Wasser für die Stadt

Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in der Stadtregion Leipzig

Von Andreas Berkner – 06/2015

Leipzig verfügt bei der Trinkwasserversorgung über eine mehr als 500-jährige Tradition, die sich ab dem späten 19. Jahrhundert aufbauend auf die Forschungen von Adolf Thiem zunächst maßgeblich auf die pleistozänen Muldeschotter im Raum Naunhof stützte. Weitere Meilensteine bildeten die Wasserwerke Canitz und Thallwitz an der Mulde sowie die 1980 erfolgte Einbindung in das Fernwasserversorgungssystem Elbaue-Ostharz. Die Abwasserbehandlung stützt sich seit 1894 auf die Kläranlage im Leipziger Rosental, deren Leistungsfähigkeit seither wiederholt durch Ausbauten und Innovationen verbessert wurde.

Trinkwasserversorgung

Die Stadtregion Leipzig umfasst aktuell ein Trinkwasserversorgungsgebiet mit rund 630.000 Einwohnern und reicht damit über die administrativen Stadtgrenzen hinaus. Aufgrund der Flusseinzugsgebietsgrenzen sind Versorgungs- und Abwasserentsorgungsgebiet nicht identisch. Beide Handlungsfelder werden für Leipzig, Markkleeberg, Markranstädt, Schkeuditz und Taucha wahrgenommen. Die Trinkwasserversorgung erfolgt zusätzlich für Belgershain, Borsdorf, Großpösna, Pegau (Ortsteil Kitzen) und Zwenkau, die Abwasserbehandlung für Wiedemar (Ortsteile Wiedemar und Zwochau). Für beide Sparten sind seit 1994 die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) GmbH als Bestandteil der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) mbH zuständig.

Basisdaten zur Entwicklung von Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung im Versorgungsgebiet (KWL 2012a; KWL2013)

Kriterium 1990 2000 2012
spezifischer Wassergebrauch (l/EW/d) 115,3 (1993) 92,3 86,8
Pumpwerke (Anzahl) 13 110 205
Kläranlagen (Anzahl) 13 32 25
Regenwasserbehandlungsanlagen (Anzahl) 8 67 139
Rohrnetzlänge Trinkwasser (km) 2113 2848 3351
Kanalnetzlänge Abwasser (km) 1566 2188 2779

Der 1964 gegründete VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig (WAB), der seinerzeit den gesamten Bezirk Leipzig bediente, bildete dafür den Vorläufer, aus dem 1991 zunächst die Städtischen Wasserwerke Leipzig hervorgingen.

Die Geschichte der Wasserversorgung in Leipzig reicht über 500 Jahre zurück. So sind für 1496 eine hölzerne Wasserleitung von den Stötteritzer Wiesen und für 1501–1504 vom Marienbrunnen in die Stadt belegt; zwischen 1501 (Nonnenmühle) und 1564 (Rote Wasserkunst an gleicher Stelle) wurden mehrere Wasserkünste zur Trinkwasserversorgung errichtet bzw. erweitert.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die bis dahin betriebenen Infrastrukturen zur Wasserversorgung dem infolge des Stadtwachstums und der Industrialisierung rasch ansteigenden Trinkwasserbedarf nicht mehr gerecht werden. Die Inbetriebnahme des Wasserwerkes Connewitz, der Behälteranlage Probstheida (1866) und einer Hochdruckleitung bildeten nur einen Zwischenschritt. Der Durchbruch kam im Ergebnis der Forschungen von Adolf Thiem (1836–1908) zustande, der bis 1879 die wissenschaftlichen Grundlagen für eine grundwassergestützte Trinkwasserversorgung schuf, die in ihren Grundzügen bis heute betrieben wird.

Wasserwerk Thallwitz an der Mulde

Wasserwerk Thallwitz an der Mulde (punctum, Bertram Kober)

Gestützt auf die pleistozänen Muldeschotter gingen 1887 und 1895 die Wasserwerke Naunhof 1 und 2 mit Förderleistungen von jeweils 30.000 m³/d in Betrieb. Von dort aus führt eine 15 km lange Fernleitung zur Wasserversorgungsanlage Probstheida, die nach mehreren Erweiterungsschritten heute eine Kapazität von 90.000 m³/d aufweist. 2011 wurden 22,214 Mio. m³ Trinkwasser abgegeben. Wesentliche Erweiterungen der Versorgungsbasis folgten 1912 mit dem Wasserwerk Canitz und 1943 mit dem Wasserwerk Thallwitz jeweils an der Mulde.

