Entwicklung und Ausdehnung des Eisenbahnnetzes im Naturpark
Von Isabelle Kieschnick, Axel Heise, Matthias Manske, Sixten Bussemer – 12/2020
Mit dem Bau der Stettiner Bahn verlief eine der ersten großen deutschen Bahnlinien durch den Barnim. Auch wenn bis heute Teile des früheren Bahnnetzes wieder stillgelegt wurden, lässt sich doch die Bedeutung für die Entwicklung der Kulturlandschaft im Norden Berlins noch erahnen. An die große Zeit der Eisenbahn erinnern unter anderem das von den Berliner Eisenbahnfreunden e.V. betriebene Heidekrautbahn-Museum in Basdorf und die Museumseisenbahn Sternebeck e.V.
Allgemeines
Dem Schienennetz kommt im öffentlichen Nah- und Fernverkehr des Naturparks Barnim eine große Bedeutung zu. Ein grundlegendes Ziel des Natur- und Artenschutzes ist die Steuerung und Intensität des Naturtourismus. Besonders wichtig ist dabei die Anbindung über den öffentlichen Nahverkehr. Mittels einer zeitlichen Taktung kann die Intensität sowie die räumliche Ballung des Naturtourismus gesteuert werden. Für den Naturpark ergibt sich daraus die konkrete Aufgabe, einen naturverträglichem Eintages- und Kurzzeit-Naherholungsverkehr so zu organisieren und zu koordinieren, dass touristisch attraktive Ziele per ÖPNV erreicht und verbunden werden. Die Nutzer sollen auf die dafür vorgesehenen Erholungsschwerpunkte konzentriert und die empfindlichen Lebensräume entlastet werden.
Geschichtlicher Abriss
Insbesondere entlang der Fernverkehrsstrecken von Berlin Richtung Oranienburg und Bernau haben sich seit der Fertigstellung der Bahntrassen im 19. Jahrhundert weit verzweigte suburbane Siedlungsräume gebildet. Heute wird der Naturpark Barnim vor allem im Ost- wie auch Westteil sowie im südlich angrenzenden Berlin von einem dichten Schienennetz durchzogen.
In der Erschließungsphase entstanden mit den Hauptstrecken Berlin-Angermünde-Stettin (1842) und Berlin-Neustrelitz-Stralsund (1877/„Nordbahn“) sowie den Nebenbahnen Berlin-Wriezen (1898) und Berlin-Wilhelmsruh-Groß Schönebeck bzw. Liebenwalde (1901 Niederbarnimer Eisenbahn/NEB - vom Volksmund auch als „Heidekrautbahn“ bezeichnet) wichtige Bahntrassen. Bis Mitte der 1920er Jahre wurden die Strecken Berlin–Bernau und Berlin–Oranienburg viergleisig ausgebaut, was es ermöglichte, den Vorortverkehr (S-Bahnverkehr) vom Güter- und Fernverkehr zu trennen. Industrie-, Klein- und Anschlussbahnen fungierten neben mehreren Feldbahnsystemen als Zubringer.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs leitete eine Phase des Rückgangs ein. Als Reparationsleistung an die Sowjetunion wurde ein großer Teil der Eisenbahngleise demontiert, so dass weite Streckenabschnitte im Berliner Umland nur noch eingleisig befahrbar waren.
Eine dritte Phase wurde in der Nachkriegszeit mit dem Wiederaufbau und Ausbau des Bahnnetzes eingeleitet. Durch die Separation West-Berlins konzentrierten sich die Bauprojekte in den 1950er Jahren hauptsächlich auf die Umfahrung West-Berlins. Der in Teilen schon vor 1945 vorhandene Güteraußenring wurde ab 1950 intensiv aus- und weitergebaut. Auf heutigem Naturparkgelände entstand bis 1950 zwischen dem Bahnhof Berlin-Karow und Fichtengrund eine Verbindung zur Nordbahn, die zwischen Schönwalde und Wensickendorf die Strecke der Niederbarnimer Eisenbahn nutzte. Der eigentliche Außenring wurde 1956 fertiggestellt, im Barnim zwischen Berlin-Karow und Bergfelde schon Ende 1952. Durch den Mauerbau 1961 verlor die Niederbarnimer Eisenbahn den Anschluss an Berlin. Der Reiseverkehr wurde danach ab Berlin-Blankenburg, später Berlin-Karow durchgeführt.
