Der demographische Wandel und seine Auswirkungen
Von Sebastian Kinder – 10/2025
Seit den frühen 1990er-Jahren prägt der demographische Wandel die Entwicklung der Uckermark in besonderem Maße. Schrumpfende Bevölkerungszahlen, eine zunehmende Alterung und veränderte Lebensstile führen zu tiefgreifenden gesellschaftlichen und räumlichen Veränderungen. Abwanderung, Geburtenrückgang und der Verlust junger Erwerbstätiger haben viele Gemeinden vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Zugleich eröffnen Zuzüge aus dem In- und Ausland neue Perspektiven, die Chancen für eine nachhaltige Stabilisierung der Region bieten.
Seit Beginn der 1990er Jahre beeinflusste der demographische Wandel die Bevölkerungsentwicklung der Uckermark in besonderem Maße. Unter diesem Begriff werden verschiedene Prozesse der Bevölkerungsentwicklung zusammengefasst, insbesondere die Bevölkerungsschrumpfung, die Alterung der Bevölkerung, die Individualisierung und die Internationalisierung der Bevölkerung.
Der Rückgang der Bevölkerungszahl ist für die Uckermark besonders markant. Zwischen 1991 und 2016 nahm die Bevölkerung des Landkreises von 165 542 auf 117 803 Einwohner und damit um
28,8 % ab (SBB 2018, SBB 2024). Die Uckermark zählt damit zu den Regionen Ostdeutschlands mit dem größten Bevölkerungsverlust seit der deutschen Einheit.
Der Bevölkerungsrückgang setzt sich aus einer natürlichen und einer räumlichen Komponente zusammen. Die natürliche Bevölkerungsentwicklung, die sich aus dem Saldo von Geburten und Sterbefällen ergibt, hat sich seit 1990 drastisch verändert. Während der natürliche Bevölkerungssaldo bis 1990 deutlich positiv war, ist er seit 1991 durchgehend negativ, d. h. es sterben jeweils mehr Einwohner, als Menschen geboren werden. Die Einwohnerzahl der Uckermark hat sich aufgrund dessen allein zwischen 2000 und 2023 um 18 834 Personen verringert (LBV 2018, LBV 2023, LBV 2024). Ursächlich für den anhaltend negativen natürlichen Bevölkerungssaldo ist v. a. der Rückgang der Geburten. Soziale und wirtschaftliche Unsicherheiten angesichts einer weit verbreiteten Unterbeschäftigung und unsicherer Arbeitsverhältnisse haben ebenso wie der Wandel von Lebensstilen und die im Vergleich zu den Jahren der DDR verschlechterten Rahmenbedingungen der Kinderbetreuung dazu beigetragen, dass Frauen ihren Kinderwunsch verschieben oder ganz aufgeben. Hinzu kommt, dass der Anteil junger Frauen, die nach 1990 die Uckermark verlassen haben, besonders hoch ist. Im Jahr 2023 kamen so auf 100 Frauen im Alter von 18 bis unter 30 Jahren 118 Männer im selben Alter.
Der natürliche Bevölkerungssaldo ist allerdings nur für einen Teil des Bevölkerungsrückgangs in der Uckermark verantwortlich. In großem Umfang haben sich auch Wanderungseffekte negativ auf die Bevölkerungsentwicklung ausgewirkt. Zwischen 2000 und 2015 verlor die Uckermark per Saldo 16 377 Personen, weil mehr Menschen die Uckermark verließen als zuzogen. Der Wanderungssaldo war von 1993 bis 2013 durchgehend negativ (LBV 2018). Besonders stark war die Abwanderung in den Jahren von 2000 bis 2008. In dieser Zeit erreichte die Arbeitslosigkeit in der Uckermark ihr bislang höchstes Niveau (2004: 25,4 %). Mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten, fehlende berufliche Perspektiven und ein insgesamt unterdurchschnittliches Lohnniveau zählen deshalb zu den Hauptursachen der Abwanderung in jener Zeit. Hinzu kamen aber durchaus auch psychologische Aspekte: So ist festzustellen, dass die Uckermark – wie auch andere strukturschwache ländliche bzw. periphere Räume Ostdeutschlands – in öffentlichen Diskursen vorwiegend als vermeintlich abgehängte und perspektivlose Region dargestellt wurde, die insbesondere für junge Menschen nicht mehr lebenswert sei. Dies trug dazu bei, dass bspw. Schulabsolventen von vornherein ihre beruflichen Perspektiven allein in den wirtschaftsstarken metropolitanen Regionen suchten und regionale Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten unerkannt und ungenutzt blieben.
