Den Forstwissenschaften auf der Spur – eine Wanderung in und um Eberswalde
Von Michael E. Luthardt – 12/2020
Die Stadt Eberswalde trägt das Wort „Wald“ nicht nur in ihren Namen, sie war und ist auch seit vielen Jahren ein Zentrum der Forstwissenschaften im früheren Preußen und heute in Brandenburg. Sie ist eingebettet in große Waldflächen, welche das Finowtal säumen. Im Süden sind es die Wälder des Barnimplateaus mit der sogenannten Schönholzer Heide und der Oberheide. Im Norden ist es die Mönchsheide und noch weiter nördlich der Choriner Endmoränenbogen. Aufgrund der eiszeitlichen Prägung haben sich auf den entsprechenden vielfältigen Standorten verschiedenste Waldgesellschaften angesiedelt. Das Landschaftsbild wäre von Rotbuchenwäldern geprägt, die aber in den vergangenen Jahrhunderten durch die Bewirtschaftung besonders auf den schwächeren Standorten den Kiefernforsten weichen mussten.
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Dieser Waldreichtum und die standörtliche Vielfalt waren gute Voraussetzungen für die Ansiedelung von forstwissenschaftlichen Einrichtungen. Zum Anfang des 19. Jahrhunderts war es im gesamten Mitteleuropa durch Übernutzungen und unsachgemäße Bewirtschaftung zu einer Entwaldung und Holzknappheit gekommen. Als Antwort darauf wurden in verschiedenen Ländern Einrichtungen gegründet, die sich mit einer geregelten Forstwirtschaft auseinandersetzten. Besondere Nachfrage herrschte nach ausgebildeten Förstern. Sie waren bis dahin kaum naturwissenschaftlich gebildet, oft handelte es sich um ehemalige Militärangehörige. Es entstanden zunächst private Forstschulen, wie die von Heinrich Cotta 1795 in Zillbach (Thüringen). Von dort übersiedelte sie nach Tharandt in Sachsen und wurde 1816 eine der ersten staatlichen (königlichen) forstlichen Hochschulen.
In Preußen kam es wenig später auch zur Gründung einer forstlichen Fakultät: Im Jahre 1821 wurde die forstliche Ausbildung an der Berliner Universität durch den Forstwissenschaftler Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil begründet. Neun Jahre später kam er allerdings zu der Erkenntnis, dass die Waldwissenschaft ohne einen Unterrichtswald nicht erfolgreich gelehrt und erlernt werden könne.
Mit Unterstützung von Alexander von Humboldt, damaliger Berater des Finanzministeriums, wurde schließlich die „Höhere Forst Lehranstalt“ 1830 nach Neustadt-Eberswalde verlegt. Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil (1783–1859) wurde ihr erster Rektor. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich die Lehranstalt zu einem Zentrum der Forst-, Holz- und Bodenwissenschaften mit internationaler Anerkennung. Hochschullehrer wie Adam Schwappach oder Alfred Dengler beeinflussten im hohen Maße die Fachdisziplinen. Besonders der Standortbezug und die Nachhaltigkeit bei der Bewirtschaftung der Wälder waren seit jeher zentrale Themen.
Bald schon kam man zu der Einsicht, dass die forstliche Forschung besser aufgestellt sein müsse. Bernhard Danckelmann, seit 1866 Leiter der Forstakademie, war es zu verdanken, dass im Jahre 1871 durch das Preußische Finanzministerium eine „Hauptstation für das Forstliche Versuchswesen“ in Eberswalde eingerichtet wurde. Danckelmann wurde deren erster Leiter und trug den Ruf von Eberswalde als Standort der Forstwissenschaften in die Welt.
