Lützschena und die Familie Speck von Sternburg

Von Johannes-Martin Müller und André Skock – 12/2017

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Einleitung

Der Ort Lützschena ist Teil der Gemeinde Lützschena-Stahmeln, die wiederum den nordwestlichsten Stadtteil Leipzigs darstellt. Die sich unmittelbar westlich anschließende Stadt Schkeuditz bildet den Grenzsaum zu Sachsen-Anhalt. Zwar wurde Lützschena als adliges Rittergut schon im 13. Jahrhundert erwähnt, die zentralen räumlichen Determinanten sind aber im Kontext des 19. Jahrhunderts zu verorten.

Erst mit der Übernahme des Ritterguts im Jahre 1822 durch Maximilian Speck von Sternburg erhielt der Ort seinen zentralen Entwicklungsimpuls, der vielschichtiger und vitaler kaum sein konnte. Aber schon vor ‚Lützschena‘ machte Speck von Sternburg als internationaler Wollhändler gute Geschäfte. Er handelte mit exquisiten niederländischen und englischen Tuchen und gründete mit Specks Hof sein eigenes Handelshaus in der Leipziger Innenstadt. Durch sein unternehmerisches Engagement, den Betrieb einer eigenen Brauerei, Ziegelei, Brennerei, Schaf- und Rinderzucht wurde er zum wichtigsten Arbeitgeber im Ort. Darüber hinaus hat er sich mit seiner internationalen Gemäldesammlung auch auf dem Gebiet der Kunst einen Namen gemacht. Mit der Einrichtung von Arbeiterwohnhäusern, Schulen und einem öffentlichen Schlosspark steht er in der Tradition verbesserter Arbeitsbedingungen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Ganz getreu dem Motto: Adel verpflichtet.

Wenn wir nun die Siedlungsgeschichte betrachten, dann markiert die Hallesche Straße das zentrale Entwicklungsband. Sie verläuft von Nordwest nach Südost und begründet die historische Handelsstraße zwischen Leipzig und Halle. Die Siedlungskörper entwickelten sich daher entlang dieser Chaussee, die einst von hohen Pappeln umgeben wurde. Beidseits dieser Verkehrstrasse spannen sich zwei, in ihrem Erscheinungsbild völlig unterschiedliche Landschaftsräume auf: Die nördlich der Straße gelegene und langsam ansteigende Grundmoränenlandschaft, dazu kontrastierend der Siedlungskern um die Hänicher Dorfkirche auf der Fluss-Terrasse der Weißen Elster und das sich südwärts anschließende Urstromtal der Elster-Luppe-Aue, die eine natürliche Bebauungsgrenze darstellt.

Im Zuge der Industrialisierung wurde die Gemeinde 1905 an das Leipziger Straßenbahnnetz angeschlossen. Der Ort wurde dadurch besonders für Stadtbürger interessant, die in erster Linie die landschaftliche Lage zu schätzen wussten. Bis heute gilt die Siedlungsstruktur mit ihrer starken Durchgrünung und ihren vielen Freiflächen als Prototyp suburbanen Wohnens im Speckgürtel der Großstadt. So stieg die Einwohnerzahl von weniger als 200 (1890) auf fast 2000 (1925) an.

Lützschena im Satellitenbild
Lützschena im Satellitenbild (Quelle: DLR, bearbeitet durch Johannes-Martin Müller)

Darüber hinaus ist nicht nur die gute Verkehrsanbindung (A 14, B 6 und Flughafen) ein Attraktivitätsfaktor, sondern auch die Elster-Luppe-Aue, die als grüne Lunge den zentralen Naherholungsraum der Stadt bildet. Während sich der Siedlungskörper zwischen Eisenbahn und Weißer Elster aufspannt, ist das Gebiet jenseits von Bahn und Bundesstraße von einer internationalen Gewerbeentwicklung bestimmt. So unterhält DHL einen eigenen Frachtflughafen (Internationaler Hub) und Porsche macht mit seiner hauseigenen Teststrecke von sich reden.