Gegenüber den 1990er Jahren ist allerdings eine charakteristische Verschiebung der Wanderungsbewegungen festzustellen. Waren die 1990er und frühen 2000er Jahre noch dadurch gekennzeichnet, dass der weitaus größte Teil der Fortzüge nach Berlin und v. a. in die wirtschaftsstarken Metropolregionen West- und Süddeutschlands gerichtet war, hat sich die Abwanderung seit 2009 deutlich verringert. Gleichzeitig hat die Zuwanderung stark zugenommen. Allein zwischen 2019 und 2023 ist ein Zuzug von per Saldo 4 373 Personen zu verzeichnen, die zu etwa gleichen Teilen aus anderen Teilen des Landes Brandenburg, aus Berlin und aus dem Ausland kamen. Gleichzeitig verlor die Uckermark nur noch 768 Personen an andere Teile Ostdeutschlands (LBV 2024). Mit einem Saldo von rund 450 Personen waren die Wanderungsbewegungen für die Uckermark schon zwischen 2011 und 2015 nahezu ausgeglichen (im Vergleich zu einem wanderungsbedingten Bevölkerungsverlust von 16 377 Personen zwischen 2001 und 2015). 2014 konnte bereits ein leicht positiver Wanderungssaldo verzeichnet werden, der sich 2015 deutlich verstärkte und seitdem anhaltend im positiven Bereich geblieben ist.
Die Ursachen für diese deutlichen Veränderungen der Wanderungsbewegungen sind vielfältig. So ist zum einen anzunehmen, dass die mobileren und zumeist jüngeren Bevölkerungsteile bereits in den 1990er und frühen 2000er Jahren abgewandert waren und vorwiegend weniger mobile Altersklassen der Bevölkerung zurückblieben. In den späten 2000er Jahren ist dann aber auch eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation in der Uckermark festzustellen. Vor allem der Boom in Industriebereichen, die vom Ausbau der erneuerbaren Energien profitierten, eröffnete neue Arbeitsmöglichkeiten in der Region und ließ das Vertrauen in die Entwicklungsperspektiven der Region wieder wachsen. Der seit den 2010er Jahren deutlich gestiegene Zuzug von Personen aus Berlin und Brandenburg verweist auf die gestiegene Attraktivität der Uckermark für Zuzügler aus der Region. Darüber hinaus macht sich auch der gestiegene Zuzug aus dem Ausland im Zuge der hohen Migrationszahlen seit 2015 und auch aus benachbarten polnischen Regionen bemerkbar. Die inzwischen positive Entwicklung des Wanderungssaldos kann aber nach wie vor die Bevölkerungsverluste durch die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung nicht ausgleichen.
