Jüdische Geschichte Prenzlaus
Von Jürgen Theil – 10/2025
In einer Urkunde des Markgrafen Waldemar vom 14. Juni 1309 werden erstmals Juden in Prenzlau erwähnt. Sie unterstanden der städtischen Gerichtsbarkeit und erhielten das Bürgerrecht. Sie lebten in enger Gemeinschaft in einem Stadtviertel. Bis zur Shoa während der Zeit des Nationalsozialismus prägten jüdische Familien die Geschichte der Stadt Prenzlau und der umliegenden Dörfer.
Für Prenzlau ist ein sogenanntes „Juden Dorpe“ erwähnt (1321), dessen genaue Lage nicht bekannt ist. Auf Stadtplänen des 18. Jh. taucht die Bezeichnung Judendorf als Straßenname für den Bereich „Am Durchbruch“ auf. Die Juden ernährten sich vor allem vom Geldwechsel und dem Kleinhandel. Seit der Zeit des Mittelalters gab es in Deutschland mehrere Judenverfolgungen. Die Juden wurden für ausbrechende Krankheiten, Stadtbrände oder Pestepidemien verantwortlich gemacht. Im Jahre 1360 beklagte der Bischof von Kammin die Judenfreundlichkeit der Prenzlauer und forderte sie auf, die Juden aus der Stadt zu vertreiben. Als die Prenzlauer nicht darauf eingingen, wurden sie mit dem Kirchenbann bestraft. Der Gottesdienst wurde untersagt und die Kirchen verschlossen. 1355 erhielten die Prenzlauer Juden das Recht, sich vor dem Steintor einen Friedhof anzulegen. Anfang des 18. Jh. erwarb die jüdische Gemeinde ein Grundstück in der Nähe des Wasserturmes, auf dem ein Friedhof angelegt wurde. Dieser Friedhof, auf dem 1919 die letzte Bestattung erfolgte, ist am 9./10.11.1938 durch die Nazis eingeebnet worden. Ein zweiter jüdischer Friedhof wurde 1899 außerhalb der Stadt am sogenannten „Süßen Grund“ angelegt. Auch er hat die Kriegsereignisse nicht unbeschadet überdauert. Die Leichenhalle wurde in der Pogromnacht angezündet und zahlreiche Grabsteine umgeworfen. Im Herbst 1945 wurde der Friedhof wiederhergerichtet, und 1958 bezog Familie Seidel das dortige Wohnhaus. Bis 2008 wurde der Friedhof von dieser Familie, die 2010 aus gesundheitlichen Gründen ausgezogen war, vorbildlich gepflegt.
1750 war es den Juden gelungen, ein Grundstück für den Bau ihrer Synagoge zu erwerben. Diese konnte 1752 fertig gestellt werden. Schon im Jahre 1832 trat an ihre Stelle ein Neubau.
Mit der Judenemanzipation 1812 verbesserte sich auch die Lage der in Prenzlau lebenden Juden. 1847 wurde in Prenzlau die 434 Seelen zählende Synagogengemeinde gegründet, zu der auch die Juden der Städte Brüssow und Strasburg gehörten. In Prenzlau allein lebten 1846 etwa 360 Juden. 1875 zählte die jüd. Gemeinde in Prenzlau 337 Mitglieder. Um 1900 gründete sich in Prenzlau der „Verein für jüdische Geschichte und Literatur“. Die Zahl der in Prenzlau lebenden Juden war inzwischen leicht zurückgegangen. So lebten hier nach den Jahresberichten der Stadt 1905 315 und 1910 297 (149 männliche, 148 weibliche) Juden. Im I. Weltkrieg hatten sechs Juden aus Prenzlau an der Front ihr Leben gelassen. Eine verstärkte antijüdische Gesinnung begann in Prenzlau erst nach 1933. Damals wurden bei einer Volkszählung im Kreis Prenzlau 189 „Glaubensjuden“ gezählt. Nach der Zerstörung der Prenzlauer Synagoge am 10.11.1938 wurden auch einige Juden aus Prenzlau verhaftet und in das Lager Oranienburg bei Berlin gebracht. 1942 folgten die letzten Deportationen. Damit hörte die Prenzlauer Gemeinde auf zu existieren. Ihr letzter Rabbiner war Dr. Oskar Bähr. In einem Artikel der in New York von deutschen Exilanten herausgegebenen Zeitung „Aufbau“ wird 1946 davon gesprochen, dass „von der einst aus über 100 jüdischen Familien bestehenden Gemeinde Prenzlau“ insgesamt acht Personen die Nazizeit im Exil überlebt hätten. Im September 2003 gestalteten Schüler aus Stettin und Prenzlau den alten jüdischen Friedhof im Stadtpark. Es wurde die alte Grenze des Friedhofs durch eine Steineinfriedung kenntlich gemacht und eine Gedenkmauer errichtet, bei der auch die aus dem Straßenpflaster geborgenen Grabsteinreste verwendet wurden. Am 9. November 2003 wurde die Anlage der Jüdischen Gemeinde übergeben.