Station 1: Bismarckturm zur Kartenansicht >>

Der Bismarckturm von Südosten
Der Bismarckturm von Südosten (Foto: Johannes-Martin Müller)
Die Eingangstür des Bismarckturms
Die Eingangstür des Bismarckturms (Foto: André Skock)

Der Bismarckturm bildet den höchsten Aussichtspunkt im Leipziger Nordwesten. Mit einer Turmhöhe von rund 31 Metern steht er an der Spitze der eiszeitlichen Grundmoräne. Der Bau erfolgte 1914, im Zenit der wilhelminischen Ära und war zugleich Kritik an ihr, am “Machtpathos” (Nipperdey) des Kaisers. Die Bismarck-Denkmäler waren somit sichtbarer Ausdruck tiefer Verbundenheit mit dem ehemaligen Reichskanzler, weshalb sie, anders als die Kaiser-Wilhelm-Denkmäler, aus der Bevölkerung initiiert wurden. Der 100. Geburtstag Bismarcks wurde zum Anlass genommen, den Aussichtsturm aufzustellen. Das Bauwerk ist aber kein Unikum: Im gesamten Bundesgebiet verteilen sich weit über 200 solcher Bismarckdenkmäler.

Blick vom Bismarkturm Richtung Osten
Blick vom Bismarkturm Richtung Osten (Foto: Haik Thomas Porada)

Bei gutem Wetter hat man von der oberen Empore des Turms einen grandiosen Blick auf das City-Hochhaus, den Rathausturm und sogar das Völkerschlachtdenkmal.

Öffnungszeiten: Mai bis September, jeden Sonntag 14:00–16:00 Uhr; Oktober bis April, jeden 1. Sonntag im Monat 14:00–16:00 Uhr / Eintritt: 2,00 EUR Erwachsene, 0,50 EUR Kinder.

Station 2: Die historische Lindenallee zur Kartenansicht >>

Lindenallee Lützschena
Lindenallee Lützschena (Foto: Johannes-Martin Müller / Wappen: http://www.luetzschena-stahmeln.de/lswappen.gif)

Die Lindenallee, die sich vom Bismarckturm bis zum Parkplatz des Baumarktes erstreckt, wurde 1914 / 15 angepflanzt, um auf direktem Wege von der Halleschen Chaussee zum Denkmal zu gelangen. Der Baumbestand beginnt an der Straßenbahn sechsreihig und setzt sich zweireihig fort.

Station 3: Villenkolonie am Dorettenring zur Kartenansicht >>

Individuelle Aufrissformen mit durchgrünten Vorgärten am Dorettenring
Individuelle Aufrissformen mit durchgrünten Vorgärten am Dorettenring (Foto: André Skock)

Der Leipziger Rechtsanwalt Bruno Peglau errichtete am Dorettenring 1909 ein durchgrüntes und aufgelockertes Villenviertel. Er hatte damit zum Ziel, die Wohnsituation der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern, womit er die aus England stammende Gartenstadtidee kopierte.

Das neue Wohnen in ruhiger, landschaftlich reizvoller Lage am Rand der Elsteraue stand im Kontrast zur hektischen, lauten und übervölkerten Leipziger Großstadt. Die Häuser kennzeichnet ein überdurchschnittlich hoher Grünanteil: So sind jedem Gebäude vor- und rückwärtige Gärten zugeordnet. Weiterhin werden die Häuser zu baugleichen Doppelhaushälften zusammengefasst. Jede Fassade hat ihre eigene, unverwechselbare Schauseite. Auch durch die Verwendung von Fachwerk, Naturschindeln und dem Gestaltungselement der tief heruntergezogenen Dächer entsteht der Eindruck anheimelnder Geborgenheit. Peglau zitiert ebenso internationale Baustile: Während Fachwerk auf englische Muster hindeutet, verweisen geschweifte Giebel mit rot leuchtenden Backsteinen auf holländische Stilmerkmale. Westlich der Villenkolonie wurde sogar ein eigener Park für die Bewohner angelegt. Davon ist aber, außer ein paar Streuobstwiesen, nicht mehr viel übrig.