Trotz der insgesamt verbesserten demographischen Situation, die in den letzten Jahren insbesondere durch einen Rückgang der Abwanderung und eine steigende Zuwanderung stabilisiert werden konnte, ist auch in den kommenden Jahren noch von einem weiteren Rückgang der Einwohnerzahl auszugehen. Vor allem die geringe Geburtenrate ist hierfür maßgeblich. Der massive Bevölkerungsrückgang hat seit 1990 zu erheblichen Veränderungen in den Gemeinden und in der Kulturlandschaft beigetragen. Viele Gemeinden weisen inzwischen einen zunehmenden Gebäudeleerstand auf. Dieser ist besonders stark in jenen Gemeinden, die in den Jahren der DDR bspw. als Zentren größerer LPG ausgebaut worden waren (B7 Dedelow, G5 Haßleben). Aber auch die Kreisstadt Prenzlau hat in den Jahren zwischen 1990 und 2023 26 % ihrer Einwohner verloren (LBV 2024). Während sich der Leerstand in diesen Gemeinden überwiegend auf den Gebäudebestand aus den Jahren der DDR konzentriert und dort insbesondere in Prenzlau im Rahmen des Bund-Länder-Programms Stadtumbau Ost erhebliche Rückbaumaßnahmen unternommen wurden, sind in den kleinteiligeren dörflichen Strukturen meist einzelne Gehöfte vom Leerstand betroffen. Weil durch den Wegzug eines Teils der jüngeren Generation Kinder und Enkel die Gebäude oftmals nicht mehr übernehmen, wegen des oft erheblichen Sanierungsbedarfs und der geringen Nachfrage auch keine Käufer für diese Immobilien zu finden sind, stellt der Leerstand und Verfall von ehemaligen Gehöften und Einfamilienhäusern ein zunehmendes Problem für die Entwicklung des Ortsbildes dar. Es fällt auf, dass besonders solche Gemeinden Prozesse des zunehmenden Verfalls aufweisen, die in größerer Entfernung zur Kreisstadt Prenzlau und zu den Autobahnen A 11 und A 20 liegen, die sich in Sichtweite größerer Windparks befinden, keine Arbeitsmöglichkeiten im Umfeld bieten und insgesamt keine besondere landschaftliche Attraktivität in ihrer Umgebung aufzuweisen haben. Solche Orte sind gerade für Zuziehende oft auch unattraktiv.
In vielen Fällen können sich so negative Differenzierungsprozesse entfalten, die sich selbst verstärken. So kann ein deutlicher Bevölkerungsrückgang, wie er für zahlreiche uckermärkische Dörfer charakteristisch ist, zu vermehrtem Leerstand beitragen, der das Ortsbild negativ beeinträchtigt und den Ort als Wohnstandort noch unattraktiver macht. Selbst daraus resultierende sinkende Immobilienpreise vermögen es nicht, Zuziehende anzuziehen. In der Regel ist mit diesen Prozessen auch ein Rückgang des ohnehin schon gering ausgeprägten bürgerschaftlichen Engagements verbunden, was ebenfalls die Attraktivität eines Ortes negativ beeinflusst.
Einige Experten empfehlen deshalb die aktive Förderung von Wegzug verbliebener Einwohner aus besonders verfallenen Orten, den Dorfrückbau bzw. ihre Entlassung in einen sog. Selbstverantwortungsraum, in dem der Staat keine oder nur beschränkte infrastrukturelle Garantien übernimmt (BERLIN-INSTITUT FÜR BEVÖLKERUNG UND ENTWICKLUNG 2011, S. 72). Diese umstrittenen Empfehlungen werden von der Politik – auch unter dem Hinweis auf die gesetzlichen Pflichten einer Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Landesteilen – bislang aber abgelehnt. Tatsächlich ist aber schon jetzt festzustellen, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gerade in ländlichen Gemeinden der Uckermark im Vergleich zu anderen Landesteilen nur noch bedingt gegeben ist. Sinkende Bevölkerungszahlen haben nicht nur zum baulichen Niedergang vieler dörflicher Siedlungen beigetragen, sondern auch zu einer Ausdünnung öffentlicher und privater Infrastrukturen (z. B. Schulen, Ärzte, ÖPNV, Einzelhandel), die den Lebensalltag der Einwohner in dieser Region zusätzlich erschwert.
