Die Prenzlauer Zuckerfabrik

Von Jürgen Theil – 10/2025

Bereits 1803 entstand im preußischen Cunern (Schlesien) die erste Rübenzuckerfabrik der Welt. Nur wenige Jahre später wurde in der Zeit der Kontinentalsperre (1812) in Althaldensleben bei Magdeburg, wo bereits eine landwirtschaftliche Gewerbeanstalt bestand, eine Zuckerfabrik errichtet, die als preußische Musteranstalt diente. Mitte des 19. Jh. lag der Anteil der in der Provinz Brandenburg verarbeiteten Zuckerrüben noch unter 3,5 % der deutschen Produktion. 1872 zählte man in der Provinz Brandenburg dann schon 18 Zuckerfabriken. Im selben Jahr gründete und erbaute der in Frankfurt am Main geborene Landwirt und Zuckerfabrikant Ludwig Weinrich (1847–1888) eine Zuckerfabrik in Prenzlau.

1872 gründete und erbaute der Landwirt und Zuckerfabrikant Ludwig Weinrich eine Zuckerfabrik in Prenzlau. Die Voraussetzungen für die Zuckerproduktion erschienen angesichts der fruchtbaren und ertragreichen Böden der nördlichen Uckermark mehr als günstig. Außerdem verfügte Prenzlau bereits damals über einen Eisenbahnanschluss und ausgebaute Chausseen. Da es zunächst jedoch an Landwirten fehlte, die bereit waren Zuckerrüben anzubauen, kaufte und pachtete Weinrich Ländereien, um selbst Zuckerrüben anzubauen. Die Prenzlauer Zuckerfabrik sollte sich schon in der Zeit der Industriellen Revolution zu einem der wichtigsten und größten Arbeitgeber der Region entwickeln.

Abb. 1: Zuckerfabrik in Prenzlau um 1908
Abb. 1: Zuckerfabrik in Prenzlau um 1908 (Bildarchiv Uckermärkischer Geschichtsverein)

Bei der Inbetriebnahme wurde eine tägliche Rübenverarbeitung von 50 Tonnen erreicht. Die Anfuhr der Rüben erfolgte 1872 bis 1878 u. a. durch zwei Dampfstraßenlokomotiven, später durch Ochsengespanne und ab 1881 direkt mit der Bahn. Die hohen Investitionen hatten offenbar zu einer immer größer werdenden Verschuldung geführt, so dass die Zuckerfabrik allein bei der Kreisbank offene Schulden in Höhe von 700.000 Mark hatte, wie das Leipziger Tageblatt 1878 berichtete.

