar selten, aber doch hin und wieder zu finden. Ihren Transport nach Norden haben die Vorläufer der großen Flüsse Oder und Elbe übernommen. In den Warmzeiten zwischen den verschiedenen alten Eisvorstößen, flossen sie, zum Teil deutlich abweichend von ihrem heutigen Verlauf, nach Norden.

6.5 Augengneis zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404448, 5837685, hinter der Pumpe

Abb. 39: Der im Text beschriebene Augengneis in der Stadtmauer. Man beachte, dass der abgebildete Stein ca. 1 m groß ist.
Abb. 39: Der im Text beschriebene Augengneis in der Stadtmauer. Man beachte, dass der abgebildete Stein ca. 1 m groß ist. (Foto: Olaf Juschus)

Augengneise gehören zu den attraktivsten Gesteinen, die Skandinavien zu bieten hat, auch wenn man sie meist nicht als Leitgeschiebe verwenden kann. Ein besonders ansehnliches und großes Exemplar findet sich auch in der Stadtmauer. Der Gneis besteht ganz überwiegend aus den bekannten Mineralen Quarz, Feldspat und Glimmer, wobei die großen Kalifeldspatkristalle das Gestein prägen und auch zur Namensgebung führten.

Die großen Kalifeldspataugen liegen in diesem Gestein gerichtet vor. Das ähnelt zwar erst einmal dem Karlshamn-Granit (siehe Kap. 5.7), aber abweichend davon sind hier aber auch die Kristalle der kleinkörnigen Grundmasse ausgerichtet. Es handelt sich damit um einen Gneis. Allerdings wird vermutet, dass die meisten Augengneise aus der Metamorphose von porphyrischen Graniten, wie eben dem Karlshamn-Granit, hervorgegangen sind. Druck und Temperatur führten dann zwar zur Neuausrichtung der Minerale, ohne aber das alte Gesteinsgefüge völlig zu verändern

6.6 Migmatit zur Kartenansicht

Koordinaten: 0404445, 5837680, im Lughaus links

Abb. 40: Der im Text beschriebene Migmatit in der Stadtmauer. Während das helle Band bereits aufgeschmolzen war, verblieb der dunkle Bereich noch im festen Zustand.
Abb. 40: Der im Text beschriebene Migmatit in der Stadtmauer. Während das helle Band bereits aufgeschmolzen war, verblieb der dunkle Bereich noch im festen Zustand. (Foto: Olaf Juschus)

Gehören Augengneise zu den attraktivsten metamorphen Gesteinen, so sind die Migmatite vielleicht die interessantesten. Charakteristisch ist für die meisten Migmatite eine kräftige, kontrastreiche Bänderung, die aber nicht immer so verwürgt sein muss wie im Stein aus der Stadtmauer. Die auffälligen hellen und dunklen Bänder unterscheiden sich deutlich sowohl in ihrer chemischen Zusammensetzung als auch in ihrer internen Struktur. Quarz und Feldspäte dominieren in den hellen Bändern, treten aber in den dunklen deutlich zurück. Während die dunklen Zonen oft noch in sich gestreift sind, wirken die hellen ungerichtet körnig. Die hellen Bänder sehen nicht nur aus wie ein Granit, eigentlich sind sie es schon. Hier wurde das Gestein so erhitzt, dass die Minerale geschmolzen waren und wieder erstarrten. Gleichzeitig wurden die dunklen Bereiche noch nicht verflüssigt und sind von ihrer Struktur her noch Gneise. Möglich ist dies, da die dunklen Minerale eine deutlich höhere Schmelztemperatur (mehr als 1.000°C) benötigen als die hellen (ca. 650°C). So bilden die Migmatite den Übergang zwischen metamorphen und magmatischen Gesteinen.


Empfohlene Zitierweise

Olaf Juschus: “Die Steine der Bernauer Stadtbefestigung” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/80_e_512-stadtmauer-bernau/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • RUDOLPH, Frank (2016): Strandsteine. Sammeln und Bestimmen. – Kiel.
  • SMED, Per und Jürgen EHLERS (2002): Steine aus dem Norden. Geschiebe als Zeugen der Eiszeit in Norddeutschland, 2. Aufl. – Berlin.
  • http://kristallin.de

Bildnachweise

  • Titelbild: Steine in der Bernauer Stadtmauer (Foto: Olaf Juschus)
  • Vorschaubild: An der Stadtmauer (Foto: Micha Winkler, 2014)