Station 4: Auf der Luppebrücke - Das Naturschutzgebiet Burgaue zur Kartenansicht >>

Kanalisierte Luppe mit ausladendem Flutbett, Blick Richtung Süden
Kanalisierte Luppe mit ausladendem Flutbett, Blick Richtung Süden (Quelle: http://www.luetzschena-stahmeln.de/gesicht/Luppe.jpg)

Durch den Reichsarbeitsdienst wurde in den 1930er Jahren die Luppe begradigt und mit einem ausladend breiten Flutbett versehen, um die sommerlichen Hochwassermassen aufzunehmen. Bis zu dieser Zeit war in Lützschena regelmäßig „Land unter“. Mit der Aufschüttung des Damms, der sich heute bis in die Innenstadt zieht, wurden neue Rad- und Wanderwege erschlossen. Somit entwickelte sich das Gebiet um Elster und Luppe zu einem beliebten Ausflugsgebiet der Leipziger Stadtbevölkerung.

Die Auenwälder, die sich westlich der Luppe anschließen, sind aber andererseits von Überschwemmungen abhängig. Flächenmäßig dominiert die Hartholzaue mit ihren knorrigen Eichen und Ulmen, während in den deutlich häufiger überschwemmten Uferbereichen der Weichholzaue Weiden und Pappeln überwiegen. Im Frühjahr kommt es außerdem zu einem besonderen Phänomen, wenn der Bärlauch massenhaft den Waldboden bedeckt. Dann zieht der würzige und nach Knoblauch riechende Duft bis in die Leipziger Innenstadt.

Station 5: Schlossallee und Schafweiden zur Kartenansicht >>

Vom Hundewasser kommend führt die mit Feldsteinen gepflasterte und von Rosskastanien gesäumte Chaussee auf das Schloss zu. Vor dem Ausbau der Halleschen Straße war Lützschena nur über diesen Weg erschlossen. In diesem Wiesengrund begann auch Maximilian Speck von Sternburg mit dem Bau von Entwässerungsgräben, um Flächen für seine Schafzucht zu gewinnen. Über 100 Jahre weideten hier wertvolle Horntiere, die er aus dem Ausland importierte: Sowohl Rinder aus dem Berner Oberland, als auch Romney Marsh Schafe aus Newleicester, die vorzügliche Merinowolle lieferten.

Zuchtrind aus dem Berner Oberland
Zuchtrind aus dem Berner Oberland (Quelle: von Sternburg 1830, S. 38)
Romney-Marsh Schafe aus dem Rittergut Lützschena
Romney-Marsh Schafe aus dem Rittergut Lützschena (Quelle: von Sternburg 1830, S. 42)

Man muss sich vorstellen, dass über 1000 Schafe hier ihre „beste Erquickung“ (von Sternburg 1830, S. 42) fanden. Auch das Waschen der Wolle erfolgte direkt an der nahegelegenen Elster. Zur Illustration seines Hofguts engagierte von Sternburg einen eigenen Landschaftsmaler, den Österreicher Friedrich Loos, der Park und Tiere detailverliebt in Szene setzte.

Durch sein know-how auf dem Gebiet der Schafzucht wurde Maximilian Speck von Sternburg zum gefragten Experten an den europäischen Adelshöfen. Er betrieb nicht nur in Lützschena ein landwirtschaftliches Mustergut, um seine agrarwirtschaftlichen Methoden für Jedermann zugänglich zu machen. Auch in Fürstenried bei München kümmerte er sich um die königlich-bayerische Schafzucht. Und in St. Petersburg wurde er als landwirtschaftlicher Berater des Zaren eingesetzt.