Noch im selben Jahr ging der Betrieb durch gerichtliche Überschreibung an die Aktiengesellschaft Prenzlauer Zuckerfabrik über. Dabei wurde das Grundkapital der Gesellschaft auf 1.284.000 Mark festgesetzt (Berliner Börsen-Zeitung vom 25.7.1878). Weinrich wurde Direktor dieser durch ihn und den Kaufmann Julius Bähr (bis 1883) im Vorstand vertretenen Aktiengesellschaft. Im September 1883 wurden Dr. Oskar May und Adolf Mehrle zu Mitgliedern des Vorstandes gewählt (Berliner Börsen-Zeitung vom 10.10.1883). Nachdem die AG 1884 Konkurs anmelden musste, erwarb sie 1885 die Kur- und Neumärkische Ritterschaftliche Darlehnskasse zu Berlin. 1891 wurde sie dann an die Strasburger Zuckerfabrik weiterverkauft. Die Kapazität der Prenzlauer Zuckerfabrik wurde auf über 1000 Tonnen tägliche Rübenverarbeitung gesteigert. Die von ihr erzielten „Fabrikationseinnahmen“ erreichten 190607 immerhin 2.156.662 Mark (Leipziger Tageblatt vom 10.7.1907). 120 Landwirte und Bauern der Umgebung belieferten 1926 die Zuckerfabrik mit Rüben. So durchzogen in der Rübenkampagnezeit fast täglich die mit vier Pferden bespannten und mit Zuckerrüben schwer beladenen Wagen die Straßen der Stadt. Der Tageslohnsatz eines Arbeiters betrug 1884 0,90 bis 1,20 Mark und im Jahre 1913 2,70 bis 2,80 Mark. Vom 1. bis 5. Februar 1920 beteiligten sich 125 Beschäftigte der Zuckerfabrik an einem Lohnstreik. Am 16. März 1920 schlossen sich die Arbeiter dem Generalstreik in Deutschland an, und 1923, während der Inflation, kam es zu einem Streik in der Zuckerverladung. Im Geschäftsjahr 192425 trat die Prenzlauer Zuckerfabrik der Zuckervertriebsgesellschaft der Baltischen Zuckerfabriken GmbH in Berlin bei. Ein Jahr später wurde ein großer Teil der technischen und baulichen Anlagen überholt, so dass die bisherige Produktionskapazität von etwa 100 Tonnen Rüben auf das 12- bis 15-Fache gesteigert werden konnte. 1939 arbeiteten hier von Mitte Oktober bis Mitte Dezember etwa 650 Arbeitskräfte, Mitte Dezember bis Mitte Januar etwa 280, in den übrigen Monaten etwa 100. Für die zur Stammbelegschaft gehörenden 80 Personen standen z.T. sogar Betriebswohnungen zur Verfügung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Aktiengesellschaft Prenzlauer Zuckerfabrik auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) Nr. 124 vom 30.10.1945 beschlagnahmt und enteignet. Fabrikant Arndt wurde schon im August 1945 durch Paul Ritter abgelöst, der kommissarisch zum Betriebsleiter ernannt wurde. Damals waren hier 71 Personen beschäftigt. Mit Wirkung vom 18. April 1948 ging der Betrieb in Volkseigentum über. Bis 1945 ist in der Prenzlauer Zuckerfabrik nur Rohzucker hergestellt worden, der in Stettin weiterverarbeitet wurde. Da dies nach 1945 nicht mehr möglich war, ist bis 1949 eine Weißzuckerzentrifuge errichtet worden. Es folgte eine schrittweise Modernisierung der Fabrik. Mit einem Kostenaufwand von über 6 Millionen Mark wurde die Prenzlauer Fabrik in den 1950er Jahren zu einer der modernsten Fabriken der DDR ausgebaut. 1973 sind auch erste Wohnungen an das Fernwärmenetz der Fabrik angeschlossen worden. 1988 waren insgesamt 168 Wohnungen an diesem Netz.

Abb. 2: Prenzlauer Zuckerfabrik um 1970
Abb. 2: Prenzlauer Zuckerfabrik um 1970 (Sammlung Jürgen Theil)
Abb. 3: Postkarte im Selbstverlag von Nick Dobusch 1995 herausgegeben.
Abb. 3: Postkarte im Selbstverlag von Nick Dobusch 1995 herausgegeben. (Sammlung Jürgen Theil)

Die Fabrik produzierte noch bis zum 7. November 1994. Als letzter Direktor fungierte von 1973 bis 1994 Helmut Schreck.

Abb. 4: Abriss der Prenzlauer Zuckerfabrik
Abb. 4: Abriss der Prenzlauer Zuckerfabrik (Sammlung Jürgen Theil)

Empfohlene Zitierweise

Jürgen Theil: “Die Prenzlauer Zuckerfabrik” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/82_b_121-prenzlauer-zuckerfabrik/, Stand 09.10.2025

Quellen und weiterführende Literatur

  • THEIL, Jürgen (2022): Gründung der Prenzlauer Zuckerfabrik vor 150 Jahren, in: Heimatkalender Prenzlau 2023, 66, S. 69–79.

Bildnachweise

  • Titelbild und Vorschaubild: Zuckerfabrik Prenzlau, Kesselhaus und Heizhaus (Nick Dobusch (1995) Postkarte, Archiv Jürgen Theil)