Station 1: Alte Forstakademie und Danckelmann-Denkmal, Eberswalde zur Kartenansicht >>
Nicht weit vom Eberswalder Marktplatz steht an der Ostspitze des Parks am Weidendamm das Danckelmann-Denkmal. In stattlicher Positur präsentiert sich der Gründer des forstlichen Versuchswesens in Preußen in der damals typischen Forstuniform. Das Denkmal hatte eine wechselvolle Geschichte. So sollte es im Krieg eingeschmolzen werden und zu DDR-Zeiten wurde es als zu preußenlastig in den Forstbotanischen Garten verbannt. Seit den 1990er Jahren hat es wieder seinen angestammten Platz.
Direkt gegenüber, nur von dem kleinen Fließ Schwärze getrennt, steht das Gebäude der Alten Forstakademie. Hier lehrte und wohnte Danckelmann. Am Eingang findet man eine Tafel, welche den 100. Geburtstag der 1892 erfolgten die Gründung des “Internationalen Verbandes forstlicher Versuchsanstalten – IUFRO” würdigt. Sie wurde ebenfalls von Danckelmann initiiert und ist heute eine weltweit tätige Organisation.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich der heutige Stadtcampus durch den Zubau der Neuen Forstakademie (das rote Ziegelgebäude links der Alten Forstakademie) und weiterer Gebäude. Architektonisch interessant ist die Bibliothek, welche Anfang der 2000er Jahre durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron entworfen wurde. Heute hat hier auf dem Stadtcampus die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung ihren Hauptsitz. Sie wurde 1992 als Fachhochschule neu gegründet, nachdem die Forstliche Hochschule (damals Forstfakultät der Humboldt-Universität Berlin) 1963 geschlossen wurde. Sie setzt heute die Tradition der forstlichen Lehre fort. Neben dem Fachbereich Wald und Umwelt gibt es noch die Bereiche Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holzingenieurwesen und Nachhaltige Wirtschaft. In acht Bachelorstudiengängen und zehn Masterstudiengängen sind heute über 1200 Studierende aus der ganzen Welt eingeschrieben. Die Hochschule machte sich deutschlandweit einen Namen als „grünste Hochschule“.
Station 2: Forstbotanischer Garten Eberswalde zur Kartenansicht >>
Durch den Park am Weidendamm geht es in Richtung Westen über die Brunnenstraße zum Schwappachweg. Hier steht heute ein imposantes Gebäude, das Waldsolarheim. Eigentlich besteht es aus drei Häusern, welche miteinander verbunden sind. Das älteste ist die ehemalige Oberförsterei, welche Anfang der 1920er Jahre von Biesenthal nach Eberswalde zog. Das große Gebäude öffnet sich zu einem kleinen Park, welcher durch das sogenannte Königsfließ durchzogen wird. Daran schließt sich das neuerbaute Mittelgebäude an, welches durch seine Verwendung von Holz besonders ins Auge fällt.
Als letztes in dieser Reihe ist das „Haus der deutschen Waldarbeit“ zu sehen, welches Anfang der 1930er Jahre errichtet wurde und bis 1945 Sitz des Kuratoriums für Waldarbeit war. Gründer war Prof. Hugo Hilf, welcher auch Rektor der Forsthochschule in dieser Zeit war. Die Architektur ist von Außen und im Inneren der damaligen Zeit entsprechend und noch sehr gut erhalten. Das Waldsolarheim dient heute als Stätte der Umweltbildung besonders für Kinder und Jugendliche.
Entlang des Schwappachweges steht auf der linken Seite die heutige Oberförsterei Eberswalde sowie Wohngebäude, welche für die Professoren der Hochschule errichtet wurden.
Nach etwa einem Kilometer wird der Eingangsbereich des Forstbotanischen Gartens Eberswalde erreicht. Dieser wurde im Jahre 1830 durch Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil begründet und auch als Pfeilsgarten bezeichnet. Damit zählt der Forstbotanische Garten Eberswalde zu den ältesten in Europa.
