Komplexmelioration
Von Jörg Steidl – 10/2025
Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion war in der DDR eine Aufgabe von nationaler Bedeutung. Eines der Mittel dafür war die Melioration. Das sind kultur(bau)technische Maßnahmen der Bodenverbesserung, die auf eine Verbesserung der Ertragsfähigkeit und der Bodenbewirtschaftung, aber auch auf den Bodenschutz gerichtet sein können. (Abb. 1)
Solche Maßnahmen sind zum Beispiel die Be- oder Entwässerung, die unterirdische Dränung, die Eindeichung von Überschwemmungsgebieten oder die Urbarmachung von Ödland. Aber auch die Kultivierung von Mooren zählte dazu.
Die strategische Planung und Administration der Melioration oblag dem Bereich Land- und Meliorationsbau im Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR (LUA BB, 2004). Bis 1952 ging es vorrangig noch um die Rekonstruktion von kriegsbedingten Schäden vorhandener Anlagen (Gräben, Wehre, Dränung, u. ä.). Die jüngsten dieser Anlagen entstanden zwischen den beiden Weltkriegen im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes und des späteren, verpflichtenden Reichsarbeitsdienstes (BENZ, 1968). Neben unterirdischer Dränung von Äckern wurden dabei auch die ersten Verrohrungen von Gräben und Begradigungen von Fließen und Bächen vorgenommen.
Bis 1960 wurde die landesweite Planung von neuen, komplexeren Maßnahmen durchgeführt. Das politische und strategische Programm dazu lässt sich unter dem Begriff Komplexmelioration zusammenfassen. Die erste Phase der Komplexmelioration begleitete die Konsolidierung und Konzentration während der Kollektivierungskampagne der gebildeten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Die Schaffung größerer Schläge, auch durch die Neugestaltung des Entwässerungssystems, stand dabei im Mittelpunkt.
Die zweite Phase der Komplexmelioration (1971–1985) war ein fester Bestandteil der anschließenden Industrialisierung der Landwirtschaft (1968–1983). Die Flächenbewirtschaftung und die Bodenfruchtbarkeit sollten verbessert werden. Schläge wurden weiter vergrößert, um eine barrierefreie und effektivere Acker- und Grünlandbewirtschaftung zu erreichen. Hecken und Feldgehölze wurden dazu gerodet, Sölle und Nassstellen entwässert -Verweis auf Kartenserie Beitrag Entwässerte Sölle- und Grünland zu Ackerland umgewandelt. Insbesondere in den Niedermoorgebieten wurden wechselseitig wirkende Bodenwasserregulierungsanlagen installiert. Sie ermöglichten eine Ent- aber auch Bewässerung, hatten größere Grabenabstände und, wenn erforderlich, unterirdische Dränung. Fruchtbare aber staunässegefährdete Äcker (Kapitel Böden) wurden mit systematischer unterirdischer Dränung ausgestattet. Um den damit gewachsenen Anforderungen an die Vorflut gerecht zu werden, mussten Bäche und Fließe technisch ausgebaut werden (Quillow, Köhntop).
Beim Bewässerungsprogramm für die Landwirtschaft (1975) stand auch die Beregnung im Mittelpunkt.Im Betrachtungsgebiet wurden dazu die großen Seen als Wasserpeicher genutzt und der Wasserspeicher bei Dedelow angelegt (Unteruckersee, Quillow).
Grundwasser war für Beregnungswasser im Bearbeitungsgebiet nicht ausreichend verfügbar. Die dritte Phase der Komplexmelioration (1986–1990) war einerseits bereits durch eine schlechtere Materialversorgung geprägt, andererseits traten inzwischen erste unerwünschte Folgen der vorhergehenden Phasen in Erscheinung. Das waren die enormen Kosten für die Maßnahmen sowie den Betrieb und die Erhaltung der Anlagen, aber auch die Moordegradierungen infolge der Entwässerung und die Verschlechterungen der Gewässergüte durch Stoffausträge aus landwirtschaftlichen Flächen (Naugarten). So wurden neuere, kostengünstigere Materialien zur Dränung gesucht und Lösungen zum Wasser- und Stoffrückhalt entwickelt. Letztere waren An- und Einstauverfahren für entwässerte Niederungen sowie der Dränanstau zur Reduzierung der Entwässerungstiefe unterirdischer Dränanlagen, die aber kaum über das Entwicklungsstadium hinauskamen.
Viele der Maßnahmen der Komplexmelioration haben zwar die landwirtschaftliche Produktivität gesteigert, führten aber auch zu erheblichen ökologischen Problemen. Unter den nach 1990 geänderten Bedingungen der modernen Landbewirtschaftung und ökologischen Zielstellungen (LUA BB, 2004, EUROPÄISCHE UNION, 2000) wurde seit Anfang der 1990er Jahre die Beseitigung bzw. Minderung der daraus entstandenen Schäden in Angriff genommen (z. B. Ucker mit Blindower See, Uckertal, Naugarten).