Themenbereiche Natur & Landschaft

Streifzug durch die Landschaftsgeschichte zwischen Lietzengraben und Panke

Von Peter Gärtner – 12/2020

Die Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde ist im Berliner Umland eine der wenigen Landschaften, die im Gefolge des Nutzungswandels innerhalb der letzten 200 Jahre so intensiv und so grundsätzlich umgestaltet wurden. Natürliche Ausgangsbedingungen und historische Nutzungsumbrüche sind Mosaiksteine zum Verständnis der heutigen Eigenarten und Potentiale dieser einmaligen Landschaft vor den Toren Berlins.

Der Barnim

Abb. 1: Ausschnitt der Schmettauschen Karte, Blatt 64 – Bernau, 1767–1787 (1:50.000)
Abb. 1: Ausschnitt der Schmettauschen Karte, Blatt 64 – Bernau, 1767–1787 (1:50.000) (Quelle: Kartensammlung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Kart L 5420-64)

Der Landschaftsraum um Hobrechtsfelde gehört zur Hochfläche des Barnim. Im Berliner Stadtgebiet ist der Rand des Barnim besonders deutlich nördlich der Torstraße als Anstieg zwischen Greifswalder Straße und Schönhauser Allee erkennbar.

Innerhalb des Barnim bildet das Panketal die Grenze zwischen den Niederungen des Westlichen Barnim und dem höher gelegenen Mittleren Barnim. Der Landschaftsraum um Hobrechtsfelde gehört zum Westlichen Barnim. Anders als die Landschaften nördlich des Eberswalder Urstromtals verdankt der Barnim seine Oberflächengestaltung weniger der Weichselvereisung (ca. 20.000 Jahre vor heute), sondern im Wesentlichen der Gestaltungskraft der älteren Saalevereisung (ca. 186.000 Jahre vor heute).

Die Gletscher der Weichselvereisung haben die „alten“ Formen des saalezeitlichen Barnim nachgezeichnet und „benutzt“, aber nicht grundsätzlich verändert. Dadurch fungierten die innerhalb des Barnim seit der Saalevereisung tiefer liegenden Täler des Lietzengraben und der Panke beim Abschmelzen des weichselzeitlichen Eises als Sammelraum für die Schmelzwässer und deren sandig-kiesige Ablagerungen.

Den Untergrund der Schmelzwasserablagerungen zwischen Panketal und Lietzengrabenniederung bilden zumeist Grundmoränen der Saalevereisung (Gärtner 1993). Im Becken des Westlichen Barnim folgen diesen lehmigen Ablagerungen des Gletschergrundes Sande und Kiese, die von Mudden und Torfen überlagert werden. Darin gefundene Baumpollen stammen aus Wäldern der Warmzeit zwischen Saale- und Weichselvereisung – dem Eem (ca. 115.000 Jahre vor heute). Solche Eem-Vorkommen sind zwischen Pankow, Niederschönhausen, Buchholz, Buch, Schönerlinde bis südlich von Ladeburg nachgewiesen.

Über den Eem-Vorkommen folgen geringmächtige (zwischen einem und fünf Meter) Sande und Kiese der letzten Weichseleiszeit. Grundmoränen dieser Kaltzeit treten nur selten an der Oberfläche zu Tage. Sie bedecken dann meist als Höcker ältere Hügel aus Ablagerungsgesteinen, die von Talsanden umschlossen werden. In den Tälern von Lietzengraben und Panke ist die weichselzeitliche Grundmoräne weitestgehend ausgeräumt.

Den Abschluss der jüngeren Talablagerungen von Panke und Lietzengraben bilden Fein- und Mittelsande in den Abflussrinnen und anmoorige Ablagerungen von Senken und Talrandbereichen.

Entwicklung der Pankeniederung von vor 20.000 Jahren bis heute

Länge: 1:04 Min., Mit herzlichem Dank an Anette Ebert für die Bereitstellung des Films.

Oberflächenform

Die scheinbar einförmigen Ebenen der Lietzengrabenniederung lassen bei näherer Betrachtung als Besonderheiten zwei in ihrer Höhe gegeneinander abgesetzte Abflussniveaus erkennen.

Das untere Niveau wird heute durch den Lietzengraben und seine Zuflüsse nachgezeichnet und ist im schmalsten Abschnitt, in Höhe der Brücke der Hobrechtsfelder Chaussee über die Autobahn, nur ca. 50 m breit.