Station 6: Auf der Elsterbrücke (Herrenhaus) zur Kartenansicht >>

Herrenhaus Lützschena, Ansichtskarte um 1908
Herrenhaus Lützschena, Ansichtskarte um 1908 (IfL: PKL-Luetz001)

1864 wurde das Schloss im Stil der englischen Neo-Gotik errichtet. Die Vorliebe des Bauherren (Maximilian Speck) für englische Bauformen steht in engem Zusammenhang mit seinen internationalen Geschäftsbeziehungen. Durch Import- und Exportgeschäfte unterhielt er stets enge Kontakte zur britischen Wollindustrie. Somit kann der Baustil durchaus als Hommage an den Tudorstil des Spätmittelalters verstanden werden.

Bis 1945 hatte das Gebäude einen burghaften Charakter und wurde von einem dekorativen Zinnenkranz umgeben. Der Charakter des Schlosses wurde aber bald durch Aufsetzen eines weiteren Stockwerks in Mitleidenschaft gezogen. Wenn man genau hinsieht, kann man die ehemaligen Zinnen dank einer geschickten Fassadenbemalung noch erahnen.

Vom einstigen Glanz des Herrenhauses ist lediglich die Südfassade mit Freitreppe, Vorbau und Familienwappen (über der Tür) erhalten geblieben. Nach der Bodenreform und der Enteignung der Besitzer wurde das Schloss als landwirtschaftliche Fachschule umgenutzt. Unter anderem wurden hier Kader ausgebildet, die von der DDR als Entwicklungshelfer in afrikanische Länder geschickt wurden. Heute wird es wieder von der Familie Speck von Sternburg bewohnt.

Station 7: Auwaldstation zur Kartenansicht >>

Ehemalige Stellmacherei; Undatierte Postkarte von Lützschena
Ehemalige Stellmacherei; Undatierte Postkarte von Lützschena (Quelle: Archiv Auwaldstation)

Von der Elsterbrücke kommend, gehen wir zurück Richtung Schlossallee, biegen dann aber rasch nach links auf den Schotterweg ab. Nach wenigen Schritten erreichen wir ein scheunenartiges Gebäude, die Auwaldstation. Das Backsteinhaus mit seinem gelb leuchtenden Ziegelfachwerk war früher ein Wirtschaftsgebäude für die Schafzucht. Später war hier eine Stellmacherei untergebracht. Jahrelang lag es im Dornröschenschlaf und wurde glücklicherweise vor dem Verfall gerettet: Nach der Sanierung durch die Gemeinde eröffnete man 1998 ein öffentliches Begegnungszentrum, das sich für den ökologischen Erhalt der Auenlandschaft und die Pflege des Schlossparks einsetzt.

Auwaldstation
Auwaldstation (Foto: André Skock)

Insbesondere die Revitalisierung des englischen Landschaftsparks ist den fleißigen Händen dieser Einrichtung zu verdanken. Neben Führungen durch das Naturschutzgebiet Burgaue werden auch Kulturspaziergänge durch den Schlosspark angeboten. Zu einer guten Tradition gehört auch das jährliche Schlossparkfest, das an jedem ersten Sonntag im September stattfindet.

Die Auwaldstation freut sich über Besuch. Die Öffnungszeiten sind: Dienstag bis Freitag: 9-16 Uhr, Montag: Ruhetag, und nach Absprache. An Wochenenden und Feiertagen: April bis Oktober 12-18 Uhr, Oktober bis April 10-16 Uhr.

Ein Novum ist außerdem die 2013 eingeführte Auwald App, ein multimedialer Erlebnispfad, der den naturinteressierten Laien durch das NSG Burgaue navigiert. Wer über kein Smartphone verfügt, kann sich in der Auwaldstation Ipads ausleihen, um das Programm zu testen.

Station 8: Blick auf den Dianatempel (Schlosspark) zur Kartenansicht >>

Darstellung des Schlossparks
Darstellung des Schlossparks (Quelle: Denzer et al. 2015, S. 198)

Südlich des Schlosses, zwischen Weißer Elster und Hundewasser, begann Maximilian Speck von Sternburg 1825 mit der Anlage eines englischen Landschaftsparks. Im Sinne adliger Repräsentation ließ er dort eine Familiengruft errichten, um das Wirken der Vorfahren gebührend zu würdigen. Ebenfalls rekurrieren im Park verstreute Grab- und Gedenksteine auf diese adlige Erinnerungskultur. Nach der Enteignung im Zuge der sozialistischen Bodenreform (1945) wurde der Schlosspark zum Wirtschaftswald degradiert und erst spät, im Jahre 1978, unter Denkmalschutz gestellt.