Wasserwerke im Versorgungsgebiet (KWL 2012b)

Wasserwerk seit (Jahr) Brunnen (Anzahl) Brunnen (Tiefe) (m) Kapazität (m³/d) Förderung 2011 (Tm³/a) Anmerkungen
Naunhof 1 1887 46 14–26 18.000 4060 älteste Anlage, 15 km-Leitung
Naunhof 2 1896 32 18–28 18.000 4680 baugleich mit Naunhof 1
Canitz 1912 225 10–16 38.000 7830 2011 Umbau, 23 km-Leitung
Thallwitz 1943 140 10–17 25.000 7359 90 % Mulde-Uferfiltrat
Belgershain 1969 3 55–58 350 92 Versorgung Belgershain/Köhra

Im Versorgungsgebiet bestehen noch 15 historische Wassertürme, die mit ihren Behältern in den Turmköpfen und dem bestehenden künstlichen Gefälle den Wasserdruck in den versorgten Gebieten stabilisieren. Von diesen architektonischen Wahrzeichen werden die in Zwenkau (Baujahr 1904), Probstheida (1907) und Engelsdorf (1913) noch aktiv betrieben, weitere wie in Schkeuditz (1909), Böhlitz-Ehrenberg (1912), Leipzig-Wahren (1916) und die Zwillingstürme in Möckern (1897 / 1903) bleiben als Landmarken erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Die Größe der jeweiligen Wasserbehälter reicht von 300 m³ (Borsdorf) bis 1500 m³ (Probstheida).

Die Trinkwasserversorgung der Stadt Leipzig ist seit 1980 mit der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH gekoppelt, das sich zu etwa gleichen Teilen auf die Ressourcen im Ostharz mit dem Rappbode-Talsperrensystem und Uferfiltrat in der Elbaue bei Torgau stützt. Ein Hauptstrang des Verbundsystems führt vom Wasserwerk Torgau-Ost über den Hochbehälter Burzelberg, ein weiterer vom Wasserwerk Mockritz in die Stadtregion Leipzig. Von dort aus führt ein Abzweig weiter in den Südraum Leipzig, wo ab dem Jahr 2002 eine Ablösung der örtlichen, durch die Braunkohlenindustrie vielfältig beeinträchtigten Wasserfassungen durch Fernwasser erfolgte.

Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und des Rückgangs des spezifischen Verbrauchs entwickelt sich die Wasserabgabe durch die Fernwasserversorgung im Kerngebiet seit 1990 (ca. 160 Mio. m³/a) rückläufig (2012 ca. 60 Mio. m³/a), wobei sich dieser Trend in abgeschwächter Form fortsetzen wird. Parallel dazu erfolgten Anpassungen durch die Außerbetriebnahme einzelner Wasserwerke sowie die Neuordnung von Versorgungssträngen. Unabhängig davon bildet die „Elbtalwanne“ ein Reservoir mit einem bewirtschaftbaren Gesamtvorrat von ca. 180 Mio. m³ bei einem jährlichen Zufluss von 16,2 Mio. m³, was auch unter den Bedingungen des Klimawandels als robust einzuschätzen ist und eine entsprechende Versorgungssicherheit gewährleistet.

Die Trinkwasserbedarfsentwicklung in Leipzig vollzog sich nach 1945 (80 Tm³/d) zunächst in einem drastischen Anstieg trotz sinkender Bevölkerungszahl. Zwischen 1950 (110 Tm³/d) und 1989 (330 Tm³/d) kam es in der Folge von Komfortverbesserungen im Wohnungsbau, industriellen und gewerblichen Bedarfsanstiegen sowie zunehmenden Leitungsverlusten zu einer Verdreifachung des Bedarfs, wozu auch die bis dahin niedrigen Wasserpreise beitrugen. Nach 1990 führten kostendeckende Wasserpreise, der Einsatz wassersparender Technologien, der Zusammenbruch gewerblicher Bedarfsträger und die fortschreitende Netzsanierung zu einem drastischen Bedarfseinbruch bis 2000 (85 Tm³/d). Seither ist eine Konsolidierung auf diesem Niveau zu verzeichnen. Die Netzverluste sanken 1990–2010 von 13 auf 4 Mio. m³/a.