Die Einrichtung der ersten Gartenanlage die sich auf der südlichen Seite der Straße befand, erfolgte durch Julius Theodor Christian Ratzeburg (1801–1871). In den Jahren 1861 / 1862 wurde parallel zum alten Pfeilsgarten ein Forstgarten in Chorin aufgebaut, in dem gehölzphysiologische Studien angestellt wurden. 1866 übernahm Forstinspektor Bernhard Danckelmann (1831–1901) als Direktor der Forstakademie die Leitung des Gartens. Unter seiner Regie verlegte man den Garten von 1868 bis 1874 auf eine neue Fläche, auf die Nordseite der Straße. Dieses Areal ist der Standort des heutigen 8 ha großen Solitär-Arboretums.
Neben Demonstrationszwecken diente der Forstbotanische Garten unter Pfeil und Danckelmann auch der Forstpflanzenanzucht. Aus überlieferten Unterlagen Danckelmanns geht hervor, dass jährlich ein bis vier Millionen Pflanzen angezogen und verkauft wurden. In unmittelbarer Nähe befand sich auch eine Forstsamendarre.
Eine unter Danckelmann begonnene familienweise Anordnung der einheimischen und fremdländischen Gehölze im Arboretum erwies sich in der Folgezeit als ebenso ungünstig wie spätere Neupflanzungen nach pflanzengeographischen Gesichtspunkten. Bis heute wurde versucht, den vielfältigen Standortbedingungen des Gartens Rechnung zu tragen und nach den Prinzipien von F. W. L. Pfeil eine möglichst standortgerechte Pflanzung vorzunehmen. In einigen Gartenbereichen jedoch gibt es gegenwärtig noch Ordnungsprinzipien mit systematischen Schwerpunkten.
Von 1953 bis 1970 übernahm Horst Lyr die Leitung des Instituts für Forstbotanik der Humboldt-Universität Berlin und des ihm angeschlossenen Gartens. Er arbeitete mit J. Consmüller (Technischer Leiter von 1953 bis 1963) und Ilse Seeliger (Leiterin des Forstbotanischen Gartens von 1963 bis 1978) zusammen. In den 1950er Jahren entstanden Sonderanlagen: Steingarten, botanisches System mit heimischen Krautpflanzen und Gräsern, eine Heckenanlage, ein Heil- und Gewürzpflanzenteil, ein Moor, ein Teich, ein Schattenstauden- und Großstaudenbeet mit Gunnera, ein Farnhang sowie ein „Afrikanum“.
Ebenso wurden auf Horst Lyrs Veranlassung nach Abschluss einer Vereinbarung mit dem Forstbetrieb ab 1955 Kleinbestände fremdländischer Gehölze (Kleinbestands-Arboretum) auf der Südseite der Straße in die Waldfläche eingebracht. Diese führen die von Schwappach um die Jahrhundertwende in Brandenburg angelegten Fremdländeranbauten fort. Im Osten begrenzt durch den alten Pfeilsgarten, im Westen durch die Schwärze, umfasst das Kleinbestandsarboretum eine Größe von etwa 40 ha. Auf seinen Teilflächen wurden bis heute 60 Gehölzarten angebaut. Seit 1977 gehört es zum eingetragenen „Landschaftsschutzgebiet Schwärzetal“. Die Uferbereiche der Schwärze und Quellmoore sind seit 1997 Naturschutzgebiet.
Nach der Schließung der Forstwirtschaftlichen Fakultät Eberswalde 1963 und der Verlagerung der studentischen Ausbildung an die TU Dresden (Tharandt), ordnete man den Forstbotanischen Garten dem Institut für Forstwissenschaften Eberswalde zu.
Ausgewählte, forstlich interessante Landschaftsgehölze wurden hier auf Flurholzeignung geprüft. Von 1978 bis 1996 leitete K. J. Endtmann den Garten. In dieser Zeit kamen im Solitär-Arboretum ein Quartier ostasiatischer Pflanzen, ein neues ökologisch-soziologisches System mit Zeigerpflanzen sowie eine Sonderanlage amerikanischer Krautpflanzen hinzu. An der Promenade „Schwappachweg“ entstand ein Gesteinslehrpfad.
