Die zerbombte Stadt

Von Volker Bode und Heinz Peter Brogiato – 06/2015

Am 20. Oktober 1943 erlebten die Leipziger den ersten großen Luftangriff auf ihre Stadt. Bis Kriegsende sollte kaum ein Monat vergehen, in dem die Sirenen nicht heulten und die alliierten Flugzeuge nicht ihre tödliche Last auf die Stadt entluden. Als die Amerikaner im April 1945 in die Stadt einzogen, fanden sie ein zu 40–60 % zerstörtes Leipzig vor. Mehr als 5000 Personen hatten durch die Luftangriffe ihr Leben verloren, die Überlebenden hausten zwischen 5 Millionen Kubikmetern Trümmerschutt.

Kriegszerstörungen 1945

Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 auch für Leipzig der fast sechs Jahre dauernde Zweite Weltkrieg. Die Stadt war zwar erst ab Oktober 1943 von den Luftangriffen der Alliierten betroffen. Doch war sie die erste sächsische Großstadt, die bombardiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Schwergewicht der Städtebombardements aufgrund des „Battle of Berlin“ auf den mitteldeutschen Raum verlagert. In dieser relativ späten Phase des Krieges genügte nicht selten nur ein einziger Großangriff, um die dicht bebaute Innenstadt einer Großstadt zu zerstören.

Deutschlandweite Hauptangriffsziele der britischen und der US-amerikanischen Luftwaffe, die erst Anfang 1943 in die Luftkriegshandlungen über Deutschland eingriff, waren die Standorte der kriegswichtigen Industrie und die hoch verdichteten Innenstädte. Die Luftangriffe mit Brand- und Sprengbomben hatten auch in Leipzig dramatische Auswirkungen: Bei zahlreichen Groß- und Flächenbränden kamen mehr als 5000 Menschen ums Leben, ganze Wohnblocks und Straßenzüge wurden zerstört. Die verheerenden Schäden der rund 40 Luftangriffe, davon 11 Großangriffe, konzentrierten sich ganz wesentlich auf die Innenstadt und die unmittelbar angrenzenden Stadtteile.

Leipzig – eine Trümmerlandschaft

Verfallene und ausgebrannte Gebäudekomplexe und eine unvorstellbare Masse von etwa fünf Millionen Kubikmeter Trümmern prägten das Stadtbild. Bezogen auf 707.365 Einwohner (1939) waren das etwa sieben Kubikmeter Schutt je Einwohner. Ein Zeugnis dieser Trümmermassen ist der Fockeberg in der Südvorstadt, der als Trümmerberg erst Anfang der 1980er Jahre als öffentliche Grünanlage und Erholungsbiet in Wert gesetzt wurde. 1,5 Millionen Kubikmetern Kriegstrümmer wurden zudem Mitte der 1950er Jahre für den fast 25 Meter hohen Wall des 1956 fertig gestellten Zentralstadions (heute Red Bull Arena) verwendet.

Die Schadensbilanz am Leipziger Wohnungsbestand

Von den 225.389 Wohnungen im Jahre 1942 waren bei Kriegsende rund 45.000 Wohnungen total zerstört. Dies bedeutete einen Verlust von etwa 20 Prozent. Weitere 20 Prozent der Wohnungen wiesen leichte bis schwere Schäden auf; dementsprechend blieben ca. 60 Prozent des Bestandes (135.500 Wohnungen) verschont. Die umfangreichen Zerstörungen betrafen neben den Wohngebäuden auch zahlreiche öffentliche Gebäude (Krankenhäuser, Schulen usw.), Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe sowie die technische Infrastruktur (Verkehr, Energie- und Wasserversorgung). In zahlreichen Quartieren kam das städtische Leben nahezu zum Erliegen. Massive Schäden erlitt auch die 48 Hektar große Innenstadt, die zu etwa 50 bis 60 Prozent zerstört wurde. Das Ausmaß war jedoch, im Unterschied zu anderen Großstädten wie Köln, Düsseldorf, Essen, Dortmund, Hannover, Dresden und Magdeburg deutlich geringer.

Kriegsschäden im Stadtbild vereinzelt immer noch sichtbar

Auch 70 Jahre nach Kriegsende gibt es in Leipzig noch kriegsbedinge innerstädtische Brachflächen bzw. Baulücken. Diese Flächen sind (noch) nicht wieder bebaut worden (z.B. Wilhelm-Leuschner-Platz, Ostseite des Burgplatzes, Richard-Wagner-Platz) und werden teilweise als Parkplätze genutzt (z.B. Baulücke auf der Westseite der Großen Fleischergasse). Andere Innenstadtareale, wie beispielsweise die Fläche zwischen der Reichs- und Katharinenstraße südlich vom Brühl oder die Hainspitze, werden gegenwärtig wieder bebaut. Die zerstörten Gebäude zwischen Thomaskirche und Markt wurden ebenfalls nicht wieder aufgebaut: Heute stellt dieses Areal die größte öffentliche Grünfläche in der Leipziger Innenstadt dar (Thomaswiese).