Dianatempel
Dianatempel (Foto: Johannes-Martin Müller)

Der leuchtend weiße Monopteros als Parkentree provoziert einen deutlichen Kontrast zu den dunklen Laubgehölzen seiner Umgebung. Am Wasser gelegen können viele der Teiche im Schlosspark eine ähnliche Geschichte erzählen: Ursprünglich bestand die Aue aus einem Flickenteppich zahlloser Lehmgruben, aus denen man Ziegelerde abbaute, die in der hofeigenen Ziegelei gebrannt und international exportiert wurden.

Nun zurück zu unserem Standort: Das halbkreisförmige Dach des Dianatempels wird von sechs Säulen eingerahmt. Dazwischen befand sich einst die Statue von Diana, der römischen Göttin der Jagd. Selbst das Innere der Kuppel wurde liebevoll mit Jagd- und Tiermotiven bemalt. Heute gilt der Monopteros nicht nur als augenfällige Landmarke, sondern auch als Symbol einer erfolgreichen Parkrevitalisierung.

Familienmausoleum der Familie Speck von Sternburg
Familienmausoleum der Familie Speck von Sternburg (Foto: André Skock)
Grabstätte von Maximilian Speck von Sternburg (1776 - 1856)
Grabstätte von Maximilian Speck von Sternburg (1776 - 1856) (Foto: Johannes-Martin Müller)

Station 9: Am Ententeich zur Kartenansicht >>

Historisches Entenhaus im Schlosspark
Historisches Entenhaus im Schlosspark (Quelle: von Sternburg 1830, S. 19)
Nachgebautes Entenhaus
Nachgebautes Entenhaus (Foto: André Skock)

Auch lebendige landwirtschaftliche Nutztiere wurden in die Gartengestaltung integriert. Ein Novum zur damaligen Zeit! Exotische Zuchttiere wie die Tibetaner Ziegen wurden zusammen mit Wasservögeln am Ententeich gehalten. Die hier ebenfalls weidenden Brasilianer Ziegen stammten aus der Herde des österreichischen Kaisers, aus Laxenburg bei Wien, deren kostbarer Flaum zu Cashmere Schals und Hüten weiterverarbeitet wurde.

Das “Entenhaus“ war aber in erster Linie für die Ziegen gedacht, die sich hier unterstellen konnten. Als Ersatz für den zerstörten Stall errichtete man einen miniaturhaften Nachbau, der ebenfalls mit asiatischem Dekor auf sich aufmerksam macht.

Von Sternburg verstand es, Landwirtschaft und Park-Kunst im Sinne einer ornamental farm zu verbinden. Demzufolge liegt sein großer Verdienst in der ästhetischen Ausformung seines landwirtschaftlichen Guts.

Station 10: An der Schäferei zur Kartenansicht >>

Alter Schafstall
Alter Schafstall (Foto: Johannes-Martin Müller)

Die Straße „An der Schäferei“ gilt heute als zentrale Erschließungsachse des Ritterguts und verweist mit ihrem Namen auf die historische Schafzucht. Bis heute hat sich hier der alte Schafstall, ein langgestreckter Ziegelbau mit auffallendem Treppengiebel, erhalten.

So galt die Zucht von Merinoschafen als Steckenpferd des Wollhändlers Maximilian Speck von Sternburg. Durch die Kontinentalsperre, ein Importverbot englischer Waren, war es ihm zwischen 1806 und 1814 nicht möglich, englische Wolle und Zuchttiere einzukaufen. Speck von Sternburg stellte daher sein Hofgut auf Selbstversorgung um und züchtete sächsische Electoral-Schafe, die sich durch einen hohen Wolle-Ertrag auszeichneten. Mittlerweile wurde der Schafstall denkmalgerecht saniert und mit Wohnungen einer sinnvollen Nachnutzung zugeführt.