Der demographische Wandel ist allerdings nicht allein durch den Bevölkerungsrückgang, sondern auch durch eine zunehmende Alterung der Gesellschaft gekennzeichnet. Zwischen 2000 und 2023 nahm im Landkreis Uckermark die Altersgruppe der bis unter 18-Jährigen um 38,6 %, die der 18- bis unter 30-Jährigen um 56,0 % und jene der 30- bis unter 50-Jährigen um 48,1 % ab (LBV 2024). Gleichzeitig stieg der Anteil der 50- bis unter 65-Jährigen an der Gesamt-
bevölkerung um 1,5 % und jener der 65-Jährigen und Älteren um 52,6 %. Damit zeichnet sich ein typisches Bild einer alternden Bevölkerung ab: während die Bevölkerungszahlen in den Alterskohorten der Kinder und Jugendlichen wie auch des größten Teils der erwerbsfähigen Bevölkerung in starkem Maße abnimmt, steigt der Anteil der Älteren und der Personen im Rentenalter.
Diese Entwicklung bildet sich auch in der Entwicklung der Altersquotienten ab. Hierzu zählen einerseits der Jugendquotient, der die Anzahl der unter 20-Jährigen je 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahre misst sowie der Altersquotient, der die Anzahl der Personen ab 65 Jahre je 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahre angibt. Während der Jugendquotient im Jahr 2000 für den Landkreis Uckermark noch bei 34,2 lag (Deutschland 34,0), sank er bis 2023 auf 30,3 ab (Deutschland 31,7). Allein die Entwicklung dieses Wertes veranschaulicht eindrucksvoll, dass die junge Bevölkerung einen zunehmend geringeren Anteil im Verhältnis zur Erwerbsbevölkerung hat und in naher Zukunft das Erwerbspersonenpotenzial in der Uckermark unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen abnehmen wird. Im selben Zeitraum verdoppelte sich der Altersquotient. Er stieg von 24,4 im Jahr 2000 (Deutschland 26,8) auf 56,6 im Jahr 2023 (Deutschland 38,1). Die starke Zunahme des Altersquotienten verdeutlich, wie schnell die Bevölkerung des Landkreises Uckermark überaltert und in welchem Missverhältnis erwerbsfähige Altersgruppen zu Altersgruppen im Rentenalter stehen.
Abb. 4: Bevölkerung des Landkreises Uckermark am 31. Dezember 2023 nach Altersjahren und Geschlecht (SBB 2024)
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Gleichzeitig verdeutlichen beide Quotienten, dass die altersmäßige Bevölkerungsstruktur des Landkreises im Jahr 2000 noch ähnlich bzw. leicht günstiger im Vergleich zu Gesamtdeutschland war und dass erst danach ein sich beschleunigender Prozess einsetzte, der durch eine zunehmend ungünstigere Altersstruktur der Bevölkerung gekennzeichnet ist. So nahm nicht zuletzt auch der Altersdurchschnitt der Bevölkerung zwischen 2000 und 2015 von 41,1 Jahren auf 49,8 Jahre zu (LBV 2024).
Die Alterung der Gesellschaft hat in einer dünn besiedelten und ländlich geprägten Region wie der Uckermark zusätzliche Folgen für die Älteren wie auch für die Entwicklung der Ortschaften. Weil jüngere Familienmitglieder aufgrund der geschilderten Migrationsbewegungen der letzten Jahre oft nicht mehr in der Nähe wohnen, gleichzeitig aber auch die öffentliche Gesundheitsversorgung, der ÖPNV und die Einzelhandelsnahversorgung in zunehmenden Maße ausgedünnt worden sind, stellt sich für viele Ältere im ländlichen Raum das Problem, ihren Alltag mit zunehmendem Alter sicher und zufriedenstellend zu regeln. Zwar gibt es in einigen wenigen Ortschaften Initiativen zur Etablierung altersgerechter Wohn- und Pflegekonzepte, die aber bislang die Ausnahme bilden. Ein Umzug in die Stadt ist deshalb für viele Ältere inzwischen zu einer ernsthaften Option geworden. Städte wie Prenzlau, die trotz der Strukturschwäche der Uckermark nach wie vor die wesentlichen Basisinfrastrukturen vorhalten, können in diesem Kontext von einem gewissen Zuzug profitieren, der als besondere Form einer Reurbanisierung interpretiert werden kann. Gleichzeitig bedeutet diese Entwicklung, dass die städtischen Zentren der Uckermark sich besonders im Bereich der Altenvorsorge und des Gesundheitssektors profilieren müssten. Schon jetzt besitzt der Landkreis Uckermark mit 6,8 % die zweithöchste Quote an Pflegeleistungsempfängern aller Landkreise im Land Brandenburg (Land Brandenburg: 4,5 %).