Abb. 2: Lietzengraben westlich von Hobrechtsfelde
Abb. 2: Lietzengraben westlich von Hobrechtsfelde (Foto: Frank Liebke)
Abb. 3: Typischer Rieselfeldboden mit mächtiger Humusauflage, Drainagerohr und sandigem, hier durch Toteisaustau gestörtem Filtergerüst
Abb. 3: Typischer Rieselfeldboden mit mächtiger Humusauflage, Drainagerohr und sandigem, hier durch Toteisaustau gestörtem Filtergerüst (Foto: Peter Gärtner)

In dieses untere Abflussniveau sind perlschnurartig eine Vielzahl kleinerer Becken eingesenkt. Am deutlichsten ausgebildet sind diese entlang einer von Norden nach Süden geschwungenen Tiefenlinie, die durch die Bogenseekette sowie die Karower Teiche markiert ist. Im 19. Jahrhundert waren die meisten dieser Becken vollständig verlandet. Sie wurden während des Rieselfeldbetriebes für die Fischzucht bzw. zur Nachklärung der Rieselabwässer genutzt. Dazu wurde der durch Verlandungsprozesse gebildete Torf abgebaut. Heute stellen sie aus landschaftsökologischer Sicht eine wichtige Bereicherung dieses Naturraums dar.

Das um zwei bis drei Meter höhere obere Abflussniveau ist entlang der Karower Teiche und in dem sich nördlich anschließenden Lietzengrabental durch Geländekanten vom unteren Niveau abgesetzt (z.B. entlang der Bucher Straße an den Karower Teichen). Aufgrund der natürlichen Hochlage sowie des sandig-kiesigen Filtergerüsts wurden hier die Rieselfeldflächen für die Abwasserbehandlung angeordnet. Die Entwässerungs- und Drainagegräben folgten dem natürlichen Gefälle zum unteren Abflussniveau bis zur Panke.

Landschaftsgeschichtliche Entwicklung

Die jüngere Geschichte der Landschaft um Hobrechtsfelde setzt mit dem Niedertauen der Gletscher der Weichseleiszeit vor ca. 18.000 Jahren ein. In den Beckenbereichen des Westlichen Barnim wurden in dieser Zeit Reste der niedertauenden Gletscher von Schmelzwasser überspült und dabei von Sand und Kies „begraben“. So genannte „Toteisblöcke“ in den tieferen Becken des Westlichen Barnim (wie u.a. den Karower Teichen der Bogenseekette oder dem Gorinsee) verhinderten, dass diese Becken von Schmelzwasserablagerungen zugeschüttet wurden. Subarktische Klimaverhältnisse und der sich damit ausbildende Dauerfrostboden konservierten diese begrabenen Toteisblöcke über ca. 4.000 Jahre.

Abb. 4: Ententeich, eines von vier Gewässern der Karower Teiche westlich von Berlin-Karow
Abb. 4: Ententeich, eines von vier Gewässern der Karower Teiche westlich von Berlin-Karow (Foto: Frank Liebke)

Erst vor ca. 14.000 Jahren begann mit zunehmender Erwärmung das langsame Tauen des begrabenen Toteises. Panke und Lietzengraben waren zu dieser Zeit bei fast kompletter Vegetationsfreiheit kurze Verbindungsadern zwischen kleinen Tümpeln. Das Zentrum dieser kleinen, mit Toteis unterlagerten Becken wurde im jahreszeitlichen Rhythmus durch feinsandige Stillwasserablagerungen langsam aufgefüllt. In flachen Randbereichen lagerten sich die für das gesamte Panke- und Lietzengrabengebiet so charakteristischen „Wiesenkalke“ ab (z.B. Nordteil der Karower Teiche, Mittelbruchwiesen Berlin-Buch).

Lietzengraben und Panke schnitten sich mit der Zeit immer tiefer in den Talboden ein. Diese Tieferlegung verschob durch rückschreitende Erosion die Talanfänge der Lietzengrabenzuflüsse nach Norden. Als heute noch gut erkennbare naturnahe Beispiele dieses Prozesses sind die markanten Kastentäler im Bucher Forst erhalten. Ihre eckige Kastenform ist dem damals herrschenden Dauerfrostboden geschuldet, der die Seitenabtragung der Talränder verhinderte.