Mit der Gründung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde im Jahre 1992 wurde der Forstbotanische Garten als zentrale Einheit wieder einer Hochschule angegliedert. Neben Forschung fand die Lehre der verschiedenen Fachbereiche wieder Einzug in den Garten. 1997 begannen im Solitär-Arboretum Arbeiten zur Umgestaltung und Erweiterung des Steingartens in ein Alpinum.
Neben dem Wert dieser Anlage für die Forschung und Lehre ist sie auch Anziehungspunkt für viele Erholungssuchende. In der jüngsten Vergangenheit wurde der Forstbotanische Garten auch Ort für kulturelle Veranstaltungen, wie das Purpur-Festival oder die Waldweihnacht.
Station 3: Entlang der Schwärze Richtung Spechthausen zur Kartenansicht >>
Nach dem Verlassen des Forstbotanischen Gartens geht es weiter Richtung Westen, wo sich die Zainhammermühle befindet. Sie diente seit 1779 Herstellung von Zainen (langgezogene, dünne Metallstäbe für die Messerschmiedefabrik), war seit 1824 eine Knochenmühle und später Getreidemühle. Danach fiel sie in einen Dornröschenschlaf und wurde Anfang der 1990er Jahre vom Kunstverein „Die Mühle e.V.“ als Kunst- und Veranstaltungsort wieder zu Leben erweckt.
Dem gelb markierten Wanderweg folgen. Kurz vor einer Brücke, welche die Schwärze überquert und wo es weiter zum Zoo von Eberswalde geht, nach links abbiegen und dem Verlauf des Flüsschens Schwärze folgen. Hier ist es ungeregelt und in seinem Lauf sehr naturnah. Besonders interessant ist das wasserbauliche Wirken der Biber, welche hier sehr stark auftreten.
Nach ca. 2,5 Kilometern wird der kleine Ort Spechthausen erreicht, der heute ein Ortsteil von Eberswalde ist. Auch hier kann die Spur des Holzes verfolgt werden. Die Werksiedlung Spechthausen entstand 1708 in unmittelbarer Nähe eines künstlich angestauten Mühlteiches. Grundlage der Siedlung war ein Eisenhammer mit Schmelzofen, den Johann Georg Specht bauen ließ. Der Eisenhammer wurde bereits 1724 durch eine Mahl- und Schneidemühle ersetzt.
Auf Anregung Friedrichs II. erfolgte der Umbau der Spechthausener Mühle zur Papierfabrik durch den Papiermacher Jean Dubois und ab 1787 Johann Gottlieb Ebart. Das handgeschöpfte Büttenpapier mit dem Specht im Wasserzeichen wurde bis 1956 in Spechthausen produziert. Die Papierfabrik stellte von 1874 bis 1945 das Papier für fast alle Banknoten sowie Wert- und Kreditbriefe, Aktien, Schecks und andere Wertpapiere für das Deutsche Reich her. Auch das Papier für die falschen Pfundnoten, die während des Zweiten Weltkriegs zur Destabilisierung der britischen Währung über London abgeworfen wurden, stammte aus Spechthausen. Ab 1956 wurde die Produktion in Spechthausen in eine bereits bestehende Papierfabrik in Wolfswinkel, damals ein Stadtteil von Finow, verlegt. Das Spechthausener Gelände wurde Lager der NVA. Heute werden die leer stehenden Werksanlagen teilweise von Künstlern genutzt.
Station 4: Nonnenfließ und Liesenkreuz zur Kartenansicht >>
Der Weg führt einige hundert Meter entlang der L 200 Richtung Melchow, vorbei an der Gaststätte „Waldhof“. Auf der linken Seite biegt ein Waldweg ab, der in das Nonnenfließ, ein Naturschutzgebiet, führt. Dieses kleine Tal überrascht mit seinem hohen Grad an Urwüchsig- und Natürlichkeit. Das trifft besonders auf das mäandrierende Fließgewässer zu, aber genauso auf die natürliche Waldbestockung, welche von der Rotbuche beherrscht wird.