Für die ländlichen Gemeinden, die ohnehin schon durch die Migration und generelle Bevölkerungsabnahme ungünstig in ihrer Entwicklung beeinflusst werden, bedeutet die zunehmende Alterung der Gesellschaft hingegen eine weitere Verschärfung von negativen Entwicklungstendenzen. Der zunehmende Anteil nichterwerbfähiger Altersgruppen bedeutet in der Regel eine Abnahme der Kaufkraft, was sich wiederum in einer weiteren Ausdünnung des Einzelhandels, aber auch z. B. in geringeren Investitionen in das eigene Haus niederschlägt. Damit nimmt die funktionale und optische Attraktivität ländlicher Gemeinden weiter ab. Dies schlägt sich wiederum auch negativ auf Immobilienpreise aus, so dass bei einem eventuellen Umzug in die Stadt die Immobilien kaum oder nur zu geringen Preisen verkauft werden können. Umgekehrt bedeutet die Alterung der Gesellschaft aber auch, dass sich der Anteil der Jungen verringert, was ebenso gravierende Folgen für Teile der Infrastruktur hat (Schließung von Schulen und Kindergärten, Reduzierung des ÖPNV-Angebots). Schließlich sind auch Folgen der Alterung für die Wirtschaft und Gesellschaft zu nennen. So verschiebt sich die Nachfragestruktur im Einzelhandel und im Dienstleistungsbereich, die Kaufkraft sinkt und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften nimmt ab. Gleichzeitig wird auch davon ausgegangen, dass alternde Gesellschaften sich mental verändern, weniger innovativ und in geringerem Maße offen für Neues sind. Derartige gesellschaftliche Veränderungen sind bislang aber noch wenig untersucht.
Neben der Abnahme der Bevölkerungszahl und der zunehmenden Alterung der Gesellschaft bildet die Individualisierung der Bevölkerung das dritte Element des demographischen Wandels. Darunter ist ein typisches Phänomen in spät- und postmodernen Gesellschaften zu verstehen, in denen traditionelle Standeszuordnungen obsolet werden und eine zunehmend reflexivere Lebensführung einhergeht mit gestiegenen Bildungsniveaus und einer Pluralisierung von Lebensstilen. Konkret äußert sich die Individualisierung der Bevölkerung bspw. in der Auflösung traditioneller Familienstrukturen und in der Zunahme von Ein-Personen-Haushalten. Am Beispiel der Stadt Prenzlau lässt sich diese Veränderung auch statistisch anhand der Entwicklung der Haushaltsgrößen belegen. So nahm die durchschnittliche Haushaltsgröße von 2,09 Personen im Jahr 2003 auf 1,55 Personen im Jahr 2015 ab (STADT PRENZLAU 2018, S. 15). Die Individualisierung der Bevölkerung kann nicht nur konkrete Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft haben (Umbau von Wohnungsgrößen, sinkender Flächenbedarf), sie kann auch den Zusammenhalt und das bürgerschaftliche Engagement in der Gesellschaft beeinflussen.