Die Juden der uckermärkischen Landkreise (1848-1939) nach Edda WEISS (2003):
| 1848 | 1871 | 1880 | 1905 | 1925 | 1933 | 1939 | |
|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Angermünde | ? | 594 | ? | 321 | 248 | 181 | 58 |
| Prenzlau | 434 | 436 | 490 | 353 | 257 | 189 | 64 |
| Templin | ? | 175 | ? | 249 | 75 | 51 | 18 |
| Prenzlau – Regierungsbezirk | ? | 4179 | ? | 7312 | 4311 | 3874 | 2481 |
Jüdische Bevölkerung im Landkreis Prenzlau nach der Volkszählung vom 17.5.1939:
Juden insgesamt: 64 (25 männlich) davon Glaubensjuden: 58 (23 männlich)
Jüdische Mischlinge 1. Grades: 29 (14 männlich) davon Glaubensjuden: 6 (2 männlich)
Jüdische Mischlinge 2. Grades: 17 (7 männlich) davon Glaubensjuden: 0 (s. u.: Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens)
Erinnerungen an den 10. November 1938: „Ich bin Jahrgang 1926 und war am 10.11.1938 Schüler der 2. Klasse der damaligen Mittelschule gleich neben der Kirche. Wir hatten Unterricht in der 3. Stunde. Plötzlich ging ein Rufen durch den Klassenraum: „Da draußen Richtung Uckersee brennt es“. Wir wurden durch den Klassenlehrer aufgefordert, ruhig sitzen zu bleiben. Doch dann kam die Aufforderung von der Schulleitung, dass die Schüler aller Klassen sich zum Judentempel in Bewegung zu setzen hätten, dieser würde brennen. Wir liefen schnell den Sternberg und Uckerwiek hinunter. Da sahen wir, wie es im Innenraum des Tempels brannte und die Flammen durch die Fenster nach außen schlugen. Die Feuerwehr war auch schon am Brandort, aber sie war nicht bemüht, die Flammen des brennenden Tempels zu löschen, sondern nur die umliegenden Häuser zu schützen. Hier und da waren antijüdische Parolen zu hören. Ich hatte große Angst und konnte nicht verstehen, was das alles bedeuten sollte. Vielen meiner Mitschüler ging es wohl auch so. Am schlimmsten war es natürlich für unsere jüdischen Mitschüler. Wir hatten noch zwei in der Klasse, ein dritter hatte die Schule schon vor diesem Ereignis wegen „unsittlichem Verhalten“ verlassen müssen. Die anderen beiden mussten nach diesem Pogrom ebenfalls gehen. Nachdem wir wieder in unserem Klassenzimmer waren, wurde kaum gesprochen. Selbst der Klassenlehrer war sehr erregt. Am Nachmittag dieses Tages ging ich mit meinem Freund aus der Pension durch die Fischerstraße in Richtung Marienkirche und Marktplatz. An der Ecke Fischerstraße wohnte einer der beiden jüdischen Klassenkameraden. Seine Eltern hatten dort das Konfektionsgeschäft Chankowski. Es war geplündert, die Scheiben eingeschlagen und Hetzparolen an Wände und Türen geschmiert. Das gleiche Bild neben der „Grünen Apotheke“. Dort das Geschäft des anderen jüdischen Mitschülers – Sänger. Da wir uns sehr ängstigten, gingen wir schnell wieder zurück in unsere Pension. Diese schrecklichen Ereignisse verfolgten mich nachts im Traum, so dass ich oft aufwachte. Tage danach sah ich auch im Park unterhalb vom Wasserturm Zerstörungen auf dem alten Judenfriedhof. Umgestürzte und zerbrochene Grabsteine. In unserem Dorf hatte man von diesen Grausamkeiten erst nichts mitbekommen. Ich weiß nur, dass meine Eltern sehr entsetzt waren über diese kriminellen Handlungen und davon sprachen, dass es nun bald Krieg geben würde.“ Martin Krause, Seelübbe.