Kalibergbau Bischofferode
Von Tobias Reeh und Steffen Möller – 11/2018
Die rasante Erschließung der Kalisalzfunde zum Ende des 19. sowie Anfang des 20. Jahrhunderts im Südharz-Revier führte sowohl zu tiefgreifenden sozio-ökonomischen Transformationsprozessen als auch zu massiven ökologischen Veränderungen im Umfeld der eichsfeldischen Schachtanlagen. Die Folgen des Bergbaus reichen dabei über das Ende der aktiven Kali-Förderung und -produktion in den 1990er Jahren hinaus. Zu nennen ist unter anderem die problematische Salzbelastung der Vorfluter. Aufgrund der niederschlagsbedingt austretenden Lösungswässer aus den Rückstandshalden ist eine Teil-Salzlaststeuerung für die betroffenen Fließgewässer erforderlich – so auch in Bischofferode.
Das Eichsfeld hat mit dem Kali-Schacht in Bischofferode (vor 1990 „Thomas Müntzer“) Anteil am Bergbaugebiet Kalirevier Südharz-Unstrut. Von 1911 bis 1993 wurde hier das Kalisalzflöz Staßfurt der Staßfurtfolge (Zechstein 2) abgebaut. Die Erschließung der Kalifunde Nordthüringens und somit auch im Eichsfeld untermauerte die nahezu monopolartige Stellung der deutschen Kaliindustrie auf dem Weltmarkt. Vor allem die Landwirtschaft benötigte die Kalisalze als wertvolle Düngemittel zur Ertragssteigerung und zur Kultivierung von Grenzertragsstandorten. „Dank der großen Nachfrage nahm der Kalibergbau im Südharzrevier vom Start an einen beispiellosen Aufschwung. Bis 1915 war die Zahl der Schächte auf rd. 50 angestiegen, das entsprach rd. einem Viertel aller deutschen Kalischächte“ (Fachhochschule Erfurt 2008, S. 161).
Im Gefolge des Ersten Weltkrieges verlor Deutschland seine herausragende Stellung auf dem Weltmarkt. Zusätzlich führte die weltweite Wirtschaftskrise zu starken Exporteinbußen, sodass ein Großteil der Schächte stillgelegt und zum Ende der 1920er Jahre nur noch sechs Werke mit 15 Schächten registriert wurden, darunter auch der Eichsfelder Standort Bischofferode. „Nach dem Ende des 2. Weltkrieges gingen die Werke als SAG-Betriebe in sowjetische Verwaltung über, bis sie 1952 in VEB’s umgewandelt zu wichtigen Devisenbringern für die Planwirtschaft der DDR wurden“ (Fachhochschule Erfurt 2008, S. 162). So lag „[…] zu DDR-Zeiten […] die Exportquote in das westliche Ausland und nach Übersee bei knapp 90%“ (RAUCH 2002, S. 60). Ende der 1980er Jahre war das Kaliwerk mit ca. 2.000 Beschäftigten noch der zweitgrößte Arbeitgeber im Eichsfeld.
Obwohl das Bischofferöder Kalisalz von hoher Qualität war, wurde der auf die Fördergesamtmenge größte Standort im Südharz-Kalirevier am 31.12.1993 unter großen Protesten als letzter in der Region geschlossen. Vorausgegangen war eine umstrittene, von der Treuhand gebilligte Fusion der BASF-Tochter Kali+Salz mit der Mitteldeutschen Kali AG. „Keine Schließung irgendeines Industriezweiges im Zuge der sogenannten ‚Abwicklung‘ in den Neuen Bundesländern ist so aufsehenerregend über die Bühne gegangen wie Bischofferode“ (KLAPPROTT 1993, S. 281).
