Zukunft der Magistralen
Von Anne-Katrin Schultz – 06/2015
Verwaiste Geschäfte, leerstehende Wohnungen, verwahrloste Bausubstanz und Imageprobleme. Viele Magistralen in Leipzig haben neben dem generellen Problem der hohen Lärmbelästigung auch mit solchen Missständen zu kämpfen. Ein Paradebeispiel ist sicherlich die Eisenbahnstraße, die in den Boulevardmedien immer wieder als Gruselkulisse herhalten muss. Dass diese und weitere Problemstraßen seit einiger Zeit einen Wandel erleben, wissen allerdings nur wenige.
Ähnlich wie in anderen Großstädten sind viele Magistralen in Leipzig nicht nur wichtige Hauptverkehrsachsen, sondern zugleich auch Wohn- und Geschäftsräume. Damit sind sie „für das städtebauliche Gerüst der Städte und als Identität stiftende Orte für Quartiere und die Gesamtstadt von zentraler Bedeutung“ (BMVBS 2013, S.9).
Allerdings haben hohes Verkehrsaufkommen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen sowie überproportionale Einwohnerverluste und wirtschaftliche Umstrukturierungen nach der politischen Wende dazu geführt, dass die Magistralen ihre Bedeutung als urbane Wohn- und Geschäftsstraße teilweise verloren haben. Der Bedeutungsverlust spiegelt sich in städtebaulichen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen wieder. Laut integriertem Stadtentwicklungskonzept des Dezernats für Stadtentwicklung und Bau benötigen aktuell 14 stadtteilprägende Hauptverkehrsstraßen in Leipzig einen besonderen Handlungsbedarf (siehe Abbildung 1).
Dazu zählen neben der Eisenbahnstraße, die zwischen 1993 und 2003 fast 60% ihrer Bevölkerung verloren hat, u.a. auch die Georg-Schwarz-Straße im Westen und die Georg-Schumann-Straße im Nordwesten der Stadt. Diese haben ebenfalls im gleichen Zeitraum massiv an Bevölkerung verloren (siehe Abbildung 2). Abbildung 3 und 4 verdeutlichen die wirtschaftlichen Probleme der Magistralen mit Handlungsbedarf. 2013 standen auf der Georg-Schwarz-Straße rund 39 % der kartierten Einzelhandelsgeschäfte leer. Auf der Eisenbahnstraße war 2014 sogar fast jedes zweite Geschäft von Leerstand betroffen.
Zum Vergleich: Bei der Karl-Liebknecht-Straße, einer Magistrale ohne Entwicklungsbedarf, fällt der Leerstand mit nur ca. 7% deutlich geringer aus als auf den anderen drei Straßen mit Handlungsbedarf (siehe Abbildung 5). Auch schreibt die Karl-Liebknecht-Straße bereits seit 1998 wieder positive Einwohnerzahlen (siehe Abbildung 2). 2013 wurde die Bevölkerungszahl von 1993 sogar überschritten. Dies zeigt, dass hohes Verkehrsaufkommen nicht zwangsläufig zu einer Entwertung der anliegenden Wohn- und Geschäftsbereiche führt, sondern auch von der Attraktivität des jeweiligen Wohnstandorts abhängig ist.
Zur Wiederbelebung der Magistralen verfolgt die Stadt seit 2009 einen integrierten Handlungsansatz. Unter intensiver Einbindung lokaler Akteure werden sowohl städtebauliche und verkehrsbezogene Umgestaltungsmaßnahmen, als auch die soziale und kulturelle Infrastruktur sowie die lokale Ökonomie gefördert.
In den letzten Jahren hat sich auf den drei Straßen schon einiges getan – nicht zuletzt auch durch ein großes bürgerschaftliches Engagement. Ob Wiederbelebung von leerstehenden Ladenlokalen mit alternativen Konzepten, Gebäudesanierungen, Kunstprojekte, neue Platzgestaltungen, Leerstandsdatenbanken, Eigentümerberatungen, kulturelle Veranstaltungen, neue Straßenmarkierungen für den Radverkehr oder umgebaute Straßenbahnhaltestellen – die Bandbreite an konkreten Maßnahmen zur Aufwertung der Magistralen ist vielfältig. Auf der Georg-Schwarz- und der Georg-Schumann-Straße wurde zudem ein Magistralenmanagement eingerichtet, welches als vermittelnde Instanz zwischen Verwaltung, lokalen Akteuren, Bewohnern und potentiellen Investoren agiert.
Eine Renaissance der Magistralen deutet sich an. Dies belegen nicht zuletzt auch die kontinuierlich steigenden Einwohnerzahlen. Spätestens seit 2008 ist auf den drei Hauptverkehrsstraßen ein positiver Bevölkerungstrend erkennbar (siehe Abbildung 2). Gerade die Eisenbahnstraße hat in den letzten Jahren enorm vom Einwohnerzuwachs der Stadt profitiert. Zwischen 2008 und 2013 hat die Magistrale ein Bevölkerungsplus von rund 48% verzeichnet. Die niedrigen Mieten ziehen nicht nur viele Studenten, sondern auch Kreative an - auch die Künstlerszene wächst.
Impressionen von der Eisenbahnstraße, Georg-Schwarz- und Georg-Schumann-Straße erhalten Sie in der Bildergalerie. Starten Sie die Slideshow mit einem Klick auf das Vorschaubild.