Probstheida – Auf dem Boden der Völkerschlacht
Von Heinz Peter Brogiato – 06/2015
Weitgehend ohne Industrialisierung entwickelte sich Probstheida vom Angerdorf zum Leipziger Wohnvorort. Von der Prager Straße aus führt der Rundweg durch die alte Dorflage, in der stets die Völkerschlacht von 1813 präsent ist. Neben der gründerzeitlichen Bebauung wird der Ortsteil von interessanten Wohnsiedlungen der 1920er und 1930er Jahre geprägt.
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Einleitung
Probstheida wurde, wie auch benachbarte Orte, während der Völkerschlacht 1813 fast vollständig zerstört. Heute gehören zwei der bekanntestes Kulturdenkmale Leipzigs zum Ortsteil: der Südfriedhof und das Völkerschlachtdenkmal. Auf dem Rundgang soll der alte Ortskern im Mittelpunkt stehen. Beim Wiederaufbau des Ortes nach 1813 orientierte man sich an der historischen Struktur. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb Probstheida fast ausschließlich bäuerlich geprägt, die Bebauung beschränkte sich auf die Hauptstraße um den Dorfanger.
Eine Erkundung Probstheidas beginnt und endet am besten an der Prager Straße (vor 1950 Preußenstraße, 1950–1991 Leninstraße). An der alten Chaussee setzte bereits im 19. Jahrhundert die Bebauung mit Mietshäusern ein.
Für weitere Informationen zu Probstheida, dem Südfriedhof und dem Völkerschlachtdenkmal siehe Denzer et al. 2015 ab Seite 310.
Station 1: "Heim für gebrechliche Kinder" zur Kartenansicht >>
Wenn man stadtauswärts fährt, ist gleich das erste Wohnhaus (Nr. 214) eine Villa im Landhausstil aus dem beginnenden 20. Jahrhundert. Dahinter, von der Straße zurückversetzt, befindet sich ein bemerkenswertes Baudenkmal der Neuen Sachlichkeit. Bauherr war der in Leipzig 1909 gegründete Verein Humanitas, dessen Ziel es ist, Menschen mit Behinderungen zu fördern, auszubilden und medizinisch zu betreuen. 1929 bezog der Verein sein „Heim für gebrechliche Kinder“ am Rand des Südfriedhofs. Der Architekt Georg Wünschmann (1868–1937), vor dem Ersten Weltkrieg ein Hauptvertreter des Historismus in Leipzig, errichtete ein Backsteingebäude mit einem L-förmigen Grundriss. Im Gebäude waren Klinik, Krankenheim und Schule untergebracht.
Nach 1945 wurde der Verein aufgelöst und die Einrichtung in „Dr. Georg Sacke-Heim“, in Erinnerung an den deutschen Historiker und Widerstandskämpfer Georg Sacke (1902–1945), umbenannt. Seit 1955 fungierte das Heim als Städtische Klinik für Orthopädie und Rehabilitation. Seit der Reprivatisierung und der Wiederbegründung des Vereins betreibt Humanitas hier ein Wohnheim für körperbehinderte Kinder und Jugendliche, eine Frühförderstelle und eine Integrationskindertagesstätte.
Station 2: Erholungspark Südost zur Kartenansicht >>
Auf der gegenüberliegenden Seite der Prager Straße befindet sich eine 10 ha große Grünfläche, die unterschiedliche Namen trägt: Erholungspark Südost, Freundschaftspark, Park der Erinnerungen. Hier befanden sich die Etzoldschen Sandgruben, die um 1898 angelegt wurden, um Baumaterial für das Völkerschlachtdenkmal zu gewinnen. Die Hohlräume wurden nach 1945 mit Bauschutt abgebrochener Gebäude verfüllt. Darunter befinden sich auch die Reste der 1968 gesprengten Universitätsbauten einschließlich der Paulinerkirche und der 1978 gesprengten Reudnitzer Markuskirche. Auf dem bis zu 16 m hohen Trümmerberg entstand in den 1980er Jahren eine Rodelbahn. Erst nach der Wende durfte an die Herkunft des Füllmaterials erinnert werden. Seit 2011 befindet sich auf dem Plateau des Areals ein Gedenkort mit Klanginstallation.
Station 3: "Brauhaus Zum Kaiser Napoleon" zur Kartenansicht >>
An der Kreuzung mit der Russenstraße beginnt der eigentliche alte Dorfkern von Probstheida. Im Kreuzungsbereich befindet sich die Traditionsgaststätte „Brauhaus Zum Kaiser Napoleon“. Bereits im 17. Jahrhundert wurde an dieser Stelle ein Ausspannhof erwähnt, die heute ältesten Gebäude stammen aus der Zeit nach der Völkerschlacht. Hinter dem Gasthof stehen die Produktionshallen einer stillgelegten Brotfabrik („Löwenbäcker“).
Entlang der Russenstraße befindet sich der Dorfanger, dessen Umgebung sich durch Gebäudeabrisse, Um- und Neubauten stark verändert hat. Die ehemalige Hauptstraße wurde 1911 in Erinnerung an die Beteiligung der russischen Armee an der Völkerschlacht in Russenstraße umbenannt. An der nördlichen Seite des Platzes stehen noch einige historische Gebäude, darunter das Pfarramt (Nr. 23) aus dem Jahr 1907/ 08.