In den 1970er und 1980er Jahren wurden die zweiten Gleise der Fern- und S-Bahn nach und nach wieder hergestellt und nach dem Mauerfall konnte die S-Bahn zwischen Berlin-Fohnau und Hohen Neuendorf wieder die alte Trasse der Nordbahn nutzen. Fernzüge benutzen bis heute den Umweg über Berlin-Blankenburg–Schönfließ. Die Reaktivierung der Stammstrecke der Niederbarnimer Eisenbahn von Berlin-Wilhelmsruh nach Schönwalde soll bis Ende 2023 erfolgen.
Die Privatisierung der Deutschen Bahn leitete im Jahre 1994 eine weitere Phase der Entwicklung des Bahnnetzes auf dem Barnim ein. Aus ökonomischen Gründen wurden insbesondere dezentrale Streckenabschnitte der Wriezener Bahn und der Heidekrautbahn stillgelegt.
Bahntrassenverlauf
Die Berlin-Stettiner Eisenbahn und S2 führt in Süd-Nord-Richtung über den östlichen Bereich des Barnim. Wichtige Verkehrsknotenpunkte sind dabei die Städte Berlin, Eberswalde, Angermünde und Stettin. Für den Naturpark Barnim ist dabei der Abschnitt Berlin–Eberswalde mit Anschluss der Gemeinden Rüdnitz, Biesenthal und Melchow als Ausgangspunkt für Wanderungen relevant.
Als Anbieter des Nahverkehrs verläuft die S2 auf der Strecke Blankenfelde (Kreis Teltow-Fläming)–Bernau und verbindet auf dem Barnim die S-Bahnhöfe Berlin-Karow, Berlin-Buch, Röntgental, Zepernick (bei Bernau), Bernau-Friedenstal und Bernau. Über die S-Bahn-Linie können wichtige touristische Sehenswürdigkeiten des Naturparks erreicht werden, so das Infozentrum des ehemaligen Stadtgutes in Hobrechtsfelde (Anbindung über S-Bahn Station Röntgental) oder der Rundwanderweg am Nonnenfließ in Spechthausen (Erreichbarkeit über Eberswalde und Bus 919 Richtung Schönholz).
Die Berliner Nordbahn und die S1 verlaufen ähnlich wie die Stettiner Eisenbahn in Süd-Nord-Richtung am Westrand des Barnim und bedienen den Regional- und Fernverkehr. Im Bereich des Barnim existieren jedoch keine Fernverkehrshaltepunkte mehr. Wichtige Haltestellen für den Regionalverkehr sind die Bahnhöfe Oranienburg und Birkenwerder (bei Berlin). Die Bahnhöfe Lehnitz, Borgsdorf, Hohen Neuendorf und Berlin-Frohnau werden über die Linie S1 (Potsdam–Oranienburg) angeschlossen. Nahe der Haltestellen Borgsdorf und Lübars (erreichbar über S-Bahn Station Waidmannslust und Bus 222 Richtung Alt-Lübars) stehen für den Tagestourismus interessante Rundwanderwege durch das Briesetal bzw. die Eichwerder Moorwiesen zur Verfügung.
Die Heidekrautbahn (RB 27), als „Reinickendorf-Liebenwalder-Groß Schönebecker Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft“ 1901 gegründet, wird heute durch die Niederbarnimer Eisenbahn AG betrieben und verbindet von Berlin-Karow ausgehend als Regionalbahn zentrale Bereiche des Barnim. In Basdorf teilt sich die Strecke, wobei der Regionalverkehr auf dem östlichen Abzweig bis nach Wandlitz und Klosterfelde täglich und stündlich pendelt. Auf der weiterführenden Strecke nach Groß Schönebeck in der Schorfheide pendeln die Züge täglich im Zweistundentakt. Die westliche Teilstrecke verlief ursprünglich über Wensickendorf bis nach Liebenwalde, dieser Abschnitt wurde jedoch stillgelegt. Seit 2001 existiert an Wochenenden wieder ein Teilbetrieb auf dem Abschnitt Wensickendorf–Schmachtenhagen. Der Abschnitt bis nach Wensickendorf ist (abgesehen von wenigen Ausnahmen) täglich im Stundentakt erreichbar.