Ein interessantes Detail am Rande: Für den Bau des Gebäudes wurde ausschließlich Ziegelerde aus der nahen Elsteraue verwendet!

Station 11: Am Bildersaal (Villa Martha) zur Kartenansicht >>

Am Bildersaal
Am Bildersaal (Foto: Johannes-Martin Müller)

Der klassizistische Bau der Villa Martha (1843) lässt heute kaum erahnen, dass hier bis 1945 eine der bedeutendsten Privatgalerien Deutschlands untergebracht war. Maximilian Speck von Sternburg ließ das Gebäude ausschließlich zur Unterbringung seiner Gemälde errichten. Wie damals im Sinne fürstlicher Repräsentation üblich, erwarb er auf seinen Handelsreisen zahlreiche Kunstwerke. Die Straße „Am Bildersaal“ verweist noch auf die ursprüngliche Zweckbestimmung des Hauses.

Um Kunstfreunde aus aller Welt auf seine Sammlung hinzuweisen, wurden ganze Gemälde-Kataloge herausgegeben, für deren Gestaltung namhafte Künstler verantwortlich waren. Denn ein optischer Eindruck konnte nur erreicht werden, wenn man die beschriebenen Gemälde als Lithographien reproduzierte. Selbst den kunstinteressierten Goethe lud er 1830 nach Lützschena ein. Der damals 81-jährige konnte der Einladung aber altersbedingt nicht mehr folgen.

Mittlerweile wurde das Haus zu Wohnungen umgebaut. Die Sammlung befindet sich heute als Dauerleihgabe der Maximilian-Speck-von-Sternburg-Stiftung im Museum der bildenden Künste in Leipzig. Das Kunst-Konglomerat umfasst über 250 Gemälde und 500 Grafiken namhafter Künstler wie Caspar David Friedrich, Peter Paul Rubens und viele mehr.

Station 12: Villa Sternburg und Gasthof Lützschena zur Kartenansicht >>

Villa Sternburg
Villa Sternburg (Foto: Johannes-Martin Müller)

Die Villa wurde im Stil der englischen Neogotik in den Jahren 1884–1888 erbaut. Sie war mit stolzen 750 m² nicht nur Wohnhaus des Brauereidirektors, sondern auch seiner leitenden Angestellten. Das eiserne Wappen auf der Umfriedungsmauer verweist noch auf diese glanzvolle Zeit. Die Lage an der Zufahrt zur Brauerei unterstreicht ebenfalls die soziale Kontrollfunktion, die der Direktor ausüben konnte, wenn die bierfässerbeladenen Pferdekutschen ein- und ausfuhren.

Glücklicherweise fand sich nach einem Besitzerwechsel 2012 ein Eigentümer, der die Villa behutsam rekonstruierte. So kam ihr burghafter Charakter wieder zum Vorschein: Der Dachabschluss besteht aus einem Zinnenkranz, der in mühevoller Handarbeit erneut aufgesetzt wurde. Aber auch die Umfriedungsmauer und die vielen kleinen mit Sandstein profilierten Erker vermitteln noch diesen wehrhaften Eindruck.

Gasthof Lützschena mit der Villa Sternburg im Hintergrund
Gasthof Lützschena mit der Villa Sternburg im Hintergrund (Quelle: http://www.luetzschena-stahmeln.de/ansichten/gasthof.jpg)

Westlich der Villa befindet sich heute eine Brachfläche, auf der bis 2007 der brauereieigene Gasthof stand. Maximilian Speck von Sternburg errichtete das Gebäude aber schon 1826 als Ausschankbetrieb der Sternburg-Brauerei. Zur “Beförderung des geselligen Vergnügens“ (von Sternburg 1830, S. 5) wurde ein Tanzsaal eingerichtet und ein Biergarten mit schattenspendenden Kastanien angelegt. Mit der Straßenbahn, die ab 1905 direkt vor der Gaststätte hielt, kamen scharenweise Ausflügler nach Lützschena, um sich in der Aue und im Schlosspark zu erholen.