Nach wenigen hundert Metern sieht man links am Weg eine Tafel, welche an Karl Donner (1832–1912) erinnert. Er studierte in Eberswalde und war 16 Jahre lang Leiter der Preußischen Staatsforstverwaltung. Ihm zu Ehren wurde ein stattlicher Ahornbaum zum Donner-Ahorn gekürt. Dieser wurde 2008 durch einen Sturm geworfen und 2012 im Rahmen eines Festaktes neu gepflanzt.
Nach etwa einem Kilometer gelangt man zum Forsthaus Geschirr. Hier gab es ursprünglich auch eine Mühle, von der noch alte Stauanlagen zeugen. In dieser wurden Lumpen für die Papierfabrik Spechthausen gestampft. Die Stauanlagen wurden inzwischen für wandernde Wasserbewohner passierbar gemacht.
Weiter geht es links am Forsthaus vorbei entlang des Nonnenfließes. Tief hat es sich hier in die Barnimplatte eingekerbt. Sehr schön kann man Gleit- und Prallhänge bestaunen und wegen natürlicher Barrieren, wie geworfenen Stämmen, sucht sich das Wasser immer neue Wege. Auch einige Quellmoore haben sich gebildet.
Nach etwa zwei Kilometern erreicht man die Wegekreuzung Liesenkreuz bzw. Luisenkrüz. Um diesen Ort ranken sich verschiedene Sagen. So soll hier ein Schäfer aus Eifersucht seine Braut Liese erschlagen haben. Eine andere Geschichte erzählt von einem Kloster, welches im oberen Bereich des Fließes gestanden haben soll. Durch Unzucht der Nonnen kam ein Fluch über das Kloster und eine Flutwelle spülte es weg. Nur eine Nonne namens Luise konnte sich aus den Fluten retten und errichtete aus Dankbarkeit an dieser Stelle ein Kreuz. Dieses existiert nicht mehr, aber eine urige Wanderhütte lädt zum Verweilen ein.
Station 5: Wiebeckedamm mit forstlichen Versuchsflächen und Möllers Grab zur Kartenansicht >>
Das Nonnenfließ über die neu errichtete Brücke überqueren und weiter in Richtung Osten wandern. Begleitet wird der Weg noch vom Brennengraben, welcher am Liesenkreuz in das Nonnenfließ mündet. Gut zwei Kilometer weiter befindet sich der sogenannte Wiebeckedamm, benannt nach dem Hochschullehrer Hugo Wiebecke, welcher in den 1920er und 1930er Jahren an der Eberswalder Forstakademie unterrichtete. Hier gibt es Ausschilderungen in verschiedene Richtungen – der gelben Markierung nach links folgen.
Links und rechts des Wiebeckedamms gibt es eine Vielzahl forstlicher Versuchsflächen. Sie sind sehr eng mit dem Namen Adam Schwappach verbunden, der von 1866 bis 1922 das forstliche Versuchswesen in Eberswalde leitete. Diese Flächen wurden als Dauerbeobachtungsflächen angelegt, um das Wuchsverhalten von verschiedenen Baumarten auf unterschiedlichen Standorten zu erforschen. Oft wurden die Flächen in verschiedene Parzellen eingeteilt, auf denen unterschiedliche Arten von Eingriffen (Durchforstungen) praktiziert wurden. Bei sogenannten Herkunftsversuchen wurde die gleiche Baumart untersucht, aber in den Parzellen unterschiedliche geografische Herkünfte gepflanzt. Diese Flächen hatten und haben immer einen Bezug zur forstlichen Praxis, denn durch die Erkenntnisse, welche von den Versuchsflächen gewonnen werden, können Schlussfolgerungen für die Bewirtschaftung größerer Waldflächen gezogen werden. Heute gibt es noch einige Versuchsflächen, die durch Schwappach angelegt worden sind und immer noch beobachtet werden. Diese Messreihen, die sich über den Zeitraum einer ganzen Baumgeneration ziehen, sind von hohem Wert. Hier können auch Erkenntnisse über die unterschiedlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Wachstum bestimmter Baumarten gezogen werden. Vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde werden heute noch 1.851 Versuchsflächen im gesamten Land Brandenburg beobachtet.