Abwasserbehandlung

Eine Vorreiterrolle spielte die Stadt auch bei der Abwasserbehandlung, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Damals wurden in die gepflasterten Straßenzüge in der Straßenmitte offene Gräben zur Aufnahme von Regen- und Schmutzwasser integriert. 1700–1747 entstanden erste unterirdische Abwasserschleusen, beginnend in der Thomasgasse; 1833 begann der Bau einer Abwasserkanalisation in großstädtischen Dimensionen. Damit wurden in Leipzig bereits frühzeitig technische Innovationen wirksam, die über die Stadt hinaus Maßstäbe setzten.

Wichtige Kläranlagen im Entsorgungsgebiet KWL 2012c

Kläranlage Baujahr / Erweiterung (Jahr) Abwassermenge (Mittelwert) (m³/d) Kapazität (Einwohner) Vorflutanbindung Anmerkungen
Rosental 1894/laufend 110.000 550.000 Neue Luppe mehrere Ausbaustufen
Markkleeberg 2005 4800 30.000 Floßgraben Ausbau in zwei Stufen
Markranstädt 1999 / 2008 2300 18.000 Renne Membranbelebungsverfahren
Taucha 1999 / 2012 2300 18.000 Parthe
Wiedemar 1994 / 2013 750 6000 Strengbach Übernahme durch KWL 2007
Knautnaundorf-1 2002 / 2007 90 1500 Weiße Elster Einbindung Gewerbegebiet

Das Kernstück der Abwasserbehandlung bildet seit 1894 die Kläranlage im Leipziger Rosental. Dieses wurde an einem geographisch günstig gelegenen Tiefpunkt angelegt, sodass die Abwässer zum größten Teil im freien Gefälle dorthin gelangen. Ursprünglich flossen die gereinigten Abwässer in Elster und Luppe, während der Klärschlamm zur landwirtschaftlichen Düngung verwendet wurde. Bereits 1896 erfolgte eine Erweiterung der Absetzbecken. Die Schlammberäumung erfolgte damals noch im Handbetrieb. Erst 1902 kam es zur Einführung eines Pumpbetriebes. Technische Neuerungen bildeten die 1905–1907 errichteten biologischen Versuchskläranlagen I und II. Mittels Vorreinigungsbecken und Tropfkörpern aus Schlackesteinen zur Beförderung von Oxydationsprozessen sowie durch die Wirkung von Mikroorganismen wurden deutlich verbesserte Reinigungsleistungen bei zunächst bescheidenen Durchsatzmengen (600 m³/d) erreicht.

Weitere Innovationen bildeten die Installation eines Sandfangs mit Abtransport über Kettenbagger, Förderband und Loren (1907) sowie Schlammtrocknungsbecken in den Möckernschen Wiesen und eine Klärschlammverladung auf Pferdewagen (1916 / 17). Weitere Ausbauten erfolgten 1920–1940 mit Einlaufbereich, Sandfängen und Rechenhaus (1925), einer Chlorgasanlage zur Entkeimung und Geruchsminderung (1928), der abermaligen Erweiterung der Absetzbecken (1928–1936) und dem 1928 eingeführten „Leipziger Becken“ mit Längsräumer und Querfahrt im Absetzbecken. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stand zunächst die Stabilisierung des Anlagenbetriebes im Vordergrund, ehe ab 1960 weitere Ausbauten und Neuerungen realisiert werden konnten. Dazu zählten eine Pumpstation bei Podelwitz nördlich von Leipzig zum Klärschlammtransport in die Behandlungsanlage mit Teichen und Trockenbeeten (1963), das neue Rechenhaus und der Doppelsandfang (1980), offene Betonfaulbecken (1982) sowie Hebewerk und Hochdruckpumpen (1989).

