Themenbereiche Siedlung & Bevölkerung

Vergleichende Betrachtung der demografischen Entwicklung der Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen und deren Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur von Lommatzsch und Wilsdruff nach 1989/90

Von Michaela Stock – 12/2022

Die demographischen Veränderungen der Kleinstädte Lommatzsch und Wilsdruff seit der politischen Wende werden in den Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen betrachtet. Die Entwicklung einzelner Altersgruppen verlief sehr unterschiedlich; die Anzahl der Kinder und Jugendlichen im Betrachtungsraum zeigt sich über die Jahre hinweg stark veränderlich. Dies hatte Auswirkungen auf Kindergarten- und Schulstandorte der Region.

Kinder im Kindergartenalter (0 bis 3 Jahre)

Abb. 1: Entwicklung der Altersgruppe der Kleinkinder (0 bis 3 Jahre)
Abb. 1: Entwicklung der Altersgruppe der Kleinkinder (0 bis 3 Jahre) (Grafik: IfL)
Abb. 2: Entwicklung der Altersgruppe der Kindergartenkinder (3 bis 6 Jahre)
Abb. 2: Entwicklung der Altersgruppe der Kindergartenkinder (3 bis 6 Jahre) (Grafik: IfL)

In der Stadt Lommatzsch gibt es zur Betreuung der Kinder das Kinderhaus Sonnenschein (2019), eine integrierte Kindertagesstätte. Kleinkinder und Kindergartenkinder werden hier in einer Einrichtung gemeinsam betreut. Die Einrichtung befindet sich in Trägerschaft der Stadt Lommatzsch. Für die Kinderbetreuung in der Gemeinde Lommatzsch stehen des Weiteren zwei Tagesmütter zur Verfügung, eine im Schützenhaus Lommatzsch und die andere in Nossen. Die Vorschule „Am Markt“ bereitet die Kinder auf den Übergang in die Grundschule vor. Sie liegt in der Nähe der Grundschule. Die Einrichtungen wurden in den letzten Jahren umfassend saniert. Trotz des Einbruchs der Anzahl der Kleinkinder und Kinder bis sechs Jahre nach 1990 ist es in Lommatzsch gelungen, die Einrichtungen zu halten und damit die Betreuung der Kinder sicherzustellen.

Die Stadt Wilsdruff hat ein breites Netz an Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder. Zurzeit (2019) können die Eltern zur Betreuung der Kinder zwischen acht Kindertagesstätten, zwei Kinderkrippen und fünf Tagesmüttern wählen. Aufgrund der Nachfrage an Kleinkinderbetreuungsplätzen wurden die Kapazitäten ständig erweitert und die vorhandenen Einrichtungen saniert und an die heutigen Ansprüche angepasst.

Die Entwicklung der Infrastruktur für Kinder verlief in beiden Städten auch sehr unterschiedlich.

In Lommatzsch stand der Erhalt der Einrichtungen im Vordergrund, der aufgrund der sinkenden Kinderzahl nach der Wende nicht mehr gewährleistet schien. Schließlich wurde eine integrierte Kindertagesstätte als Lösung gewählt, um flexibel auf Veränderungen in der Altersstruktur eingehen zu können. Da somit eine zentrale Einrichtung für die Stadt mit ihren 38 Ortsteilen geboten wird, ist allerdings eine Betreuung im Wohnort nicht mehr gegeben. Durch die Modernisierungsmaßnahmen der letzten Jahre sind jedoch liebevoll gestaltete Einrichtungen für die Kinder entstanden. Mit der Vorschule wird den Kindern der Übergang von einem in den anderen Lebensabschnitt erleichtert.

Während in Lommatzsch die Anzahl an Kindern seit der Mitte der 1990er Jahre auf gleichbleibend niedrigem Niveau stagnierte, musste die Stadt Wilsdruff in den letzten Jahrzehnten die Betreuungskapazitäten ständig erweitern, da die Anzahl an Kindern stieg. Das Angebot ist hierdurch vielfältiger geworden; eine wohnortnahe Betreuung der Kinder war dabei ein vorrangiges Ziel. Eine solche wohnortnahe Kinderunterbringung ist für die Wohnqualität junger Familien von entscheidender Bedeutung, diese gilt es daher dauerhaft zu halten, damit auch die zukünftigen Generationen hier gute Lebensbedingungen vorfinden. Seit 2018 sinkt die Anzahl der Kleinkinder auch in Wilsdruff leicht, die Zukunft wird zeigen, wie anpassungsfähig die dortige vielfältige Angebotsstruktur ist. Der Bestand an integrierten Einrichtungen von Krippe, Kindergarten und Hort sollte es jedoch ermöglichen, das Platzangebot differenziert und flexibel gemäß der Nachfrage zu gestalten.