Als erstes kann nach wenigen hundert Metern auf der linken Seite des Weges auf das ausgeschilderte Lassiggestell (Lassig war in den 1970er und 1980er Jahren Leiter der Oberförsterei Eberswalde) eingebogen werden, wo sich eine solche Versuchsfläche befindet. Sie fällt besonders durch die Nummerierung der Bäume auf. Dies ist notwendig, damit man die Bäume bei jeder neuen Aufnahme (in der Regel aller 10 Jahre) wieder auffindet. In den Unterlagen hat somit jeder Baum seine „Hausnummer“. Auf dieser Fläche wird das Wachstum von Rotbuchen und Kiefern untersucht.
Weiter geht es auf dem Wiebeckedamm und nach wenigen Metern wird die Gedenkstätte Möllers Grab erreicht. Man muss etwas Obacht geben, damit man den Platz findet – aber ein Schild weist den Weg. Alfred Möller studierte an der Höheren Forstlehranstalt in Eberswalde und promovierte in Münster. Daran schloss sich ein dreijähriger Studienaufenthalt in Brasilien an, den Möller zu Forschungen über tropische Pilze nutzte. Seit 1899 lehrte Möller als Professor an der Forstakademie Eberswalde und führte diese von 1906 bis 1921 als deren Direktor. In Eberswalde gründete er ein anerkanntes Pilzinstitut.
Alfred Möller kam durch seine Pilzstudien und die Bewirtschaftung der Wälder in Bärenthoren (heute Sachsen-Anhalt) durch den Freiherren von Kalitsch zu der Einsicht, dass der Wald als ein ganzheitlicher Organismus zu begreifen ist. In ihm ist ein Glied von dem anderen anhängig – wird eins entfernt, so ist auch der Gesamtorganismus geschädigt. Daraus entwickelte er die These des Dauerwaldes, eines Waldes, welcher dauernd mit Bäumen bestockt ist, also ohne Kahlschläge zu bewirtschaften ist. Damit wurde er zu einem Pionier einer Waldbewirtschaftung, welche heute großflächig angewendet wird.
Jedoch hatte Möller wie alle Visionäre zu seiner Zeit mit heftigsten Widerständen gegen seine Theorie zu kämpfen. In den 1920er Jahre tobte in den forstwissenschaftlichen Zeitschriften im gesamten deutschsprachigen Raum ein heftiger Streit über den Dauerwald. Leider führte das auch zu unsachlichen und persönlichen Angriffen, denen Möller letztendlich nicht gewachsen war. Er wurde 1921 aus vorgeschobenen Gründen von der Leitung der Forstakademie abberufen und starb ein Jahr später an plötzlichen Herztod mit nur 62 Jahren. Er hatte noch seine Begräbnisstätte bestimmt – an eben jener Stelle, wo sich Anlagen zu seinen Untersuchungen an Pilzen befanden. Man kann die Grundmauern des sogenannten Pilzkellers direkt am Grab noch gut erkennen. Später wurde auch seine Frau hier beigesetzt und ein Feldstein sowie ein großes Holzkreuz errichtet. Unmittelbar hinter dem Kreuz steht der Stumpf einer abgestorbenen Buche – umgeben von vielen jungen Buchen aus Naturverjüngung. Dies ist ein sehr lebendiges Denkmal für Alfred Möller und seiner Dauerwaldtheorie.
