Das Verbundkraftwerk Uckermark und das weltweit erste Hybridkraftwerk
Von Sebastian Kinder – 10/2025
Das Verbundkraftwerk Uckermark gilt als Pionierprojekt der Energiewende in Deutschland. In einem großräumigen Netz werden Wind-, Solar- und Speichertechnologien verknüpft, um eine vollständig CO₂-neutrale Energieversorgung zu ermöglichen. Mit innovativen Konzepten wie Power-to-Heat und Wasserstoffproduktion zeigt das Projekt, wie erneuerbare Energien effizient und verlässlich kombiniert werden können – und leistet zugleich einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung und gesellschaftlichen Teilhabe.
Das Verbundkraftwerk Uckermark der ENERTRAG AG gilt als technologisch wie systemisch wegweisendes Beispiel für die Umsetzung der Energiewende in Deutschland. In einem etwa 1 600 km² umfassenden Gebiet werden unterschiedliche erneuerbare Energiequellen sowie Speicher- und Steuerungstechnologien in einem sektorübergreifend vernetzten Gesamtsystem zusammengeführt (ENERTRAG 2024a, AEE 2022, vgl. Abb. 1). Das Ziel dieses hybriden Kraftwerkskonzepts besteht darin, eine vollständig CO₂-neutrale, bedarfsgerechte und netzstabilisierende Energieversorgung zu ermöglichen.
Kernstück des Verbundkraftwerks ist die Windenergie: Rund 622 MW an installierter Leistung werden über zahlreiche Windkraftanlagen bereitgestellt, ergänzt durch etwa 24 MW aus Photovoltaikanlagen. Um die natürliche Volatilität von Wind- und Solarstrom auszugleichen, nutzt das System verschiedene Speichertechnologien. Dazu zählen ein seit 2019 in Betrieb befindlicher Batteriespeicher am Standort Cremzow, ein Wärmespeicher in Nechlin sowie ein Elektrolyseur in Wittenhof, der seit 2011 aus überschüssigem Strom grünen Wasserstoff erzeugt (AEE 2022, ENERTRAG 2024a).
Die im System erzeugte Energie wird über ein unternehmenseigenes Hochspannungsnetz mit einer Gesamtlänge von etwa 600 km gebündelt und anschließend ins überregionale Stromnetz eingespeist. Überschüsse werden je nach Bedarf entweder in Batterien, als Wärme oder in Form von Wasserstoff gespeichert. Dieser kann bei Bedarf rückverstromt, in das öffentliche Gasnetz eingespeist oder für industrielle Prozesse genutzt werden. Das Prinzip folgt der Logik klassischer Kraftwerke – jedoch vollständig emissionsfrei und regenerativ (ENERTRAG 2024a).
Ein wesentliches Innovationsmerkmal stellt die sektorübergreifende Integration von Strom- und Wärmenutzung dar. Durch das sogenannte Power-to-Heat-System wird überschüssiger Strom in Wärme umgewandelt und in Wärmespeichern für Nahwärmenetze, wie etwa im Dorf Nechlin, verfügbar gemacht. Diese Form der Energiespeicherung und -nutzung verhindert das kostenintensive Abregeln von Windkraftanlagen und erhöht die Gesamteffizienz des Systems (AEE 2022).
Gesteuert wird das Kraftwerksnetz über eine zentrale Leitwarte in Dauerthal. Mithilfe speziell entwickelter Software werden Erzeugung, Speicherung und Einspeisung dynamisch koordiniert. Dadurch ist das System in der Lage, netzstabilisierend zu agieren und auf Schwankungen im Strombedarf flexibel zu reagieren – ähnlich einem konventionellen Großkraftwerk, allerdings auf Basis ausschließlich regenerativer Quellen (ENERTRAG 2024b).
Das Projekt wurde in den vergangenen Jahren durch das Bundesförderprogramm „Schaufenster intelligente Energie“ (SINTEG) sowie durch das Reallabor „WindNODE“ politisch und finanziell unterstützt. Die gezielte Förderung der sektorübergreifenden Verknüpfung von Strom, Wärme, Mobilität und industrieller Nutzung unterstreicht die strategische Relevanz des Vorhabens im Kontext der nationalen Klimaschutzziele.
Neben der technischen und ökologischen Bedeutung ist auch die sozioökonomische Dimension hervorzuheben. Das Projekt schafft hochwertige Arbeitsplätze, trägt zur kommunalen Wertschöpfung bei und stärkt die Akzeptanz der Energiewende in der Region. Über 12 000 Bürgerinnen und Bürger sind über Direktbeteiligungen an der Energieproduktion partizipativ eingebunden – ein wesentliches Element für die Demokratisierung der Energieversorgung (ENERTRAG 2024c).
Auch auf internationaler Ebene hat das Konzept Vorbildcharakter. Es dient als Modell für großskalige Energieprojekte im globalen Süden, wie beispielsweise in Namibia, wo die Produktion und der Export von grünem Wasserstoff geplant sind. Die modulare Struktur des Verbundkraftwerks ermöglicht eine flexible Anpassung an unterschiedliche geographische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen, was es weltweit replizierbar macht.
Das Verbundkraftwerk Uckermark verkörpert somit einen ganzheitlichen Ansatz für die Transformation des Energiesystems. Es demonstriert eindrucksvoll, dass eine sichere, flexible und klimaneutrale Energieversorgung bereits heute technisch realisierbar ist. In der Kombination von technologischer Innovation, systemischer Integration und gesellschaftlicher Teilhabe bietet es ein zukunftsweisendes Modell für den Umbau der Energieinfrastruktur – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.