Hauptschadensgebiete

Die von den Luftangriffen besonders stark betroffenen Stadtteile und Quartiere in Leipzig werden aus der Karte Kriegszerstörungen 1945 ersichtlich. Die thematische Karte basiert auf der verkleinerten Zusammenschau von insgesamt fünf Kartenblättern im Maßstab 1:15.000, die 1946 im Atlas Leipzig gestern, heute, morgen veröffentlicht wurden:

  • die Innenstadt innerhalb des Promenadenrings;
  • das unmittelbar im Norden angrenzende Quartier zwischen dem Rosental im Westen, dem Nordplatz im Norden, dem Hauptbahnhof und seinen Gleisanlagen im Osten; Gohlis-Süd;
  • die Innere Westvorstadt zwischen dem nahezu unzerstörten Waldstraßenviertel und dem Johannapark;
  • die Südvorstadt nördlich der Kurt-Eisner-Straße sowie östlich der Karl-Liebknecht-Straße;
  • das Graphische Viertel in der Ostvorstadt, sowie die östlich anschließenden Stadtteile Reudnitz und Thonberg.

Kriegszerstörungen in Leipzig

Kriegszerstörungen in Leipzig (Volker Bode (IfL), SED Kreis Leipzig (1946))

Leipzig in Trümmern

Besonders hart waren die Innenstadt und die Vorstädte beim stärksten Bombardement in den frühen Morgenstunden des 4. Dezembers 1943 getroffen worden. Teile der Vorstädte glichen einer Trümmerwüste. Die historischen Fotos, die Johannes Baufeld 1945 / 46 aufnahm, vermitteln einen Eindruck von den Zerstörungen, aber auch von ersten Aufräumarbeiten. Gegenübergestellt sind hier Ansichtskarten aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Manche Gebäude, wie Bildermuseum oder Gewandhaus, hätte die Stadtverwaltung, bei entsprechendem politischem Willen, sicher wieder aufbauen können.

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Blick durch die Burgstraße zur Thomaskirche. Während die Thomaskirche im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt wurde, erinnern in der Burgstraße nur wenige bauliche Reste an die Vorkriegsbebauung, wie der renaissancezeitliche Treppenturm der „Goldenen Fahne“ (am linken Bildrand). Die traditionsreiche Gaststätte „Thüringer Hof“ (rechts) wurde nach ihrer Zerstörung in vereinfachten Formen wieder aufgebaut und in den 1990er Jahren durch einen Neubau ersetzt.

Blick durch die Burgstraße zur Thomaskirche. Während die Thomaskirche im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt wurde, erinnern in der Burgstraße nur wenige bauliche Reste an die Vorkriegsbebauung, wie der renaissancezeitliche Treppenturm der „Goldenen Fahne“ (am linken Bildrand). Die traditionsreiche Gaststätte „Thüringer Hof“ (rechts) wurde nach ihrer Zerstörung in vereinfachten Formen wieder aufgebaut und in den 1990er Jahren durch einen Neubau ersetzt. (IfL, Eu068-1344; PKL-Zentr132 (Ansichtskarte von ca. 1908))

Empfohlene Zitierweise

Volker Bode und Heinz Peter Brogiato: “Die zerbombte Stadt” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_B_131-die-zerbombte-stadt/, Stand 30.06.2015

Quellen und weiterführende Literatur

  • Horn, Birgit (2003): Die Nacht, als der Feuertod vom Himmel stürzte. Deutsche Städte im Bombenkrieg. Leipzig, 4. Dezember 1943. – Gudensberg-Gleichen.

  • Horn, Birgit (1998): Leipzig im Bombenhagel – Angriffsziel „Haddock“. Zu den Auswirkungen der alliierten Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg auf die Stadt Leipzig. – Leipzig.

  • Kaufmann, Christoph (2006): Mit Volldampf durch die Stadt. Die Leipziger Trümmerbahnen 1944–1956. – Leipzig.

  • Lehmstedt, Mark (Hrsg., 2004): Leipzig in Trümmern. Das Jahr 1945 in Briefen, Tagebüchern und Fotografien. – Leipzig.

  • Lehmstedt, Mark (Hrsg., 2003): Leipzig brennt. Der Untergang des alten Leipzig am 4. Dezember 1943 in Fotografien und Berichten. – Leipzig.

  • Steffler, Rainer (2013): Luftangriffe auf Leipzig und die Handlungen der Löschkräfte. Mügeln.

  • Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (1993): Verwundungen. 50 Jahre nach der Zerstörung von Leipzig. – Leipzig.

Bildnachweise

  • Titelbild/Vorschbild: Nürnberger Straße, Ecke Liebigstraße (Quelle: IfL, Eu068-1348)