Hugenotten in der Uckermark
Von Haik Thomas Porada – 10/2025
Im Kulturhistorischen Museum im Dominikanerkloster Prenzlau gibt es eine kleine Abteilung, die der Entwicklung der Uckermark innerhalb des brandenburgisch-preußischen Staates im 17. und 18. Jahrhundert gewidmet ist. An prominenter Stelle werden dort seit 2007 die Gemälde von Marie Christine Tourbier (1766–1803) und Isaak Tourbier (1768–1808) gezeigt. Jürgen Theil, der Vorsitzende des Uckermärkischen Geschichtsvereins hatte sie 2006 ersteigert und die Volksbank Uckermark eG hatte sie anschließend, nach einer Aufarbeitung durch den angesehenen Restaurator Eginhard Dräger (1933–2015) in Schwennenz, dem Museum gestiftet, um an die lange hugenottische Tradition in der Uckermark zu erinnern. Viele Zeugnisse aus der Geschichte der hugenottischen Kolonien im nordöstlichen Brandenburg, die es in Prenzlau bis zum Frühjahr 1945 gab, sind beim Brand der Stadt am Ende des Zweiten Weltkrieges unwiederbringlich vernichtet worden. Daher ist der authentische Wert dieser beiden Gemälde nicht hoch genug einzuschätzen.
Nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts, die gerade das Grenzgebiet zwischen der Mark Brandenburg, Mecklenburg und Pommern mit großer Härte und Grausamkeit erschütterten, war sowohl in demographischer als auch in ökonomischer Hinsicht die Lage in der Uckermark außerordentlich prekär. Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der sog. Große Kurfürst (1620–1688), machte sich daher nicht ganz uneigennützig die Verfolgung der Anhänger des reformierten Glaubens in Frankreich zunutze und erließ 1685 das Edikt von Potsdam, mit dem er günstige Ansiedlungsbedingungen für die große Zahl an Flüchtlingen in seinem Konglomeratstaat schuf, der sich vom Niederrhein bis nach Ostpreußen zog. Binnen weniger Jahre ließen sich in der Uckermark insgesamt mehr als 2.000 Franzosen und Wallonen nieder. Hinzu kamen deutschsprachige Reformierte aus der Pfalz und aus der Schweiz.
Prenzlau avancierte seit dem Eintreffen der ersten Hugenotten 1687 schnell zur fünftgrößten Kolonie in Brandenburg. Aber auch in Potzlow, Gramzow und Strasburg sowie in mehreren Dörfern, vor allem in den kurfürstlichen Ämtern, also auf den Domänen, ließen sich die Zuwanderer aus dem Westen nieder und sorgten in den kommenden Jahrzehnten für einen grundlegenden ökonomischen und kulturellen Wandel in der Uckermark. Neue Kulturpflanzen, wie der Tabak oder die für die Seidenraupenzucht benötigten Maulbeerbäume, kamen ins Land und führten über die Verarbeitung der daraus gewonnenen Produkte zu völlig neuen Vermarktungsstrukturen.
Ein Beispiel dafür war Jacques Bassenge (1646–1713), der in Sedan geboren wurde und zur ersten Hugenottengeneration in Brandenburg gehörte. Dank eines landesherrlichen Kredits konnte er in der Klosterstraße 28, dem Grundstück des späteren Logenhauses, eine Ölmühle mit Pferdeantrieb errichten, die erste ihrer Art in Prenzlau. Bereits im Jahre 1700 war es ihm möglich, diese Roßmühle von der Stadt zu kaufen. Dies war ihm nicht zuletzt möglich, weil der Kurfürst ihm das Privileg eines Monopols für die Herstellung und den Verkauf des von ihm produzierten Öles in der gesamten Uckermark verliehen hatte.
Auch zahlreiche Handwerker ließen sich in den Städten nieder, was von der alteingesessenen Bevölkerung häufig mit Argwohn und Neid gesehen wurde, zumal seit der 1613 erfolgten Konversion von Johann Sigismund von Brandenburg, des Großvaters des Großen Kurfürsten, vom lutherischen zum reformierten Glauben ein beständiges Misstrauen seitens der lutherischen Untertanen in allen Territorien des brandenburgischen Territorialstaats gegenüber der nunmehr von der Landesherrschaft sehr deutlich begünstigten calvinistischen Strömung innerhalb des Protestantismus herrschte.
Die Hugenotten sollten bis ins frühe 19. Jahrhundert auf der Basis der ihnen 1685 gewährten Privilegien einen Sonderstatus behaupten, der es ermöglichte, sowohl eigene kirchliche Gemeinden zu gründen als auch in rechtlicher Hinsicht eine gewisse Autonomie zu genießen. Davon machten sie natürlich auch in ihren Kolonien in der Uckermark regen Gebrauch. Seit 1687 nutzten sie die Heiliggeistkirche für ihre Gottesdienste in französischer Sprache. Eng mit der Gemeinde verbunden war auch eine eigene Schule. Die deutsch-reformierte Gemeinde nutzte ihrerseits wiederum die Franziskanerkirche. Nach deren Instandsetzung auf Weisung des preußischen Königs Wilhelm I. wurde sie seit 1865 das Gotteshaus beider reformierten Gemeinden. In den folgenden Jahrzehnten sollte sich die seelsorgerliche Tätigkeit der reformierten Geistlichen auf verschiedene Einrichtungen, darunter in den 1930er Jahren das Wanderarbeitsheim in der Schwedter Straße, erstrecken.
Von Generation zu Generation näherten sich die Mitglieder der französisch-reformierten Gemeinde ihrer deutschsprachigen Umgebung immer stärker an, bis schließlich kaum noch jemand der französischen Sprache mächtig war. Die gemeinsame Agende, die der preußische König 1817 einführte und die zur Bildung einer Landeskirche der altpreußischen Union in mehreren Provinzen führte, trug ihrerseits dazu bei, dass der alte Gegensatz zwischen lutherischen und calvinistischen Glaubensüberzeugungen im Protestantismus schrittweise überwunden werden konnte. Trotzdem hielten sich noch reformierte Gemeinden bis in die heutige Zeit neben bzw. am Rande der Landeskirche. Nach den Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkrieges erinnern in Prenzlau heute noch die aus dem Mittelalter stammenden Gotteshäuser der Heilgeist- und der Franziskanerkirche daran, dass sie seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert den beiden reformierten Gemeinden der Stadt eine Obhut boten. Die bemerkenswerte Häufung französischer Nachnamen in der Uckermark ist ein weiteres Zeugnis der Prägung, die diese Zuwanderung während des konfessionellen Zeitalters mit sich gebracht hat. Die Uckermark war schließlich eine wichtige Etappe für viele hugenottische Familien, die sich in Hinterpommern, an der Weichselmündung und in Ostpreußen niederließen bzw. die seit der Integration des bis dahin schwedischen und rein lutherischen Altvorpommerns in den preußischen Staat nach 1715⁄20 neue reformierte Gemeinden in Stettin, Pasewalk, Anklam und Demmin gründeten. In der Folgezeit sorgten die engen familiären Verbindungen zwischen den einzelnen hugenottischen Kolonien in Preußen für einen regen Austausch, was auch für Prenzlau und andere Orte in der Uckermark bedeutete, dass sie in mancherlei Hinsicht dichter an Berlin heranrückten und der Horizont vieler Einwohner geweitet wurde.