Großbartloff: Lutterwasserfall und Mühlenwesen

Von Tobias Reeh und Steffen Möller – 11/2018

Den Quellen im Luttertal kommt eine besondere Bedeutung für die Wasserversorgung zahlreicher Eichsfelder Höhendörfer sowie die Energiegewinnung (früher Mühlenwesen, heute Stromerzeugung) zu. Ferner beherbergt das Tal mit dem Lutterwasserfall oberhalb von Großbartloff ein bemerkenswertes Naturdenkmal. An diesem Ort lässt sich die Genese der sogenannten Travertine, die einst begehrte Werksteine darstellten, eindrücklich studieren.

Der trockengefallene Steingraben
Der trockengefallene Steingraben (Foto: Tobias Reeh, 2017)
Quellschüttung im Bereich der Neunbörner
Quellschüttung im Bereich der Neunbörner (Foto: Tobias Reeh, 2017)

Den östlichen und südlichen Rand des Eichsfelder Westerwaldes bildet das Talsystem von Steingraben und Lutter. Der Steingraben zwischen Wachstedt und der Luttermühle enthält jedoch kein ganzjährig fließendes, perennierendes Gewässer. Erst mit den Zuflüssen aus den Neunbörnern, der Lutterquelle und der Gläsnerquelle ist eine ganzjährige Wasserführung im Talverlauf gesichert. Laut HOPPE (2000 [1984]) zählen die „Neunbörner“ zu den „stärksten Quellen des Eichsfeldes“ (S. 163), ein konkreter Wert für die Quellschüttung liegt allerdings nicht vor. Die Lutterquelle hat eine Schüttung von 4217 m³/Tag, die Gläsnerquelle von 3218 m³/Tag.

Blick auf die Lutter
Blick auf die Lutter (Foto: Tobias Reeh, 2017)

Seit November 1911 versorgt eine Wasserleitung vom Luttertal ausgehend die bis dato immer wieder von Wasserknappheit bedrohten Eichsfelder Höhendörfer (z. B. Struth, Effelder, Wachstedt, Küllstedt). „Das Wasser liefert die […] Quelle des Gläsner im Luttergrunde, an der Straße Großbartloff – Effelder. Zur Verhütung von Verunreinigungen ist sie sorgfältig überdacht. Die am Anfang des Tales entspringende Lutter bildet kurz vor Großbartloff einen aufgelösten Wasserfall. In sinnreicher Weise nutzt man die Fallkraft der Lutter zum Betrieb einer Turbine, die wiederum zwei Pumpen in Gang setzt. Mit ihrer Hilfe wird das unterirdisch zufließende Wasser des Gläsner zu einem Sammelbehälter gepumpt, der auf dem höchsten Punkt der Straße nach Effelder (Rain, 517 m über N.N.) liegt. Von hier aus fließt das Wasser den beteiligten Gemeinden zu“ (HEETZSCH 1953, S. 2). Bis heute wird die Gläsnerquelle zur Trinkwasserversorgung herangezogen, da sie über eine bessere Wasserqualität als die Lutterquelle verfügt. In Trockenzeiten fungiert die Lutterquelle jedoch als eine Reserve, um die starke Schwankung der Quellschüttung der Gläsnerquelle ausgleichen zu können.

Lutterwasserfall bei Großbartloff
Lutterwasserfall bei Großbartloff (Foto: Steffen Möller, 2017)

Lutter- und Gläsnerquelle gehören zusammen mit dem Quellgebiet der Neunbörner zu einem Quellhorizont, der sich am Übergang des porösen und zerklüfteten Kalksteins des Unteren Muschelkalks zum tonig bis mergeligen Oberen Buntsandstein befindet. Der Obere Buntsandstein erweist sich als Wasserstauer, sodass infiltriertes Niederschlagswasser und Grundwasser des Unteren Muschelkalks nicht in die Tiefe versickern kann, sondern oberflächig zu Tage tritt. Beim Austritt aus dem Gesteinskörper verringert sich der Druck und die Temperatur des Quellwassers erhöht sich, sodass die gelösten Kalke wieder ausgefällt werden und als Kalksinterablagerungen den Talboden des Luttertales ausfüllen. Die Bildung sogenannter Travertine, die begehrte Werksteine darstellten, lässt sich besonders eindrücklich am Lutterwasserfall bei Großbartloff beobachten. 1979 wurde der Lutterwasserfall als Naturdenkmal unter Schutz gestellt.