Als Nachfolger von Möller wurde Alfred Dengler auf dessen Lehrstuhl berufen, ein erklärter Gegner der Waldauffassung seines Vorgängers. Dengler schloss umgehend das von Möller begründete mykologische Institut, damals das größte und angesehenste dieser Art in Europa. Die ganzheitliche Ausrichtung der Forschung des Lehrstuhls wurde eingestellt.
Eine kurze Renaissance erlebte die Dauerwaldbewegung in der Zeit des Nationalsozialismus, als sie zur waldbaulichen Richtlinie erklärt wurde. Auch in den 1950er Jahren wurden die Gedanken Möllers in der DDR als „Standortgemäße Forstwirtschaft“ noch einmal aufgegriffen, ehe die industriemäßige Holzproduktion Einzug hielt. Heute wird im Landeswald in Brandenburg die naturnahe Waldwirtschaft erfolgreich umgesetzt und damit das Leitbild von Alfred Möller in der Praxis angewandt.
Es geht auf dem Wiebeckedamm weiter, an der nächsten Wegekreuzung kurz nach rechts abbiegen. Dort befindet sich eine Versuchsfläche von besonderem Wert. Sie zählt zu den ältesten ihrer Art, wurde bereits 1874 angelegt und als „Eberswalde 134“ bezeichnet. Es handelt sich hier um einen reinen Buchenbestand, doch ursprünglich war es ein Kiefernforst mit Buchenunterbau. Auf verschiedene Arten der Durchforstung wurden die Kiefern nach und nach entfernt und heute wird das Wuchsverhalten der Buche weiterhin untersucht. Das hat gerade vor dem Hintergrund der Hauptaufgabe der Waldwirtschaft in Brandenburg – der Umwandlung von reinen Kiefernbeständen in Mischbestände – einen hohen Wert.
Auf dem Wiebeckedamm geht es weiter in Richtung Norden, wo sich auf der linken Seite eine Versuchsfläche mit sogenanntem Ausländerversuchsanbau befindet. Immer wieder wurde in vergangener Zeit versucht, Bäume aus anderen Regionen und Erdteilen hier auf ihre Anbauwürdigkeit zu testen. Ging es dabei früher um die Steigerung der Holzproduktion, so werden heute diese Baumarten auf ihre Klimatauglichkeit untersucht. Auch in dieser Beziehung kann man vom Wirken unserer Ahnen profitieren. Bei diesem Bestand handelt es sich um Riesen-Lebensbäume, welche aus Nordamerika stammen und hier als beachtliche Exemplare zu besichtigen sind. Schwappach legte insgesamt 22 solcher Bestände am Ende des 20. Jahrhunderts um Eberswalde herum an.
Kurz bevor der Weg auf die Landesstraße L 200 mündet, biegt nach rechts der wieder mit Gelb markierte Wanderweg ab. Er führt durch die sogenannte Oberheide, welche zum Stadtwald von Eberswalde gehört. Dort befindet sich der Waldcampus.
Station 6: Waldcampus zur Kartenansicht >>
Auf dem heutigen Waldcampus Eberswalde haben mehrere forstliche Einrichtungen ihren Sitz. Es handelt sich dabei um das Thünen-Institut für Waldökosysteme (eine Einrichtung des Bundes), den Fachbereichen Wald und Umwelt sowie Holzingenieurwesen der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung, dem Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (Einrichtung des Landesbetriebes Forst Brandenburg) und die Materialprüfungsanstalt Brandenburg.