Station 13: Die Sternburg-Brauerei zur Kartenansicht >>

Werkstattgebäude mit Uhrenturm und kupfergedecktem Sudhaus
Werkstattgebäude mit Uhrenturm und kupfergedecktem Sudhaus (Foto: Johannes-Martin Müller)

Die Silhouette der ehemaligen Sternburg Brauerei, mit der Kupferkuppel des Sudhauses und dem Uhrenturm des Werkstattgebäudes stellt eine bis heute auffällige Landmarke dar. Seit wann in Lützschena Bier gebraut wird, kann heute niemand mehr genau sagen. Fest steht, dass dem Rittergut 1785 das Privileg erteilt wurde, in Leipzig Bier „auf Grund seiner Stärke und Güte“ (zit. nach Pawlitzky 2013, o.S.) auszuschenken. Die „Bairische Bier-Dampf-Brauerei zu Lützschena“ machte ihrem Namen alle Ehre: So wurde nicht nur das Sudhaus nach bayrischem Vorbild errichtet, man engagierte auch einen Münchner Braumeister, um fortan ein süffiges Lagerbier zu brauen.

Fasswaggons der Sternburg Brauerei
Fasswaggons der Sternburg Brauerei (Quelle: http://www.luetzschena-stahmeln.de/gesicht/fotos/Brauerei_2.jpg)
Luftaufnahme von Lützschena, in der Bildmitte die Sternburg-Brauerei, um 1939
Luftaufnahme von Lützschena, in der Bildmitte die Sternburg-Brauerei, um 1939 (IfL: PKL-Luetz013)
Die Sternburg-Brauerei aus der Luft, um 1937
Die Sternburg-Brauerei aus der Luft, um 1937 (IfL: PKL-Luetz009)

Maximilian Speck von Sternburg stellte die gesamte Brauerei auf Selbstversorgung um. In den Elsterauen ließ er Hopfenfelder anlegen (1836: 37.000 Stangen mit 112.000 Hopfenpflanzen) und unterhöhlte das Brauereigelände mit über 20 m tiefen Natureis-Bierkellern. Mit dem Eisenbahnanschluss der Brauerei (1911) konnte das Bier in speziellen Fasswaggons deutlich bequemer abtransportiert werden. Die Sternburgs kümmerten sich aber auch um das Wohl der Arbeiterschaft: Mit der Errichtung von Arbeiterwohnhäusern und einer Kleingartenkolonie wollte man die Gesunderhaltung der Arbeiter positiv beeinflussen.

Mit der Überführung zum volkseigenen Betrieb (ab 1958: VEB Brau- und Malzkombinat Sternburg), entwickelte sich das Sternburg Bier zu einer der angesehensten Biermarken in der DDR und wurde darüber hinaus zum Exportschlager. Es wurde auf Flügen der staatseigenen Fluggesellschaft „Interflug“ ausgeschenkt und in die sozialistischen Nachbarländer verschickt. Den Zenit erreichte das Unternehmen mit über 500 Beschäftigten kurz vor der Wiedervereinigung.

Mit dem Wegfall der osteuropäischen Märkte konnte man die Schließung der Brauerei im Jahre 1991 nicht mehr verhindern. Seitdem liegt das Brauereigelände brach. Mit der Übernahme durch die Radeberger Gruppe und einem neuen Brauereistandort lebt das Leipziger Bier aber fort.


Empfohlene Zitierweise

Johannes-Martin Müller und André Skock: “Lützschena und die Familie Speck von Sternburg” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/78_e_536-luetzschena-und-die-speck-von-sternburg-familie/, Stand 20.12.2017

Quellen und weiterführende Literatur

Bildnachweise

  • Vorschaubild: Blick vom Bismarckturm nach Osten (Foto: Haik Thomas Porada)
  • Titelbild: © Mapbox © OpenStreetMap, Bearbeitung: Vera Schreiner (IfL)