Eine umfassende Modernisierung und Erweiterung der gesamten Anlage begann nach der 1975 erfolgten Umverlegung des Elstermühlgrabens 1978 und umfasste ein neues Hebewerk und Nachklärbecken (1981), die Vorklärung (1985) und die Aufnahme der biologischen Reinigung mit 28 Belüftungskreiseln (1987). Auch wenn damit die Grundkonfiguration für den Anlagenbetrieb bis zur Gegenwart geprägt wurde, kam es mit dem Wirksamwerden neuer rechtlicher Rahmenbedingungen und unternehmerischer Strukturen ab 1990 zu einer abermaligen Zäsur. Diese betraf bis 2000 insbesondere die mechanische Reinigungsstufe und die Schlammbehandlung, wobei die Inbetriebnahme der Schlammentwässerung (1992), Phosphatausfällung (1992) und Schlammbehandlungsanlage mit Faultürmen und Gasbehältern (1995–1999) Meilensteine bildeten. Ab 1995 ersetzten neue Tauchstrahl- die Kreiselbelüfter, wodurch Lärm- und Geruchsbelastungen reduziert und der Sauerstoffeintrag verbessert wurden. 1998 wurde der Mischwasserkanal aus dem Jahr 1933 saniert.

Klärwerk Rosental Leipzig

Klärwerk Rosental Leipzig (punctum, Bertram Kober)

Nach 2000 erfolgte schließlich eine umfassende Erweiterung der biologischen Reinigungsstufe. Die Vorklärbecken wurden neu konfiguriert und die Belebungsbecken neu gebaut (2000); die Nachklärbecken wurden technologisch angepasst. 2004 erfolgten Anpassungen und Erweiterungen. Im November 2007 nahm die KWL ein neues Belebungsbecken in Betrieb. Seit 2008 werden die Ablaufwerte entsprechend den EU-Anforderungen eingehalten. Mit einer behandelten Abwassermenge von rund 125.000 m³/d ist die Kläranlage Leipzig-Rosental die größte ihrer Art in Mitteldeutschland. Die Funktionsweise des Klärwerks erklärt eine Animation der Kommunalen Wasserwerke Leipzig.

Leipzig verfügt über eine Mischwasserkanalisation, die häusliche und gewerbliche Abwässer sowie Niederschlagswasser zum Klärwerk führt und über Steuerbauwerke auch eine Zwischenspeicherung erlaubt. Mittels einer Kanalnetzsteuerung werden eine optimale Abwasserbehandlung und eine möglichst geringe Mischwassereinleitung in die Leipziger Gewässer sichergestellt. Trotz der Anstrengungen seit 1990 mit dem Neubau von über 1000 km Kanalstrecken besteht für rund 50 % des Gesamtnetzes nach wie vor kurz- und mittelfristiger Sanierungsbedarf. Ein erheblicher Teil der Kanalstrecken ist zwischen 1890 und 1930 und weist damit 80 bis über 100 Betriebsjahre auf. Elemente der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung zählen zu den langlebigsten und zumeist standortgebundenen technischen Infrastrukturen, deren Anpassung an neue Rahmenbedingungen sehr aufwendig ist. Die maßgebliche künftige Herausforderung besteht im Stadtumbau mit unterschiedlichen Entwicklungstendenzen in den einzelnen Stadtteilen, was Rückbau-, Konzentrations-, Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen gleichermaßen einschließt, um Ressourceneffizienz zu gewährleisten.

Empfohlene Zitierweise

Andreas Berkner: “Wasser für die Stadt” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_B_157-wasser-fuer-die-stadt/, Stand 28.06.2015

Quellen und weiterführende Literatur

  • Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH (Hg., 2012): Das Unternehmen. – Torgau.

  • Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH (2013): Internetauftritt. Online verfügbar unter http://www.fwv-torgau.de/. – Torgau.

  • Heinker, Helge-Heinz (2005): Wasser macht Geschichte. 500 Jahre Wasserversorgung in Leipzig. – Leipzig.

  • KWL GmbH (Hg., 2012a): Klärwerk Rosental. Seit 1894 – Abwasser, das sich gewaschen hat. – Leipzig.

  • KWL GmbH (Hg., 2012b): Wasserwerke der KWL. Wasserversorgung ist Vertrauenssache. – Leipzig.

  • KWL GmbH (Hg., 2012c): Kläranlagen der KWL. Moderne Abwasserreinigung ist der beste Gewässerschutz. – Leipzig.

  • KWL (2013): Internetauftritt. Online verfügbar unter http://www.wasser-leipzig.de/. – Leipzig.

Bildnachweise

  • Titelbild/Vorschaubild: Kläranlage Rosental (punctum, Bertram Kober)