Abb. 5: Die Panke im Schlosspark Berlin-Buch
Abb. 5: Die Panke im Schlosspark Berlin-Buch (Foto: Frank Liebke)

In der Erwärmungsphase des Alleröd (ca. 13.350 bis 12.680 Jahre vor heute) begann mit dem Einwandern von Birke und Kiefer die Waldentwicklung. Gleichzeitig setzte das verstärkte Austauen des begrabenen Toteises ein. Mit zunehmender Auffüllung der Seebecken durch Mudden entwickelten sich von deren Rändern her Verlandungstorfe. In den letzten 3.500 Jahren bestimmte das Torfwachstum die Verlandungsprozesse der Seen. Mitte des 19. Jahrhunderts waren die durchflossenen Seebecken des Westlichen Barnim im Wesentlichen verlandet.

Abb. 6: Rohrbruch, Quellgebiet des Lietzengrabens, im Südwesten der Schönower Heide
Abb. 6: Rohrbruch, Quellgebiet des Lietzengrabens, im Südwesten der Schönower Heide (Foto: Andreas Schulze)

Mudden: sind Ablagerungsgesteine am Grund von Seen mit einem deutlichen Anteil an organischer Substanz von mehr als 5 %. Umgangssprachlich werden sie auch als Seeschlamm bezeichnet.

Torf: ist ein organisches Sediment, das in Mooren entsteht. Im getrockneten Zustand ist der Torf brennbar. Er bildet sich aus der Ansammlung nicht oder nur unvollständig zersetzter pflanzlicher Substanzen.


Panke und Lietzengraben waren unter natürlichen warmzeitlichen Bedingungen mäandrierende Bäche mit schwach vermoorten Randbereichen. Durch Aufstau bei der Errichtung von Wassermühlen entlang der Panke stieg der Grundwasserspiegel im gesamten Talbereich merklich an. Dabei wurden auch die Talrandbereiche stärker durch Versumpfungsmoore überwachsen.

Die Mischwälder des Westlichen Barnim erfuhren mit der deutschen Besiedlung eine zunehmende Nutzung und Zurückdrängung auf ärmere Standorte. Die Schmettausche Karte von 1787 zeigt ein lichtes Mosaik aus vermoorten und gehölzbestockten Niederungsbereichen, Feldern und Waldinseln. Ein Teil der Niederungen wurde zur Viehweide, der so genannten Hutung, genutzt. Im Gefolge der preußischen Agrar- und Forstreformen Anfang des 19. Jahrhunderts ist diese aufgelichtete Landschaft vorwiegend mit Kiefern bepflanzt worden, die später dem Rieselfeldbetrieb weichen mussten.

Mühlenstaue, spätere Fließbegradigungen, Drainagen und vielfältige Eingriffe bei der Rieselfeldnutzung haben besonders in den letzten 100 Jahren das ursprüngliche Gesicht der Täler von Panke und Lietzengraben entscheidend verändert.

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Trotz dieser immensen Eingriffe bot sich in einigen Talabschnitten von Lietzengraben und Panke im Landschaftsraum um Hobrechtsfelde die Möglichkeit, Teile des historischen Fließsystems naturnah zu revitalisieren und damit diese bewegte Kulturlandschaft als Lebens- und Erholungsraum deutlich aufzuwerten. Die Ergebnisse dieser Umgestaltung im Rahmen der wasserbaulichen Begleitprojekte des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde sind bereits heute deutlich in der Landschaft wahrnehmbar.


Empfohlene Zitierweise

Peter Gärtner: “Streifzug durch die Landschaftsgeschichte zwischen Lietzengraben und Panke” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_141-streifzug-durch-die-landschaftsgeschichte/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • GÄRTNER, Peter (1993): Zur Tal - und Flußentwicklung der Panke im Jungpleistozän, in: Berliner Geographische Arbeiten 78, S. 117-136.
  • GÄRTNER, Peter (2015): Ein Exkurs in die Landschaftsgeschichte, in: Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde, hg. v. Förderverein Naturpark Barnim e. V., S. 6-10.
  • HUCKE, I. (2007): Eine Historische Landschaftsanalyse der Pankeniederung als Beitrag zur Umweltgeschichte, unveröff. Diplomarbeit, HNE Eberswalde.
  • Meßtischblätter Schönerlinde und Bernau, Aufnahme 1871
  • Schmettausche Karte 1787

Bildnachweise

  • Titelbild: Rohrbruch (Foto: Andreas Schulze)
  • Vorschaubild: Ententeich (Foto: Frank Liebke)