Kinder im Grundschulalter (6 bis 10 Jahre)

Abb. 3: Entwicklung der Kinder im Grundschulalter (6 bis 10 Jahre)
Abb. 3: Entwicklung der Kinder im Grundschulalter (6 bis 10 Jahre) (Grafik: IfL)

Die Stadt Lommatzsch war und ist Grundschulstandort. Die Grundschule „Lommatzscher Pflege“ befindet sich in öffentlicher Trägerschaft. Der Schulbezirk umfasst Lommatzsch mit seinen Ortsteilen, das linkselbische Gebiet der Gemeinde Diera-Zehren und das Gebiet der ehemaligen Gemeinde Leuben-Schleinitz. In den letzten Jahrzehnten wurde in das Schulgebäude immer wieder investiert und die Schule umfassend sowohl im Innen- als auch im Außenbereich einschließlich der Turnhalle modernisiert. Die Schule läuft grundsätzlich zweizügig, aber schon im Schuljahr 2004/2005 konnte sie dreizügig geführt werden. Dies war auch in den Jahren 2017 und 2018 der Fall. Im Schuljahr 2019 konnten sogar vier erste Schulklassen eingeschult werden. Der Kinderhort „Kindertraum“ übernimmt die Betreuung der Grundschulkinder vor und nach dem Unterricht.

Nicht immer befand sich in Lommatzsch das schulische Zentrum der Umgebung. Anfang der 1990er Jahre verfügten die Landgemeinden um die Stadt Lommatzsch über ein dichtes und ortsnahes Grundschulnetz. Der Geburtenknick nach der politischen Wende wirkte sich ab Mitte der 1990er Jahre auch auf die Anzahl der Grundschüler aus. Die Auslastung der Grundschulen sank bis 2000 drastisch. Dies hatte in den Landgemeinden um Lommatzsch massive Auswirkungen, denn zahlreiche Grundschulstandorte waren in ihrer Existenz gefährdet.

Das Sächsische Schulgesetz macht Vorgaben zum Mindestbesatz und zur Klassengröße. Um die Jahrtausendwende wurden auf dieser Grundlage zahlreiche Grundschulen geschlossen. Von 15 Grundschulstandorten blieben sieben erhalten. Eine Zahl, die die Dramatik des Geschehens aus Sicht der betroffenen Familien und den Kampf um die Schulstandorte nur unzureichend darstellt.

Im Gebiet der Stadt Wilsdruff befinden sich derzeit (2022) vier Grundschulen, drei davon in öffentlicher und eine in privater Trägerschaft.

Das Angebot an Grundschulen in der Stadt Wilsdruff ist derzeit recht vielfältig. Dem Ausbau des Grundschulangebotes steht jedoch die Abstufung der ehemaligen Polytechnischen Oberschule über eine Grund- und Mittelschule zur Grundschule im Jahr 2004 gegenüber. Diese kann als typisch für die Entwicklung in ländlichen Räumen bezeichnet werden.

Nach der politischen Wende 1989/90 wurde die Schulstruktur grundlegend verändert. Aus den zehnjährigen Polytechnischen Oberschulen (POS) wurden Grund- und Mittelschulen. Dieser Prozess war damit nicht beendet, sondern im ländlichen Raum nur der Anfang. Alle Schulstandorte stellte man aufgrund der sinkenden Schulkinderzahlen auf den Prüfstand. Ein schmerzlicher Prozess von Schließungen von Schulstandorten auf Grundlage des Sächsischen Schulgesetzes folgte.

Exemplarisch lässt sich in Ostrau eine solche Entwicklung vom Oberschulstandort zum Mittel- und Grundschulstandort und die weiteren Schulschließungen aufgrund mangelnder Schülerzahlen nachvollziehen. Im Jahr 1963 wurde die Landschule in Ostrau eingeweiht. In drei Jahren Bauzeit entstand die Schule auch durch viele freiwillig geleisteten Arbeitsstunden der Bevölkerung und ansässiger Betriebe. Die „Ernst-Thälmann-Oberschule“ blieb bis August 1992 bestehen und wurde danach in einen Grund- und Mittelschulstandort umgewandelt. Mit sinkenden Schülerzahlen drohte 2005 die Schließung des Mittelschulstandortes. Am 9. März 2005 fanden sich Eltern und Lehrer zusammen, um den Schulstandort zu retten. Zahlreiche Aktivitäten, etwa eine Demonstration von 300 Ostrauern für den Erhalt der Schule im Mai 2005, halfen nicht. Im August 2007 erfolgte die Schließung der Mittelschule. Die verbliebene Grundschule wurde zur Ganztagesschule mit integriertem Hort, deren baulicher Zustand jedoch zunehmend Grund zur Sorge war. Ab 2009 suchte die Kommune nach finanziellen Lösungen für einen Schulneubau. 2012 wurde schließlich das alte Gebäude aus den 1960er Jahren abgerissen. 2014 erfolgte die feierliche Einweihung der neuen Grundschule mit Hort.