Station 4: Immanuelkirche zur Kartenansicht >>
Auf dem Anger steht die klassizistische Immanuelkirche. Nach der Zerstörung des Vorgängerbaus während der Kämpfe von 1813 wurde der Neubau 1818 eingeweiht. Ein 1913 auf dem Anger gesetzter Gedenkstein erinnert an die Völkerschlacht.
Am östlichen Ende des Platzes befindet sich die 1843 erbaute alte Schule, die nach 1887 als Polizeiwache diente. Damals wurde ein neues, dreigeschossiges Schulgebäude einige Meter entfernt in der Nieritzstraße (Nr. 9) errichtet.
Eines der ältesten Mietshäuser (Nr. 49) aus der Mitte des 19. Jahrhunderts befindet sich an der Abzweigung der Täschnerstraße. Von kulturhistorischer Bedeutung ist auch die Russenstraße Nr. 46. Hier befand sich eine kleine Druckerei, in der Lenin 1901/ 02 die ersten Nummern der revolutionären Zeitung „Iskra“ (Funke) produzieren ließ. Zwischen 1956 und 1991 befand sich im Gebäude eine Gedenkstätte.
Auf einem Fußweg gelangt man von der Russen- zur Strümpellstraße. Hier streift die Route einen Krankenhauskomplex, der mit mehr als 2500 Beschäftigten inzwischen auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist. Die private Helios-Gruppe betreibt an diesem Standort drei Kliniken, darunter eine Klinik für Suchterkrankungen und eines der größten Herzzentren der Welt.
Station 5: "Leipziger Schultyp" zur Kartenansicht >>
Die kurze Zweifelstraße ist an ihrer östlichen Seite lückenlos von einer Wohnanlage aus dem Jahr 1932 bebaut. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Schulkomplex, der sich von der Wunderlichstraße her erschließt. Es handelt sich um eine von drei Schulen, in denen Hubert Ritter (1886–1967) sein Konzept eines „Leipziger Schultyps“ realisierte. Große Freiflächen, Sportanlagen und Turnhallen sowie möglichst optimale Lichtverhältnisse in den Klassen gehörten zu den Merkmalen. Eine weitere Schule dieses Typs können Sie in Plagwitz entdecken. Nach 1945 wurde das Schulgebäude Heimstatt der 31. Oberschule, seit 1999 ist es Domizil des Beruflichen Schulzentrums.
Station 6: Wohnungsbau der 1920er Jahre zur Kartenansicht >>
Kurz vor der Einmündung der Wunderlichstraße in die Prager Straße führt der Weg vorbei an einem architektonisch auffallenden Wohnblock. Auf der Grundlage eines 1919 veröffentlichten Bebauungsplans der Leipzig-Probstheidaer Terraingesellschaft entstanden hier zwischen 1920 und 1926 neue Wohnbauten. In geschlossener Bebauung umschließen die Wohnblöcke einen großen begrünten Innenhof. Nach vollständiger Sanierung zwischen 1999 und 2001 befinden sich heute 216 Wohneinheiten in dem Objekt.
Von den ursprünglich vier Zeilenbauten, die südlich davon zwischen Wunderlichstraße und Franzosenallee 1925 erbaut wurden, sind die beiden nördlichen inzwischen abgerissen worden.
Folgt man der Prager Straße einige Meter in nördlicher Richtung erreicht man wieder den alten Dorfkern. An der Bockstraße befindet sich seit 2001 ein Seniorenheim. Alte Bebauung hat sich dagegen an der Nieritzstraße erhalten. Die zweistöckigen Wohngebäude gehören zu den frühen Ausbauten der 1870er und 1880er Jahre.
Station 7: Ehemaliges Gemeindeamt zur Kartenansicht >>
Auf der gegenüberliegenden Seite der Prager Straße steht als Kopfbau im Winkel zwischen Connewitzer und Dösner Straße das ehemalige Gemeindeamt, das noch wenige Jahre vor der Eingemeindung nach Leipzig im Jahr 1910 errichtet worden war. In westlicher Richtung schließt sich bis zum Bruno-Plache-Stadion eine kleine Villenkolonie an.
Empfohlene Zitierweise
Heinz Peter Brogiato: “Probstheida – Auf dem Boden der Völkerschlacht” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/78_e_514-probstheida/, Stand 15.06.2015
Quellen und weiterführende Literatur
- Vorschaubild: Gasthof Probstheida mit dem Völkerschlachtdenkmal im Hintergrund, Ansichtskarte um 1915. IfL: PKL-Prob011
- Titelbild: © Mapbox © OpenStreetMap, Bearbeitung: Vera Schreiner (IfL)
- Brogiato, Heinz Peter (2013): Über den Dächern von Leipzig. Luftbilder 1909–1935. 2. Aufl. – Leipzig.
- Brogiato, Heinz Peter (2009): Leipzig um 1900. Zweiter Band. Die Stadtteile in kolorierten Ansichtskarten aus dem Archiv des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig e.V. – Leipzig.
- Denzer, Vera; Dix, Andreas; Porada, Haik Thomas (Hrsg.) (2015): Leipzig: Eine landeskundliche Bestandsaufnahme. Landschaften in Deutschland, Bd. 78. – Köln.
- Kretzschmar, Karl-Heinz (1971): Probstheida – vom Dorf zum Großstadtteil. Eine siedlungsgeographische Untersuchung, in: Arbeitsberichte zur Geschichte der Stadt Leipzig 9, Nr. 20, S. 44–74.
- Mewes, Petra u. Peter Benecken (2013): Leipzigs Grün. Ein Park- und Gartenführer. – Leipzig.