Der nordwestliche Teilabschnitt zwischen Schmachtenhagen, Oranienburg und Fichtengrund verlor nach der Wiedervereinigung deutlich an Bedeutung und wurde 1999 stillgelegt. Der Haltepunkt Fichtengrund entfiel bereits 1994.
Eine besondere touristische Attraktivität ist das Barnim Panorama Naturparkzentrum und Agrarmuseum in Wandlitz, welches vom gleichnamigen Bahnhof in einer Gehzeit von 15 Minuten erreichbar ist.
Aufgrund des Mauerbaus und der damit einhergehenden Unterbrechung der Nordbahn, nutze die S-Bahn bis 1984 die Fernbahngleise des Berliner Außenrings zwischen Berlin-Blankenburg und Hohen Neuendorf. Die Strecke der S8 verlief über den südwestlichen Barnim und die S-Bahnhöfe Blankenburg, Mühlenbeck (Mönchmühle), Schönfließ, Bergfelde und Hohen-Neuendorf über den Endhaltepunkt Birkenwerder mit Anschluss an den Regionalverkehr. Regionalzüge hielten bis 1993 auch in Schönfließ.
Die Wriezener Bahn (RB 25) verläuft über den südöstlichen Bereich des Barnim und verbindet Berlin-Ostkreuz mit dem Endhaltepunkt in Werneuchen über die Stationen Berlin-Lichtenberg, Ahrensfelde, Ahrensfelde Friedhof, Ahrensfelde Nord, Blumberg-Rehhahn, Blumberg und Seefeld (Mark). Die Niederbarnimer Eisenbahn bedient die Strecke im Stundentakt. In Ahrensfelde ist zudem ein Umstieg in die S7 (Richtung Potsdam Hauptbahnhof) möglich.
Nach Teilstreckenstilllegungen in den Jahren 1998 und 2006 ist heute der Abschnitt zwischen Werneuchen und Wriezen für den Personenverkehr nicht mehr in Betrieb. 2004 eröffneten jedoch auf der Strecke Tiefensee–Sternebeck für den Freizeitverkehr eine Draisinenstrecke. Den Bahnhof Sternebeck wandelten Eisenbahnfreunde in einen Museumsbahnhof um.
Neben- und Feldbahnen
Außer den beschriebenen Bahnen bestand zwischen Spechthausen und Finowfurt eine normalspurige Strecke mit Anschluss in Eberswalde und Personenverkehr bis 1961 (Eberswalde-Finowfurt). Nachweisbar sind zudem 600 mm Feldbahn-Strecken zwischen Leuenberg und Wölsickendorf, Melchow und Eberswalde sowie umfangreiche Strecken in der Schorfheide ab Groß Schönebeck („Grimmnitzer Waldeisenbahn“).
Ein Sonderfall stellt das vom Berliner Stadtgut Hobrechtsfelde ausgehende 600 mm Feldbahn-System dar, dessen Strecken zur Hochzeit in der 1930er Jahren gut 60 km umfassten. Mit den für die damalige Zeit modernsten landwirtschaftlichen Produktionstätten und Sägewerk im Zentrum Hobrechtsfelde, ist die Anlage auch heute noch deutschlandweit einzigartig. Siehe hierzu auch den Beitrag zur Hobrechtsfelder Wirtschaftsbahn.
Ausblick
Das gut erschlossene Bahnnetz des Naturparks Barnim dient heute als wichtiges Bindeglied zwischen Naturschutz, Naturtourismus und Regionalentwicklung. Dabei sind insbesondere der Naturparkbahnhof Melchow und der Kulturbahnhof Biesenthal hervorzuheben. Als Begegnungsstätte ortsansässiger Vereine, kultureller Veranstaltungen und Naturführungen mit einer Anbindung an das regionale Bahnnetz, haben ehemals marode Bahnhofsgebäude wieder neue Bedeutung erlangt und verfügen heute über weit über die Gemeindegrenzen hinausreichende Einzugsgebiete. Sie können als Vorbild für die Einrichtung kultureller Hotspots im ländlichen Raum betrachtet werden.