Die Flora der Ackerwildkräuter im Naturpark Barnim
Von Philipp Kohler und Vera Luthardt – 12/2020
Vom Landwirt unerwünscht, vom Spaziergänger zumeist unbeachtet sind die Ackerwildkräuter doch ein sehr bunter und vielfältiger Teil unserer biologischen Vielfalt. Deshalb hat sich ein Studierender der HNE Eberswalde intensiv damit beschäftigt, wie viele dieser z.T. stark gefährdeten Pflanzenarten noch im Naturpark Barnim zu finden sind und wie man diese befördern könnte.
Ackerwildkräuter oder Segetalarten sind „Pflanzen der Äcker, die gesellschaftsbindend mit den Nutzpflanzen zusammen auftreten, deren Kultur für sie erträglich, förderlich oder sogar lebensnotwendig ist“ (RADEMACHER 1948, aus ARLT et al. 1991). Die Artengruppe unterliegt seit der zunehmenden Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft seit dem 19. Jahrhundert einem stetigen Rückgang (ARLT et al. 1991). Dieser Häufigkeitsverlust kann anhand von Wiederholungsaufnahmen im Vergleich zu den 1950er und 1960er Jahren auf 95–99% beziffert werden (MEYER et al. 2014). Hiervon sind vor allem konkurrenzschwache Arten, die kaum ökonomische Schäden verursachen, besonders betroffen (vgl. MEYER et al. 2015).
Der Naturpark Barnim wird, neben weitläufigen Waldgebieten, auch von ackerbaulich genutzten Landschaften bestimmt, so nimmt die Ackerfläche ca. 15 % der Gesamtfläche des Naturparks ein (HAAK & GEBAUER 2008). Dabei werden die verhältnismäßig produktiven Standorte der Grundmoräne seit Jahrhunderten ackerbaulich genutzt, die Ackernutzung in den Niederungen der Havelaue und dem Eberswalder Tal setzte jedoch erst in den 1960er Jahren nach Komplexmeliorationen ein. Im Anbaujahr 2015 wurde im Landkreis Oberhavel zu 36 % Wintergetreide und zu 27 % Mais kultiviert (KLEMT 2015). Im Naturpark Barnim wurden 2020 3.855 ha ökologisch bewirtschaftet, was einem Anteil von 21,5 % des Landbaus im Naturpark entspricht.
In Brandenburg wurden bisher insgesamt 228 Ackerwildkrautarten gefunden (LUGV 2015), davon kommen 126 Arten im Naturpark Barnim vor (JAßE 2013). Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurden auf 20 Feldern in der Barnimer Feldflur insgesamt 208 Pflanzenarten erfasst, davon 73 Segetalarten (KOHLER 2015). Es konnten somit 55 % aller im Naturpark vorkommenden Arten auf diesen Flächen nachgewiesen werden, davon vier gefährdete Arten der Roten Liste und mit der Korn-Rade auch eine vom Aussterben bedrohte Art (RISTOW et al. 2006). Sie benötigt zur Verbreitung ihrer Samen die Hilfe des Menschen in Form einer unvollständigen Saatgutreinigung, sodass die Samen in der kommenden Vegetationsperiode über das Saatgut wieder auf den Acker gelangen (KORNAS 1988). Da die Samen giftig sind, kann diese Art aktuell nur auf speziell bewirtschafteten Äckern existieren (HOFMEISTER, GARVE 2006).
KOHLER (2015) erfasste vier Pflanzengesellschaften (nach MANTHEY 2004): Die Kamillen-Ackerwildkrautflur (Aphano arvensis-Matricarietum chamomillae) und die Hellerkraut-Erdrauch-Ackerwildkrautflur (Veronico persicae-Lamietum hybridi) konnten vor allem in besser nährstoffversorgten Niederungen des Eberswalder Tals nachgewiesen werden, die Sandmohn-Ackerwildkrautflur (Papaveretum argemones) und die Lämmersalat-Ackerwildkrautflur (Sclerantho annui-Arnoseridetum minimae) finden sich auf nährstoffärmeren Standorten der Barnimplatte und des Westbarnims. Hierbei wies der Autor jedoch entscheidende Auswirkungen der Bewirtschaftungsart nach: So wurden auf ökologisch bewirtschafteten Feldern mehr Segetalarten, mehr gefährdete Arten und besser ausgebildete sowie an nährstoffärmere Bedingungen gebundene Pflanzengesellschaften nachgewiesen als auf konventionellen Feldern. Auf den herkömmlich bewirtschafteten Äckern konnte jedoch ein Intensivierungsgradient vom Rand zum Innern festgestellt werden, so fanden sich an den Feldrändern auch dort gefährdete Arten.
KOHLER (2015) identifizierte aus naturschutzfachlicher Sicht schutzwürdige Ackerwildkrautbestände. So sollte ein Acker mit einer überlebensfähigen Population der Korn-Rade langfristig durch Flächenankauf gesichert werden. Mehrere ökologisch bewirtschaftete Ackerränder sollten extensiviert werden, um zukünftig weiteren gefährdeten Arten, welche auf nährstoffarme Bedingungen angewiesen sind wie beispielsweise der Lämmersalat, einen Lebensraum zu bieten. Hierbei müsste der bewirtschaftende Landwirt bzw. die Landwirtin eine Aufwandsentschädigung erhalten. Zudem wäre jede Erhöhung der landschaftlichen Diversität und somit Förderung von Randstrukturen positiv für das Vorkommen einer artenreichen Ackerwildkrautflora zu werten (HOFFMANN, KRETSCHMER 2001). So sollte auch in Landschaften, die außerhalb strengerer Schutzgebiete wie etwa FFH-Gebieten liegen, dem Schutz und der Erhaltung einer artenreichen und standortsgerechten Segetalflora eine besondere Bedeutung zukommen, denn „die traditionelle artenreiche Kulturlandschaft ist neben den heimischen Wäldern, insbesondere den Buchenwäldern, das wichtigste Objekt weltweiter Verantwortung und die Ackerwildkräuter sind ein Teil davon“ (GEISBAUER, HAMPICKE 2013, S. 11).