Schließlich zählt zu den unter dem Begriff des demographischen Wandels zusammengefassten demographischen und sozialen Prozessen auch die Internationalisierung der Bevölkerung. Diese hat in der Uckermark – von der Ansiedlung von französischen Hugenotten im 17. und 18. Jh. abgesehen – im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands erst spät eingesetzt. Ein erster signifikanter und bis heute anhaltender Zustrom ausländischer Bevölkerung erfolgte nach dem Beitritt Polens zum Geltungsbereich des Schengen-Abkommens Ende 2007. Seitdem ist eine anhaltende Migration von polnischen Staatsbürgern aus der nahegelegenen Großstadt Stettin in die grenznahen ländlichen Gemeinden der Uckermark festzustellen. Selbst für den hier betrachteten Teilraum der Uckermark, der sich schon in größerer Distanz zur deutsch-polnischen Grenze befindet, sind in einzelnen Gemeinden noch polnische Zuzügler identifizierbar. Dabei handelt es sich meist um junge, überdurchschnittlich qualifizierte Menschen, die sich noch in der Familiengründungsphase befinden und die in der Regel ihr erstes Eigenheim erwerben wollen. Aufgrund des recht hohen Gefälles zwischen den Immobilienpreisen beiderseits der Grenze (höhere Preise in Stettin und seinem polnischen Umland, niedrigere Preise im deutschen Umland), des Wegfalls der Grenzkontrollen seit Ende 2007 und der guten verkehrlichen Erreichbarkeit über die Bundesautobahnen A 11 und A 20 werden die Gemeinden auf der deutschen Seite der Grenzregion in zunehmendem Maße als potenzielle Wohnstandorte in Erwägung gezogen. Dabei ist der Zuzug umso stärker, je näher die Gemeinde an der deutsch-polnischen Grenze liegt, je besser eine der Autobahnen erreichbar ist und je mehr polnische Staatsbürger sich in dem betreffenden Ort bereits angesiedelt haben. Neben den genannten Gründen sind auch weiche Faktoren für den Umzug nach Deutschland relevant. So nennen zugezogene polnische Staatsbürger v. a. die im Vergleich zu Polen bessere lokale Infrastruktur, die Ruhe sowie die höhere Qualität an Freizeitangeboten in den deutschen Gemeinden (KINDER 2013).
Die Zuwanderung aus Polen hat überwiegend positive Effekte auf die betreffenden Gemeinden. Durch die meist jungen Familien entsteht wieder mehr lokale Nachfrage nach Infrastruktur, so dass Kindergärten, Dorfläden und Gastwirtschaften, die teilweise schon geschlossen waren, wieder öffnen können. Zugleich ist auch in vielen Gemeinden eine aktive Integration der Zugezogenen in das Vereins- und Gemeindeleben festzustellen. Im Vergleich zu den grenznahen Gemeinden der Uckermark und Vorpommerns ist der Zuzug polnischer Staatsbürger in dem hier betrachteten Gebiet mit Ausnahme der autobahnnahen Ortschaften allerdings noch vergleichsweise verhalten, so dass sich mögliche positive Effekte des Zuzugs in diesem Teilraum der Uckermark bislang noch eher bescheiden ausnehmen.
Im Zuge der ab 2015 stark gestiegenen Zuwanderung außereuropäischer Migranten nach Deutschland wurden im Zuge des landesweiten Umverteilungsschlüssels auch Migranten in uckermärkischen Gemeinden aufgenommen. Viele von ihnen sind in der Folgezeit aber in die Großstädte abgewandert, wo sie sich einerseits bessere Beschäftigungsmöglichkeiten erhoffen und andererseits schon etablierte Migrantennetzwerke und ihre informellen Strukturen nutzen können. Für die in der Uckermark verbliebenen Migranten sind die Zukunftsperspektiven v. a. von ihrer Integration in den Arbeitsmarkt und die lokalen gesellschaftlichen Strukturen von erheblicher Bedeutung. Insgesamt hat die Zuwanderung zu einer vorläufigen Stabilisierung des Wanderungssaldos beigetragen. Während er bereits vor der Migrationswelle schon im Jahr 2014 leicht positiv war, bewegte sich der Wanderungssaldo ab 2015 erstmals seit der deutschen Wiedervereinigung in einen deutlich positiven Bereich.