Landgewinnung für den Aufbau der Stadt Prenzlau im 13. Jahrhundert
Von Matthias Schulz – 10/2025
Ein entscheidender Vorteil Prenzlaus war die Lage am Uckerfluss und damit die Möglichkeit, ohne Probleme auf dem Wasserweg mit größeren Warenmengen am lukrativen Ostseehandel teilzunehmen.
Die Lage eines Ortes ist entscheidend für dessen Entwicklung. Eine Handelsstraße, eine militärisch vorteilhafte Lage, eine Wasserstraße – derartige Vorteile haben oft das Wohl oder Wehe eines Ortes maßgeblich bestimmt. Vorteile können aber auch Nachteile mit sich bringen. So birgt z. B. eine Wasserstraße auch die Gefahr von Überschwemmungen, auf gut ausgebauten Straßen können neben Händlern auch Angreifer schnell einen Ort erreichen.
Ein entscheidender Vorteil Prenzlaus war die Lage am Uckerfluss und damit die Möglichkeit, ohne Probleme auf dem Wasserweg mit größeren Warenmengen am lukrativen Ostseehandel teilzunehmen.
Das breite, kaum passierbare Uckertal trennt zudem die nördliche Uckermark quasi in zwei Hälften, nur an wenigen Stellen ist (bis heute) eine Querung des Tales ganzjährig möglich. Auf diese wenigen Stellen führen alle W–O verlaufenden Wege zu. Die Kontrolle dieser Querungen ermöglicht somit die Kontrolle des Warenhandels, die Teilhabe an diesem und natürlich Zolleinnahmen. Einer dieser möglichen Pässe liegt bei Prenzlau, hier ist das Tal etwa 1,5 km breit.
Ein entscheidender Punkt in der mittelalterlichen Ostsiedlung im 13. Jahrhundert, die mit einem starken Bevölkerungswachstum einherging, waren Wassermühlen. Ohne technische Mühlen ist die Entwicklung der Besiedlung stark begrenzt – es hätten z. B. die Unmengen an Bauholz nicht gesägt, das Mehl für die Ernährung nicht gemahlen oder die Tuche der zahlreichen Tuchmacher nicht gewalkt werden können. Der „mittelalterliche Mühlenstau“, bei dem Gewässer um bis zu drei Meter angestaut wurden, hat die Landschaft bis heute grundlegend verändert.
Prenzlau hat den Unteruckersee kurz nach der Stadtrechtsverleihung 1234 zum „Mühlensee“ gemacht und um etwa 1,8 m angestaut, die neuen Ufer des Sees lagen topographisch bedingt zwischen 100 und 400 Meter weiter nördlich als die ursprünglichen. Damit standen der Stadt ausreichend Mühlen-Kapazitäten zur Verfügung. Die Stauanlagen versperrten zudem den bis dahin freien Wasserweg auf der Ucker, sämtliche Waren mussten daher in Prenzlau zwischen Uckersee und Uckerfluss umgeladen werden – eine lukrative Einnahmequelle.
Die Besiedlung der Prenzlauer Neustadt begann im Verlauf des 11. Jahrhunderts. Die wenigen bisher bekannten Siedlungsnachweise liegen heute in über 2 m Tiefe, knapp unterhalb des Uckerseespiegels. Das verweist auf einen Nachteil des Mühlenstaus. Das ohnehin nur schwer passierbare Uckertal wurde bei Prenzlau durch den Mühlenstau stark vernässt. Um die wichtige Land-Fernhandelsstraße von Magdeburg bis nach Stettin weiterhin nutzen zu können, baute Prenzlau einen ca. 2,5 m breiten Bohlenweg quer durch das Uckertal – gut 1,5 km lang, aus 10 cm starken Eichenbohlen, die auf Holzstämmen ruhten. Um die Mühlen und Stauanlagen in der im Tal gelegenen Prenzlauer Neustadt schützen zu können, sperrte man den Weg mittels einer hölzernen Stadttoranlage (dem Neustädtischen Tor) ab.
Um in der Neustadt überhaupt bauen zu können, musste der Untergrund vorbereitet werden. An etlichen Stellen konnte bei Ausgrabungen in der Neustadt nachgewiesen werden, dass man in einem ersten Schritt das Gelände mit einer Schicht aus Ästen, Zweigen, Abfallholz und Stroh bedeckte, die heute als 5 bis 20 cm starke „Kulturschicht“ nachweisbar ist. Auf dieser erstaunlich tragfähigen Schicht baute man die Neustadtstraße. Im Bereich der Häuser trug man zum Schutz vor der Nässe eine bis zu 20 cm starke Lehmschicht auf.
In einem ersten Schritt bebaute man so einen schmalen Streifen beiderseits der Straße. Im Laufe der Zeit verbreiterte man diesen Streifen stetig und gewann so Raum für Nebengebäude. Auch musste man das gesamte Gelände stetig aufschütten, da es immer wieder zu Überschwemmungen kam. Im Kleinen machte man in Prenzlau somit das, was z. B. im Watt der Nordsee im Großen erfolgreich praktiziert wurde – man rang dem Wasser Bau- und Nutzland ab.