Die ab der Luttermühle ganzjährige Wasserführung ermöglichte zudem ein intensives Mühlenwesen. HOPPE (2000 [1984], S. 162) bezeichnet das Luttertal auch als „Dreimühlental“ (Luttermühle, Klostermühle, Spitzmühle). Die Mühlen stellten nicht zuletzt die Versorgung der Dörfer auf der Eichsfelder Höhe mit Mahlgut sicher. Die Lutter- und die Klostermühle werden dabei bereits 1215 erwähnt. In der Ortslage Großbartloff selbst finden sich noch weitere Mühlstandorte, so die Hahnemühle, die Fischmühle oder auch die Frommsche Mühle.

Luttermühle

Die Luttermühle, auch Obermühle genannt, liegt an der Straße zwischen Großbartloff und Effelder. Sie bezog das notwendige Wasser zum einen aus der nur rund 50 Meter entfernten Lutterquelle, zum anderen wurde oberhalb der Mühle Wasser abgeschlagen, das von der Neunbörner-Quelle stammt. Die Lutterquelle wurde zu DDR-Zeiten für die Trinkwassergewinnung gefasst. Die ebenfalls vorgesehene Fischzucht in einem künstlich angelegten Teich im Quellbereich erwies sich als wenig erfolgreich.

Mühlgraben der Luttermühle
Mühlgraben der Luttermühle (Foto: Tobias Reeh, 2017)

Bis zur Säkularisation gehörte die Luttermühle zum Benediktinerkloster Zella. 1810 schließlich wurde der bisherige Erbpächter Oberthür rechtmäßiger Besitzer der Luttermühle. „Erbnachfolger [war] sein Sohn Georg Wilhelm Oberthür. Aufgrund einer Erbteilung ging sie dann aber 1869 an die Familie Heinrich Herzberg über. In deren Besitz blieb sie bis zur Einstellung des Mühlenbetriebes“ (HOPPE 2000 [1984], S. 163). „Um 1900 wurden hier ein Holzsägewerk und eine Walkmühle errichtet, die später auch mit einer Spinnerei zusammenarbeitete. In der Zeit nach dem I. Weltkrieg wurde eine moderne Möbeltischlerei eröffnet“ (ebd.). Zusätzlich erfolgte in den Nebengebäuden bis 1965 die Fertigung von Textilwaren und Zigarren. „Der letzte Mühlenbesitzer war der Müllermeister Erich Herzberg. Die Familie verkaufte 1965 das mittlerweile zu einer Fabrik ausgebaute Anwesen an den Strickereibetrieb EOW Dingelstädt. Der Betrieb eröffnete nach erfolgten Umbauten hier ein Ferienheim mit der Bezeichnung ‚Luttermühle‘. Zusammen mit einem zugehörigen Campingplatz stellte das nun entstandene Heim ein gern besuchtes Ausflugsziel im sogenannten Luttergrund dar. Nachdem das Mühlengrundstück mit der Immobilie 1992 wieder in Privatbesitz übergegangen war, erwarb Wilfried Herzberg das Objekt von der Treuhand. Heute lädt der Waldgasthof ‚Zur Luttermühle‘ Gäste zum erholsamen Verweilen ein“ (GROßE u. HERZBERG 2008, S. 88). Der Campingplatz wurde mittlerweile aufgegeben und die entsprechende Infrastruktur zurückgebaut.

Klostermühle

Waldhotel und Restaurant Klostermühle
Waldhotel und Restaurant Klostermühle (Foto: Tobias Reeh, 2017)

Dem Lauf der Lutter folgend kommt man alsbald zur Klostermühle, ehedem ferner Untermühle genannt. Auch diese Mühle gehörte zum aufgehobenen Benediktinerkloster Zella, daher der Name. „Nach der Säkularisation ging […] die Klostermühle […] in das Eigentum profaner Besitzer, der Kommerzienräte Wilhelm Lutteroth und Heinrich Wilhelm Röbling aus Mühlhausen über. Der Kaufvertrag datierte unter dem 1. Juni 1811. In der Folgezeit trennten sie die Mühle vom Gesamtbesitz und verkauften sie an den Fabrikanten Voigt aus Mühlhausen. Dieser ließ nach 1851 ein drittes Stockwerk aufsetzen und darin eine Spinnerei errichten“ (HOPPE 2000 [1984], S. 163). „Zu dieser Zeit wies die Mühle drei Wasserräder, eine Walke sowie zwei Mahlgänge auf“ (GROßE u. HERZBERG 2008, S. 86). „Die Spinnerei dauerte aber nur 4 Jahre, und danach wechselte die Mühle recht oft ihren Besitzer. Unter dem Müller Wilhelm Köhler brannte in der Nacht vom 26. zum 27. Januar 1926 das Mühlengebäude bis auf die Grundmauern ab. Die Brandstätte erwarb der Oberpostsekretär Georg Töpfer und ließ ein prächtiges Wald-Pensionshaus errichten“ (HOPPE 2000 [1984], S. 163). Später beherbergte die Mühle auch ein Ferienlager. „Heute finden wir an dieser Stelle das Waldhotel ‚Klostermühle‘ vor, das nach gründlichen Sanierungsarbeiten vom Ehepaar Holger und Rita Hartwig im Frühjahr 1994 eröffnet wurde“ (GROßE u. HERZBERG 2008, S. 86).