Die im Kaliabbau anfallenden Produktionsabwässer wurden knapp 100 Jahre lang in Unstrut, Bode und Wipper eingeleitet. Die damit verbundenen Herausforderungen fanden bereits früh Beachtung. Eine permanente Einleitung hochkonzentrierter Salzabwässer führt vor allem in Niedrigwasserzeiten zu einer irreversiblem Schädigung der Wasserkörper von Oberflächengewässern und auch angrenzenden Grundwasserkörpern, sodass diese weder für die Trinkwassergewinnung noch für die Entnahme von Brauchwasser an flussabwärts gelegenen Siedlungen genutzt werden können. Die Salzabwässer müssen daher in Niedrigwasserzeiten gespeichert und bei hohem Abfluss (Verdünnungseffekt) abgegeben werden.
Ende der 1950er Jahre war das Konfliktpotenzial zwischen der salzwassereinleitenden Kaliindustrie und der chemischen Großindustrie im Raum Halle-Merseburg so gravierend, dass eine Regelung der Salzeinleitungen erforderlich wurde. Daher hat man im Jahr 1963 eine Salzlaststeuerung für das Vorflutersystem Bode-Wipper-Unstrut-Saale eingeführt. Ziel war die Implementierung einer den hydrologischen Verhältnissen angemessenen Salzabgabe durch die Kaliwerke sowie die kontrollierte Zufuhr von Wasser aus den Talsperren an der oberen Saale. Die Kaliwerke Bleicherode, Bischofferode und Sollstedt leiteten fortan die anfallenden Produktionsabwässer über ein Rohrleitungssystem in das Laugensammelbecken Wipperdorf. Die angestauten Laugen wurden dann den hydrologischen Gegebenheiten der unteren Wipper angepasst, d.h. kontrolliert eingeleitet.
Die Salzbelastung der Vorfluter bleibt allerdings auch nach dem Ende des aktiven Kalibergbaus problematisch. Aufgrund der niederschlagsbedingt austretenden Lösungswässer aus den Halden ist eine Teil-Salzlaststeuerung für das Gewässersystem Bode-Wipper nach wie vor erforderlich. Dies trifft vor allem auf die bisher unbedeckte und nicht rekultivierte Rückstandshalde in Bischofferode zu (Tabelle). Diese wurde ohne Untergrundabdichtung auf die durchlässigen Schichten des Mittleren Buntsandsteins aufgeschüttet, sodass die nicht fassbaren Haldenabwässer ungehindert in das Grundwasser und in die Vorflut gelangen können. Seit 1986 wird allerdings ein Teil der anfallenden Salzlaugen am Haldenfuß aufgefangen, um diese in einem Becken (1600 m³) nahe der Halde zu sammeln. Über ein unterirdisches Rohrleitungssystem werden die salinaren Abwässer dann in das Laugenstapelbecken Wipperdorf weitergeleitet. Seit 1998 dürfen die anfallenden Haldenlösungen zum Zwecke der Bergsicherung auch in die stillgelegten Gruben verpresst werden.
Kennzahlen der Halde Bischofferode (Schürer u. Kulbe 1997, Schnitter 2013) | ||
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Grundfläche [ha] | 62 | |
Haldenvolumen [Mio. m³] | 42 | |
Höhe [m] | 140 | |
Länge [m] | 1100 | |
Breite [m] | 700 | |
Zusammensetzung [%] | NaCl 74%; MgCl₂ 1%; KCl 3%; MgSO₄ 3%; CaSO₄ 18%, weitere 1% |
Der Pegel Hachelbich dient dabei als Kontrollpegel für das Flusssystem Bode-Wipper, um die Einhaltung des Chlorid-Grenzwertes von 300 mg/l zu gewährleisten. Angestrebt wird jedoch der EU-Grenzwert von 200 mg/l. Trotz aller Bemühungen sind die obere Wipper und die Bode durch die Kombination der geogenen Grundbelastung und der Einträge aus den Rückstandshalden insbesondere durch die Natrium-, Kalium- und Magnesiumfracht ökologisch stark degradierte Gewässer.