Das bauliche Ensemble der Gebäude auf dem Waldcampus ist gleichsam eine Zeitreise durch die Geschichte der Architektur. Das erste Haus, welches hier errichtet wurde, ist das Institut für Waldschutz auf der linken Seite vom Wald kommend. Fritz Schwerdtfeger, ein berühmter Forstzoologe, wurde 1933 von der Preußischen Staatsforstverwaltung beauftragte, in Eberswalde eine Abteilung Schädlingsbekämpfung der Preußischen Forstlichen Versuchsanstalt aufzubauen. Dies war eine direkte Reaktion auf das großflächige Auftreten von Kieferngroßschädlingen wie der Forleule in den 1920er Jahren. Daraus ging 1937 ein eigenständiges Institut für Waldschutz hervor. Dieses zog 1938 in das neuerrichtete Gebäude auf dem heutigen Waldcampus ein. Schwerdtfeger hatte das Geld für den Bau – 120.000 Reichsmark – zu 75 % selbst eingeworben. Nach 1945 setzte er seine wissenschaftliche Laufbahn in der Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen fort und brachte ein Standardwerk „Die Waldkrankheiten“ heraus. Dies entstand aber noch in seiner Eberswalder Zeit.
Das Haus ist ganz im damaligen Zeitgeschmack errichtet. In einem Seitenflügel befand sich die Wohnung des Institutsdirektors, was zu dieser Zeit üblich war – Wohnen und Arbeiten lagen eng beieinander. Besonders interessant ist die Innenausgestaltung, wo viele Elemente aus Holz und Stein verwendet wurden. Ins Auge sticht die Wandbemalung im Treppenhaus. Hier sind Szenen aus der damals üblichen Art und Weise der Bekämpfung von Schadinsekten dargestellt, ein spannendes Zeitzeugnis.
Direkt gegenüber befindet sich das Gebäude des heutigen Landeskompetenzzentrums Forst, der Nachfolgeeinrichtung der ehemaligen preußischen Forstlichen Versuchsanstalt. Für diesen Komplex wurde 1953 der Grundstein gelegt und die Übergabe erfolgte abschnittsweise. Es verwundert noch heute, mit welchem Aufwand dieses Gebäude wenige Jahre nach dem Krieg errichtet wurde. Viele Stilelemente des Waldschutzgebäudes aus der Nazizeit wurden hier wieder aufgenommen, wie zum Beispiel der Eingangsbereich und auch bei der Innenausstattung mit großzügigen Fluren mit Messingkronenleuchter, Lichthöfen und Treppen. Das Dienstzimmer des Institutsdirektors war mit Möbeln aus Nussbaum und Mahagoni nach einem Entwurf des berühmten Architekten Bruno Paul aus den Werkstätten Hellerau bestückt. Auch ein Hörsaal gehört dazu. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und wurde vor wenigen Jahren umfangreich saniert. Bis 1990 war es Sitz des Institutes für Forstwissenschaften der DDR.
In den 1960er, 1970er und 1980er Jahren erfolgten zahlreiche Anbauten, welche aber in ihrer zeitlichen Abstufung die vorherige Ausführungssorgfalt vermissen lassen. Dazu zählt das Gebäude des heutigen Thünen-Institutes und im östlichen Bereich das heutige Haus der Hochschule. Es war ein reiner schmuckloser Zweckbau, welcher nach 1990 noch umgebaut wurde. Erst in jüngster Zeit kam das sogenannte Pfeilauditorium dazu, welches einen großen und einen kleinen Hörsaal hat und durch seinen Rundbau besticht. Eine eigene architektonische Note besitzt auch das Mensagebäude, welches als letztes errichtet wurde. Es ist quasi an den Hang gebaut und nimmt auch im Inneren die Hangneigung auf.
Vom Waldcampus geht es über die Alfred-Möller-Straße wieder in das Schwärzetal. Über die Brunnenstraße und den Weidendamm geht es an den Ausgangspunkt unserer forsthistorischen Wanderung zurück.
Empfohlene Zitierweise
Michael E. Luthardt: “Den Forstwissenschaften auf der Spur – eine Wanderung in und um Eberswalde” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/80_e_514-auf-forsthistorischen-spuren/, Stand 07.12.2020
Quellen und weiterführende Literatur
- Archiv des Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde
Bildnachweise
- Titelbild: Markierte Bäume auf einer Versuchsfläche, Foto: Michael E. Luthardt
- Vorschaubild: Waldsolarheim - Haus der Waldarbeit, Foto: Michael E. Luthardt