Spitzmühle

Unmittelbar vor Großbartloff, unterhalb des Wasserfalls, befindet sich der Standort der ehemals dritten Mühle, der sogenannten Spitzmühle. „Die Mühle bezog ihre Bezeichnung von der Flurbezeichnung ‚Kreuzspitze‘ her. Bereits am Ende des 16. Jahrhunderts tauchte als Besitzer ein Herr namens Spitzenberg auf. Ursprünglich existierten zwei räumlich eng zueinander liegende Spitzmühlen im Ort, die Obere und die Untere Spitzmühle. Die Obere Spitzmühle hatte einen Mahl- und Ölgang, die Untere Mühle war eine Walkmühle. […]. Durch den Niedergang der Eichsfelder Hausweberei im 19. Jahrhundert kam der Betrieb der Walkmühle zum Erliegen. Um die Wassernot der eichsfeldischen Höhendörfer Struth und Effelder zu beseitigen, installierte man in der Unteren Spitzmühle – der Walkmühle – eine Pumpstation“ (GROßE u. HERZBERG 2008, S. 138), die „Trinkwasser 242 Meter hoch bis zu den Hochbehältern der Eichsfelder Höhe befördert“ (HOPPE 2000 [1984], S. 164). „Die Walkmühle (Untere Spitzmühle) ging 1910 in den Besitz des Obereichsfelder Wasserleitungsverbandes über“ (Große u. Herzberg 2008, S. 138). Die Obere Spitzmühle, die der Wasserverband ebenfalls erworben hatte, fiel letztendlich dem Abriss zum Opfer. „In den 1960er Jahren konnte der Verlauf des Mühlgrabens [jedoch] noch erahnt werden“ (GROßE u. HERZBERG 2008, S. 138).

Wassermühlen im thüringischen Eichsfeld
Wassermühlen im thüringischen Eichsfeld (Entwurf: J. Reinhold, Kartographie: T. Zimmermann)
Dateiformat: .PDF, Größe: 1,04 MByte
Download: Wassermühlen im thüringischen Eichsfeld

Empfohlene Zitierweise

Tobias Reeh und Steffen Möller: “Großbartloff: Lutterwasserfall und Mühlenwesen” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/79_b_111-grossbartloff/, Stand 29.11.2018

Quellen und weiterführende Literatur

  • GÖDECKE, Antonius (2008): Klimaelemente und Witterungsextreme der Obereichsfelder Höhe in einer historischen Betrachtungsweise im Zeitraum von 1850 bis 2006. Dipl.-Arb., Georg-August-Universität Göttingen, Fakultät für Geowissenschaften und Geographie. – Göttingen.
  • GROßE, Volker u. Klaus HERZBERG (2008): Mühlen im Obereichsfeld. Ein Kompendium. Im Auftrag des Bischöflichen Geistlichen Kommissariates Heiligenstadt hg. von Maik PINKERT. – Heiligenstadt.
  • HEETZSCH, Manfred (1953): Die Wasserleitung des Obereichsfeldes, in: Eichsfelder Heimatbote 25, Heft 31, S. 2.
  • HOPPE, Vinzenz (1984): Drei Eichsfelder Mühlen und ihre Geschichte. Die wirtschaftliche und landschaftliche Bedeutung des Luttertales, in: HOPPE, Vinzenz (2000): Heimat Eichsfeld – Streifzüge durch die Geschichte und Volkskunde. – Duderstadt, S. 162–164.
  • Obereichsfeldischer Wasserleitungsverband (2014): Quellschüttungen Lutter- und Gläsnerquelle (Datenerhebung 1998–2014). – Großbartloff.

Bildnachweise

  • Vorschaubild: Lutterwasserfall bei Großbartloff (Foto: Steffen Möller, 2017)
  • Titelbild: Mühlgraben der Luttermühle (Foto: Tobias Reeh, 2017)