Erst seit 2008 existiert für Schulstandorte im ländlichen Raum Sonderregelungen abweichend von den Vorgaben zur Mindestschülerzahl und Zügigkeit. Bis dahin war es ein langer Weg und Kampf, zum Teil um jeden einzelnen Schulstandort. Nun dürfen Grundschulen ab 60 Schülerinnen und Schülern fortgeführt werden. Die Klassenstärke je Klassenstufe muss dabei mindestens zwölf Schülerinnen und Schüler betragen. Weiterhin gibt es auf Beantragung und Genehmigung die Möglichkeit des jahrgangsübergreifenden Unterrichts bei einer Mindestanzahl von 15 Schülerinnen und Schülern. Grundsätzlich werden im ländlichen Raum weiterhin flexible Lösungen benötigt, um zuverlässig eine wohnortnahe Schulversorgung zu ermöglichen.

Kinder und Jugendliche in der schulischen Ausbildung (10 bis 15 Jahre)

Abb. 4: Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in der Schulausbildung (10 bis 15 Jahre)
Abb. 4: Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in der Schulausbildung (10 bis 15 Jahre) (Grafik: IfL)
Abb. 5: Entwicklung der Jugendlichen in schulischer oder beruflicher Ausbildung (15 bis 18 Jahre)
Abb. 5: Entwicklung der Jugendlichen in schulischer oder beruflicher Ausbildung (15 bis 18 Jahre) (Grafik: IfL)

Die heutige zweizügige Oberschule „Lommatzscher Pflege“ der Stadt Lommatzsch hat in den letzten Jahrzehnten eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich. In den Oberschulen (Bezeichnung seit dem 1. August 2013, vorher Mittelschulen) setzte der Rückgang der Schülerzahlen im Vergleich zu Kindergärten und Grundschulen erst verzögert ein. Dann jedoch stand auch der Fortbestand dieses Standortes aufgrund sinkender Schülerzahlen immer wieder infrage. Erst im Jahr 2008 bestätigte das Sächsische Kultusministerium die offizielle Standortsicherheit, sodass von 2008 bis 2010 endlich notwendige Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten.

In der Stadt Wilsdruff existieren eine Oberschule und ein Gymnasium. Beide Schulen liegen im Stadtzentrum selbst. Während die drei- bis vierzügige Oberschule schon länger besteht, ist das gymnasiale Angebot neu. Am 10. Oktober 2020 zur feierlichen Einweihung des neuen Gymnasiums (dreizügiges Gymnasium mit Zwei-Feld-Sporthalle) waren drei Jahre seit dem symbolischen ersten Spatenstich 2017 vergangen. Das Angebot besteht seit dem Schuljahr 2018/2019, als der Schulbetrieb des Gymnasiums in der Ausweichstelle Freital-Kleinnaundorf begann.

Fazit

Die nach der politischen Wende sinkenden Geburtenzahlen, die sich zeitverzögert in sinkenden Kindergarten- und Schulkinderzahlen niederschlugen, führten durch die strikte Umsetzung unflexibler gesetzlicher Vorgaben zu zahlreichen Schulschließungen im ländlichen Raum. Die Anfahrtswege zu den Schulen, insbesondere zu den weiterführenden Schulen, haben sich für die Kinder im peripheren ländlichen Raum nach der Wende erheblich verlängert. Dabei wäre eine gute wohnortnahe Versorgung mit Kinderkrippen-, Kindergarten- und Schulangeboten für die künftige Entwicklung der ländlichen Regionen von entscheidender Bedeutung, trägt sie doch zur Wohnortentscheidung und zur Lebensqualität junger Familien maßgeblich bei. Die Zentralisierung der Betreuungsangebote ist aus Sicht der betroffenen Regionen daher keine nachhaltige Vorgehensweise.


Empfohlene Zitierweise

Michaela Stock: “Vergleichende Betrachtung der demografischen Entwicklung der Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen und deren Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur von Lommatzsch und Wilsdruff nach 1989/90” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/83_b_101-alterskohorten-kinder-jugendliche-lommatzsch/, Stand 10.12.2022

Quellen und weiterführende Literatur

  • Die Datengrundlage für die Graphiken in diesem Beitrag entstammen dem Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen.

Bildnachweise

  • Titel- und Vorschaubild: Oberschule in Lommatzsch (Foto: Uta Hähnel)