Gemeinschaftsgärten in Leipzig

Urbanes Gärtnern als Beitrag zu einer lebenswerten Stadt

Von Ulrike Weiland – 06/2015

Gemeinschaftsgärten in Leipzig - das ist viel mehr als Gemüse ziehen, sondern jeder Garten ist auf seine Weise ein sozio-kulturelles Projekt, Aktions- und Lernfeld für ein gesünderes, sozial- und umweltverträgliches Leben in einer globalisierten Welt und in der Stadt.

Das Gärtnern in Städten – urban gardening – ist nahezu weltweit in einer großen Formenvielfalt vertreten und wird mit unterschiedlichen Motiven betrieben. Urbanes Gärtnern gibt es, seit es Städte gibt, und es hat – insbesondere in Krisenzeiten – immer schon zur Ernährung der städtischen Bevölkerung und zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen beigetragen. Der sozialreformerische Ansatz der Leipziger Schrebergärten wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielen Gründungen großstädtischer Kleingartenanlagen zugrunde gelegt. Kleingärten stellen eine wesentliche Ergänzung zum beengten städtischen Wohnraum dar – sei es in Altbauquartieren, in Großwohnsiedlungen, in Ost- wie in Westdeutschland. In den vergangenen Jahrzehnten gab es allerdings nur wenig öffentliche Aufmerksamkeit für Kleingartenanlagen. In strukturschwachen Räumen und schlecht erreichbaren städtischen Lagen fielen Gärten brach.

Seit einigen Jahren zeichnet sich beim urbanen Gärtnern eine neue Entwicklung ab. In Großstädten wie Leipzig gibt es zurzeit einen regelrechten Boom des urbanen Gärtnerns. Dieser Trend erzeugt zunächst eine große Nachfrage nach Parzellen in traditionellen, aber gut erreichbaren Kleingartenanlagen. Die Wartelisten für attraktive Lagen in Großstädten sind lang. Darüber hinaus errichten und bewirtschaften vor allem junge Leute aber auch zunehmend Gemeinschaftsgärten auf Brachflächen, wie z.B. in Leipzig den “Offenen Garten Annalinde”, die “Gemeinschaftsinitiative Querbeet” oder die “Nachbarschaftsgärten”.

Gemüse-Hochbeet

Gemüse-Hochbeet (Foto: Ulrike Weiland)

Leipzig hat viele Flächenpotenziale hierfür und einen relativ großen Anteil junger Menschen, die für sich und ihre Kinder ein lebenswertes Wohnumfeld schaffen möchten. Die Brachflächen werden von der Stadt oder privaten Eigentümern oft für eine Zwischennutzung zur Verfügung gestellt. Eine solche Fläche kann für eine vereinbarte Zeit, z.B. fünf Jahre, als Garten bewirtschaftet werden. Die in den Bauleitplänen vorgesehene Nutzung der Fläche bleibt aber erhalten, sodass die Fläche wieder ihrer früheren Nutzung zugeführt werden kann, wenn ein Investor dort bauen möchte. Dann müssen die Gärten “umziehen” – ein Damoklesschwert für jede Garteninitiative. Man bevorzugt u.a. deshalb leicht transportable “mobile” Beete und Gewächshäuser.

Der Natur in der Stadt mehr Raum geben, das Leben in der Stadt mit den Vorzügen eines Lebens auf dem Lande verbinden, ohne dessen Nachteile in Kauf zu nehmen – dies sind wesentliche Motive der heutigen Gärtnerinnen und Gärtner. Im Garten kann man Natur in der Stadt erleben und z.B. erfahren, wie Boden bewirtschaftet wird, wie Pflanzen wachsen und wie sie frisch geerntet schmecken, und dass die Gärten Lebensräume für Vögel, Insekten und Kleinsäuger bieten. Mit der Produktion von gesundem Gemüse, Obst und z.T. auch von Geflügel, Eiern und Honig soll außerdem eine Alternative zum Supermarktangebot geschaffen werden. Des Weiteren möchte man zur Erhaltung alter Obst- und Gemüsesorten beitragen und bisher hier nicht gebräuchliche Sorten aus anderen Ländern ausprobieren. Da man auf Brachflächen mit Altlasten rechnen muss, wird allerdings viel in Hochbeeten mit eigens angefahrenem Boden angebaut.

'Gartenkinder' einer Leipziger Kindertagesstätte zu Besuch im ANNALINDE Gemeinschaftsgarten

‘Gartenkinder’ einer Leipziger Kindertagesstätte zu Besuch im ANNALINDE Gemeinschaftsgarten (Foto: C. Raschke)

Darüber hinaus spielen bei der Gründung eines Gemeinschaftsgartens oft weitere kulturelle und soziale Motive eine Rolle. Die Gärten sind Lernorte in vielerlei Hinsicht, und in einigen Gärten werden Fortbildungsveranstaltungen für Interessierte angeboten. Man kann in einer solchen Initiative nicht nur Gärtnern, Kochen und Einwecken lernen, sondern auch Erfahrungen in einem selbstverwalteten Projekt sammeln und Spielregeln demokratischen Entscheidens einüben. Neue Bewohnerinnen und Bewohner eines Stadtteils können im Garten Gleichgesinnte kennenlernen und sich so im Stadtteil verwurzeln. Urbanes Gärtnern ist somit nicht nur ein praktisches, sondern auch ein sozio-kulturelles Lernfeld.

Hinter dem urbanen Gärtnern steht ein neues Verständnis vom guten Leben in der Stadt. Es geht zumindest in Leipzig nicht vorrangig um die Nahrungsmittelproduktion zur Ernährungssicherung, sondern das urbane Gärtnern kann als soziokulturelles Projekt verstanden werden, in dem versucht wird, die Lebensbedingungen in der Stadt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die neuen Gärtnerinnen und Gärtner wollen aktiv dazu beitragen, in einer globalisierten Welt und in der Stadt gesünder, sozial- und umweltverträglicher zu leben.

Empfohlene Zitierweise

Ulrike Weiland: “Gemeinschaftsgärten in Leipzig” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_B_150-urbanes-gaertnern/, Stand 29.06.2015

Quellen und weiterführende Literatur

  • BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg., 2008): Städtebauliche, ökologische und soziale Bedeutung des Kleingartenwesens (= Forschungen 133). – Bonn.

  • COST – European Cooperation in Science and Technology (2015): Urban Allotment Gardens – COST Action TU 120. Online verfügbar unter http://www.urbanallotments.eu/ (07.02.2015).

Bildnachweise

  • Titelbild/Vorschaubild: Mobile Beete und Gewächshäuser (Foto: Ulrike Weiland)